Skip to main content

Full text of "Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft"

See other formats


Glass.  (Q.  t"  ..  I 

Book  >  J)4 

SMITHSONIAN..DEPOSIT 


3 


Zeitschrift 


der 

Deutsclien  Geologischen  Gesellschaft, 

(Abhandlungen  und  Monatsberichte.) 


66.  Band. 
1914. 

(Mit  40  Tafeln.) 


Berlin  1915. 


Verlag-  von  Ferdinand  Enke 
Stuttgart. 


Universitats-Buchdruckerei  von  Gustav  Schade  (Otto  Francke),  Berlin  N. 


lnhalt. 

Hinter  dem  Titel  der  Veroffentlicbungen  bedeutet  4:  Abbandlung, 
5:  Brief licbe  Mitteilang  imd  V:  Vortrag. 
(Die  Seitenzahlen  der  Monatsbericbte  sind  kursiv  gedruckt.) 


Seite 


Beck,  Richard:  Uber  einen  GraniteinscbluB  im  Pecbstein  von 
Garsebacb  bei  MeiBen  und  uber  Entwasserungsvorgange  in 
diesem  Gestein.    (Mit  1  Textfigur.)    B  .244 

Chaulesworth,  John  K.:  Das  Devon  der  Ostalpen.  V.  Die 
Fauna  des  devoniscben  Riffkalkes.  III.  Crinoiden.  JV.  Korallen 
und  Stromatoporoiden.  (Hierzu  Tafel  XXVIII  bis  XXXIV 
und  5  Textfiguren.)    A   .  330 

Dorpinghaus,  W.  T.:  Die  Aniblygonitgange  von  Caceres  in  Spanien 
und  ibr  genetiscbes  Verbaltnis  zu  den  Zinnsteinvorkommen 
(ein  neuer  Typus  pneumatolytiscber  Lagerstatten).    V.  .  .   .  342 

Eck,  Otto:  Die  Cephalopoden  der  Schwnfurthscben  Sammlung 
aus  der  Oberen  Kreide  Agyptens.  (Hierzu  Tafel  IX  bis  XIX 
und  20  Textfiguren.)    A  179 

Fischer,  Ernst:  Zur  Stratigrapbie  des  Mesozoicums  in  Persien. 

B   39 

Franke,  A.:  Die  Foraminiferen  und  Ostrakoden  des  Emscbers, 
besonders  von  Obereving  und  Derne  nordlicb  Dortmund. 
(Hierzu  Tafel  XXVII.)  A  428 

Franke,  Fritz:  Die  Fauna  des  Emschers  bei  Dortmund.    B.    .  214 

Frech:  Uber  geologiscbe  Forscbungsreisen  im  Taurus  undtiirkiscb- 

russiscben  Grenzgebirge.    (Titel.)    V.  415 

—  Zur  Frage  der  Kar-Entstebting.    B  335 

Gagel,  C.:  Neue  Beobacbtungen  in  den  Kreidegruben  von  Finken- 

walde  bei  Stettin  uber  Untereocan,  Paleocan?  und  Interglazial. 
(Hierzu  Tafel  XL  und  4  Textfiguren.)    A  '  505 

—  Studien  uber  den  Aufbau  und  die  Gesteine  Madeiras.   II.  Teil 
(ScbluB).    (Hierzu  Tafel  XXXVII  und  7  Textfiguren.)   A.  .  .  449 

Grupe,  0.:  Diskussion  zum  Vortrag  Haarmann.    V  361 

—  Diskussion  zum  Vortrag  Renner.    V.   7 

Gurich,   G. :    Solenopora  im  oberdevoniscben  Kontaktkalk  von 

Ebersdorf  bei  Neurode  in  Scblesien.    B  383 

Haack,  Wilhelm:  Uber  eine  marine  Permfauna  aus  Nordmexiko 
nebstBemerkungen  iiber  Devon  daselbst.  (Hierzu  Tafel  XXX VIII 

bis  XXXIX  und  2  Textfiguren.)    A  482 

Haarmann:  Diskussion  zum  Vortrag  Jaekel.    V.  314 

—  Uber  den  geologiscben  Bau  Nordwestdeutscblands.  (Mit  4  Text- 
figuren.)   V.  354 


[V 


Seite 

Haarmann:   Erwiderung  in  der  Diskussion.    (Mit  1  Textfigur.) 

V.   367 

Hahn,  F.  Felix  :  Weitere  Beobachtungen  in  der  Flyschzone  S&d- 

bayerns.    2.  Zusammensetzung  und  Bau  im  Umkreis  und 

Untergrund  des  Murnauer  Mooses.  (Mit  2  Abbtldungen.)  B.  46 
Haehnel,  .0.:  Beitrage  zur  Kenntnis  der  Geologie  Neu-Guineas. 

(Mit  1  Textfigur.)    B  250 

Harbort:  Diskussion  zum  Vortrag  Schmidt.   V.  §40 

—  Magnetkiesvorkommen  in  der  Salzlagerstatte  vom  Aller  Nord- 
stern.    (Titel.)   V.  276* 

Harbort,  E.,  u.  A.  Mestwerdt:  Vorlaufige  Mitteilungen  uber  das 

geologische  Profil  des  Mittellandkanales.   (Mit  6  Textfiguren.) 

V.  161 

Hess  von  Wichdorff,  H.:  Foitsetzung  und  Verlauf  der  sarn- 

landischen  Endmorane  in  OstpreuBen.   (Mit  2  Textfiguren.)    V.  264 

Horn:  Uber  die  G-eologie  des  Kiautschougebietes.   V  202 

Jaekel,  0.:  Neue  Beitrage  zur  Tektonik  der  Rugener  Kreide. 

(Titel.)   V  314 

—  tiber  die  Abgrenzung  der  Geologie  und  Palaontologie.  B.  .  316 
Jentzsch:  liber  die  siidliche  Fortsetzung  des  finnischen  Sckildes. 

(Mit  1  Textfigur.)   V.  371 

Kaunhowen:  Zum  Gedachtnis  Fotonies  f.   (Mit  einem  Bikinis.) 

B  384 

—  Nachruf  auf  Fr.  Tornau  f .  (Mit  einem  Bildnis.)  V.  ....  410  ' 
Keilhack,  K.:  Die  Schlammfiihrung  des  Yangtse.    B  325 

—  Granatdiinen  in  Siid-Ceylon.    (Titel.)    V   SO 

—  Uber  subtropische  und  tropische  Torfmoore.  (Titel.)  V.  .  .  J 91 
Korn:  Neue  Enclmoranen  und  Osar  zwisehen  Schneidemuhl  und 

Arnswalde.    (Titel.)    V   80 

Kranz,  W.:  Aufpressung  und  Explosion  oder  nur  Explosion  im 

vulkanischen  Ries  bei  Nordlingen  und  im  Stein heimer  Becken. 

(Mit  3  Abbildungen.)    B   9 

Krause,  Paul  Gustav:  Paludina  (Vivipara)  diluviana  Kunth  aus 

dem  alteren  Interglazial  des  Niederrheins.    B.  .......  .  93 

Krenkel,  E.:   Zur  Gliederung  der  Kreideformation  in  der  Um- 

gebung  von  Dresden.    B   25 

Krusch:  Diskussion  zum  Vortrag  Haarmann.    V  363 

—  Zum  Gedachtnis  Felix  Wahnschaffes  f .   V.   65 

Kuhlmann,  L. :  tiber  die  Untere  Kreide  im  westlichen  Osning.  B.  328 
Lachmann,  R.:   Zur  Klarung  tektonischer  Grundbegriffe.  Eine 

Entgegnung  auf  Stilles  „Saxoniscbe  Faltung".  (Mit  6  Text- 
figuren.)  B.  227 

Leidhold,  Cl.:  tiber  einen  Manticoceras  nintumescens  Beyr."  sp. 

mit  erhaltener  Mundung.    (Hierzu  1  Textfigur.)    B   97 

Lotze,  K.:  Beitrage  zur  Geologie  des  Aarmassivs  (Untersuchungen 
iiber  Erstfelder  Gneise  und  Innertkirchener  Granit).  (Hierzu 
Tafel  XX  bis  .XXI  und  Textfiguren.)    A.  217 

Menzel,  Hans:  tiber  die  Fossilfiihrung  und  Gliederung  der  L6B- 
formation  im  Donautal  bei  Krems.  Eine  vorlaufige  Mitteiluno. 
(Mit  1  Textfigur.)   B   192 

—  tiber  einige  Pliocan-Fossilien  vom  Niederrhein.    (Mit  1  Text- 
tafel.)    V  272 

Mestwerdt,  A.,  siehe  Harbort,  E.,  u.  A.  Mestwerdt. 

Michael:  Eduard  Suess  f.   V.  260 


V 


Seite 

Milch,  L.:   Zu  Harry  Rosenbuschs  Gedachtnis.     (Mit  einem 

Bikinis.)    V.  129 

Naumann,  Ernst:  Uber  zwei  neue  Vorkommen  von  Basalt  in 

Gangform  bei  Bermbach  und  Dankmarshausen  a.  d.  Werra. 

(Mit  1  Texttafel  und  4  Textfiguren.)    B   425 

Pohlig,  Hans:   Beneckeia  subdenticulata  Pohlig  aus  dem  Rot- 

dolomit  von  Jena.    B  256 

—  'rraues,   marines  Oberoligociin    im  Untergrunde   der  Stadt 
L'iisseldorf.    B  197 

—  Interglazialtravertin   des  Taubachimns  mit  Zonites  verticillus 

aus  der  Eifel.    B   63 

—  Neue  rheinische  Haliseritenfunde.    B  254 

—  Neues  von  der  Trogontherienstufe  am  Niederrhein.  B.  .  .  .  124 
Quiring,  H.:  Uber  das  Alter  des  Eifelgrabens  und  der  Nord- 


Siid-Verwerfungen  in  der  Eifel.  B. 


1 1 


Rauff:  Diskussion  zum  Vortrag  Haarmann.    V.  366 

Renner,  0.:  Uber  den  Zechstein  an  der  Pyrin onter  Achse.    V.  .  / 
Rothpletz,  A.:   Beitrage  zur  Stratigraphie  und   Tektonik  des 
Simplongebietes.     (Hierzu  Tafel  VI  bis  VIII  und  24  Text- 
figuren.)   A   76 

Schmidt,  C:   Die  Kalisalze  in  Katalonien.    (Titel.)    V  340 

Scholz,  E.  (f):  Vulkanologische  Beobachtungen  an  der  Deutsch- 

Ostafrikanischen  Mittellandbahn.    B  330 

Schuh,  Friedr.:  Geologische  Beschreibung  der  Gegend  von 
Saignelegier  und  les  Pommerats,  mit  einem  Anhang  zur 
allgemeinen  Juratektonik.  (Hierzu  Tafel  IV  u.  V  und  10  Text- 
figuren.)  A   34 

vox  Seidlitz,  Wilfried:    Leitlinien   varistischer  Tektonik  im 

Schwarzwald  und  in  den  Vogesen.    B  100 

Sommermeier,  L.:  Neue  Ooide.    (Hierzu  Tafel  XXIII  bis  XXVI.) 

A  318 

Stremme:     Die   Verbreitung   der  Bodentypen   in  Deutschland. 

(Titel.)   V   80 

V.  Stromer,  E.:  Mitteilungen  iiberM  Wirbeltierreste  aus  dem 
Mittelpliocan    des   Natrontales   (Agypten).     3.  Artiodactyla: 

A.  Bunodontia :  FluBpferd.    (Hierzu  Tafel  I  bis  III  und  15  Text- 
figuren.)  A   1 

—  4.  Fische:    a)  Dipnoi:  Protopterus.     (Hierzu  4  Textfiguren.) 

B  420 

Tietze:  Diskussion  zum  Vortrag  Haarmann.   V  364 

Tilmann,  Norbert:   Zur  Tektonik  des  Monte  Guglielmo  und 

der  mittleren  Val  Trompia.  (Hierzu  Tafel  XXII  und  6  Text- 
figuren.)  A  302 

Wahnschaffe,  Felix  (f):  Kritisehe  Bemerkung  zum  Interglazial  II 

und  Spatglazial  Norddeutschlands.    B   81 

Walther,  Joh.:    Demonstration   eines    von  ihm  angegebenen 

qrogenetischen  Spaltenapparats.   (Titel.)    V.  213 

—  Uber  die  Bildung  flachenhafter  Diskordanzen.    (Titel.)    V.    .  202 

—  Uber  tektonische  Druckspalten  und  Zugspalten.    B  284 

Walther,  K.:  Uber  Vorkommen  und  Entstehung  eines  Talk- 

sehiefers  in  Uruguay  und  fiber  seine  partielle  Verkieselung. 

(Hierzu  Tafel  XXXV  und  2  Textfiguren.)    A  .408 

Wiegers,  Fritz:   Uber  die  Fossilfiihrung  und  Gliederung  der 

LoBformation  im  Donautal  bei  Krems.    B  379 


VI 


Seite 

Wolff,  W.:  Bericht  iiber  die  Exkarsionen  des  Internationalen 

Geologenkongresses  in  Toronto.   (Titel.)   V   8 

Wunstorf:  Die  Erdollagerstatten  Nordamerikas.   (Titel.)   V.  .  .  213 

Wurm,  A.:  Ubef  einige  neue  Funde  aus  dem  Muschelkalk  der 
Umgebung  von  Heidelberg  (Ptychites  dux  Gieb.  und  Velo- 
pecten  Alberti  (Goldf.)  Philippi).  (Hierzu  Tafel  XXXVI  und 
4  Textfiguren.)    A  444 

Zimmermann  I,  E. :  Diskussion  zum  Vortrag  Ha  arm  ann.  V.  .  .  365 
—  Gerolltonschiefer  im  Untersilur  Thiiririgens.    V.  269 


Bericht  des  Archivars   418 

-    Schatzmeisters   416 

Druckfehlerberichtigungen   vn 

Mitgliederverzeicbnis   536 

Mitgliederzahl   418 

Neueingange  der  Bibliothek  ....  520,  127,  199,  312,  352,  407,  436 

Ortsregister   439 

Protokoll  der  Sitzung  am  7.  Januar  1914   1 

-  Sitzung  am  11.  Februar  1914   65 

-  Sitzung  am  4.  Marz  1914   129 

-  Sitzung  am  1.  April  1914   201 

-  Sitzung  am  6.  Mai  1914   257 

-  Sitzung  am  10.  Juni  1914   313 

-  Sitzung  am  15.  Juli  1914   559 

-  Sitzung  am  4.  November  1914    355 

-  Sitzung  am  2.  Dezember  1914   409 

RechnungsabschluB   519 

Pedaktionsbericht   419 

Sachregister   445 


VII 


Druckf ehlerb  erichtigungen. 


S.  319,  Zeile  9    von    oben    lies    „ e ntsprechende   Gebilde  von 

Kalkspat   aus   den   gewohnlichen  "    statt  „ent- 

sprechende  Gebilde  aus  den  gewohnlichen  ". 

S.  319,  FuBnote  1  lies  „K  type  if  statt  „Klypcit". 

S.  336,  Zeile  13  von  unten  lies  „  Hexacrinus  exsculptus"  statt 
vHexacrinus  excutptus" . 

S.   64,  Zeile  9  von  unten  lies  „Ursus  spelaeus"  statt  „Ursus  spelaean. 

S.  125,  Zeile  5  von  oben  lies  „Elephas  (pr imigenius)  trogontherii* 
statt  ^Elephas  (primigenius)  trogonterii". 

S.  161,  Zeile  5  von  unten  lies  „Minden  i.  Westf."  statt  „Minden". 

S.  195,  Zeile  18  von  oben  lies  „RiB- Wiirm-Interglazial"  statt 
„RiB-Wurm". 

S.  197,  Zeile  8  von  oben  lies  „Faunenwechsel  im  Diluvium"  statt 
„Faunenwechsela. 

S.  273  Zeile  10  von  oben  lies  „Lithoglyphus  Neumayri".  statt  „Litho~ 

glyphus  Neumeyeri" . 
S.  330,  Zeile  5/6  von  oben  lies  „Hoplites  Deshayesi"  statt  „Hoplite$ 

Deshagesi". 


Zeitschrift 


der 


Deutschen  Geologischen  Gesellschaft. 

(Abhandlungen  und  Monatsberichte.) 


1.  Heft. 


A.  Abhandlungen 
66.  Band. 

Januar  bis  Marz  1914. 
(Hierzu  Tafel  I— V). 

Berlin  1914. 

Verlag  von  Ferdinand  E 
Stuttgart. 


1914. 


Aufsatze: 


INHALT. 


1.  v.  STROMER,  E.:    Mitteilungen  iiber  Wirbeltierreste 

aus  dem  Mittelpliocan  des  Natrontales  (Agypten). 
3.  Artiodactyla:  A.  Bunodontia:  FluBpferd.  (Hierzu 
Taf.  I— III  und  15  Textfiguren)  1  j 

2.  SCHUH,  FRIEDR.:     Geologische    Beschreibung  der 

Gegend  von  Saignelegier  und  les  Pommerats,  mit 
einem  Anhang  zur  allgemeinen  Juratektonik.  (Hierzu 
Taf.  IV  u.  V  und  10  Textfiguren)  34 

3.  ROTHPLETZ,  A.:    Beitrage  zur  Stratigraphie  und 

Tektonik  des  Simplongebietes.  (Hierzu  Taf.  VI— VIII 
und  24  Textfiguren)  76 

(SchluB  und  zugehorige  Tafeln  im  nachsten  Heft.) 


4-  iv 


Deutsche  Geologische  Gesellschaft. 


Vorstand  fur  das  Jahr  1914 

Vorsitzender:  Herr  Wahnschaff e*}*  Schriftfuhrer:  Herr  Bartling 

Stellvertretende  Vor-  f     „    Borniiardt  „  Hennig 

sitzende:  \     „    Krusch  „  Janensch 

Schatzmeister:  „    Michael  „  Weissermel 

Archivar:  „  Schneider 

Beirat  fiir  das  Jahr  1914 

Die  Herren:  FRECH-Breslau,  FRICKE-Bremen,  MADSEN-Kopenhagen, 
OEBBECKE-Mfinchen,  RoTHPLETZ-Miinchen,  SALOMON-Heidelberg. 

 — <$>  

Mitteilungen  der  Redaktion, 

Im  Interesse  des  regelmafiigen  Erscheinens  der  Abhandlungen.  und  Monats- 
berichte  wird  um  umgehende  Erledigung  aller  Korrektaren  gebeten. 

.Die  Manuskripte  sind  druckfertig  einzuliefern.  Die  Kosten  fiir 
Korrekturen,  Zusatze  und  Anderungen  in  der  1.  oder  2.  Korrektur  werden 
von  der  Gesellschaft  nur  in  der  Hohe  von  6  Mark  pro  Druckbogen  getragen;  alle 
Mehrkosten  fallen  dem  Autor  zur  Last. 

Der  Autor  erhalt  in  alien  Fallen  eine  Fahnenkorrektur  und  Dach  Umbrechen 
des  betreffenden  Bogens  eine  Revisionskorrektur.  Eine  dritte  Korrektur  kann 
nur  in  ganz  besonderen  Ausnahmefallen  geliefert  werden.  Fiir  eine  solche  hat 
der  Autor  die  Kosten  stets  ganz  zu  iibernehmen. 

Im  Manuskript  sind  zu  bezeichnen: 
tJberschriften  (halbfett)  doppelt  uDterstrichen, 
Lateinische  Fossilnamen  (kursiv!)  durch  Schlangenlinie, 
Autornamen  (Majuskeln)  rot  unterstrichcn, 
Wichtige  Dinge  (gesperrt)  schwarz  unterstrichen. 

 <$>  

Bei  Zusendungen  an  die  Gesellschaft  wollen  die  Mitglieder 
folgende  Adressen  benutzen: 

1.  Manuskripte  zumAbdruck  in  der  Zeitschrift,  Korrekturen  sowie  daraut 
bezflglichen  Schriftwechsel  Herrn  Konigl.  Geologen,  Privatdozenten 
Dr.  Bartling, 

2.  Einsendungen  an  die  Bucherei  sowie  Reklamationen  nicht  eingegangener 
Hefte,  Anmeldung  neuer  Mitglieder,  Anzeigen  von  Adressenanderungen 
Herrn  Sammlungskustos  Dr.  Schneider, 

beide  zu  Berlin  N  4,  Invalidenstr.  44. 

3.  Anmeldung  von  "Vortragen  fur  die  Sitzungen  Herrn  Professor  Dr 
Janensch,  Berlin  N.4,  Invalidenstr.  43. 

4.  Sonstige  Korrespondenzen  an  Herrn  Geh.  Oberbergrat  Bornhardt, 
Charlottenburg,  Dernburg-Str.  49  oder  Herrn  Professor  Dr.  Krusch, 
Berlin  N4,  Invalidenstr.  44. 

5.  Die  Beitrage  sind  an  Herrn  Professor  Dr.  Rich.  Michael,  Charlotten 
burg,  Kaiserdamm  74,  Postscheckkonto  Berlin  NW  7,  Konto  Nr.  16071 
oder  an  die  Deutsche  Bank,  Depositenkasse  Q,  fur  das  Kocto  ^Deutsche 
Geologische  Gesellschaft  E.  V.K  porto-  und  bestellgeldfrei  einzuzahlen 


! 


Zeitschrift 


der 

Deutsclien  Geologischen  Gesellschaft 


Aufsatze, 


h  Mitteilungen  iiber  Wirbeltierreste  aus  dem 
Mittelpliocan  des  Natrontales  (Agyi)ten). 

V 


Von  Herrn  Ernst  Stromer  (Miinchen). 
(Hierzu  Tafel  1— III). 

3.  Artiodactyla:  A.  Bunodontia:  Fluflpferd1) 

"Dber  die  Reste  von  Hippopotamus  hipponensis  Gaudry,  die 
bisher  am  Garet  el  Muluk  und  Fundorte  C  sich  fanden,  habe 
ich  (Abb.  Senckenbg.  1905,  S.  109  ff.)  schon  ausfiihrlich  be- 
riclitet,  und  zu  der  dort  angefiihrten  Literatur  ist  nur  wenig 
nachzutragen.  (S.  23.)  Herrn  Markgrafs  bei  meiner  Reise 
1910/1911  YOrgenomniene  Ausgrabungen  am  Garet  el  Muluk 
forderten  fur  die  Miinchner  Sammlung  auBer  einzelnen  Skelett- 
teilen  eine  Anzahl  einzelner  Zahne  des  bleibenden  und  des 
Milchgebisses  zutage,  so  daB  iiber  wiehtige  Organe  der  bis- 
her sehr  dtirftig  bekannten  Art  AufschluB  gegeben  Yverden  kann. 
Da  ihre  Selbstandigkeit  schon  feststeht,  beschranke  ich  mich  im 
wesentlichen  darauf,  all  diese  Teile  zu  beschreiben  und  Yor 
allem  mit  entsprechenden  des  rezenten  FluBpferdes  zu  ver- 
gleichen,  da  Yon  ihm  dank  des  liebenswurdigen  Entgegen- 
kommens  Yon  Prof.  Dr.  Leiseyvitz  wenigstens  Yom  GebiB  ge- 
nugendes  Material  der  hiesigen  Skelettsammlung  zur  Verfu- 
gung  steht,  um  iiber  die  Variabilitat  einigermaBen  klarzu- 
werden  und  dadurch  eine  monographische  Bearbeitung  der 
interessanten  Familie  der  Hippopotamidae  zu  erleichtern. 

Bei  der  Untersuchung  des  bleibenden  Gebisses  Yergleiche 
ich  auBer  A  nur  deutsch-ostafrikanische  FluBpferde:  A  einen  Yon 
Herrn  Brugel  1907  in  Aden  gekauften   Schadel  Yon  55  cm. 


JUL  15  1914 


l)  Die  Abschnitte  1.  Affen  and  2.  Raubtiere  sind  in  dieser  Zeitschrift 
BaDd  65,  1913,  S.  350  ff  erschienen. 

Zeitschr.  d.  D.  Geol.  Ges.  1914.  1 


j 


2 


Basallange,  dessen  P  4  und  M  3  eben  angekaut  sind;  B  einen 
Schadel  coll.  Engelhardt  95  von  60  cm  Lange,  ebenso  abge- 
kaut;  aus  coll.  Kattwinkel:  C  einen  58  cm  langen,  ungefahr 
ebenso  abgekauten,  D  einen  55  cm  langen  Schadel,  bei  dem 
P  4  und  M  3  im  Durchbruch  begriffen  sind,  sowie  E  und  F 
Schnauzen  in  ungefahr  demselben  Stadium.  Die  Matfe  sind  in 
der  Tabelle  auf  S.  22/23  zusammengefaflt. 

I.  Bleibendes  GebiD. 

Yon  den  oberen  Zahnen  ist  der  I  1,  welcher  bei  B  ver- 
loren  gegangen  ist,  stiftformig,  gerade  oder  eben  gebogen  und 
wird  mesial  und  lingual  abgekaut.  Wie  E  zeigt,  ist  die  Spitze 
auBer  mesial  vorn  iiberall  mit  Schmelz  bekleidet,  der  Yertikal 
gerieft  ist  und  lingual  seitlich  eine  Kante  zeigt.  Sonst  ist 
nur,  labial  oder  labial  seitlich  ein  breiter,  bei  C  aber  schmaler 
Schmelzstreifen  yorhanden,  und  bei  A  fehlt  auch  dieser.  Die 
schmelzlose  Oberflache  ist  gerieft.  Der  urspiinglich  kreisformige 
Querschnitt  endlich  wird  bald  infolge  schwacher  seitlicher  Ab- 
plattung  oyal. 

Der  ebenfalls  stiftformige  12  ist  etwas  bis  sehr  deutlich 
gebogen  und  zeigt  nur  bei  E  und  wohl  auch  bei  F  labial  und  seit- 
lich je  einen  breiten,  sonst  nur  labial,  bei  B  aber  nur  labial 
seitlich  einen  feingerieften  Schmelzstreifen;  bei  C,  wo  der  Zahn 
sehr  wenig  gebogen  ist,  fehlt  auch  dieser.  Die  schmelzlose 
Oberflache  ist  deutlich  gerieft,  das  Ende  kegelformig  und  be- 
sonders  lingual  abgekaut.  Bei  A  und  B  jedoch  ist  das  Ende  nur 
lingual  konkav  abgekaut.  Der  Querschnitt  ist  kreisformig  bis 
etwas  OYal. 

TTnter  den  Fossilien  kann  ein  stiftformiger.  kaum  ge- 
bogener  und  schmelzloser  Zahn  nur  mit  Yorbehalt  als  oberer 
II  angesehen  werden ;  denn  er  ist  nicht  gerieft,  stark  seitlich 
komprimiert  und  relativ  klein.  Dagegen  ist  mit  ziemlicher 
Sicherheit  ein  linker  1 2  vorhanden  (Taf.  I,  Fig.  la — c).  Er  ist 
deutlich  gebogen,  auch  ein  wenig  seitlich  gekriimmt,  im  Quer- 
schitt  oval  und  etwas  langsgerieft.  Labial  ist  ein  sehr 
schmaler,  basalwarts  spitz  auslaufender  Streifen  you  wenig 
langsgestreiften  Schmelz  vorhanden  und  das  Ende  ist  in  einer 
schragen  Flache  lingual  abgekaut.  Er  gehort  also  wohl  einem 
ziemlich  alten  Tiere  an. 

Der  deutlich  gebogene  prismatische  C  der  FluBpferde  ist 
stets  queroYal,  wobei  seine  Durchmesser  sich  etwa  wie  2:3  Yer- 
halten.  Er  hat  an  der  Distalseite  eine  maJig  tiefe  und  nicht 
sehr  breite  Furche,  die  etwas  der  mesialen  Seite  genahert  Yerlauft. 


3 


Der  Schmelz,  der  gestreift,  bei  B  aber  etwas  gerieft  ist,  nm- 
kleidet  die  ganze  Labialseite  imd  Distalseite.  Die  schmelzlose 
Mesial seite  ist  gerieft,  das  Eude  vorn  in  ebener  Flache  abge- 
kaut,  die  mesial  weiter  basalwarts  reicht  als  lateral. 

Ein  linker  fossiler  C  (Taf.  I,  Fig.  2  a,  b)  ist  groBer  als  bei 
E  imd  F,  also  relativ  sehr  stark.  Seine  Furche  ist  nicht  groBer, 
liegt  aber  ziemlich  in  der  Mitte  der  Distalseite,  und  der  deut- 
lich  gestreifte  Schrnelz  fehlt  an  der  mesialen  sowie  an  der  ganzen 
vorderen  Labialseite,  die  schwach  gerieft  sind.  Endlich  reicht 
die  Abkauungsflache  lateral  mehr  basalwarts  als  mesial. 

Der  Pi  der  ostafrikanischen  FluBpferde  ist  offenbar  im 
Schwinden  begriffen,  denn  nur  bei  E  ist  ein  durch  Diastemata 
isolierter  zweiwurzeliger  Zahn  vorhanden,  dessen  konische  Krone 
nur  etwa  15  mm  hoch,  16  lang  und  7  dick  ist.  Bei  F  ist  links  nur 
ein  Alveolenrest  vorhanden,  rechts  ein  oben  abgekauter  kleiner 
einwurzeliger  Kegelzahn  von  nur  13  mm  Lange  und  7  mm 
Dicke.  Bei  A  und  D  ist  nur  ein  einfacher  Alveolenrest,  und 
zwar  nur  auf  einer  Schaclelseite,  vorhanden,  ja  bei  B  und  C 
fehlt  auch  diese  Spur.  Wie  schon  Cuvier  (1834,  S.  408)  im 
Gegensatz  zu  Blainville  (Hippopotamus  S.  30,  Anm.  1)  und 
neueren  Autoren,  z.  B.  Schlosser  und  Stehlin,  konnte  man  den 
Zahn  eber  fur  einen  D  M  1  halten,  der  ohne  Nachfolger  am 
Schlusse  des  Zahnwechsels  ausfallt.  Aber  ein  von  mir  unter- 
suchtes  MilchgebiB  zeigt  einen  von  E  etwas  verschiedenen  D  M 1 
(S.  10),  wahrend  bei  F  der  DM1  noch  vorhanden  zu  sein und  ohne 
Nachfolger  auszufallen  scheint.  Jedenfalls  hat  das  rezente 
FluBpferd  praktisch  nur  drei  Pramolaren1). 

Der  zweiwurzelige  P  2  ist  konisch,  aber  sein  Kronen- 
umriB  ist  basal  etwa  im  Verkaltnis  3:2  langsgestreckt.  Der 
rauhe  Schmelz  bildet  distal  innen  oder  auch  mesial  ofters  einen 
schwachen  Basalwulst.  Der  Kegel  ist  manchmal  distal,  weniger 
oft  auch  mesial  etwas  abgeplattet  und  an  diesen  Flachen  kantig 
begrenzt.  Bei  E  endet  die  distale  auBere  Kante  mit  einem 
Hockerchen  neben  der  Hauptspitze. 

Der  P  3  ist,  wohl  ausnahmsweise,  bei  A  und  E  durch  ein 
etwa  15  mm  langes  Diastema  vom  P2  getrennt.  Er  ist  etwas 
groBer,  bei  E  und  F  jedoch  nicht  |1  anger  als  er  und  ziemlich 
ebenso  gestaltet.  Der  Basalwulst  ist  variabel,  indem  er  bei 
A  und  B  mesial  fehlt  und  distal  auBen  am  hhochsten  ist,  bei 
C  aber  lingual  vorn  hoch.  Die  Krone  hat  bei  A  und  B  lingual 
hinten  eine  weniger  steile  Flanke,  bei  D  an  der  Lingualseite 

l)  Man  sollte  das  in  der  Zahnformel  ausdriicken,  etwa  indem  man 
*den  ersten  Pramolar,  wie  uberhaupt  derartige  rudimentare  Zahne,  nur 
in  einer  Klammer  anfuhrt. 

1* 


4 


Kanten,  bei  E  endlich  wie  am  P2  einen  Hocker  distal  auBen  an 
der  Hauptspitze. 

Der  P4  bricbt  erst  gleicbzeitig  mit  dem  M3,  also  sebr 
spat,  durcb.  Er  ist  zwar  dicker,  aber  kiirzer  als  der  P3  und 
desbalb,  auBer  bei  D,  eben  dicker  als  lang.  Er  scheint  gele- 
gentlich  drei  Wurzeln  zu  besitzen  und  variabler  zu  sein  als 
die  mittleren  P.  Die  konische  Krone  zeigt  mancbmal  an  alien 
yier  Seiten  Kanten,  mancbmal  nur  lingual  und  distal.  Der 
Basalwulst  ist  bei  A  ringsum  yorbanden  und  lingual  stark, 
bei  B  feblt  er  buccal  und  ist  distal  auBen  stark,  bei  C  ist 
er  lingual  und  distal  sebr  stark  und  distal  auBen  zu  einem 
Hocker  verdickt,  bei  D  endlicb  ist  er  lingual  und  distal  innen 
sebr  stark.  Bei  E  und  F  ist  der  P4  wie  die  weiteren  Zabne 
leider  nicbt  yorbanden. 

Fossil  liegt  mir  kein  P  1  und  kein  sicbrer  P  2  Yor,  ein 
reenter  Pramolar  (Taf.  I,  Fig.  3  a,  b)  ist  aber  wohl  ein  P  3. 
Er  besitzt  zwei  gleicb  starke  Wurzeln;  die  stark  abgekaute 
Krone  ist  relatiY  lang,  langsoYal  und 'mesial,  buccal  und  distal 
Yon  einem  sebwacben  Basalwulst  umgeben.  Ibre  raube  Buccal- 
seite  ist  steiler  als  die  glatte  Lingualseite  und  die  innen  sanft 
abfallende  Distalseite.  Endlicb  war  mesial  und  distal  offenbar 
eine  Kante  Yorbanden. 

Als  reenter  P  4  ist  wobl  ein  Zabn  anzuseben,  dessen  distale 
Wurzel  in  eine  auBere  und  sebwacbere  innere  Wurzel  geteilt 
ist  (Taf.  I,  Fig.  4a,  b).  Ein  Zabnkeim  entspricbt  dann  einem 
linken  P  4,  und  ein  gleicbgestalteter  recbter  und  linker  Zabn- 
keim, ebenfalls  vom  Garet  el  Muluk,  liegt  in  dem  Materiale 
des  Senckenberg- Museums  Yor.  Diese  Keime  sind  allerdings 
ein  wenig  kiirzer  und  deutlicb  scbmaler  als  der  ganze  Zabn, 
sie  entsprecben  bei  ibrer  geringen  Hobe  eben  nur  dem  oberen 
Teil  you  dessen  Krone.  Sie  ist  koniscb,  eben  angekaut,  buccal 
fast  glatt,  lingual  stark  runzelig,  mesial  und  distal  mit  einer 
Kante  Yerseben,  die  distal  stark  und  bockrig  ist.  Mesial  und 
distal  ist  aucb  ein  Basalwulst  Yorbanden,  der  distal  innen 
ziemlicb  Yerdickt  ist. 

Die  drei  fossilen  unabgekauten  oberen  Molaren  sind  scbon 
Yon  Andrews  (1902  S.  435,  Taf.  21,  Fig.  3—5)  und  mir  (1905 
S.  Ill,  Taf.  20,  Fig.  2)  bescbrieben  und  abgebildet.  Neu  liegt 
nur  ein  stark  abgekauter  (Taf.  I,  Fig.  5),  wobl  der  zweite  recbte, 
Yor,  der  in  den  Mafien  und  der  Gestalt  mit  dem  Yon  mir  be- 
scbriebenen  iibereinstimmt.  Seine  Hocker  weisen  die  fur  FluB- 
pferde  bezeiebnende  Kleeblattform  auf.  Wie  icb  scbon  a.  a.  0.  S. 
113  bervorbob,  ist  bei  rezenten  der  Basalwulst  mesial  und  distal 
zwar  meistens  stark,  am  M  3  aber  aucb  hier  nicbt,  buccal  und 


5 


lingual  stets  hochstens  als  Wulst  oder  Hocker  am  Eingange  des 
Quertales  des  M  1  und  M  2  vertreten.  Bei  den  fossilen  M  jedoch 
ist  der  Basalwulst  ziernlich  gleichmiifiig  und  deutlich  ausgebildet. 

Yon  den  unteren  Zdhnen  der  rezenten  ostafrikanischen  FluB- 
pferde  ist  der  stets  schmelzlose  1 1  stark,  fast  gerade,  stiftformig 
nnd  deutlich  gerieft,  ini  Querschnitte  beinahe  kreisformig,  nur 
bei  B  oval.  Sein  Ende  ist  bei  A  kegelformig,  sonst  lingual 
aufien  abgekaut. 

j  Der  viel  schwachere  I  2  gleicht  ihni,  ist  aber  bei  A  als 
Ausnahme  deutlich,  wenn  auch  weniger  als  der  obere  12  ge- 
bogen.  Nur  bei  C  ist  sein  Querschnitt  ein  wenig  oval.  Das 
Ende  ist  ursprungiich  kegelformig  und  bei  F  noch  rings  mit 
Schmelz  umgeben,  der  sich  labial  und  etwas  schwacher  lingual 
in  je  einem  basalwarts  spitz  auslaufenden  Streifen  bei  D  und 
E  noch  vorfindet.  Die  Spitze  ist  bei  diesen  oben  und  besonders 
lingual  abgekaut.  Bei  B  und  C  ist  kein  Schmelz  mehr  vor- 
handen  und  das  kegelformige  Ende  bei  B  labial,  bei  C  lingual 
am  starksten  abgekaut.  A  bietet  auBer  in  seiner  Kriimmung 
noch  darin  eine  Ausnahme,  dafi  von  seinem  liugual  abgekauten 
Ende  labial  ein  fein  langsgestreiftes  Schmelzband  bis  zur  Basis 
herabzieht.  Der  I  2  zeigt  also  nicht  nur  je  nach  dem  Lebens- 
alter  ein  ziemlich  verschiedenes  Aussehen,  sondern  ist  auch 
speziell  in  der  Art  der  Abkauung  und  der  Schmelzausbildung 
stark  variabel. 

Gaudky  (1876  S.  501/502)  hatte  6  Reste  von  I,  die  er 
einem  Unterkiefer  entnommen  glaubte.  Er  hielt  einen  23  mm 
dicken  (a.  a.  0.  Taf.  18,  Fig.  1)  fur  den  I  1,  zwei  20  mm  dicke 
(a.  a.  0.  Fig.  2,  2a,  3,  3a)  fur  I  2  und  I  3,  da  bei  den  rezenten 
der  I  1  starker  ist,  wahrend  die  indischen  Hexaprotodon  andere 
Verhaltnisse  zeigen,  indem  alle  drei  I  gleich  stark  sind,  oder 
der  zweite  viel  schwacher  als  die  andern  ist.  Ich  brach  aber 
eigenhandig  aus  einem  verwitterten  Unterkiefer  am  Profil  C  des 
Natrontales  jederseits  nur  zwei  gleichstarke  16,5 — 16,7  mm 
dicke  I  aus  (1905  S.  110,  Taf.  20,  Fig.  8)  und  glaube  nicht, 
dafi  ich  etwa  je  einen  starkeren  ganzlich  verwitterten  I  1  oder 
je  einen  rudimentaren  I  2  dabei  ubersah. 

Jetzt  liegen  mir  vom  G-aret  el  Muluk  drei  einzelne  I  vor. 
Der  starkste  (Taf.  II,  Fig.  1  a,  b)  ist  gerade,  schmelzlos,  an 
seiner  etwas  abgeblatterten  Oberflache  gerieft,  im  Querschnitte 
fast  kreisformig  und  am  Ende  konisch  abgekaut.  Er  enthalt 
•eine  weite  Pulpahohle,  wahrend  der  1905  von  mir  abgebildete 
I  1  nur  die  oberste  Spitze  einer  solchen  enthalt  und  im  Durch- 
messer  basalwarts  dicker  (bis  zu  20  mm)  wird.  Er  entspricht 
also  wohl  dem  obersten,  bei  dem  soeben  beschriebenen  schon 


6 


fast  ganz  abgekauten  Teile  des  I  1,  und  beide  gieichen  ziemlich 
dem  wenig  starkeren  I  1  Gaudrys. 

Der  zweite  Zahn  (Taf.  II,  Pig.  2  a,  b)  ist  erne  kauni  abge- 
kaute  obere  Halfte  wohl  eines  rechten  I  2,  sie  ist  unter  deni 
Schmelz  kaum  gerieft  und  im  Querschnitt  oval.  Der  schwach 
ruiizelige  Schmelz  umkleidet  die  hoch  konische  Spitze.  ist 
lingual,  distal  und  mesial  Torn  mit  einer  Langskante  versehen; 
ihr  Schmelz  reicht  basalwarts  distal  und  mesial  hinten  mit 
einem  Zipfel  berab.  Diese  liegen  also,  wie  die  seitliche  Kom- 
pression  des  Zabnes  und  die  1905  Taf.  20,  Fig.  8  abgebildete 
Abkauungsflache  zeigt,  lateral  statt  wie  bei  den  rezenten  labial 
und  lingual.  Von  der  Pulpahohle  ist  nur  die  oberste  Spitze 
erbalten. 

Bei  dem  dritten  Stiick  ist  die  schmelzbedeckte  Spitze  fast 
ganz  abgebroehen,  die  Basis  aber  bis  zum  Unterende  der  weiten 
Pulpahohle  vollstandig.  Die  Schmelzzipfel  sind  hier  ahnlich 
wie  bei  dem  vorigen,  aber  Yiel  kiirzer,  und  der  etwas  geriefte 
Schaft  ist  dadurch  fast  kreisformig.  daB  der  labiolinguale 
Durchmesser  noch  geringer  als  bei  dem  vorigen  ist. 

Trotz  aller  Unterschiede,  besonders  in  den  Dimensioneu, 
konnten  diese  zweiZahne  den  1905  beschriebenen  12  und  Gaudrys 
I  2  und  I  3  entsprechen,  da  auch  die  rezenten  I  2  sehr  variabel 
sind.  Es  wiirde  sich  also  um  ein  Tetraprotodon  handeln,  bei 
dem  der  I  1  nur  in  hoherem  Lebensalter  und  auch  dann  nicht 
so  sehr  wie  bei  dem  jetzigen  FluBpferd  den  I  2  an  Starke  iiber- 
trifft. 

Der  untere  C  der  ostafrikanischen  FluBpferde  ist  stark  ge- 
bogen,  dreiseitig,  deutlich  gerieft  und  nur  an  der  Distalseite 
schmelzfrei.  Sie  ist  ein  wenig  nach  innen  gewendet,  steht  stumpf- 
winklig  zur  Labialseite,  ist  meistens  am  schmalsten  und  wird  oben 
schrag  abgekaut.  Ihre  Seitenteile  sind  gewolbt,  median  ist  aber 
eine  flache,  bei  A  paarige  Binne  vorhanden,  die  jedoch  bei  E  sehr 
schwach  ist,  und  bei  F  fehlt.  Bei  F  ist  ubrigens  der  Schmelz 
ungewohnlich  reduziert,  denn  er  bedeckt  nur  die  Halfte  der 
Mesial-  und  Labialseite  und  endet  hier  basalwarts  in  Zipfeln, 
wahrend  an  der  Yorderkante  ein  schmelzfreier  Streifen  hoch 
emporragt.  Die  etwas  nach  vorn  gewendete  Mesialseite  ist  am 
breitesten,  platt  mit  einer  flachen  Medianfurche.  die  etwas 
riickgewendete  Labialseite  dagegen  ist  deutlich  gewolbt,  die 
vordere  Kante  stets  gerundet. 

Meine  Originale  von  1905  (S.  110,  Taf.  20,  Fig.  7  und  11) 
gieichen  der  Norm  der  rezenten  C,  nur  sind  sie  kaum  gerieft  und  die 
Furche  der  Mesialseite  ist  sehr  nach,  die  der  Distalseite  ein- 
fach.    Ein  fast  vollstandiger  linker  C  (Taf.  II,  Fig.  3a,  b\  bei 


7 


dem  von  dein  glatten  Schinelz  leider  nur  labial  ein  Rest  erhalten 
ist,  ist  nur  ganz  wenig  groBer  und  distal  schmaler.  Ein  distal 
abgekautes  Oberende  eines  rechten  C  erreicht  aber  ebenso 
wie  Gaudrys  Original  (1876  S.  502)  in  seiner  GroBe  die  des 
rezenten.  auch  ist  sein  Schmelz  schwach  gerieft  und  mit  feinen 
runzeligen  Langsstreifen  versehen. 

Bei  den  GroBenschwankungen  der  rezenten  FluBpferdzahne 
stehe  ich  nicht  an,  wie  schon  1905  (S.  116)  alle  Stiicke  zu  der- 
selben  Art  z.  T.  als  wahrscheinlich  alten  Bullen  angehorig  zu 
reehnen.,  Denn  der  hiesige  Bildliauer  Prof.  Fritz  Behn  stellte 
mir  giitigst  obere  C.  untere  I  1  und  C  eines  alten  Bullen  zum 
Yergleiche  zur  Yerfiigung,  den  er  im  Rovuma  im  siidlichsten 
Deutschostafrika  erlegte.  Zu  den  in  derTabelle(S.22)  angegebenen 
Maflen  fiige  ich  hinzu,  daB  in  der  Luftlinie  der  obere  C  250, 
der  unter  I  1  und  C  400  mm  hoch  sind,  daB  die  Durchmesser 
des  oberen  C  43  und  51  mm  sind.  und  daB  die  Breite  des 
Unterkiefers  510  mm  betrug.  Der  Trager  der  Zahne  war  also 
so  groB  vvie  der  diliwiale  Hippopotamus  major  Europas  und  be- 
statigt  die  Angabe  Blainyilles  (Hippopotamus,  S.  26),  daB  das 
Weibcben  um  1L  kleiner  als  das  Mannchen  sei.  Nicht  nur  die 
Grofie,  sondern  auch  die  Proportionen  der  Yorderen  Zahne  des 
ostafrikanischen  FluBpferdes  schwanken  also  auBerordentlich. 
Es  mahnt  das  zur  Yorsicht  gegenuber  den  immer  wiederholten 
Versuchen.  GroBenunterschiede  bei  systematischen  LTnter- 
scheidungen  allzu  einseitig  zu  betonen.  besonders  bei  wenig 
umfangreichem  Vergleichsmaterial.  Im  ubrigen  zeigen  die  ge- 
waltigen  Zahne  fast  keine  Besonderheiten  gegenuber  den  oben 
beschriebenen  ostafrikanischen,  nur  ist  der  Schmelz  des  oberen 
C,  der  bis  zur  Mitte  der  Yorderseite  reicht,  nicht  gerieft,  sondern 
nur  gestreift,  der  fast  gerade  untere  I  1  ist  kegelformig  abgekaut 
und  schmelzlos,  unci  der  beinahe  halbkreisformig  gebogene 
untere  C  hat  eine  sehr  wenig  gewolbte,  mit  zwei  Furchen  Yer- 
sehene  Distalseite,  wahrend  die  Furche  der  Mesialseite  nahe 
der  Vorderkante  liegt. 

Der  untere  Pi  Yerhalt  sich  wie  der  obere,  denn  nur  bei  D 
ist,  doppelt  so  weit  Yom  P  2  als  Yom  I  2  entfernt,  ein  stark  ab- 
gekauter  kleiner  einwurzeliger  Zahn  Yorhanden,  dessen  15  mm 
lange,  10  mm  breite  kegelformige  Krone  mesial  und  distal  ein 
Basalhockerchen  besitzt.  Bei  E  und  F  findet  sich  nur  eine 
AlYeole  naher  am  P  2  als  am  J  2,  und  bei  A,  B  und  C  auch 
daYon  keine  Spur. 

Yom  P  2  ist  bei  A  links  nur  eine  einfache  AlYeole  Yor- 
handen,  rechts  und  bei  den  andern  Kiefern  hat  er  zwei  Wurzeln, 
Er  ist  konisch,   seme  seitliche  Abplattung  betragt  meist  ein 


8 


Drittel,  bei  F  aber  die  Halfte  der  Lange.  Bei  A  und  C  ist  er 
oben  und  distal  oder  distal  innen  abgekaut  und  besitzt  mesial 
und  distal  Spuren  eines  Basalwulstes.  Bei  D  hat  er  mesial, 
bei  E  und  F  auch  lingual  und  distal  je  eine  Kante,  und  bei  E 
ist  an  der  lingualen  Kante  in  halber  Hohe  ein  Hockerchen 
angedeutet,  bei  F  schwach  ausgebildet. 

Der  stets  zweiwurzelige  P  3,  dessen  Langsachse  ein  wenig 
nach  hinten  auBen  lauft  und  der  distalwarts  breiter  wird,  ist 
dem  P2  ahnlich,  nur  groBer  und  anscheinend  variabler.  Bei  A 
und  B  fallt  namlich  die  Distalfiache  seiner  Krone  innen  sanfter 
ab  als  sonst,  bei  D,  E  und  F  ist  mesial  wie  distal  eine  Kante, 
und  lingual  hinten  bei  F  eine  glatte,  bei  E  hockrige  Kante, 
bei  B  ein  Wulst,  bei  D  aber  nur  ein  Hockerchen  in  halber 
Hohe  ausgebildet.  Der  Basalwulst  ist  mesial  innen  schwach, 
bei  C  und  F  deutlich  entwickelt,  distal  besonders  auBen  meistens 
maBig  und  hier  auBer  bei  B  mit  einem  Knopf  versehen,  der 
bei  E  und  F  ganz  distal  Iiegt. 

Der  P  4  verhalt  sich  wie  der  P  3  und  ist  zwar  auBer  bei  D 
ein  wenig  breiter,  aber  nur  manchmal  ganz  wenig  langer,  bei 
D  sogar  kiirzer  als  er.  Seine  Krone  ist  buccal  wulstig,  mesial 
und  distal  kantig  und  lingual  mit  einem  bei  F  kleinen,  bei  B 
nur  wulstigen,  sonst  hohen  Nebenhocker  versehen,  so  daB  die 
Abkauungsnache  vierseitig  wird.  Der  Basalwulst  ist  mesial 
und  distal  auBen  deutlich  oder  distal  stark,  bei  E  und  F  hier 
zu  einem  Hocker  verdickt. 

Yon  einem  P  1  fand  ich  auch  in  dem  oben  auf  Seite  5 
erwahnten  Unterkiefer,  aus  dem  ich  die  beiderseitigen  J,  C  und 
P  2  ausbrach,  gar  nichts,  so  daB  er  auch  hier  fehlte  oder  ganz 
rudimentar  war.  Der  P  2,  den  ich  (1905  S.  110,  Taf.  20,  Fig.  5) 
beschrieb  und  yon  aufien  abbildete,  ist,  wie  Taf.  Ill,  Fig  1 
zeigt,  relativ  groB  und  von  den  rezenten  durch  die  Abplattung 
der  Lingualseite  und  einen  hohen,  lingual  hinten  aus  dem  Basal- 
wulst sich  erhebenden  Hocker  ausgezeichnet,  der  vielleicht  dem 
Hockerchen  bei  E  und  F  entspricht. 

Der  P3  ist  von  Gaudry  (1876  S.  502,  Taf.  18,  Fig.  5,  5  a) 
und  Andrews  (1902  S.  435,  Taf.  21,  Fig.  2)  beschrieben  und 
abgebildet.  Er  gleicht  dem  P  2,  nur  ist  er  ein  wenig  langer. 
Sein  grofier  lingualer  Basalhocker  entspricht  wohl  den  bei  dem 
jetzigen  FluBpferd  variablen  Gebilden  der  Lingualseite. 

Die  Krone  eines  rechten  Zahnes  (Taf.  II,  Fig.  4a,  b),  der 
ein  wenig  breiter  und  kiirzer  als  diese  P3  ist,  muB  als  die 
eines  P  4  augesehen  werden.  Wie  bei  den  rezenten  ist  die 
konische,  etwas  '  seitlich  komprimierte  Krone  buccal  wulstig, 
mesial  und  distal  kantig  und  an  der  maBi'g  gewolbten  Lingual- 


9 


seite  mit  einem  hohen  Hocker  versehen.  Auch  im  Basalwulst 
ist  er  kaum  verschieden,  denn  dieser  iet  buccal  und  lingual 
sehr  schwach,  mesial  maBig,  nur  distal  stark,  aber  nicht  hoch. 

Die  unteren  M  der  ostafrikanischen  FluBpferde  sind  deutlicli 
schmaler  und  wenig  langer  als  die  oberen,  also  maBig  gestreckt, 
ihrevier  Haupthocker  verhalten  sich  aber  ziemlich  ebenso  wie  jene. 
Der  Basalwulst  ist  am  M  1  mesial  und  distal  stark,  auBer  bei  D 
aber  buccal  und  lingual  als  Hocker  am  Eingange  des  Quertales 
ausgebildet.  Am  M2  ist  er  mesial  meistens  stark  und  hoch, 
distal  in  der  Mitte  auch  hoch  und  gewohnlich  so  stark,  daB  er 
hier  den  Eindruck  eines  Medianhockers  erweckt;  im  Eingange 
des  Quertales  findet  sich  lingual  selten  ein  Hockerchen.  Am 
M3  ist  nur  mesial  ein  schwacher  Basalwulst  vorhanden,  distal 
•derselbe  Hocker  wie  am  M2,  jedoch  so  groB,  daB  er  als  fiinfter 
Haupthocker  erscheint.  Er  besitzt  innen,  bei  C  auch  auBen 
Nebeuhockerchen. 

Fossil  liegt  nur  eine  unabgekaute  Krone  eines  vierwurzeligen 
rechten  M  2  vor  (Taf.  Ill,  Fig.  2a,  b).  Sie  ist  relativ  klein, 
deutlich  schmaler  und  sogar  ein  wenig  kiirzer  als  am  oberen 
M2  und  maBig  langsgestreckt.  Der  Schmelz  ist  runzelig,  die 
Tier  Haupthocker  sind  schwach,  aber  doch  so  gefurcht,  daB  sie 
bei  dem  Abkauen  ungefahr  eine  Kleeblattform  geben;  im  Quertale 
ist  nur  buccal  ein  schwache/  Wulst  vorhanden,  mesial  und  distal 
ist  der  Basalwulst  zwar  inaBig  stark,  aber  nicht  hoch,  immerhin 
•distal  hoher  und  mit  einem  Medianspitzchen  versehen. 

II.  MilchgebiD. 

Yom  MilchgebiB  des  FluBpferdes  liegt  mir  leider  nur  eines 
aus  der  hiesigen  Skelett-Sammlung  vor,  in  einem  Schadel  nebst 
Unterkiefer  aus  dem  Nil  (1859)  von  34  cm  Basallange.  Hier 
treten  die  Spitzen  der  C,  M  1  und  unteren  1 1  eben  aus  den 
Kieferknochen  heraus,  auch  ist  bewerkenswert,  daB  die  oberen 
Zahne  links,  wo  ich  sie  maB  (siehe  die  Tabelle  auf  Seite  22,  23!), 
alle  ein  wenig  groBer  sind  als  rechts. 

Ob  en  sind  die  zwei  DI  sehr  klein,  einfach  konisch  und 
ein  wenig  gebogen.  Ihre  schmelzbedeckte  und  an  der  Spitze 
abgekaute  Krone  war  etwa  15  mm  hoch.  Der  D  12  ist  zwar 
nur  minimal  groBer  als  der  D  II,  immerhin  herrscht  also  das 
umgekehrte  GroBenverhaltnis  wie  bei  den  I1). 

Die  D  C  sind  leider  schon  ausgefallen;  die  4  D  M  nehmen 

l)  Blaisville  (Hippopotamus  S.  28  und  32)  spricht  von  einem 
rudimentaren  oberen  D  II  und  unteren  D  I  3,  also  von  je  3  D  I;  ich 
kann  keine  Spur  von  mehr  als  zwei  beobachten,  er*hatte  aber  ein 
noch  jiingeres  Exemplar  vor  Augen. 


10 


distalwarts  an  Lange,  Breite  und  Hohe  zu.  Ihr  Schmelz  ist 
runzelig.  Der  D  Ml  ist  vom  D  C  durch  ein  etwas  langeres 
Diastema  getrennt  als  vom  DM2  und  ist  einwurzelig.  Seine 
konische  Krone  ist  relativ  hoch  (19  mm)  und  etwas  nach  innen 
geneigt,  sie  ist  seitlich  komprimiert,  und  mesial  wie  distal 
kantig.  Fur  ein  en  Ersatzzahn,  ein  en  Pi,  ist  kaum  Platz  vor- 
handen,  da  die  Alveole  des  C  urimittelbar  iiber  der  etwas  schrag 
nach  hinten  gerichteten  des  D  M  1  liegt]). 

Der  DM2  ist  durch  ein  Diastema,  das  seiner  Lange  fast 
gleichkommt,  yon  ihm  und  durch  ein  ganz  kurzes  yom  DM3 
getrennt.  Seine  zweiwurzelige  Krone  ist  konisch,  aber  fast 
doppelt  so  lang  als  dick  und  mesial  sowie  distal  kantig.  Der 
Schmelz  bildet  distal  und,  allerdings  schwach,  auch  lingual  und 
mesial  einen  Basalwulst. 

Der  DM3  stellt  einen  eigenartigen  Ubergang  zwischen  der 
Form  der  vorderen  und  hinteren  D  M  dar2).  Er  ist  langgestreckt, 
wird  distalwarts  viel  breiter,  und  seine  hintere  Wurzel  ist 
zweigeteilt.  Sein  etwas  vor  der  Mitte  gelegener  Haupthocker 
ist  lingual  und  buccal  stark  gewolbt,  mesial  etwas  innen  sowie 
distal  etwas  auBen  mit  einer  starken  Kante.  distal  innen  mit 
einer  schwachen  versehen,  so  daB  die  Abkauungsflache  vier- 
lappig  wird.  Durch  ein  Quertal  getrennt  erheben  sich  dahinter 
zwei  ebenso  starke  Hocker  nebenelnander,  die  kleeblattformig 
abgekaut  sind.  Endlich  ist  der  Basalwulst  distal,  lingual  vom 
Tal  an  bis  mesial  auBen  deutlich  entwickelt  und  bildet  mesial 
einen  dicken  Hocker,  der  durch  den  distalen  Hocker  und  den 
Basalwulst  des  unteren  DM3  abgekaut  ist. 

Der  DM  4  endlich  gleicht,  wie  oft,  ganz  einem  M,  nur  ist 
er  kleiner.  Er  hat  vier  Wurzeln,  ist  viereckig  und  Avenig 
langer  als  breit,  und  seine  vier  gleichartigen  Hocker  werden 
kleeblattformig  abgekaut,  was  zuachst  nur  an  dem  vorderen 
Paar  der  Fall  ist,  da  das  hintere  in  dem  noch  nicht  ganz 
durchgebrochenen  unteren  M  1  noch  keinen  Antagonisten  hat. 
Ein  Basalwulst  ist  nur  mesial  und  distal  ausgebildet  und  an 
dem  buccalen  Taleingange,  kaum  am  lingualen  angedeutet. 

*)  Wenn  also  nach  Nehring  und  StEHLiN  (1899  S.  202)  bei  re- 
zenten  und  fossileD  Suiden  der  vorderste  P  ohne  Vorlaufer  gleichzeitig 
mit  dem  M  1  durchbricht,  so  ist  wichtig,  hervorzuhebeD,  daB  hier  oben 
wie  unten  ein  vorderster  Backenzahn  schon  voll  entwickelt  ist,  wahrend 
von  den  bleibenden  Zahnen,  auch  von  dem  M 1,  wie  erwahnt,  erst  die 
Spitzen  aus  den  Kieferknochen  ragen.  Desbalb  muB  ich  fiir  das  FluB- 
pferd  die  Existenz  von  4  D  M  annehmen.    (Siehe  oben  Seite  3!) 

3)  Auch  bei  Sus  ist  der  vorletzte  obere  und  der  letzte  untere 
Milchbackenzaha  der  eigenartigste  und  im  Grunde  wie  bier  gebaut 
(Stehlin  1899  S.  204,  205). 


11 


Fossil  liegt  mir  nur  ein  etwas  abgekauter  oberer  rechter 
DM  3  und  ein  stark  abgekauter  linker  DM  4  vor.  Der  erstere 
(Taf.  Ill,  Fig.  3  a,  b)  ist  relativ  kiirzer.  Die  zwei  distalen 
Kanten  des  Haupthockers  sind  schwacher,  die  zwei  distalen 
Hocker  sind  durch  eine  tiefere  Langsspalte  getrennt,  und  der 
buccale  ist  weniger  abgekaut  als  der  linguale;  endlich  ist  der 
Basalwulst  lingual  auch  an  letzterem  vorhanden. 

Der  DM4  (Taf.  Ill,  Fig.  4)  hat  vier  stark  divergierende 
Hauptwurzeln  und  zwischen  den  niesialen  noch  eine  Wurzel,  die 
buccalen  Hocker  sind  kaum  kleeblattformig.  Die  Basalwulst- 
teile  an  dem  Quertale  sind  ein  wenig  starker  als  bei  dem 
rezenten  Zahn,  mesial  ist  der  Basalwulst  sehr  wohl  entwickelt, 
distal  ist  leider  die  Schmelzumgrenzung  der  Krone  abge- 
brochen.  Der  Schmelz,  schon  am  D  M  3  nur  wenig  runzeligr 
ist  hier  ganz  glatt. 

In  dem  rezenten  Unterkiefer  ist  der  D  1 1  und  DC  schon 
ausgefallen.  Der  DI  2  ist  ganz  wenig  starker  als  im  Zwischen- 
kiefer,  stiftformig,  gerade  und  im  Querschnitt  fast  kreisformig. 
Die  konische  Krone  ist  oben  und  lingual  abgekaut  und  nur 
labial  von  Schmelz  bedeckt,  der  eine  basalwarts  konvexe 
Grenze  hat. 

Die  4  DM  sind  schmaler  und  bis  auf  den  DM  4,  der 
einem  umgekehrten  unteren  M  3  gleicht  und  ebenso  wie  er  lang 
ist.  auch  ktirzer  als  die  oberen. 

Autier  am  DM  1  ist  der  Schmelz  etwas  runzelig,  an  ihm 
nur  sehr  fein  runzelig.  Er  erhebt  sich  ein  wenig  naher  am 
DM  2  als  am  C  als  18  mm  hoher  Kegel  mit  einfacher  schrag 
nach  hinten  gerichteter  Wurzel.  Die  etwas  nach  innen  und 
vorn  geneigte  Krone  ist  nicht  kantig  und  nur  wenig  seitlich 
komprimiert.  Speziell  letzteres  unterscheidet  ihn  neben  seiner 
geringeren  Grofle  von  den  im.  Unterkiefer  D  vorhandenen  P  1. 

Der  DM  2  ist  durch  ein  sehr  kurzes  Diastema  vom  DM  3 
getrennt,  hat  wie  er  zwei  divergierende  Wurzeln  und  ist  iiber 
doppelt  so  lang  als'  breit.  Die  seitlich  platte  spitze  Krone 
besitzt  mesial  eine,  distal  zwei  Kanten,  wovon  die  auflere  in 
einem  Basalhockerchen  endet.  Lingual  sind  unter  der  Mitte 
der  Hohe  Rauhigkeiten  vorhanden. 

Der  DM  3  wird  distalwarts  breiter,  denn  er  hat  hinter 
dem  konischen  Haupthocker,  durch  ein  Quertal  getrennt,  einen 
maflig  abgekauten  wenig  niedrigeren  Doppelhocker.  Der  Haupt- 
hocker besitzt  mesial  eine  Kante,  distal  aufien  eine  Konkavitat 
und  lingual  hinten  in  halber  Hohe  eine  Rauhigkeit.  Mesial 
war  wohl  ein  Basal  hocker  vorhanden,  der  aber  durch  die 
Riickseite  des  oberen  DM2  ganz  weggekaut  ist,  und  distal 


12 


ist  ein  oben  abgekauter  Basahvulst  deni  Doppelhocker  an- 
:geschlossen. 

Der  DM  4  ist  fast  doppelt  so  lang,  breiter  und  verbreitert 
sich  noch  distalwarts.  Er  ist  vierwurzelig  und  seine  etwas 
abgekaute  Krone  besitzt  mesial  einen  ungefahr  vierseitigen 
Hocker,  dahinter  zwei  Paar  Hocker,  die  durch  ein  breites  Tal 
voneinander  getrennt  sind.  Sie  sind  bis  auf  den  lingualen 
distalen,  der  schrag  komprimiert  ist,  kleeblattformig  abgekaut. 
Den  distalen  AbschluB  bildet  ein  starker  und  hoher  Basal- 
■hocker,  wahrend  sonst  eine  Basahvulst  fehlt. 

Meine  Yermutung  (1905  S.  114),  daB  fossile  DI  vorlagen,  ist 
unrichtig,  da  die  rezenten  DI  viel  kleiner  sind  als  alle  ge- 
fundenen  Schneidezahne.  Das  lingual  abgekaute  Oberende 
eines  linken  unteren  Eckzahns  ist  aber  seiner  GroBe  nach  das 
eines  DC  (Taf.  Ill,  Fig.  5a,  b).  Die  kaum  gewolbte  Mesialseite 
ist  nanilich  nur  21  mm  breit,  die  stark  gewolbte  Labialseite  22 
und  die  Distalseite  12,  der  Zahn  ist  also  stark  seitlich 
komprimiert.  Sein  fein  runzeliger  Scbmelz  ist  nur  etwas 
langsgestreift  und  laBt  nur  die  Distalseite  frei.  An  der 
mesialen  Seite  ist  keine  Furche  vorhanden. 

Die  Krone  eines  rechten  DM  2  (Taf.  Ill,  Fig.  6),  die  nur 
•distal  unten  scbrag  abgekaut  ist,  ist  relativ  sebr  groB,  be- 
sonders  lang.  Ihr  Scbmelz  ist  fast  glatt.  Die  mesiale  Kante 
ist  wobl  ausgebildet,  die  distalen  zwei  aber  sind  es  nicbt. 
Dagegen  sind  die  Hockerchen  binten  an  der  Lingualseite 
deutlicber  als  bei  den  rezenten. 

Der  recbte  DM  3  liegt  in  einer  wenig,  etwas  und  stark 
abgekauten  Krone  vor,  woYon  die  erste  nocb  die  zwei  diver- 
gierenden  Wurzeln  besitzt.  Icb  bilde  sie  alle  ab,  um  die 
starke  Formanderung  bei  der  Abkauung  und  die  Variabilitat 
zu  zeigen  (Taf.  Ill,  Fig.  7a,  b,  8  und  9).  Auch  dieser  Zahn 
ist  relativ  grofl,  nanilich  so  groB  als  der  rezente.  Sein  Schmelz 
ist  teils  glatt,  teils  fein  runzelig.  Am  Haupthocker  findet  sich 
distal  innen  eine  schwache  Kante,  distal  auBen  keine  Konkavitat, 
lingual  an  ihm  sind  die  Warzchen  deutlicher  als  bei  dem 
rezenten,  mesial  erhebt  sich  ein  starkerer  konischer  Basal- 
hocker,  der  vorn  abgekaut  wird,  der  distale  Basahvulst  ist 
aber  ein  wenig  schwacher. 

Die  Krone  eines  linken  DM  4  (Taf.  Ill,  Fig.  10)  ist  ein 
wenig  breiter  und  etwas  kiirzer  als  die  rezente.  Ihr  Schmelz 
ist  z.  T.  glatt,  z.  T.  fein  runzelig.  Infolge  sehr  starker  Ab- 
kauung ist  der  mesiale  Hocker  einfach  breit  oval,  auch  die 
zwei  mittleren  sind  zu  einem  breiten  etwas  eckigen  Oval 
verschmolzen  und  die  zwei  distalen  auch  nur  noch  durch  eine 


13 


Schmelzinsel  getrennt.  Die  distale  Schmelzgrenze  ist  leider 
abgebrochen,  anscheinend  war  aber  der  Basalwulst  dem  rezenten 
ahnlich,  jedoch  auch  buccal  am  Mesialhocker  imd  lingual  am 
Distalhocker  schwach  ausgebildet. 

III.  Skelett-Teile. 

AuBer  den  aufierst  diirftigen  Schadelresten,  die  icli  (1905 
S.  Ill)  schon  beschrieb.  fanden  sich  youi  Knochenskelett  nur 
Wirbel  und  Extreniitatenteile  am  Garet  el  Muluk.  Sie  kann 
ich  mit  dem  Skelett  eines  Nilpferdes  aus  dem  oberen  Nil  in 


Fig.  1. 

Atlas,  von  oben,  3/5  natiirl.  GroBe.    Original  im  Senckenberg-Museum. 
Dornfortsatz  nach  Miinchener  Original  erganzt. 


der  hiesigen  Skelett-Sammlung  (=  H.  Nil,  Lange  der  Schadel- 
basis  610  mm,  der  oberen  M-Reihe  135  mm,  der  unteren  150  mm) 
und  mit  Resten  Yon  Hippopotamus  maclagascarienais  (—  H.  mad.) 
in  der  hiesigen  palaontologischen  Sammlung  yergleichen,  welcbe 
so  zahlreich.  sind,  daB  ich.  auch  tiber  die  Yariabilitat  der  Merk- 
male  mir  ein  gewisses  Urteil  bilden  kann.. 

Ein  Atlas  gleicht  in  Form  und  GroBe  dem  von  mir  (1905 
S.  Ill)  schon  beschriebenen,  welchen  ich  hier  nun  abbilde 
(Fig.  1).  Bei  ihm  ist  der  Dornfortsatz  ein  deutlicher  Hocker 
wie  bei  H.  mad.,  wahrend  er  bei  H.  Nil  ganz  schwach  ist. 
Im  Wirbelkanal  ist  beiderseits  ein  Hockerchen  vorhanden,  an 
dem  sich  das  iiber  den  Dens  des  Epistropheus  gespannte 
Ligamentum  transversum  ansetzte1). 

Ein  funfter  und  sechster  Halswirbel  mit  z.  T.  abge- 
brochenen  Quer-  und  Dornfortsatzen  tragen  auf  dem  Neural- 

J)  Bei  H.  Lemerlei  Grand,  scheint  in  hoherem  Alter  dieses  Band 
zu  verknochern.    (Grandidier  and  Filhol  1894  S.  174.) 


14 


•dach  keine  Lophapophysen  (Stromer  1902  S.  63).  Bei  H.  mad. 
fehlen  sie  auch  oder  sind  nur  sebr  schwach,  bei  H.  Nil,  auch 
"bei  dem  FluBpferd  aus  dem  Kapland  (Cuvier  a.  a.  0.  Taf.  30, 
Fig.  6)  und  dem  Senegal  (Blainville  a.  a.  0.,  Taf.  1  und  4)  sind 
sie  aber  deutlich  entwickelt.  Der  Korper  des  fiinften  (Fig.  2) 
1st  librigens  ventral  45  mm  lang,  vorn  55  mm  breit  und 
43  mm  hoch. 

Ein  hinterer  Brustwirbel  entspricht  dem  zwolften,  also  der 
ersten  Vertebra  thoracolumbalis  (Stromer  1902  S.  71).  Die 
entsprechenden  KorpermaBe  sind  bei  ihm  iiber  40,  57  und  39mm, 


Fig.  2. 

Fiinfter  Halswirbel  von  rechts.    2/5  natiirl.  GroBe. 
Parapophyse  nach  der  linken  Seite  erganzt,  Dornfortsatz  abgebrochen. 

leider  feblen  die  Epiphysen,  die  vorderen  Gelenkfortsatze  und 
das  Ende  des  Dornfortsatzes.  An  der  kurzen  Diapophyse,  die 
keine  Andeutung  einer  Anapophyse  zeigt,  befindet  sich  vorn 
eine  flacbe  Facette  fiir  die  Rippe,  die,  von  der  vorderen  Rippen- 
facette  des  Korpers  kaum  getrennt,  wie  sie  nach.  vorn  und 
etwas  auBen  sieht.  Die  hintere  Rippenfacette  des  Korpers 
sieht  nach  hinten  etwas  auBen.  Der  breite,  kaum  riickge- 
neigte  Dornfortsatz  endlich  scheiiit  hoher  gewesen  zu  sein  als 
bei  H.  NU,  dessen  Rippengelenke  sich  fast  ebenso  verhalten, 
bei  dem  aber  eine  Anapophyse  angedeutet  ist.  Viel  besser 
als  die  Teile  des  Achsenskelettes  sind  die  der  Extremitaten 
vertreten. 

Zu  der  von  mir  (1905  S.  Ill)  beschriebenen  Scapula 
kommen  noch  zwei,  wie  sie  oben  und  an  der  Spina  unvoll- 
stiindig.  Bei  der  rechten  (Fig.  3)  ist  der  Hals  61,5  mm  breit, 
die  Gelenkpfanne  56,5  mm  lang,  50  mm  breit,  bei  der  linken 
sind  die  MaBe  62,5,  61  und  52  mm.  Bei  alien  drei  ist  wie 
bei .  JJ.  mad.  im  Gegensatz  zu  den  rezenten  eine  aufragende 
Spitze    auf  dem  Ende  des  Processus   coracoideus  nur  ange- 


15 


deutet  und  der  PfannenauBenrand  vor  der  Mitte  seiner  Lange 
etwas  aufgebogen.  Im  einzelnen  besteht  eine  ziemliche 
Variability.  Die  Spina  beginnt  namlich  bei  der  ersten  45  mm. 
bei  den  andern  zwei  40  mm  fiber  '  dem  Gelenk  und  die 
Konvexitat   des  Vorderrandes   bei  den  zwei  rechten  Scapulae 


Fig.  3- 

Rechte  Scapula  von  auBen.    2/s  natiirl.  GroBe. 
Spina  und  oberer  Teil  abgebrochen. 

hoher  oben  als  bei  der  linken  und  den  rezenten.  Auch  ist 
der  Processus  coracoideus  ventral  bei  der  einen  rechten  wie 
bei  der  rezenten  dicker  als  bei  den  andern  zwei,  und  die 
Gelenkpfanne  bat  bei  der  linken  ihre  gro\Bte  Breite  hinten, 
bei  den  andern  zwei  vor  der  Mitte. 

Studer  (1898  S.  74)  und  Andrews  (1902  S.  435,  436, 
Fig.  1)  beschrieben  einen  linken  Humerus  ohne  Oberende.  Mir 
liegt  nur  das  untere  Ende  eines  kleineren  rechten  vor.  Es  ist 
nur  92  mm,  das  Gelenk  bis  zu  70  mm  breit,  wahrend  die  groBte 


16 


Dicke  innen  95,5  mm  betragt.  Es  bestatigt  die  Ansicht  yon 
Andrews,  daB  die  Durchbrechung  der  Fossa  olecrani  bei 
Studers  Original  nur  zufallig  ist;  denn  ihr  Boderi  ist  hier 
geschlossen.  Auch  reicht  der  Condylus  internus  nicht  tiefer 
herab  als  das  Gelenk,  wenn  auch,  wie  bei  H.  Nil,  tiefer  als  bei 
H.  mad.,  und  tiefer  als  der  Cond.  externus. 

Ein  sehr  gut  erhaltenes  Antibrachium  bildete  ich  schon. 
(1905  Taf.  20,  Fig.  4)  ab.  Seiner  Beschreibung  (a.  a.  0.  S.  112)  ist 
auf  Grund  der  neuen  Funde:  eiuer  Oberhalfte  des  rechten 
sowie  der  unteren  Epiphyse  des  linken  Radius  uud  der  unteren 
Epiphyse  der  rechten  Ulna,  nur  sehr  wenig  uachzutrageu.  Die 
groBte  Breite  des  Radius  betragt  oben  70  mm,  die  Dicke  42  mm, 
sein  Schaft  ist  auch  nur  36,5  mm  breit.  Die  grofite  Breite  der 
unteren  Epiphyse  ist,  wie  1905,  69  mm,  die  ihres  Gelenkes  46  mm. 
Die  untere  Epiphyse  der  Ulna  ist  am  Oberende  50,5  mm,  am 
Gelenke  hinten  nur  26  mm  breit. 

Das  Antibrachium  eines  ausgewachsenen  H.  mad.  wie  des 
//.  Nil  ist  relatiy  kurzer,  der  Vorderrand  des  Olecranon  nicht 
ocler  nur  sehr  wenig  konkay  und  die  Grube  hinten  lateral  vom 
unteren  Gelenke  des  Radius  yiel  seichter.  Die  Verwachsung  yon 
Radius  und  Ulna  aber  ist  bei  II.  Nd.  starker  als  bei  II.  mad. 
und  unserem  Fossil. 

Vom  VorderfuB  fanden  sich  mehrere  yereinzelte  Knochen, 
deren  MaBe  wie  die  der  folgenden  in  der  Tabelle  auf  Seite  21  u.  24 
yergli-chen  sind.  Da  ein  geringes  Verschieben  des  Ansatzes  der 
MaBstabe  nicht  unbetrachtliche  Unterschiede  in  den  Mafien 
ergeben  kann,  so  ist  auf  kleine  Unterschiede  in  deren  absoluten 
GrbBen  und  in  ihren  Verhaltnissen  kein  Gewicht  zu  legen. 
Literaturangaben  iiber  solche  MaBe  sind  natiirlich  nur  mit  Yor- 
behalt  zu  gebrauchen,  da  oft  nicht  festzustellen  ist,  wo  der 
Autor  gemessen  hat.  Ein  linkes  Intermedium  (=  Lunare,  Fig.  4) 
ist  sehr  klein,  namlich  kaum  halb  so  gro.fi  als  bei  dem  Nilpferd. 
Es  unterscheidet  sich  auch  deutlich  yon  diesem  dadurch,  daB 
seine  Gelenkflache  fiir  das  UJnare  sehr  klein  ist,  und  daB  yorn 
unten  die  Flache  fiir  das  Carpale  3,  und  die  fur  das  Carpale  4  +  5 
winklig  statt  gerundet  stump fwinklig  zusammenstoBen. 

Zwei  rechte  Pisiformia  (Fig.  5)  gehoren  yiel  groBeren 
Indiyiduen  an.  Sie  zeichnen  sich  gegeniiber  dem  des  Nilpferdes- 
durch  einen  starken  Wulst  ihrer  AuBenseite  aus. 

Ein  rechtes  Carpale  2  (==  Trapezoideum,  Fig.  6)  ist  dadurch 
yom  rezenten  ausgezeichnet,  daB  das  laterale  Yordereck  seiner 
mit  dem  Radiale  gelenkenden  oberen  Flache  herabgeneigt  ist, 
so  daB  der  Lateralrand  seiner  Yorderseite  kaum  halb  so  hoch 
als  der  mediale,  statt  fast  ebenso  hoch  ist.  Dabei  ist  die  mittlere 


17 


Breite  und  Hohe  im  Verhaltnis  zur  Lange  (von  vorn  nach  hinten) 
relativ  hoch. 

Eiu  etwas  ladiertes  Carpale  3  (Magnum,  Fig.  7)  ist  vorn 
relativ  holier  und  schmaler  als  bei  den  rezenten,  und  hinter 
seinen  oberen  Gelenkflachen  befindet  sich  oben  auf  dem  Haken- 
fortsatz  eine  Querrinne. 

Ein  lateral  und  hinten  ladiertes  Carpale  4  +  5  (Unciforme, 
Fig.  8)  scheint  relativ  schmaler  zu  sein  als  das  rezente,  und 
seine  Gelenkflachen  fur  das  Metacarpale  4  und  5  sind  durch 


Fig.  4. 
Linkes  Intermedium 
von  vorn.  2  -,  nat.  Gr. 


Fig.  5. 
Rechtes  Pisiforme  von 
oben.  2  5  natiirl.  GrdBe. 


Fig.  6. 
Rechtes  Carpale  2  von 
vorn.   2  5  natiirl.  Gr. 


Linkes  Carpale  3  von  vorn  und 
etwas  obeD.     2  =,  natiirl.  GroBe. 


Fig.  8. 

Rechtes  Carpale  4  +  5  von  vorn 
und  etwas  oben.   3/5  natiirl.  GroBe. 
Lateral  unvollstandis:. 


•eine  deutliche  Kante  getrennt,  was  bei  dem  Nilpferd  nicht 
der  Fall  ist. 

Ein  unvollstandiges  Metacarpale  2  und  5  beschrieb  ich  schon 
(1905  S.  112).  Dazu  kommt  jetzt  noch  das  erste  Glied  der 
dritten  und  funften  linken  sowie  der  vierten  rechten  Zehe,  und 
das  zweite  Glied  der  zweiten  und  vierten  rechten  Zehe  des 
Vorderfufies.  Sie  zeigen  kaum  Besonderheiten,  nur  ist  das  erste 
Glied  der  funften  Zehe  hinten  wulstig  verdickt  und  das  zweite 
•Glied  der  vierten  Zehe  relativ  lang. 

Von  der  Hinterextremitat  ist  leider  das  Becken  und  der 
•Oberschenkel  kaum  vertreten.  Dagegen  liegt  eine  rechte  Tibia 
(Fig.  9)  mit  dem  nicht  verwachsenen  Oberende  (Fig.  10)  und 
dem  verwachsenen  Unterende  der  Fibula  vor,  sowie  eine  linke 
Tibia,  deren  Oberende  fehlt,  und  die  nach  ihrer  geringen  GroBe 
und  der  noch  nicht  eingetretenen  Yerwachsung  der  Fibula  einem 
■ein  wenig  jiingeren  Individuum  angehort. 

Die  Tibia  ist  relativ  lang,  vor  allem  im  Yerhaltnis  zu 

^eitschr.  d.  D.  Geol.  Ges.  1914.  2 


18 


ihrer  imteren  Breite.  Oben  ragt  der  Innenrand  der  lateralen 
Gelenkflacbe  wie  bei  dem  Nilpferd  fast  so  hoch  empor  als  der 


Fig.  9. 

Rechte  Tibia  mit  dem  Unterende  der 
Fibula,  vod  vorn.     2/5  naturl.  Grofie 


Lateralrand  der  medialen  Gelenkflache,  wabrend  bei  H.  mad.. 
ersterer  niederer  ist.  Ferner  ragt  im  Gegensatz  zuni  Nilpferd 
und  II.  mad.    das   Oberende   der  Crista  enemialis   iiber  die- 


19 


Gelenkflache  empor,  imd  ihr  Yorderrand  ist  in  der  oberen 
Schafthalfte  so  stark  lateralwarts  umgebogen,  dafl  in  der 
Schaftmitte  ein  deutliches  stumpfes  Eck  entsteht.  Beides  ist 
bei  dem  Nilpferd  und  besonders  bei  H.  mad.  viel  schwacher  der 
Fall.*  Unten  vorn,  zwischen  den  zwei  Gelenkgruben,  ist  bei  der 
rechten  Tibia  eine  Kerbe,  die  sich  ventral  in  eine  Rinne  fort- 
setzt,  nur  angedeutet,  an  der  linken  aber  deutlich.  Grandidier 


und  Filuol  (1894  S.  177,  178,  Taf.  15,  Fig.  2,  3)  fanden  die 


gleichen  variablen  Verhaltnisse  bei  H.  Lemerlei. 

Die  Fibula' (Fig.  10)  ist  oben  im  Gegensatz  zu  der  rezenten 
deutlich  verbreitert,  ihr  starkes  Unterende  wurde  von  Cuvier 
a.  a.  0.  S.  426)  falschlich  als  getrennter  Knochen  behandelt. 


Linker  Talus,  a  von  auBen,  b  von  hinten  unten.    2/5  natiirl.  GroCe. 

Ein  linker,  oben  innen  ladierter  Talus  (Fig.  11a,  b)  paBt 
in  seiner  Grofle  zu  der  kleineren  Tibia.  Er  ist  gegenuber 
dem  rezenten  und  dem  des  mad.  sehr  lang.  Seine  palmare 
Gelenkflache  fur  den  Calcaneus  ist  distal  kaum  schmaler  als 
proximal.  Das  ist  zwar  auch  bei  dem  hiesigen  Nilpferd  der  Fall, 
bei  dem  Fluflpferd  aus  dem  Senegal  aber  scheint  nach  Blainville 
(Hippopotamus  Taf.  5)  ihr  Lateralrand  schrag  nach  innen  unten 
zu  laufen,  wie  das  bei  alien  hiesigen  Exemplaren  von  H.  mad. 
der  Fall  ist.  Die  Konkavitat  liber  und  median  von  dieser  Flache 
ist  relativ  schmal  und  seicht  gegenuber  der  des  Nilpferdes  und 
der  medialen  des  H.  mad.  Yon  den  lateralen  Gelenknachen  fiir 
den  Calcaneus  ist  die  obere  von  der  |ftir  den  Malleolus  externus 
nicht  abgesetzt  und  die  untere  breit,  was  auch  bei  dem  Nilpferd 
der  Fall  ist,  wahrend  bei  H.  mad.  stets  die  obere  deutlich  ver- 
tieft,  die  untere  viel  schmaler  ist.  Distal  endlich  ist  die  Gelenk- 
flache fiir  das  Centrale  (=  Naviculare)  etwas  quer  konkav  und 
hoher  gelegen  als  die  fiir  das  Tarsale  4  +  5  (Cuboideum),  was 
bei  dem  Nilpferd  in  geringerem  Mafie  der  Fall  ist,  wahrend 


Fig.  11a. 


Fig.  lib. 


20 


bei  H.  mad.  die  Flache  fur  das  Centrale  sehr  wenig  konkay  und 
kaum  iiber  der  anderen  gelegen  ist. 

Ein  linkes  Tarsale  4  +  5  (=  Cuboideum,  Fig.  12)  ist  relatiy 
groB  und  gleicht  in  seinen  MaBen  dem  kaplandischen  FluBpferd 
Cuyiers,  paBt  also  nicht  an  den  yorliegenden  Talus.  Es  zei^hnet 
sich  durch  eigenartige  Ausbildung  seiner  medialen  Gelenkflachen 
aus.  Bei  deni  Nilpferd  und  H.  mad.  befindet  sich  namiich  hinten 
oben  eine  etwas  hochoyale  Flache  fiir  das  Centrale,  die  nach 
innen  und  maBig  oben  sieht,  unten  yore  eine  fiir  das  Tarsale  3, 
welche,  stark  yon  yorn  nach  hinten  gestreckt,  bis  unter  die  erstere 
reicht  und  nur  nach  innen  sieht.  Bei  dem  fossilen  Stuck  nun 
liegt  die  Flache  fiir  das  Centrale  tiefer  und  sieht  nach  oben 


Fig.  12. 

Linkes  Tarsale  4  +  5  von  innen.    2/5  natiirl.  GroBt. 

etwas  innen,  und  yor  ihr  liegt  eine  gestreckte  andere  Flache, 
die  gleichgerichtet  und  nur  durch  eine  Kante  yon  einer  ebenso, 
aber  bis  weiter  nach  hinten  gestreckten  Flache  getrennt  ist, 
die  nach  unten  maBig  innen  sieht.  Die  obere  gestreckte  Flache 
ermoglichte  yvohl  eine  zweite  vordere  Gelenkung  mit  dem  Centrale, 
die  unter e  mit  dem  niederen  Tarsale  3,  ahnlich  wie  z.  B.  bei 
Anthracotherium  eine  keilformige  Gelenkflache  des  Tarsale  4  +  5 
sich  zwischen  Centrale  und  Tarsale  3  einschiebt.  Das  Centrale 
und  Tarsale  3  muBten  also  andere  laterale  Gelenkflachen  haben 
als  bei  dem  Nilperd  und  bei  H.  mad.  Die  yereinigten  Gelenk- 
flachen fiir  das  Metatarsale  4  und  5  sind  iibrigens  yon  dieser  Flache 
fiir  das  Tarsale  3  yollig  getrennt;  die  fiir  das  Metatarsale  5  endlich 
ist  im  Gegensatz  zu  der  des  Nilpferdes  und  H.  mad.  quergewolbt 
und  reicht  bis  auf  die  Lateralseite,  womit  iibereinstimmt,  daB 
ich  (1905,  S.  112)  die  Konkayitat  der  oberen  Gelenkflache  dieses 
Metatarsale  hervorheben  konnte.  An  dem  kleinen  palmaren 
Hakenfortsatz  findet  sich  aber  bei  Hippopotamus  keine  Gelenkflache. 
Zu  den  unyollstandigen  Metatarsalia  4  und  5,  die  ich  a.  a.  0. 
beschrieb,  kommen  jetzt  nur  noch  zwei  erste  Zehenglieder,  wohl 
der  link  en  zweiten  und  dritten  Zehe  (Fig.  13  und  14),  und  ein 
zweites  Glied,  wohl  der  zweiten  rechten  Zehe  (Fig.  15).  Die 


21 


zwei  ersten  Glieder  sind  oben  relativ  sclimaler  als  bei  dem 
Nilpferd,  und  das  der  zweite  Zebe  dabei  verbaltnismiiBig  lang, 
aucb  ist  es  binten  wulstig  verdickt. 


Fig.  13. 
Erstes   Glied,  wohl 
der  zweiten  Zehe  des 
linken  HinterfuBes, 
von  vorn.  2/5  nat.  Gr. 


Fig.  14. 
Erstes  Glied,  wohl  der 
dritten  Zehe  des  linken 
HinterfuBes,  von  vorn. 
2  5  naturl.  GroBe. 


Fig.  15. 
Zweites  Glied,  wohl 
der  zweiten  Zehe  des 
rechten  HinterfuBes, 
von  vorn.  3/5  nat.  Gr. 


Zurn  Scblusse  ist  ein  Sesamknochen  vorhanden,  der  an 
das  Gelenk  zwiscben  einem  Metapodium  und  dem  ersten 
Glied  einer  dritten  oder  vierten  Zebe  gebort,  ohne  daB  sich 
seine  genauere  Lage  feststellen  laBt.  Er  ist  35  mm  lang  und 
bis  18  mm  breit  und  binten  dicker  als  bei  dem  Nilpferd. 
Tabellen  der  Matie  von  Extremitaten-Teilen. 


FluBpferd 
Cuvier   1  NU 
S.  433 

Xatrontal 

Intermedium 

67 

64,5 

32 

59 

62 

29 

37 

40 

20 

Pisiforme 

67 

65 

63 

groBte  Breite      .    .  ,  

28 

26 

29  • 

Carp  ale  2 

40 

40 

28 

29 

31 

25 

21 

26 

20 

Carpale  3 

von  vorn  nach  binten   

80 

76 

iiber  58 

44 

48 

28 

33 

32 

22 

Carpale  4  +  5 

82 

67 

iiber50 

68 

65 

40 

40 

32 

22 

22 


Tabelle 


A.  Obere 


1 1 

I 

2 

c 

langs 

quer 

langs 

quer 

langs 

quer 

Schadel  A  

23 

20 

22 

22 

29 

39 

,  B  

28 

28 

32 

47,5 

„  c  

29,5 

23 

24,5 

19 

32 

39 

„     D  .......  . 

31  ca. 

28 

25  ca. 

25  ca. 

34 

41 

Schnauze  E   

19  ca. 

19  ca. 

19 

15 

23 

30 

»  F  

24 

19 

22 

17 

22 

32 

Natrontal  

v   

?15 

?10,5 

18 

13,5 

25 

34 

— 

n   

Choeropsis  liberiensis  .    .  . 

8 

7 

9 

9 

18 

29 

B.  Untere 


Ii 

I 

2 

c 

langs 

quer 

langs 

quer 

mesial 

labial 

distal 

Schadel  A  ... 

33 

31 

25,5 

24 

45 

33 2) 

32 

.     B     .    .  . 

52 

44 

27,5 

26 

45 

33 

33 

„     C     .    .  . 

37 

35 

26 

21 

51 

37 

31 

„     D     .    .  . 

43 

40 

23 

23 

52 

41 

32 

Schnauze  E    .    .  . 

33 

30 

21 

19,5 

37 

30 

25 

x      F  .    .  . 

32 

30 

19 

18,5 

36 

28 

24 

Rovuma  G     .    .  . 

55,5 

52,5 

80 

59 

48 

Gaudrys  Orio-.    .  . 

?  23 

?23 

?20 

?20 

?44 

Natrontal  .... 

?  23 

?21 

16,5 

16,5 

d30 

25 

20 

16,7-20 

16,5 

16 

12 

s35 

26,5 

19 

12,5 

11,5 

d45 

35  ca. 

25  ca. 

Choeropsis  liberiensis 

12 

12 

26 

17 

16 

C.  Milch- 


D  Ii 

D  12 

D  M 

langs 

quer 

langs 

quer 

1-4 

obere 

7 

6 

7,2 

6,1 

130 

r> 

„     Natrontal      .    .  . 

untere 

7,6 

6,5 

123 

„     Natrontal      .    .  . 

')  Die  MaBe  sind  alle  an  der  Kronenbasis  abgenommen  und  in 
2)  Die  Grenzen  der  Labialseite  sind  so  gerundet,  daB  die  MaBe  nur 


23 


tier  MaBe1). 

Z  a  line. 


P  2 

P  3 

P  4 

Ml  —  M3 

M  2 

langs 

quer 

liings 

quer 

langs 

quer 

langs 

langs 

quer 

30 

18 

33 

24 

27 

34 

140 

53 

50 

30 

21 

38 

27 

27 

29 

132 

49 

45 

32 

22 

36 

25 

25 

28 

136 

50 

48,5 

32 

22 

36 

26 

34 

34 

145  ca. 

54 

47 

28,5 

18 

29 

23 

30,5 

19 

30 

18 

d22 

22 

116  ca. 

d4l 

39 

s20 

17 

d40  ca. 

39 

d2i 

19,5 

s20 

18 

19,5 

16 

19,5 

16 

16,5 

16 

73,5 

29,5 

21  ca 

Zilhn  e. 


P  2 

P  3 

P  4 

M  1-  3 

M  2 

langs 

quer 

langs  | 

quer 

langs 

quer 

langs 

langs 

quer 

d30 

19 

37 

23 

39 

26,5 

160 

56 

36,5 

32  ca, 

34,5  ! 

21 

35 

24 

155 

54 

34,5 

31 

19 

36 

21 

31 

24 

155 

54,5 

36,5 

32 

20 

36  : 

26,5 

38 

25,5 

155  ca. 

55 

34,5 

28 

16 

33 

19 

36 

23 

30,5 

14 

36,5  | 

20,5 

36 

22 

35 

d29 

19 

32 

  i 

19 

31 

23 

d38 

.  24,5 

17 

- 
11 

17 

13 

17 

13 

85 

22 

18 

zahne. 


Dili 

langs  quer 


DM2 

langs  quer 


langs 


D  M3 
Torn 
quer 


hinten 
quer 


langs 


D  M4 

vorn   I  hinten 


13,6 
11 


9 

8,9 


22,8 


19 
23,5 


12 


9,1 
9,5 


32,3 

29,5 

24 

24,5 

23 

24,5 


11 

11 

10 
11 

9.5 
10 


18 

18 

13 

11,5 

11,5 

13,8 


36 

iiber 

26,5 

44 

41 


Millimetern  angegeben.  d  bezeichnet  rechte,  s  linke  Zahne. 
ungenau  angegeben  werden  konnen. 


24 


FluBpferd 

a 

CUVIBR 

.  Nil 

Natrontal 

S.  433 

1.  Glied  der  3.  Zehe 

55 

60 

52 

3d 

1.  Glied  der  5.  Zehe 

?55 

58 

48 

37 

2.  Glied  der  2.  Zehe 

?34 

32,5 

27 

32 

26,5 

2.  Glied  der  4.  Zehe 

34 

34 

35 

37 

31 

FluBpferd 

H.  madagasc. 

N  atrontal 

Cuvier 

Nil 

GULDBERG 

Munchen 

rechts 

links 

S.  435 

S.  21 

Tibia 

Lange  in  Mittellinie  . 

346 

325 

225  J) 

205 

312 

obere  groBte  Breite  . 

152 

140 

89 

91 

120 

obere  Dicke  in  Mitte 

112 

115 

62 

62 

93 

untere  Breite  .    .  . 

89 

88 

57 

57 

66 

66,5 

untere  Dicke  in  Mitte 

58 

60 

36 

36 

50 

46,5 

Breite  an  schmalster 

Schaftstelle  .    .  . 

57 

52 

35 

35 

49 

49 

FluBpferd 

CcvierI  vn 
S.436  1 

H.  mad. 

Natron- 
tal 

Ke- 
doeng 
Java 

Seren- 
geti 

Talus 

Lange  in  Mitte  .  . 

77 

85 

55 

78 

72 

94 

Breite  unten      .  . 

72 

75 

57,5 

iiber  66 

iiber  60 

82,5 

Dicke  unten  .  . 

56 

48 

35 

39 

40 

55  ca. 

Breite  der  Cuboid- 

flache  .... 

37 

37,5 

26 

iiber  25 

33 

42 

Breite  d.  Navicular- 

flache  .... 

42 

39 

29 

29,5 

iiber  26 

42 

Tarsale  4  +  5 

Breite  vorn  .    .  . 

45 

52 

32 

42 

groBte  Ho  he  vorn  . 

37 

42 

26 

34 

von  vorn  nach  hinten 

66 

62 

43 

61 

l)  Wohl  groBte  Lange  statt  Achsenliinge. 


25 


FluBpferd 

CuvierI  Nn 
S.  436  | 

H.  mad. 

Natron- 
tal 

dOGDg 

Java 

Seren- 
geti 

1.  Glied  der  2.  Zehe 

Liinge  vorn  iq  Mitte 
gvofite  Breite  oben 

53 

54 
34 

- 

29 

1.  Glied  der  3.  Zehe 

Liinge  vorn  in  Mitte 
grofite  Breite  oben 

60 

— 

60 
44 

— 

57 
35 

2.  Glied  der  2.  Zehe 

Lange  vorn  in  Mitte 
groBte  Breite  oben 

26 

30,5 
28,5 

28 
26,5 

VI.  SchluD. 

Hippopotamus  (Tetraprotodori)  Iripponensix  Gaudky  ist  also 
zwar  fast  nur  in  vereinzelt  gefundenen  Resten  bekannt,  so  dafi 
sich  die  so  wichtigen  relativen  GroBen  der  Teile  erst  sehr 
ungeniigend  klarlegen  lassen,  auch  sind  wichtige  Organe:  der 
untere  M  3,  die  DI,  der  obere  DC,  Schadel,  Unterkiefer,  die 
meisten  Wirbel,  die  Rippen,  das  Becken,  das  Oberende  des 
Humerus,  das  Femur  und  die  meisten  Metapodien  und  Zehen- 
glieder  unbekannt;  es  lohnt  sich  aber  doch,  die  hauptsachlichen 
festgestellten  Merkmale  kurz  zusammenzufassen. 

Unsere  Form  ist  erheblick  grofier  als  H.  madagascarientis. 
aber  in  der  Norm  kleiner  als  die  jetzigen  FluBpferde,  kann 
aber  in  starken  Individuen,  wahrscheinlich  alten  Bullen,  die 
GroBe  kleinerer  Indiyiduen  der  letzteren  erreichen,  wie  manche 
Zahne  und  FuBknochen  erweisen.  Da  die  Reste  im  Natrontale 
fast  alle  einer  Schicht  und  benachbarten  Fundorten  entstammen 
und  ich  bei  den  rezenten  ostafrikanischen  FluBpferden  wenigstens 
im  GebiB  gleicMalls  starke  GroBenschwankungen  neben  sonstiger 
Yariabilitat  feststellen  konnte,  besteht  aller  Grund,  samtliche 
fossile  Reste  einer  Art  zuzurechnen  und  ihr  ebenfalls  erhebliche 
Variability  zuzuschreiben1). 

4  Yon  den  oberen  Zahnen  sind  die  I  wenig  gerieft,  am  C 
fehlt  vorn  der  Schmelz,  und  die  nicht  sehr  groBe  Furclie  yerlauft 
in  Mitte  der  Distalseite,  der  P  3  ist  sehr  gestreckt,  der  P  4 
besitzt  distal  eine  starke  Kante  und  innen  einen  yerdickten 
Basalwulst,  die  M  endlich  sind  quadratisch,  ihr  Basalwulst  ist 
ringsum  gleichartig,  und  ihre  yier  Hocker  werden  beim  Abkauen 
kleeblattformig. 

l)  Dasselbe  gilt  wohl  auch  von  dem  subfossilen  FluBpferd  Mada- 
gaskars,  das  ofters  in  mehrere  Arten  anfgelost  wurde. 


26 


Unten  wird  der  I  1  etwas  starker  als  der  12,  bei  dem  der 
Schmelz  mesial  und  distal  basalwarts  in  Zipfel  endet.  Der  C  ist 
kaum  gerieft,  seine  rnesiale  Furche  sehr  schwach,  und  der  Schmelz 
fehlt'nur  an  der  gefurchten  Distalseite.  Die  Backenzahne  haben 
wie  oben  einen  groBtenteils  rauhen  Schmelz,  an  den  P  ist  der 
starke  linguale  Basalhocker  bezeichnend,  auch  sind  sie  relativ 
groB,  der  M  2  ist  ein  langsgestrecktes  Rechteck,  mit  nur  distal 
maBig  starkem  Basalwulst  und  mit  schwach  gefurchten  Hockern. 

Im  MilchgebiB  ist  der  Schmelz  der  Backenzahne  glatt  oder 
wenig  rauh,  der  obere  DM  3  ist  relativ  groB,  besonders  breit, 
und  die  zwei  AuBenhocker  des  wenig  gestreckten,  rechteckigen 
DM  4  sind  kaum  kleeblattformig,  der  untere  DC  hat  keine 
Riefen  und  keine  rnesiale  Furche,  die  DM  sind  relativ  groB, 
der  DM  2  und  DM  3  hat  lingual  deutliche  Warzchen,  der 
DM  3  einen  starken  mesialen  Basalhocker,  und  der  lange  DM  4 
ist  relativ  breit. 

Am  Atlas  bildet  der  Dornfortsatz  einen  deutlichen  Hocker, 
und  der  obere  Eingang  des  Foramen  transversum  eine  einfache 
Grube;  die  mittleren  Halswirbel  besitzen  keiue  Lophapophysen. 

An  der  Yorderextremitat  hat  der  Processus  coracoideus 
keine  aufragende  Spitze,  und  der  auBere  Pfannenrand  Jder  Sca- 
pula ist  etwas  aufgebogen.  Der  Condylus  internus  humeri  ragt 
tiefer  herab  als  der  externus,  der  Radius  ist  relativ  schlank 
und  hat  unten  hinten  lateral  vom  Gelenk  eine  tiefe  Grube,  und 
die  nicht  sehr  innig  mit  ihm  verschmelzende  Ulna  besitzt  einen 
konkaven  Yorderrand  des  Olecranon.  Am  Intermedium  stoBen 
die  unteren  Gelenkflachen  winklig  zusammen,  das  Pisiforme 
besitzt  auBen  einen  starken  Wulst,  das  Carpale  2  einen  niederen 
lateralen  Yorderrand,  und  am  Carpale  4  +  5  sind  die  distalen 
Flachen  durch  eine  Kante  getrermt.  Die  Metacarpalia  besitzen 
distal  hinten  einen  schwachen  Leitkiel,  und  das  2.  Glied  der 
4.  Zehe  ist  relativ  lang. 

Auch  die  Tibia  ist  relativ  lang,  an  ihrer  Crista  cnemialis 
ragt  das  Oberende  hoch,  und  ihr  umgebogener  Yorderrand  endet 
in  einem  deutlichen  stumpfen  Winkel.  Die  Fibula  ist  oben 
ziemlich  verbreitert  und  verschmilzt  unten  mit  der  Tibia.  Der 
Talus  ist  relativ  sehr  lang,  hat  palmar  neben  seiner  sehr  groBen 
Gelenkflache  nur  seichte  und  schmale  Gruben,  und  distal  liegt 
die  querkonkave  Flache  fur  das  Centrale  hoher  als  die  fur  das 
Tarsale  4  +  5.  Letzteres  zeigt  medial  eine  eigentumliche  keil- 
formige  Gelenkflache  fur  das  Centrale  und  Tarsale  3.  Die 
Metatarsalia  haben  distal  hinten  schwache  Leitkiele.  Das  Meta- 
tarsal 5  und  das  1.  Glied  der  2.  Zehe  endlich  ist  relativ  lang. 

Mindestens    die  untere  Halfte   der  Beine  war  also  nach 


27 


allem  relativ  schlank  und  lang,  und  in  der  Schmelzreduktion 
am  oberen  C  sowie  in  den  Lingualhockern  der  unteren  P  wie 
in  den  Leitkielen  der  Metapodien  kann  man  Spezialisierungen 
sehen. 

DaB  die  im  Mittelpliocan  des  Natrontales  so  haufige  Art 
mit  der  yon  Bona  in  Algier  durch  Gaudry  (1876)  beschriebenen 
identisch  ist,  hat  schon  Andrews  (1902  S.  434)  festgestellt, 
nach  Ph.  Thomas  (1884  S.  18)  stammt  diese  ebenfalls  aus  dem 
Pliocan,  nicht  aus  dem  Quartar.  DaB  zu  unserer  Form  die  von 
Pomel  (1896)  beschriebenen  zahlreichen  Hippopotamus  -Reste 
aus  dem  Quartar  Algiers  nicht  gehoren,  ist  yon  Andrews  . 
(a.  a.  0.)  uud  mir  (1905  S.  116,  117)  schon  erwiesen  worden; 
allerdings  besitze  ich  keine  Reste,  die  mit  den  durftigen,  die 
Pomel  (a.  a.  0.  S.  9  ff.,  Taf.  4)  zu  Gaudrys  Art  rechnete,  direkt 
zu  vergleichen  sind. 

liber  die  Originale  von  //.  annectens  Pomel  (1896  S.  59, 
Taf.  13,  Fig.  10,  11)  aus  Unteragypten  lafit  sich  meinen  Be- 
merkurigen  (1905  S.  116)  nur  hinzufiigen,  daB  die  Furche  der 
Distalseite  des  oberen  C  (a.  a.  0.  S.  60)  offenbar  wie  bei  H. 
amphibius  im  Gegensatz  zu  hipponensis  der  Medianseite  ge- 
nahert  ist. 

DaB  H.  annectens  Falc.  ebenso  wie  iibrigens  H.  pentlandi 
H.  v.  Meyer  und  H.  melitensis  Forsyth  major  nomina  nuda 
sind,  da  sie  ohne  Beschreibungen  aufgestellt  wurden,  erwahnte 
ich  ebenfalls  schon  (1905  S.  113)  und  suchte  (a.  a.  0.  S.  115) 
zu  zeigen,  daB  die  durftigen  Knochenreste  aus  Nubieu,  fur  die 
der  erste  Name  aufgestellt  wurde,  zu  einem  gewohnlichen  sehr 
groBen  Nilpferd  gehoren  konnten,  wozu  ja  schon  Falconer  (1865 
S.  372,  373)  fossile  obere  sehr  groBe  M  vom  zweiten  Nilkatarakt 
gerechnethatte.  Darin mussenmich die MaBe  des  rezenten  Riesen- 
Individuums  aus  dem  Rovuma,  das  ich  oben  (Seite  7  und  22) 
besprach,  nur  bestarken.  E.  Fraas  (1907  S.  7,  Taf.  8,  Fig.  3,  4) 
beschrieb  nun  einige  sehr  grosse  Zahue  aus  jungen  Schottern 
des  Vaalflusses  bei  Kimberley  in  Siidafrika  als  Reste  einer 
var.  robusta  des  rezenten  H.  amphibius.  Ich  kann  seine  vor- 
sichtige  Zuriickhaltung  in  der  Aufstellung  einer  neuen  Art  nur 
billigen,  denn  abgesehen  yon  kleinen  Unterschieden  in  einem 
unyollkommenen  M  konnen  sie  kaum  von  H.  amphibius  unter- 
schieden werden,  das  mindestens  ebenso  groB  wird. 

Herr  Kattwinkel,  dem  die  hiesige  zoologische  Sammlung 
u.  a.  mehrere  der  oben  verglichenen  FluBpferd-Schadel  verdankt, 
brachte  auch  der  palaontologischen  Sammlung  Saugetier-Reste 
mit,  die  er  in  einem  quarzreichen  vulkanischen  Tuff  in  der 
Serengetisteppe  Deutschostafrikas  entdeckte.    Die  darunter  be- 


28 


fmdlichen  Hippopotarnus-Heste  erhielt  ich  dankenswerter  "Weise 
zum  Yergleiche.  Sie  sind  wohl  ein  Beweis  fur  einst  grofleren 
Wasserreichtum  in  der  sehr  trockenen  Steppe. 

Es  sind  stark  geriefte  Bruchstiicke  eines  unteren  C,  das 
untere  Ende  eines  ?  Metarcarpale  4,  ein  linkes  Metacarpale  5 
und  ein  reenter  Talus  sowie  schlecht  erhaltene  Wirbel  nebst 
einem  Bruchstiick  eines  Calcaneus.  Ihrer  GroBe  nacn  passen 
sie  zusammen  und  zu  den  yon  mir  (1905  S.  115)  besprochenen 
Originalen  des  H.  annectens  Falc.  aus  Nubien  und  den  oben 
erorterten  der  var.  robusta\E.  Fraas.  Der  Talus  paBt,  wie  seine 
•  MaBe  auf  Seite  24  zeigen,  in  den  Proportionen  ganz  zu  dem 
hiesigen  Nilpferd,  auch  in  den  auf  Seite  19  augefiihrten  Einzel- 
heiten  zeigt  er  nur  darin  eine  Abweicbung,  daJ3  die  Konkavitat 
iiber  seiner  breiten  plantaren  Flache  fiir  den  Calcaneus  so  schmal 
und  seicbt  wie  bei  H.  Mpponensis  ist.  Das  Gelenk  des  ?  Metacarpale  4 
ist  48  mm  breit,  45  dick.  Das  Metacarpale  5  aber  ist  lateral 
125  mm  lang,  sein  oberes  Gelenk  52  dick,  die  Breite  und  Dicke 
in  Mitte  des  Schaftes  betragt  43  und  25,5  mm,  am  unteren 
Gelenk  aber  45,5  und  41.  Gegenuber  dem  yon  mir  (1905  S.  112) 
gemessenen  Metacarpale  5  des  Nilpferdes  ist  der  Sehaft  breit 
und  relatiY  weniger  dick,  auch  fehlt  oben  median  die  hintere 
Flache  fiir  das  Metacarpale  4  und  lateral  ebenso  wie  bei  H. 
hipponensis  eine  groflere  Konkavitat  in  Mitte  des  lateralen 
Hockers. 

So  aufTallend  es  ist,  daB  all  diese  fossil  en  Reste:  im  nubiscben 
Nil,  in  Deutschostafrika  uud  am  VaalfluB,  Yiel  groBer  als  die 
Norm  der  heutigen  Art  sind,  lassen  sicb  geniigende  Unter- 
scbiede  zu  einer  systematischen  Trennung  doch  nocb  nicht  fest- 
stellen.  Es  handelt  sicb  also  wohl  um  Reste  hocbstens  dilu- 
vialen  Alters1). 

Wenn  also  nicht  etwa  die  von  E.  Haug  in  seinem  Traite 
de  Geologie  (1911,  II  S.  1727)  kurz  erwahnten  Reste  von  Hippo- 
potamus alter  sind,  Zahne  und  Knochen,  die  zusammen  mit 
Hipparion  und  Dinotherium  am  Omo-  und  Podi-Flufi  nordlich 
des  Rudolfssees  gefunden  wurden,  ist  der  mittelpliocane  H. 
hipponensis  der  alteste  bekannte  Yertreter  seiner  Familie  in  Afrika. 

Die  Frage,  ob  die  rezenten  Hippopotamidae  Afrikas  von 
ihm  abstammen,  laBt  sich  bei  der  Unbekanntschaft  wichtiger 
Teile,  vor  allem  des  Schadels,  kaum  mit  Erfolg  in  Angriff 
nehmen.  Die  auf  Seite  27  hervorgehobenen  Spezialisierungen 
machen  jedenfalls  bedenklich. 

J)  Es  ist  von  Bedeutung,  daC  auch  in  Europa  das  altdiluviale 
il.  major  fast  nur  in  seiner  gewaltigen  GroBe  von  der  Norm  des  //. 
amphibins  abzuweichen  scheint. 


29 


Da  aus  meinen  Vergleichen  der  einzelnen  fossilen  Reste 
mit  den  Teilen  von  H.  amphibius  die  zahlreichen  Unterschiede 
deutlich  genug  hervorgehen1),  habe  ich  nur  einige  Nachtrage  zu 
meinen  friiheren  Vergleichen  mit  Choeropsis  liberiensis  zu  machen ; 
denn  einesteils  stent  mir  jetzt  viel  mehr  fossiles  Material, 
andernteils  ein  basal  30,5  cm  langer  Schaclel  mit  Unterkiefer 
•des  rezenten  Zwerges  aus » dem  Senckenberg-Museum  zur  Ver- 
fiigung2).  Er  ist  viel  kleiner,  und  trotz  mancher  naheren  Bezie- 
hungen  bestehen  doch  deutliche  Unterschiede.  Im  oberen  Ge- 
bi6  sind  zwar  die  I  und  C  auch  nicht  gerieft  und  am  C  liegt 
die  Furcbe  ebenfalls  median,  aber  sie  ist  sehr  tief  und  die 
Schmelzbedeckung  reicht  bis  vorri,  ist  also  weniger  reduziert 
ills  bei  dem  fossilen  C.  Die  1 1  sind  ubrigens  ein  wenig  schwacher 
als  die  12.  Der  obere  Pi  ist  zwar  nur  halb  so  groB  als  der 
P  2,  einwurzelig  und  einfach  konisch,  aber  wie  der  P  2  relativ 
starker  als  bei  H.  amphibius.  Der  P  3  ist  nicht  so  gestreckt 
und  die  distale  Kante  des  P4  nicht  so  stark  wie  bei  H.  hippo- 
nensis, und  lingual  hinten  ist  ein  Hocker  vorhanden.  Von  den  Mo- 
laren,  deren  Hocker  so  ziemlich  kleeblattformig  abgekaut  werden, 
ist  der  M  2  am  groflten  und  etwas  gestreckt;  ihr  Basal- 
wulst  ist  nur  mesial  und  distal  sehr  schwach  ausgebildet,  also 
schwacher  als  sogar  bei  H.  ampMhius  im  Gegensatz  zu  H. 
hipponensis. 

Unten  ist  der  einzige,  vor  allem  dem  oberen  12  opponierte 
I  und  der  C  ebenfalls  ungerieft,  und  an  letzterem  fehlt  der  Schmelz 
nur  distal,  auch  ist  mesial  und  distal  keine  Furche  vorhanden. 
Der  untere  P 1  ist  schwacher  als  der  obere  und  halb  so  grofi 
als  der  P  2,  immerhin  aber  relativ  starker  als  bei  H.  amphi- 
bius. Die  weiteren  P  sind  ziemlich  gleichlang  und  insofern 
denen  von  H.  hipponensis  ahnlich,  als  lingual  hinten  unten  ein 
Hocker  oder  doch  ein  Wulst  vorhanden  ist3).  An  den  M 
werden  die  vier  Hocker  durch  das  Abkauen  ungefahr  kleeblatt- 
formig, der  M2  ist  weniger  gestreckt  als  bei  den  andern  zwei 


1)  Auf  die  von  mir  (1905  S.  113)  gestreifte  Frage  nach  der  Unter- 
scheiduug  mehrerer  geographischer  Abarten  des  H.  amphibius  will  ich 
nicht  eingehen,  da  es  zu  weit  fuhrte.  In  Leidy  (1852)  ist  wertvolles 
diesbeziigliches  Materia1  wenigstens  iiber  Schadel  und  Zahne  zu  finden; 
z.  B.  soil  die  kaplandische  Art  gegeniiber  der  westafrikanischen  am  oberen 
■C  distal  neb  en  der  Furche  stets  einen  schmelzfreien  Streifen  zeigen. 

2)  Herrn  Drevermann,  der  mir  das  seltene  Stuck  sowie  die  fossilen 
Reste  aus  dem  Natrontal  aus  dem  Senckenberg-Museum  sandte,  driicke 
ich  hier  meinen  besonderen  Dank  aus. 

3)  Bei  den  Originalen  Mortons  (1849,  Taf.  33  Fig.  1,  7)  und  JUeidys 
(1852,  S.  220)  ist  an  dem  P  2  und  P  3  kein  lingualer  Hocker  vorhanden, 
es  ist  dies  also  offenbar  ein  variables  Merkmal. 


30 


Arten,  der  Basahvulst  mesial  nur  am  M  3  deutlich,  aber  nieder, 
distal  am  M  1  hoch,  am  M  2  und  M  3  in  der  Mitte  hoch  und  mit 
dem  hinteren  AuBenhocker  yerbunden,  jedoch  niederer  als  er. 
Jedeiifalls  ist  der  Basalwulst  am  M  2  distal  starker  entwickelt 
als  bei  H.  hipponensis.  Die  Knoehen  der  Yorderextremitat 
habe  ich  schon  (1905,  S.  115)  erortert,  soweit  es  nach  dem  Yer- 
gleich  mit  der  unzulanglichen  Beschreibung  Milne -Edwards 
(1874,  S.  61,  62)  moglich  ist;  die  Tibia  scheint  iibrigens  in  der 
IT mbiegung  der  Crista  cnemialis   der  fossilen  ahnlich  zu  sein. 

Wenn  also  auch  Choeropsis  liberiensis  in  manchem,  so  be- 
sonders  im  Schwund  eines  unteren  I,  spezialisierter  ist  als  unsere 
.Form  und  in  vielem  mehr  Beziehungen  zu  ihr  zu  haben  scheint 
als  H.  amphibius,  muB  doch  die  Starke  der  oberen  und  unteren 
P  1  als  primitives  Merkmal  und  ebenso  wohl  auch  die  yiel  ge- 
ringere  GroBe  gegen  die  Annahme  angefuhrt  werden,  daB  er  in 
einem  Abstammungsyerhaltnis  zu  der  fossilen  Form  stande. 

Dasselbe  gilt  auch  yon  dem  subfossilen  H.  madagascariensis 
Guldberg,  der  aber  in  dem  anscheinend  volligen  Yerlust  der 
P 1  wie  in  anderen  Merkmalen  hoher  als  H.  liberiensis  spezi- 
alisiert  ist,  wenn  auch  weniger  als  H.  amphibius^  und  in  der 
GroBe  zwischen  liberiensis  und  hipponensis  steht.  Er  ist  nicht 
nur  erheblich  kleiner  als  H.  hipponensis,  sondern  auch  in  yielen 
Einzelheiten  deutlich  yon  ihm  verschieden,  wie  schon  oben 
bei  dem  Yergleich  mancher  Skelett-Teile  festgestellt  wurde. 
Im  GebiB  ist  z.  B.  an  den  oberen  M  der  Basalwulst  buccal  und 
besonders  lingual  sehr  schwach,  am  unteren  M  2  aber,  der  viel 
gestreckter  ist1),  ist  er  mesial  innen  hoher,  distal  in  der  Mitte 
als  kegelformiger  Hocker  ausgebildet. 

Unter  den  asiatischen  fossilen  Hippopotamus-  Arten  ist 
H.  (Hexaprotodori)  sivalensis  Falc.  und  Cautley  zwar  in  manchem 
H.  hipponensis  ahnlich,  z.  B.  ist  nach  Lydekker  (1884  S.  38) 
fur  die  oberen  M  ein  starker  auch  lingualer  Basalwulst  charak- 
teristisch,  die  Furche  an  der  Distalseite  des  oberen  C  liegt 
ebenfalls.  in  der  Mitte,  und  der  Talus  ist  gieichfalls  langer  als 
bei  H.  amphibius  (ebenda  S.  41).  Abgesehen  yon  so  primitiyen 
Merkmalen  wie  dem  Besitz  der  Pi  und  yon  drei  unteren  I  ist 
aber  die  Furche  des  oberen  C  wie  bei  Choeropsis  liberiensis  sehr 
tief  und  breit,  und  jene  Art  deutlich  groBer.    Der  untere  M2 


J)  Bei  11.  Lemerlei  Grandidier  aus  Madagaskar  ist  der  untere  M 
fast  so  breit  als  lang  (Grandidier  u.  Filhol  1894  S.  123),  bei 
H.  leptorrhynchus  (ebenda  S.  284)  aber  verhajt  er  sich  wie  bei  dem 
hiesigen  11.  madagascariensis.  Ob  und  wie  die  zusammen  vorkommenden 
madagassischen  Formen  in  Arten  zu  trennen  sind,  muB  ich  unentschieden 
lassen.    (Siehe  die  Anm.  auf  Seite  25!) 


31 


ist  z.  B.  each  Lydekkek  (a.  a.  0.  S.  41)  gewohnlich  50  mm 
lang,  41  breit,  selten  44,5  und  32,5.  Der  obere  M  2  aber  ist 
bald  43,5 — 49  lang,  55 — 56  breit,  bald  58,5 — 56,5  lang  und 
nur  49 — 47,5  breit.  Es  ist  iibrigens  recht  interessant,  daB 
Lydekkek  nach  dem  so  verschiedenen  Langen-  und  Breiten- 
verhaltnis  der  oberen  M  zwei  Formen  (Jatidens  und  angustidens) 
unterscheidet  (a.  a.  0.  S.  39),  wie  Grandidier  und  Filhol  (1894 
S.  189,  184)  bei  den  madagassischen  (Lemerlei = madagascariensis 
und  leptorrhynchus),  und  daB  auch  ich  (1905  S.  113)  auf  ahn- 
liches  bei  H.  amphibius  kurz  hinweisen  konnte. 

1m  iibrigen  ist  in  bezug  auf  die  asiatischen  Formen  auf 
meine  friiheren  kurzen  Bemerkungen  (1905  S.  11S  und  123) 
zu  verweisen,  nur  beziiglicli  der  aus  dem  Altdiluvium  von  Trinil 
und  Kedoeng  Broeboes  auf  Java  von  Stkemme  (1911  S.  104, 
105)  beschriebenen  Reste  rnochte  ich  einiges  bemerken.  Denn 
mir  liegt  ein  Talus  vor,  der  von  dem  Alitor  zwar  verwertet 
und  uberfliissiger  Weise  mit  dem  von  Boviden  verglichen  wurde, 
der  aber  doch  mit  dem  anderer  Hippopotamus- Arten  in  Vergleich 
gebracht  werden  sollte.  Wie  seine  Matfe  auf  Seite  24  zeigen, 
gleicht  er  in  der  Grcifie  und  in  den  Proportionen  dem  von 
77.  hipponensis.  Auch  die  lateralen  Flachen  fiir  den  Calcaneus 
sind  gleich  ausgebildet.  Aber  palmar  verlauft  zwar  der  laterale 
Rand  der  Gelenkflache  fiir  den  Calcaneus  ebenso.  neben  dem 
medialen  zieht  sich  jedoch  eine  breite  Rinne  hin,  und  distal  ist 
die  Flache  fiir  das  Centrale  noch  hoher  gelegen  und  mehr 
querkonkav. 

Der  obere  M2  ist  nach  Stkemme  (a.  a.  S.  104)  ebenfalls 
kaum  langer  als  breit  und  fast  so  groJ3  als  bei  II.  liipponensis 
und  besitzt  nach  seiner  Abbildung  (Taf.  16,  Fig.  7)  nicht  nur 
mesial  und  distal,  sondern  wenigstens  auch  lingual  einen  Basal- 
wulst.  Soweit  es  sich  bei  so  dlirftigem  Yergleichsmaterial  fest- 
stellen  lafit,  gleicht  also  die  javanische  Art  unserer  mehr  als 
die  bisher  erorterten. 

Ob  die  Originale  Stremmes  zu  Ilexaprotodon  sivajavanicus 
Dubois  (1908  S.  1265)  gehoren,  und  wie  sich  diese  Art  zu 
unserer  verhalt,  laBt  sich  auf  Grund  der  wenigen  Angaben 
Dubois'  nicht  klar  legen. 

Was  endlich  die  europaischen  Arten  von  Hippopotamus 
anlangt,  so  brauche  ich  in  der  Hauptsache  nur  auf  meine 
friiheren  Ausfiihrungen  (1905  S.  117)  zu  verweisen.  Da  aber 
Osborn  (1910,  S.  313)  sie,  wie  iibrigens  alle  meine  Abhandlungen, 
ignorierte  und  wiederum  die  diirftige  Form  aus  dem  Mittel- 
pliocan  von  Monte  Casino  in  Italien  mit  unserer  Art  in  Ver- 
bindung  brachte,  sei  nochmals  betont,  daB  sie  ihr  nur  in  dem 


32 


Mangel  der  Riefung  der  I  und  des  unteren  C  gleicht.  Sie  ist 
im  iibrigen  ein  wenig  grofler,  scheint  je  3  untere  I  zu  haben, 
der  untere  C  nach  der  Abbildung  eine  selir  deutliche  niesiale 
Furche.  der  untere  P2  keinen  lingualen  Hocker.  und  der  deutlicli 
gestreckte  M  nur  distal  einen  stark  en  Basalwulst  und  keine 
gefurchten  Hocker  zu  besitzen.  Yon  naheren  Beziehungen  kann 
man  also   nach   dem  wenigen  Yergleichbaren  kaum  sprechen. 

Neuerdings  bat  Bortoletti  (1904  S.  91,  Taf.  5,  Fig.  3,  4) 
-einen  Oberkiefer  mit  den  drei  sebr  gut  erbaltenen  M  Yon  Cortona 
in  Toskana  zu  G.  Pentlandi  Falconer  gerechnet.  Diese  Art  ist 
aber,  ^i.e  icb  (1905  S.  117)  scbon  erwahnte,  von  H.  v.  Meyer 
aufgestellt  und  auch  you  Falconer  nie  beschrieben  worden. 
Die  sebr  stattliche  GroBe  und  Streckung  sowie  die  Schwache 
des  Basalwulstes  an  der  Lingual-  und  besonders  an  der  Buccal- 
seite  unterscheiden  die  M  you  denen  des  H.  hipponensis. 

Die  altesten  sicbergestellten  Hipj)opotamus-'Reste  aufierhalb 
Asiens  starnnien  aus  dem  TJnterpliocan  you  Gravitelli  in  Sizilien. 
L.  Seguenza  (1902  S.  162 ff.  and  1907  S.  106ff.)  recbnete  sie  zu 
Hexaprotodon  swalensis  Falc.  und  Cautley,  konnte  aber  bei  den 
Yereinzelt  gefun denen  Resten  nicbt  das  Yorhandensein  Yon  je 
drei  unteren  I  feststellen,  auch  unterscheidet  sich  z.  B.  der 
kurze  Talus  deutlich  Yon  dem  der  indischen  Art.  Mit  H. 
hipponensis  bestehen  keine  naheren  Beziehungen;  das  beweist 
schon  der  allerdings  wechselnde  Querschnitt  des  oberen  C 
(a.  a.  0.  1902  Taf.  7,  Fig.  12,  14)  mit  der  breiten  und  tiefen 
Furche  in  Mitte  der  Distalseite,  worm  eine  Ahnlichkeit  mit 
H.  sivalensis  und  Choeropsis  liberiensis  besteht,  und  mit  der  sehr- 
starken  Conyexitat  der  Yorderseite,  ferner  die  deutliche  Riefung 
wenigstens  der  Medianseite  des  unteren  C  (a.  a.  0.  1907  S.  118, 
Taf.  7.  Fig.  11)  und  am  Talus  die  Ktirze,  die  breite  Fiirche 
neben  der  palmaren  Gelenkflacke  sowie  der  geringe  Niyeau- 
Unterschied  der  zwei  distalen  Gelenkflachen  (a,  a.  0.  1902 
Taf.  7,  Fig.  4—9),  endlich  die  stattliche  Grofie. 

Hippopotamus  hipponensis  Gaudry  erscheint  demnach  auf 
•das  Mittelpliocan  Nordafrikas  beschrankt  und  gibt  einstY^eilen 
keinerlei  AufschluB  liber  die  Stammesgeschichte  der  Hippo- 
potamidae.  Sie  sind  jetzt  im  TJnterpliocan  Indiens  und  Siziliens, 
im  spatereu  Pliocan  Indiens,  Italiens  und  Nordafrikas,  yielleicht 
auch  in  China,  im  Quartar  endlich  in  Jaya,  Yorder-  und  Hinter- 
indien,  auf  Madagaskar,  in  Siid-,  Ost-  und  Nord-Afrika,  auf 
Mittelmeer-Inseln  und  yon  Spanien  und  Italien  bis  England 
und  Westdeutschland  nachgewiesen  und  erscheinen  dann  relatiy 
plotzlich  auf  das  athiopische  Afrika  und  das  Niltal  beschrankt. 
.Solange    eben    die  altweltlichen  priipliocanen  Saugetierfaunen 


33 


aufierhalb  Europas  nur  aus  wenigen  Gegenden  (Belutscbistan 
und  imteres  Indusgebiet  in  Asien,  Moghara,  Uadi  Faregh  und 
Fajum  in  Agypten)  bekannt  sind,  kann  keine  Entscheidung 
dariiber  erwartet  werderi,  ob  die  Hipjiopotamidae,  wie  Stehlin 
(1899  S.  488  und  1908  S.  751)  vermutete,  sich  im  wesentlichen 
in  Afrika  entwickelten  und  auf  den  sehr  ungeniigend  bekannten 
Choeromorus  des  westeuropaischen  Obereocans  zuriickgehen,  oder 
ob  sie,  wie  Schlosser  (1903  S.  95  und  212)  mehr  entschieden 
als  iiberzeugend  vertrat,  aus  Asien  stammen. 

Benntzte  Literatnr. ') 

Bortoletti,  C. :  Denti  di  Proboscidati,  di  Rinoceronte  e  di  Ippopotamo 

dell'  antica  collazione  Canali  in  Perugia.     Rivista  ital.  Paleont., 

Anno  10,  Perugia  1904. 
Dubois,  E.:    Das  geologische  Alter   der  Kendeng-    und  Trinilfauna. 

Tijdschr.  k.  Nederl.  Aardrijskk.  Genootsch.,  Ser.  2,  Bd.  25,  Leiden 

1908. 

Fraas,  E.:  Pleistocane  Fauna  aus  den  Diamantseifen  yon  Sudafrika. 

Diese  Zeitschr.  Bd.  59,  Berlin  1907. 
Grandidier  et  Filhol:  Observations  relatives  aux  ossements  d.  Hippopot. 

usw.    Ann.  Sci.  natur.,  Zoologie,  Bd.  16,  Paris  1894. 
Gi  ldkerg,  G.  A. :  Undersogelser  over  en  subfossil  flodhest  fra  Madagascar. 

Christiania  Videnskab-Forhandl.  1883  Nr.  6. 
Osi$orn,  H.  F.:  Age  of  Mammals,  New  York  1910. 

Segienza,  L.:  Mammiferi  e  geologia   del  piano  pontico,  und:  Nuovi 

resti  di  Mammiferi  pontici  di  Gravitello  presso  Messina.    Boll.  Soc. 

geol.  ital.    Bd.  21  (1902)  und  26  (1907),  Roma  1902  und  1908. 
Stehlin,  H. :  Die  Saugetiere  des  schweizerischen  Eocans,  5.Teil.  Abhandl. 

schweiz.  palaont.  Ges.  Bd.  35,  Zurich  1908. 
Stremme,  H.:  Die  Saugetiere  mit  Ausnabme  der  Proboscidier.  Selenka- 

Blanckenhorn :  DiePitbecantbropus-Schicbten  auf  Java,  Leipzigl911. 
Stromer,  E.:    Die  Wirbel   der   Land-Raubtiere.     Zoologica,   H.  36, 

Stuttgart  1902. 

Thomas,  Th.:  Recherches  stratigraphiques  et  paleontologiques  d'eau  douce 
de  l'Algerie.    Mem.  Soc.  geol.  France,  Ser.  3,  Bd.  3,  Paris  1884. 


')  Die  von  mir  in  den  Abh.  der  Senckenberg.  Gesellschaft  Bd.  29 
S.  131,132,  Frankfurt  a.  M.  1905  schon  angefiibrte  Literatur  ist  im  Text 
vielfach  zitiert,  hier  aber  nicbt  nocbmals  abgedruckt. 


Manuskript  eingegangen  am  15.  Oktober  1913.] 
Zeitschr.  d.  D.  Geol.  Ges.  1914. 


3 


34 


2.  Geologische  Beschreibung  der  Gegend  von 
Saignelegier  und  les  Pommerats  mit  einem 
Anhang  zur  allgemeinen  Juratektonik. 

Von  Herrn  Friedkich  Schuh  aus  Niirnberg. 

Hierzu  Tafel  IV  und  V  und  10  Figuren. 

Vorwort. 

Das  Gebiet,  das  ich  im  Herbst  1911  und  im  Frtihjahr  1912 
beging,  urn  dessen  Tektonik  aufzuklaren,  liegt  im  nordl. 
Schweizer  Kettenjura.  Es  wird  im  N  und  W  Yom  Doubs  um- 
flossen,  wahrend  im  S  Saignelegier,  im  0  Bemont  und  Clairbief 
Grenzorte  meines  Aufnahmegebietes  sind.  Als  Unterlage  be- 
nutzte  ich  das  Blatt  100  und  101  der  topographischen  Karte 
der  Schweiz  im  Mafistab  1  :  25  000,  uud  zwar  wurde  Blatt 
100  ganz,  Blatt  101  nur  bis  Saignelegier  im  S  kartiert.  An 
geologischen  Karten  existierte  nur  eine  Ubersichtskarte  im 
Mafistab  1  :  100  000  von  Bolliek. 

Als  bequeme  Zugangsroute  kommt  nur  die  Bahn  von  Basel 
nach  Delemont  und  Glovelier  nach  Saignelegier  in  Betracht. 
Die  Hohenunterschiede  sind  in  dieser  Gegend  bedeutend  grofier 
als  in  den  im  S  und  0  angrenzenden  Gebieten.  Die  hochste 
Erhebung  betragt  1073  m,  wahrend  der  tiefste  Punkt  im 
Doubstal  auf  einer  Hohe  von  486  m  liegt.  Daraus  ergibt  sich 
ein  Hohenunterschied  von  ungefahr  500  m. 

Fur  vielseitige  Unterstutzung  mochte  ich  besonders  meinem 
verehrten  Lehrer,  Herrn  Prof.  Deecke,  meinen  warmsten  Dank 
aussprechen. 

Stratigraphie. 

In  der  stratigraphischen  Schilderung  will  ich  mich  kurz 
fassen  und  verweise  daher  zum  Detailstudium  auf  die  strati- 
graphischen Spezialwerke. 

Am  Aufbau  meines  Gebietes  beteiligen  sich  im  wesentlichen 
nur  Malm  und  Dogger,  und  zwar  schliefit  die  aufgeschlossene 
Schichtenserie  mit  den  unteren  Banken  des  mittleren  Dogger  ab, 
wahrend  die  hochsten  Malmlagen  aus  oberemKimmeridge  bestehen. 


35 


Dogger. 

# 

II.  Oberer  Dogger  50  m. 
I.  Mittlerer  Dogger  100—120  m. 
Der  Dogger  hat  in  meineni  Untersuchungsgebiet  eine  weit 
geringere  Yerbreituug  als  der  Malm.  Er  findet  sich  auf- 
geschlossen  in  der  Combe  von  Goumois,  in  dem  Gebiet  Beau- 
gourd  dessous  —  sur  le  Rang  —  Vautenaivre,  ferner  in  dem  von 
Malnuit  —  Champ  —  Patalour  —  Paturage  du  Patalour  —  sous  la 
Roche.  Die  beiden  letztgenanntenGebiete  gehoren  zueinemgemein- 
samen  Gewolbe,  das  im  0  liber  le  Cerneux  nach  Soubey  zieht. 

Mittlerer  Dogger. 

Der  mittl.  Dogger  oder  Bathonien  besteht  aus  kompakten, 
weiBen  und  feinoolithischen  Kalken.  In  verschiedenen  Hori- 
zonten  kommen  diinne  Mergellagen  yor. 

Man  pflegt  den  mittl.  Dogger  einzuteilen  in: 
III.   ob.  Hauptrogenstein. 
II.  Homomyenmergel. 
I.   unt.  Hauptrogenstein. 

Die  Fossilfuhrung  ist  im  allgemeinen  sparlich,  und  haufig 
sind  ganze  Gesteinslagen  yollkommen  steril. 

Der  unt.  Hauptrogenstein,  auch  Oolithe  subcompacte 
(Thurmann),  besteht  aus  Kalkoolithen  und  kompakten  Kalken 
mit  Korallenbanken  und  Mergellagen.  Aus  letzteren  kormte 
ich  150  Schritte  yor  der  Einmtindung  des  Talchens  yon  Yaute- 
naivre  in  das  Dcmbstal  Rhynchonella  quadriplicata  Qu.,  Terebratula 
maxillata  Sow.,  kleine  Rbynchonellen  und  kleine  urigefaltete 
Terebrateln  sammeln.  Die  daruberliegeuden Homomyenmergel 
oder  Marnes  a  Ostrea  acuminata  (Th.)  sind  nirgends  aufgeschlossen 
oder  nicht  YOrhanden.  Der  ob.  Hauptrogenstein  oder  Grande 
Oolithe  (Th.)  besteht  vorwiegend  aus  kompakten  weifien  sterilen 
.Kalken.    Im  einzelnen  verweise  ich  auf  M.  Muhlberg1). 

Oberer  Dogger. 

Der  ob.  Dogger  oder  Callovien  wird  zerlegt  in: 
II.   Dalle  nacree  =  Athletaschichten. 
I.   Calcaire  roux  sableux  (Th.)  =  Yariansschichten. 
Calcaire  roux  sableux  ist  im  W  Yon  Beaugourd  dessous 
deutlich  nachweisbar.    Doch  auch  an  dieser  Stelle  ist  es  un- 


')  M.  Muhlberg:  Vorlaufige  Mitteilung  uber  die  Stratigraphie  des 
braanen  Jura  im  nordschweizerischen  Juragebirge. 

3* 


36 


moglich,  die  Machtigkeit  festzustellen,  die  jedenfalls  ziemlich 
gering  zu  sein  scheint.  Die  dariiber  liegende  Dalle  nacree  ist 
immer  gut  aufgeschlossen  und  wegen  ihres  eigenartigen  Cha- 
rakters  als  stark  eisenreiche  oolithische  Crinoidenbreccie  nicht 
zu  verkennen.  Sowohl  in  vertikaler  wie  horizontaler  Erstreckung 
zeichnen  sich  diese  Schichten  durch  groBe  Konstanz  aus.  Die 
Grenze  nach  oben  wie  nach  unten  ist  immer  leicht  nachweisbar. 

Malm. 

Wich tiger   als   der  Dogger  ist  der  obere  Jura  mit  einer 
Gesamtmachtigkeit  von  400 — 500  m.   Yon  seinen  5  Abteilungen: 
Y.  Portland, 
IV.  Kimmeridge, 
III.  Sequan, 
II.  Rauracien, 
I.  Oxford, 
ist  die  oberste  hier  nicht  entwickelt. 

Oxford. 

Das  Oxford  bat  in  meinem  Untersuchungsgebiet  eine  aufier- 
ordentliche  Yerbreitung.  Uberall,  wo  es  zutage  tritt,  linden 
wir  es  von  Wiesen  iiberdeckt,  weii  sicli  Wald  nur  bei  Raura- 
cienbeschiittung  halten  kann.  Da  es  die  machtigste  und  zugleich 
reinste  Tonschicht  im  ob.  Jura  darstellt,  entspringen  auf  ihm 
alle  grofieren  Quellen,  und  auf  ebenen  Flachen  entstehen  kleine 
Seen,  Siimpfe,  Moore  und  Torfe,  z.  B.  im  0  von  Saignelegier 
und  zwischen  les  Pommerats  und  la  Bosse.  An  steileren  Ge- 
hangen  befinden  sich  die  Wiesen  in  standiger  Bewegung. 
Sowohl  gegen  das  Rauracien  wie  gegen  die  Dalle  nacree  ist  es 
aus  diesen  Griinden  nicht  schwer,  eine  sichere  Grenze  fest- 
zustellen. Auf  der  Grenze  von  Oxford  und  Dalle  nacree  kommt 
es  anBerdem  in  der  Regel  zur  Ausbildung  von  Erdtrichtera. 
Dieselbe  Erscheinung  konnte  ich  auch  auf  dem  Plateau  im  "W  von 
les  Pommerats,  auf  der  Grenze  zwischen  Natica-Mergeln  und 
der  Mumienbank  beobachten.  Die  Machtigkeit  des  Oxford 
unterliegt  groBen  Schwankungen ;  teils  linden  wir  ein  iibergroties 
Anschwellen,  teils  eine  weitgehende  Yerminderung  der  Mach- 
tigkeit, zuweilen  sogar  vollkommene  Ausquetschuug.  Bei  nor- 
maler  Lagerung  wird  man  etwa  80  m  annehmen  diirfen.  In 
guten  Aufschliissen  laBt  sich  eine  Zweigliederung  erkennen. 
Die  obere  Partie,  das  sog.  Terrain  a  chailles  besteht  aus  einer 
mach tigen  hellgrauen  Mergellage,  der  schichten weise  kopfgrofle 
kieselhaltige  Kalkknauern  eiugeschaltet  sind.    Nach  der  Fossil- 


37 


fiilirung1)  konnen  wir  darin  wieder  unterscheiden  zwischen  einem 
oberenTeil,  der  durch  das  massenhafte  Auftreten  vonPholadomyen 
gekennzeichnet  ist,  den  sog.Pholadoinyenschichten,  und einem 
unteren,  in  dem  zwar  Pholadornyen  nicht  fehlen,  aber  gegen- 
iiber  dem  oberen  stark  zuriicktreten.  Er  wird  nach  dem  dort  in 
groBer  lndividuenzahl  auftretenden  Fossil  Rhynchonella-Thurmanni- 
Schichten  genannt.  Die  bezeichnendsten  Fossilien  des  Terrain 
a  chailles  sind  folgende: 

Aspidoceras  perarmatum  Sow. 

Cardioceras  cordatum  Sow. 

Perisphinctes  plicatilis  d'Orb. 

Belemnites  hastatus  Blain. 
„      „      excentricus  Blain. 

Millericrinus  echinatus  Schloth. 

Collyrites  bicordata  Des. 

Pholadomya  Uneata  Roem. 
„       „      f>aucicostata  Boem. 
„       „      canalicuJata  Boem. 
„       „      exaltata  Ac. 

Homomya  gracilis  Ag. 

Pleuromya  varians  Lor. 

Pecten  Laurae  Ex. 

Ostrea  Bruntrutana  Th. 

Bhynclionella  Thurmanni  Yoltz. 

Terebratula  Gallienei  d'Orb. 
DieAmmonitenfindensicliYorallemindenTburmanniscbicbten. 
In  meinem  Gebiet  bietet  sich  nur  im  N  von  Pres  dessous 
Oelegenheit,  die  Fauna  dieser  Periode  genauer  zu  studieren. 
Auf  das  Terrain  a  chailles  folgt  nach  unten  eine  reine  Tonschicht 
von  schwarzgrauer,  oft  ins  Blauliche  spielender  Farbe.  Diese 
Lage,  die  sog.  Benggeri-Schi chten ,  charakterisiert  sich  gut 
durch  die  in  ihr  enthaltenen,  in*Pyrit  und  Brauneisenstein 
umgewandelten  Fossilien.     Die  bezeichnendsten  Formen  sind: 

Creniceras  Benggeri  Opp. 

Aspidoceras  perarmatum  Sow. 

Cardioceras  cordatum  Sow. 

Perisphinctes  mirandus  de  Lor. 

Balanocrinus  pentagonalis  Gf. 

Ostrea  Bichei  de  Lor. 

Belemnites  hastatus  Blain. 

J)  Loriol:  Etude  sur  les  mollusques  de  l'Oxfordien  superieur  et 
moyen  da  Jura  bernois  avec  une  note  stratigraphique  par  M.  le  prof. 
Koby.  Mem.  soc.  pal.  Suisse  vol.  XXIII  1896,  vol.  XXIV  1897, 
premier  suppl.  vol.  XXVIII  1901. 


38 


Im  iibrigen  yerweise  icb  auf  die  Arbeit  von  P.  de  Loriol1) 
An  orograpbiscber  Bedeutung  stehen  die  Reng"geri-Tone  gegen- 
uber  dem  Terrain  a  cbailles  weit  zuriick.  Wir  finden  sie 
daher  auBerst  selten  gut  aufgescblossen.  Ibre  Macbtigkeit 
betragt  bocbstens  20  m. 

In  grower  Ausdebnung,  so  daB  es  wesentlich  zur  Gestaltung 
des  Landscbaftsbildes  beitragt,  findet  sicb  Oxford  um  die  los- 
geloste  Rauracienscbolle  nordl.  von  cbez  le  Forestier  und  in 
der  Combe  Yon  Goumois.  Ein  guter  AufscbluB  zum  Studium 
des  Terrain  a  cbailles  liegt  im  NO  Yon  Pres  dessous,  ein 
solcber  in  den  Renggeri-Tonen  ist  westnordwestl.  Yon  Bemont 
in  einem  Bacbbett. 

Rauracien. 

Das  Rauracien  bedingt  in  dem  yon  mir  untersucbten  Gebiet 
mebr  als  alle  anderen  WeiB- Jurascbicbten  den  landscbaftlicben 
Cbarakter  der  Gegend.  Wir  seben  baufig  gigantiscbe  Pelsen 
die  Nacbbarscbaft  iiberragen  oder  flacbgeneigte  Lagen  durcb 
jahen  Abbrucb  auf  weite  Erstreckung  bin  reizyolle  Felsbarren 
bilden.  Am  FuB  der  Felsen  breiten  sicb  in  der  B-egel  steile, 
yon  Dorngestriapp  bedeckte  Scbuttbalden  aus.  Da  es  fur 
den  Ackerbau  zu  trocken  und  steinig  ist,  tragt  es  meistens 
dicbten  Wald.  Treten  flacbgeneigte  oder  horizontale  Rauracien- 
scbicbten  zutage,  so  zeigen  sie  deutlicbe  Karrenbildung,  z.  B. 
in  der  Gegend  yon  Saignelegier.  Da  diese  letztgenannte  Gegend 
scbon  einen  IJbergang  zur  argoyiscben  Facies  erkennen  laBt, 
yvecbseln  gieicbaltrige  Scbicbten  scbon  auf  kurze  Erstreckung 
erbeblicb  in  ibrem  Habitus.  Immerbin  kann  man  die  iiblicbe 
Dreiteilung  des  Rauracien  nocb  durcbfiibren.  Demnacb  unter- 
scbeiden  wir 

1.  einunteres,  gekennzeicbnet  durcb  Rasenkorallen,  besonders 

Thamnastraea,  Spongien  und  Seeigel  (Cidaris  florigemma 
Ph.,  Hemicidaris   crenicularis  und  Glypticus  Ineroglyplncus), 

2.  ein  mittleres,  yorwiegend  aus  Oolitben  bestebend, 

3.  ein    oberes,    das    wiederum    reicb    an   Korallen   ist  und 

auBerdem  eine  Unmenge  yon  Nerineen  und  Diceraten 
entbalt. 

Das  Rauracien  im  so.  Teil  meines  Aufnabniegebietes  laBt 
sicb  gut  in  einem  zwiscben  Saignelegier  und  Bemont  befind- 
licben  Steinbrucb  studieren.    Das  unt.  Rauracien  bestebt  dort 

l)  P.  de  Loriol:  Etudes  sur  les  Molusques  et  Brachiopodes  de- 
FOxfordien  (zone  a  Ammonites  Renggeri)  du  Jara  bernois,  suivies  d:une- 
Dote  stratigraphique  par  E.  Koby.  Mem.  soc.  pal.  Suisse,  vol.  XXV 
1898,  vol.  XXVI  1899. 


39 


wie  liberall  aus  wohlgeschichtetem  dunkelgrauem  Mergelkalk 
von  etwa  10  m  Machtigkeit.  Alle  darin  vorkommenden  Yer- 
steinerungen  sind  mehr  oder  weniger  verkieselt.  Daruber  legen 
sich  weniger  gut  geschichtete  hellere  Lagen.  Oolithe  spielen 
eine  ganz  imtergeordnete  Rolle  und  kommen  nur  in  der  oberen 
Partie  vor.  Die  ganze  Machtigkeit  betragt  80 — 100  m.  Genau 
in  derselben  Ausbildung  finden  wir  das  gesamte  Rauracien  im 
SO  von  Saignelegier  durch  einen  im  Jahre  1911  ausgefiihrten 
StraBenbau  aufgeschlossen.  Eine  ganz  abweichende  Facies 
konnen  wir  an  der  StraBe  von  Gouniois  nach  Yautenaivre  be- 
obachten,  wo  oolithische  Kalke  einen  sehr  machtigen  Gesteins- 
komplex  ausinachen,  in  dem  das  mittlere  und  ein  Teii  des  oberen 
Rauracien  als  groboolithische,  leichtzerbrockelnde  weiBe  Kalke 
erscheint.  Alle  Yersteinerungen,  vor  allem  Nerineen,  zeigen 
starke  Abrollung  oder  Inkrustirung.  Gleich  anderen  Autoren 
hat  M.  Muhlberg1)  darauf  hingewiesen,  daB  bewegtes  Wasser 
die  Yorbedingung  aller  Oolithbildung  sei.  So  erregtes  Wasser 
jedoch,  wie  es  die  starke  Abrollung  der  Fossilien  erfordert, 
findet  sich  nur  in  ganz  geringer  Tiefe.  Wie  uns  die  im  ganzen 
Rauracien  auftretenden  Korallen  zeigen,  handelt  es  sich  in 
diesem  Falle  um  bis  nahe  an  die  Oberflache  heraufragende 
Riffe.  Daraus  ergibt  sich,  daB  die  Oolithbildung  hier  nur  eine 
ortlich  eng  begrenzte  Facies  darstellen  kann  und  stratigraphisch 
giinzlich  bedeutungslos  ist.  Finden  wir  einen  Oolithhorizont 
auf  weite  ortliche  Erstrekung,  so  konnen  wir  sicher  sein,  daB 
diese  Ablagerung  in  ihren  einzelnen  Teilen  ein  verschiedenes 
Alter  hat.  tibrigens  wird  niit  dem  Wort  ,,Oolith,:  in  der  Li- 
teratur  Unfug  getrieben.  Wenn  Muhlberg  drei  Arten  von 
Oolithen  unterscheidet:  I.  solche  mit  radialer  und  konzen- 
trischer  Struktur,  II.  solche  nur  mit  konzentrischer  Struktur, 
III.  solche,  welche  weder  radiale  noch  konzentrische  Struktur 
zeigen,  so  leuchtet  es  von  vornherein  eiu,  daB  die  III.  Gruppe 
mit  den  beiden  anderen  nicht  das  geringste  gemein  hat,  sondern 
daB  es  sich  hier  vielmehr  um  ein  feineres  Konglomerat  handelt. 
Man  sollte  aufhoren,  solche  heterogenen  Bildungen  mit  dem 
gleichen  Nam  en  zu  belegen,  vielmehr  diesen  auf  die  beiden 
ersten  Gruppen  beschranken. 

Im  S  meines  Aufnahmegebietes  auf  dem  Weg,  der  von 
Muriaux  nach.  der  HauptstraBe  Saignelegier-Goumois  hinabfiihrt, 
und  diese  im  0  von  Belfond  dessous  trifft,  babe  ich  folgendes 
Rauracienprofil  aufgenommen : 

1)  M.  Muhlberg:  Vorliiufige  Mitteilung  uber  die  Stratigraphie  des 
braunen  Jura  im  nordschweizerischen  Juragebirge,  Anhang:  Uber 
Oolithe. 


40 


0.  Ra. 


M.  Ra. 


U.  Ra. 


Wir  finden  hier  unter  den  Naticaschichten  zunachst 
eine  kompakte,  sehr  schwach  oolithische  Bank  mit  starken 

roten  Tupfen,  ca.   2  m 

dann  kompakte,  hellgraue,  diinngebankte,  ein- 
tonige  Kalke,   ca.  17  in 

darunter  weiBe,  teilweise  kriimelige,  groboolithische 
Kalke  mit  vielen  abgerollten  Versteineruugen, 
auch  Korrallen  (meist  aber  nur  Einzelkorrallen) 
fiihrend,  ca.  17  m 

darunter  sehr  kalkspatreiche,  graugelbe,  korallen- 
reiche,  wenig  feste  Kalke,  die  nach  unten  zu  noch  mer- 

[geliger  werden  ca.  25  m 

Das  ganze  Rauracien  hat  hier  eine  Machtigkeit 
von  ca.  60  m 

Bemerkenswert  ist,  dafi  sich  diese  Facies  des  Rauracien 
mit  der  weifien,  groboolithischen  mittlereu  Abteilung  sehr  scharf 
unterscheidet  Yon  derjenigen,  die  man  im  SO  meines  Gebietes 
antrifft  (vgl.  Steinbruch  auf  der  Strafie  Saignelegier — Bemont), 
wahrend  sie  sich  besser  an  die  Facies  anschlieflt,  welche  man 
auf  der  Strafie  von  Goumois  nach  Vautenaivre  studieren  kann; 
doch  haben  dort  jene  weifien,  groboolithischen  Kalke  eine  noch 
weit  grofiere  Machtigkeit. 


Sequan. 

Nachst  dem  Oxford  hat  in  meinem  Untersuchungsgebiet 
das  Sequan  die  grofite  Yerbreitung.  Besonders  zwischen 
Pommerats  und  Saignelegier  bedeckt  es  weite  Flachen  und 
zeichnet  sich  im  Gegensatz  zum  Rauracien  durch  horizontale 
Konstauz  aus.  Es  lafit  sich  daher  gut  gliedern  in: 
III.   Ober- Sequan,  ca.  30  m 

II.  Humeralis-Schichten,  ca.  10  m  ir>A 
,     •  .    .,     ,    ^  1  ca.  100  m 

Mumienbank,  20  m 

I.  Natica-Schichten,  30  m 

Der  untere  und  mittlere  Teil  jener  Schichtenserie  tragt  im 

Gelande  vorzugsweise  Wiesen  und  Acker,  deren  Boden  weniger 

fettig  ist  als  der  aus  Oxfordtonen  hervorgegangene.  Deshalb 

dringt  auch  der  Regen  leichter  ein  und  Sumpf-  und  Torfbildung 

ist  selten. 

Die  Naticaschichten  setzen  sich  aus  Mergeln  und 
Mergelkalken  zusammen,  denen  besonders  im  unteren  Teil 
einige  Banke  toiiarmen  Kalkes  eingeschaltet  sind.  Doch  ist 
die  Grenze  zwischen  ihnen  und  dem  oberen  Rauracien  meist 
leicht  festzustellen.  Die  Fossilfuhrung  ist  armlich  und  zeigt 
nur    Steinkerne.     Aufier  einigen  Zweischalern  ist  nur  Natica 


41 


einigermaBen  haufig  mit  einer  groBeren  Anzalil  von  Species, 
{Natica  grandis  Mu.  und  Natica  Eudora  d'Okb.) 

Uber  den  Natica-Schichten  folgt  der  fiir  das  ganze  Sequan 
charakteristischste  Gesteinskomplex,  die  sogenannte  Murnien- 
bank.  Sie  besteht  teils  aus  kompakten,  teils  aus  grobooli- 
thischen  Kalken,  in  welchen  die  einzelnen  Korner  HaselnuB- 
grofle  erreichen.  Auch  in  den  kompakten  Kalken,  bei  denen 
es  noch  nicht  zu  typischer  Oolithbildung  kam,  laBt  sicb  die 
Zugehdrigkeit  zu  jenem  Koniplex  an  feinen  weiBen  Fleckchen 
erkennen1).  Aber  nicht  nnr  die  eigenartige  petrographische  Be- 
schaffenheit  stenipelt  die  Mumienbank  zum  trefflichen  Leit- 
horizont  fiir  den  kartierenden  Geologen;  es  kommt  noch  hinzu 
daB  sie  sich  durch  ihre  Lage  zwiscben  zwei  Mergelserien  immer 
deutlich  in  einer  kleinen  Gelandestufe  zu  erkennen  gibt.  Haufig 
kommt  es  auch  auf  der  Grenze  gegen  die  Naticaschichten  zur 
Bildung  von  Erdtrichtern  (vergl.  S.  5),  wie  man  dies  auf  dem 
Plateau  im  AVNW  und  weniger  deutlich  im  NO  von  les  Pommerats 
beobachten  kann.  Die  Mumienbank  hat  jedoch  eine  weitere 
Bedeutung  dadurch,  daB  die  Fauna  des  dortigenMeeres  eine  grund- 
verschiedeneZusammensetzungvorundnachihrerAblagerunghatte. 
Dies  laBt  sich  nur  damit  erklaren,  daB  man  vor  der  Ablagerung 
der  Mumienbank  eine  Hebung  annimmt  (seichtes  Wasser  ist  ja 
die  Hauptbedingung  der  Oolithbildung),  wodurch  die  Natica- 
•Fauna  auswandern  muJ3te.  Bei  neuerlicher  Senkung  ergriff 
die  ganz  anders  geartete  Humeralis- Fauna  von  dem  Gebiet 
Besitz2). 

Die  Fauna  der  Humeralismergel  wird  charakterisiert  durch 
den  grofien  Reichtum  an  Echiniden  wie  Crinoiden,  aufierdem 
durch  Brachiopoden  und  Austern.  Alle  ubrigen  Stamme  des 
Tierreichs  sind  nicht  oder  nur  aufierst  sparlich  vertreten. 

Die  bezeichnendsten  Formen  sind: 

Zeilleria  {MageUania)  humeralis  Roem. 
Rhynchonella  corallina  Leyn. 
Cidaris  florigemma  Phil. 
Cidaris  bacidifera  Ag. 
Hemicidaris  intermedia  Forb. 
Apiocrinus  Meriani  Des. 
Pentacrinus  Desori  Th. 
Exogyra  Bruntrutona  Th. 

1)  Dasselbe  kann  man  auch  im  mittleren  Dogger  oberhalb  Patalour 
beobachten. 

2)  G.  L.  Kemmerlisg  (Geol.  Beschr.  d.  Ketten  von  Vellerat  u.  Mou- 
tier)  erwahDt  die  Mumienbank  im  Gegensatz  zu  meinen  Befunden  und 
denen  des  Herrn  W.  Oertel  nur  an  der  Grenze  der  Humeralismergel 
gegen  Ober-Sequan. 


42 


Die    nun   folgenden   St.-Verena  -  Schichten   zeigen  wenig 
Einheitlichkeit.   Es  sind  kompakte  Kalke,  Oolithe  und  Korallen- 
riffe  Yonortlichschnellwechselndern  Habitus.  Oolithe  spielenkeine 
besonclers  groBe  Rolle,  so  dafi  die  Bezeichnung  St.-Verena-Oolith 
hier    unstatthaft  ist.     Nach  oben   zu   gehen   sie  ohne  scharfe 
Grenze  in  die  Kalke  des  unteren  Kinimeridge  iiber.  Wie  die 
St.-Verena-Schichten  eine  dem  oberen  Rauracien  anaioge  Facies 
darstellen,  so  sind  auch  die  hier  auftretenden  Tierstamme  die 
gleichen.    In  groflerer  Zahl  kommen  Nerineen,  Austern,  Bra- 
chiopoden,  Korallen  und  Bryozoen  Yor: 
Xerinea  Gosae  Roem. 
Nerinea  Bruckneri  Th. 
Ostrea  pulligera  Qu. 
Hinnites  astartinus  de  Lor. 
Terebr alula  liumeralis  Roem. 
Gut  lafit  sich  die  Folge  der  Yerschiedenen  Sequanstufen 
auf  der  Stral3e  Yon  les  Pomrnerats  nach  Malnuit  studieren.  Bei 
Hohenpunkt    904    etwa   liegt    die   Grenze   zwischen  unterem 
Kimmeridge   und    oberem   Sequan.     Als  ITbergangsschichten 
stellen    sich    wei.Be,    kreidige    oolithische   Kalke   ein.  Schon 
aufgeschlossen  finden  wir  diese  kreidigen  Oolithe  auch  an  der 
StraGe  Yon  Seignolet  nach  Moulin  Jeannotat  auf  Hohenlinie 
540 x).    Darunter,  und  diese  teilweise  durchsetzend,  folgen  die 
Riffkalke  des  oberen  Sequan.  Die  Strafie  weiter  Yerfolgend,  treffen 
wir  auf  einen  ausgezeichneten  AufschluB  der  Humeralis-  und 
weiterhin  der  Natica-Mergel.    Die  zwischen  Mittel-  und  TTnter- 
sequan  eingeschaltete  Mumieubank  ist  nicht  typisch  entwickelt. 

Wenig  siidlich  you  der  Grenze  meines  Aufnahmegebietes 
habe  ich  am  Weg,  der  Yon  Muriaux  mit  grower  Schleife  gegen 
N  nach  der  Hauptstrafle  Saignelegier — Goumois  hinabzieht  und 
diese  bei  der  Schleife  im  0  Yon  Belfond  dessous  trifft,  ein 
Profil  durch  Mittel-  und  Untersequan  aufgenommen,  das  ab- 
weichend  ist  Yon  der  Entwicklung  im  N  meines  Gebietes  und 
das  ebenso  oder  mehr  noch  wie  das  dortige  Rauracien  (siehe  S.  9) 
schon  Anklange  an  die  argovische  Facies  zeigt. 

Das  Profil  beginnt  mit  Mergeln,  die  reich 
sind  an  Echinodermen,  besonders  Crinoiden, 
aber  auch  Terebratula  humeralis  Roem.  und 
Rhynchonella  corallina  Lym.  enthalten  ....   etwa  4  m 

Darunter  gut  gebankte  feste  Kalke,  die 
sich  gut  zu  Bausteinen  eignen  und  Mumien 

enthalten   „   12  m 

Dann  eine  Mergellage  mit  Pholadomyen 
und  in  Menge  Exogi/ra  Bruntrutana  Th.  u.  s.  w.      1 — 2  m 
Groboolithische  Kalke  und  Mergel  ...  2  m 


M.  Sq. 


')  Ahnliche  Ubergangsschichten  beschreibt  W.  Oertel. 


43 


Mergel,  die  auBerordentlich  reich  sind  an 


M.  Sq.      \Zeilleria   humeralis   Roem.,    wogegen   andere  - 

(  Fossilien  zuriicktreten   etwa  5  m 

VI  Bank     i       Schwach  oolithische  Bank   2  m 

v     \       Banke  mit  grobkornigen  Oolithen    ...  5  m 

Mergel   8  m 

^    g  ^      j        Schwach     oolithische,     jedoch  schoiie 

-  a-    c  •      I  Mumien  enthaltende  Banke   3  m 

Mergel   4  m 

Mittel-  und  Untersequan  zusammen     ....  45 — 50  m 


Dieses  Profil  zeigt,  daB  wir  es  hier  im  ganzen  Mittel-  und 
Untersequan  mit  einem  standigen  Wechsel  Yon  Kalken  und 
Mergeln  zu  tun  haben,  daB  Oolithe  in  verschiedenen  Horizonten 
auftreten  konnen,  und  daB  sich  das  Mittelsequan  in  verschie- 
dene  faunistische  Stufen  zerlegen  laBt,  deren  obere  charakte- 
risiert  ist  durch  das  Vorherrschen  der  Crinoiden,  deren  mitt- 
lere,  vvenig  machtige  Zone  yor  allem  Pholadomyen  und  Ex. 
Bruntrutana  enthalt,  und  deren  untere  gekennzeichnet  wird 
durch  die  in  grower  Individuenzahl  auftretenden  Zeill.  humeralis 
Roem.  In  diese  Schichtenreihe  schiebt  sich  zwischen  der 
oberen  und  unteren  Mergellage  ein  zienilich  machtiger  Kalk- 
komplex  ein,  den  wir,  da  er  Mumien  enthalt,  als  eine 
obere  Mumienbank  bezeichnen  konnen,  wahrend  die  Stelle  der 
Mumienbank  zwischen  dem  unteren  Mittelsequan  und  den  Na- 
ticamergeln,  wie  sie  in  dem  nordl.  anstoBenden  Gebiet  ausge- 
bildet  ist,  durch  etwa  7  m  oolithische  Kalkbanke  yertreten 
wird.  Diese  obere  Mumienbank  ware  ein  Aquivalent  der  yon 
Kemmerling  beobachteten  Schicht.  Die  Naticaschichten  sind 
im  Gegensatz  zu  dennordlicheren  Gebieten  wenig  machtig,  im  ganzen 
etwa  15  m,  wrobei  zu  bemerken  ist,  dafi  der  mittlere  Teil  dieser 
Serie  wiederum  Yon  einer  etwa  3  m  machtigen  Mumienbank  ge- 
bildet  wird,  und  zwar  zeigt  diese  Bank  die  Mumienfacies  am 
allerschonsten.  Konnten  wir  also  die  Mumienbank  im 
groBten  Teil  meines  Aufnahmegebietes  als  trefflichen  Leithori- 
zont  bezeichnen,  so  ist  dies  in  den  siidl.  anstoBenden  Gegenden 
durchaus  nicht  mehr  der  Fall.  War  auBerdem  die  Entwick- 
lung  der  Naticaschichten  eine  weit  betrachtlichere  als  die  der 
Humeralisschichten,  so  finden  wdr  hier  im  Siiden  gerade  den 
umgekehrten  Fall.  Die  Faciesgrenzen  haben  sich  also  im  Sequan 
yerschoben. 

Kimmeridge. 

II.   Oberer  Kimmeridge. 

Pterocera-Mergel  5 — 10  m. 
I.   Unterer  Kimmeridge  50  m. 
Der    untere   Kimmeridge    oder   Pseudocidaris -Thurmanni- 
Schichten  besteht  aus  einer  Serie  gut  gebankter,  wreiBer  oder 


44 


gelblicher,  meist  steriler  Kalke.  Gegen  das  Sequan  konnen 
sich,  wie  schon  erwahnt,  ortlich  Oolithe  einstellen.  In  den  ob. 
Lageu  wird  die  Fossilfiihrung  etwas  reicher,  urn  endlich  in  die 
fossilreichen  Pterocera-Mergel  uberzugehen. 

Die  Pterocera-Schichten  bilden  einen  ausgezeichneten  Leit- 
horizont.  Selbst  da,  wo  die  Schichten  nicht  aufgeschlossen 
sind,  lassen  sie  sich  meist  leicht  an  ihren  Fossilien  im  Berg- 
schutt  nachweisen.  Von  besonders  haufigen  Versteinerungen 
konnte  ich  sammeln: 

Terebratula  suprajurensis  Th. 

Pholadomya  Protei  Ac 

Ceromya  excentrica  Az\ 

Isocardia  cornuta  KlOd. 

Isocardia  striata  d'Orb. 

Pleuromya  Voltzii  Ac. 

Homomya  hortulana  Ac;. 

Thracia  incerta  Ag. 

Plectomya  rugosa  Lor.  , 

Mytilus  jurensis  Mer. 

Avicula  Gessneri  Th. 

Trichites  Saussurei  d'Orb. 

Cardium  Banneianum  Th. 

Hinnites  inaequistriatus  d'Orb. 

Pterocera  Oceani  Brong. 

Py gurus  jurensis  Marc. 

Pseudocidaris  Thurmanni  Ex. 
Sammelt  man  eine  grofiere  Anzahl  der  Terebratula  supra- 
jurensis Th.,  so  ist  es  eine  Leichtigkeit,  alle  Ubergange  aufzu- 
finden,  yon  Formen,  deren  Bauch-  und  Riickenklappe  am 
Hinterrande  yollkommen  glatt  ist,  zu  solchen,  die  eine  auflerst 
markante  Doppelfurche  auf  der  Riickenklappe  und  zwei  ent- 
sprechende  Wiilste  auf  der  Baucliklappe  besitzen.  Da  nun  die 
ersteren  Formen  durcbweg  klein  sind  im  Gegensatz  zu  den  an- 
deren,  so  liegt  es  nahe,  die  verschiedenen  Formen  als  Yerschie- 
dene  Altersstufen  aufzufassen1). 

J)  L.  Rollier  hat  in  seiner  neuesten  Schrift:  Fossiles  nouveaux  ou 
peu  coimus  des  terrains  secondaires  in  denMem.  soc.pal.  Suisse  vol.  XXXVII 
1910  —  1911  aus  dem  oberen  Bathonien  eine  lerebratula  Movelicrensis 
sp.  nov.,  und  zwar  in  einer  ganzen  individuellen  Entwicklungsreihe  be- 
schrieben.  Ein  Vergleicli  der  T.  suprajurensis  Th.  und  ihrer  Jugendstadien 
laBt  keinen  irgendwie  wesentlichen  Unterschied  zwischen  dieser  und  der 
T.  Movlierensis  erkennen.  So  liegt  die  Annahme  sehr  nahe,  daB  beide 
Terebrateln  dem  gleichen  Stamme  angehoren.  Nun  steht  die  T.  Movelie- 
rensis  sp.  nov.  Rolliers  der  T.  maxillata  aus  den  Homomyen-Mergeln 
so  nahe,  daB  mir  die  neue  Art  uberhaupt  unnotig  erscheint.  Somit 


45 


Das  obere  Kimmeridge  besteht  wiederum  aus  gut  gebankten 
sandig  kalkigen  und  rein  kalkigen  Lagen  mit  eiuem  groBen 
Reichtum  an  Nerineen.  Aus  den  Pterocera-Mergeln  linden  sich 
noch  Terebratula  suprajurensis  und  einige  andere  Formen. 

Kimmeridge  erscheint  in  meinem  Gebiet  auf  dem  Plateau 
im  W  von  Saignelegier,  wo  man  den  groBten  Teil  der  flach- 
liegenden  Schichtenserie  auf  dem  FuBpfad  nach  Goumois  quert. 
AuBerdem  in  einer  westostlich  ziehenden  Mulde  nordlich  von 
les  Pommerats.  Durch  die  StraBe  von  les  Pommerats  nach  Vaute- 
naivre  ist  von  Hohenpunkt  876  an  das  untere  Kimmeridge  auf- 
geschlossen.  Die  Pterocera-Mergel  sind  gegenwartig  am  besten 
zu  studieren  an  dem  Kohlerweg,  der  von  Malnuit  aus  oberhalb 
des  nach  Moulin  Jeannotat  hinabfiihrenden  Talchens  zuerst  in 
nordlicher  Richtung  zieht  und  dann  etwa  bei  Hohenpunkt  619 
nach  W  umbiegt,  und  zwar  etwa  150  Schritte  nach  der  Umbie- 
gung. 

Weitere  Sedimente. 

Uber  dem  Kimmeridge  folgen  keine  weiteren  mesozoischen 
Bildungen.  Auch  Tertiar  ist  nur  an  einer  Stelle,  und  zwar  als 
eocanes  Bohnerz  nachzuweisen,  das  im  NO  von  les  Pommerats  an 
der  Grenze  meiner  Karte,  etwa  bei  Hohenpunkt  964  Humera- 
lismergel  uberlagert. 

Die  Schottervorkommnisse,  die  G.  L.  Kemmerlixg  in 
seiner  geologischen  Beschreibung  der  Kette  von  Vellerat  und 
Moutier  erwahnt,  und  die  auch  W.  Oektel  in  der'  Gegend  von 
St.  Brais — Saulcy — Lajoux  auffand,  lieBen  sich  in  meinem  Gebiet 
gleichfalls  beobachten,  und  zwar  in  einer  das  Sequan  uber- 
lagernden  Lehmschicht  zwischen  les  Pommerats  und  Saignelegier. 
Sie  bestehen  aus  jurassischen  Sedimenten  und  aus  Quarziten. 

Die  Plateauflachen  in  der  sudlichen  Halfte  meines  Gebietes 
sind  von  einer  bis  ll/2  m  dicken  Lehmschicht  bedeckt  (vergl. 

komme  ich  zu  dem  Schlusse,  da6  wir  es  bei  der  T.  maxil/ata,  T.  Movelie- 
renzis  und  der  T.  suprajurensis  mit  einer  und  derselben  Form  zu  tun 
haben,  die  fast  ohne  Veranderung  von  den  Homyenmergeln  bis  ins  obere 
Kimmeridge  durchgebt.  DaB  wir  sie  in  machtigen  dazwischenliegenden 
Schichtenserien  nicht  antreffen,  liegt  einfach  an  der  Faciesversehiedenheit. 

Auf  einen  ahnlichen  Fall  machte  mich  Herr  G.  Bohm  aufmerksam. 
Vergleichen  wir  den  Mytilus  suprajurensis  aus  den  Pteroeera-Mergeln 
mit  der  Modiola  gigantea  Qu.  (Mem.  soc.  pal.  Suisse  Bd.  27,  1900: 
„Description  des  fossiles  du  Bajocien  superieur  des  environs  de  Bale"' 
par  Ed.  Greppin),  so  zeigt  sich,  daB  sich  Unterschiede  mit  dem  besten 
Willen  nicht  finden  lassen,  daB  wir  also  auch  hier  eine  und  dieselbe 
durchgehende  Form  annehmen  konnen. 

Uberhaupt  zeigt  die  Fauna  des  mittl.  Dogger  viele  Analoga  mit 
dem  mittl.  Kimmeridge.  Ich  erinnere  z.  B.  an  die  Pleurotomaria ,  an 
Homomya  hortulana  oder  Gresslya  cf.  ovata  u.  a.  m. 


46 


Rollier1).  Ob  diese  Schicht  iiberail  Gerolle  fiihrt,  kounte  ich 
nicht  feststellen. 

Endlich  sind  noch  die  alten  Terras  sen  des  Doubs  zu 
erwahnen.  die  oberhalb  Goumois  40 — 50  m  iiber  dem  jetzigen 
Fluflbett  liegen  und  etwa  10  m  machtig  sind.  Sie  werden  jetzt  zu 
Straflenschotter  abgebaut  und  stellen  sich  als  Banke  von  faust- 
groflen  Gerollen  dar,  wechsellagernd  mit  feinem  FluBsand.  Das 
Material  der  Gerolle  ist  meist  jurassisch,  docb  lassen  sich  auch 
in  Menge  alpine  Gesteine  sammeln.  Ich  verweise  auf  die  ge- 
naueren  Angaben  Rolliers.  Es  handelt  sich  um  nuvioglaciale 
Schotter,  dieinder  Rifleiszeitbisins  Doubsgebiet  YOrgeschoben  und 
YOniDoubsYerfrachtetwurden.  Da  dieseSchotter  etwa  40m  iiber  dem 
jetzigen  Talboden  liegen.  wahrend  das  Tal  ini  ganzen  eine  Ein- 
tiefung  you  400 — 500  m  darstellt.  so  mul3  schon  damals  das 
Doubstal  im  wesentlichen  in  seiner  heutigen  Gestalt  Yorhanden 
gewesen  sein. 

Nun  sei  noch  eine  Beobachtung  siidlich  meines  Aufnahme- 
blattes  erwahnt.  Auf  dem  westlichen  Teil  der  Hohenkurve 
990  des  Hiigels  „Sur  le  Cras"  finden  sich  aus  der  Wiese  her- 
ausragende  Haufen,  die  auf  den  ersten  Anblick  an  der  Land- 
straJ3e  aufgeworfenen  Schmutzhaufen  gleichen,  aber  aus  fest  Yer- 
kittetem  Konglomerat  bestehen.  Die  einzelnen ,  Yollstandig  ab- 
gerollten  Stiicke  stammen  samtlich  aus  dem  oberen  Malm.  In 
der  Umgebung  dieses  Yorkommnisses  steht  Rauracien  an,  auf 
dem  diese  Ablagerung  aufruht.  Zweifellos  handelt  es  sich  um 
mit  kalkigem  Bindemittel  verkittete  FluB-  oder  Bachgerolle. 
Merkwiirdig  ist  aber.  dafi  sie  sich  aut  dem  Gipfel  des  Hiigels 
(Sur  le  Cras)  finden.  Sollte  es  sich  um  ein  Bachbett  handeln, 
das  Yor  der  Faltung  schon  bestand  und  bis  auf  Rauracien  ein- 
gesenkt  war?  Ich  lasse  diese  Frage  offea. 

Tektonik. 

Am  Aufbau  meines  Gebietes  nehmen  zwei  Ketten  teil: 

1.  die  Montfavergier-Kette2),  die  mit  dem  Rauracien  im 
NW  you  Saulcy  beginnt;  sie  trifft  St.  Brais,  MontfaYergier, 
Soubey,  le  Cerneux,  Patalour,  Malnuit,  Biel  de  Yautenaivre, 
Fossevillers.  Im  Norden  folgt  darauf  la  Chaine  du  Clos  du 
Doubs ; 

2.  la  Chaine  du  Mont  (Greppin)  ==  Yellerat-Kette,  die 
im  0  etwa  in  der  Gegend  von  Mervelier  beginnt.    Sie  zieht 

!)  Materiaux  pour  la  carte  geologique  de  la  Suisse:  Structure  et 
histoire  de  la  partie  du  Jura  centrale  pg.  165. 

*)  Beziiglich  des  Nainens  „Montfavergier-Ketteft  siehe  „Allgemeine 
JuratektODik"  S.  39. 


47 


iiber  Choindez,  dann  Gorge  von  Undervelier,  Saulcy,  Mont- 
faucon,  Praissalet,  les  Pornmerats  nach  Goumois.  Im  S  scklieflt 
sich  die  Raimeux -Kette  an,  zu  dter  der  Spiegelberg  und  das 
Oxfordvorkommnis  von  Saignelegier  gekort.  Der  Berg  zwischen 
les  Pommerats  und  Saignelegier  stellt  eine  Aufwolbung  yon  unter- 
geordneter  Bedeutung  dar,  die  gegen  0  im  Gewolbeauf  bruch 
von  La  Bosse-Praissalet  endet. 

Die  Montfavergier-Kette. 

Diese  Kette  habe  ich  etwa  von  Cerneux  bis  zur  Sckweizer- 
grenze  auf  meiner  Karte  zur  Darstellung  gebracht.  Das  ganze 
hierher  gekorige  Gebiet  ist  ungeheuer  gestort,  und  es  ist  sckwer, 
sich  von  den  Lagerungsverkaltnissen  und  besonders  you  der 
Entstehung  dieser  Yerkaltnisse  eine  klare  Yorstellung  zu  macben. 
Am  Aufbau  der  Kette  neknien  teil  die  Malmsckickten  vom 
oberen  Kimmeridge  an  ab warts  und  die  Doggerschichten  bis 
zum  unteren  Hauptrogenstein.  Die  Satteiackse  zieht  vom  Tal- 
chen  bei  Yauteuaivre  etwa  in  der  Ricktung  Ost  10°  Nord.  Die 
Grenze  von  Dalle  nacree  mit  mittl.  Dogger  liegt  auf  dem  Steig, 
der  von  Sous  la  Rocbe  (bei  Yautenaivre)  zum  Doubs  kinab- 
fiikrt,  etwa  auf  Hokenlinie  600;  im  SW  von  sur  le  Rang  auf 
600 — 610  m,  im  SO  von  sous  la  Rocke  (Patalour- Aufbruck) 
auf  H.  810.  An  der  Grenze  meines  Kartengebietes ,  auf  der 
StraBe  Patalour-Cernievillers,  finden  wir  die  Grenze  auf  770  m. 
Yerfolgen  wir  nun  die  Kette  auf  der  RoLLiEKscken  Karte  (En- 
virons de  Bellelay)  weiter  nack  0,  so  finden  wir  mittl.  Dogger 
nordl.  von  Cernievillers  in  uber  900  m  Hoke.  Dieses  Ansteigen 
der  Sattelackse  bleibt  ziemlick  konstant  bis  in  die  Gegend  von 
Soubey. 

Doppelung  des  mittl.  Doggers  im  Talcken  von  Yautenaivre. 

Wie  man  im  Talcken  von  Yautenaivre  beobackten  kann, 
kandelt  es  sick  um  kein  einfackes  Gewolbe,  sondern  um  eine 
Doppelung  des  mittl.  Doggers.  Das  siidl.  Gewolbe  findet 
-etwa  100  m  nordl.  der  Einmiindungsstelle  des  Backes  von 
Yautenaivre  in  den  Doubs  sein  Ende.  Yon  dort  steigt  die  Siid- 
flanke  ernes  neuen  Gewolbes,  sckroffe  Eelsen  gegen  das  Doubs- 
tal  bildend,  an.  Die  Trace  der  zwiscken  beiden  Gewolben 
liegenden  Mulde  erreickt  nack  etwa  400  m  das  Backbett  und 
und  verlauft  dann  im  wesentlicken  in  diesem.  Weiter  nack  0 
laBt  sick  die  Doppelung  wegen  mangelnder  Aufsckltisse  und 
tektoniscker  Storungen  nickt  mekr  verfolgen.  Nack  Rolliek 
soil  im  S  von  le  Cerneux  eine  zweite  Aufwolbung  von  mittl.  Dogger 
sicktbar  werden.    Nack  meinen  Begekungen  existiert  diese  nickt. 


48 


Bergsturz  im  Talchen  von  Vautenaivre. 
Nordlich  von  Vautenaivre  hat  sich  eine  groBere  Scholle  von 
Dalle  nacree  vom  Gewolbescheitel  losgelost  und  ist,  ohne  in 


Fig.  1. 


sich  vollkommen  zu  zerbrechen,  uber  die  nordl.  Flanke  des  Siid- 
gewolbes  in  das  Talchen  von  Vautenaivre  abgeglitten,  wo  sie 
nun  diskordant  auf  mittl.  Dogger  aufruht. 

Der  siidl.  Gewolbefliigel  dcr  Montfavergier-Kette. 
Ein  schones  Profil  durch  den  siidl.  Fliigel  der  Montfavergier- 
kette  kann  man  auf  der  StraBe  von  les  Pommerats  hinab  nach 
Vautenaivre  erlangen.  Am  Rande  des  Plateaus  bei  Hohenpunkt 
876  befinden  wir  uns  an  der  Grenze  von  unterem  Kimmeridge 
und  Pterocera-Schichten.  Das  Streichen  ist  ziemlich  rein  ost- 
westlich,  und  das  Fallen  betragt  ca.  40°  gegen  S.  Wir  durch- 
wandern  hier  die  ganze  Schichtenserie  bis  zur  Dalle  nacree  von 
Vautenaivre.  Alle  Schichten  liegen  konkordant  ubereinander. 
Ungefahr  dasselbe  Einfallen  wie  hier  laBt  sich  auch  weithin 
nach  0  bis  an  die  Grenze  meiner  Aufnahmen  verfolgen,  womit 
sich  der  Sudfliigel  der  Montfavergierkette  als  vollkommen  un- 
gestort  erweist.  Nur  das  Streichen  geht  von  einer  reinen  OW- 
Richtung  im  W  in  eine  WSW-ONO-Richtung  im  0  iiber.  Das 
Talchen,  das  von  der  Strafie  les  Pommerats  —  Malnuit  zwischen 
den  Hohepunkten  904  und  916  in  einer  groflen  Schleife  um- 
gangen  wird,  ist  wohl  dadurch  zu  erklaren,  da!3  hier  friiher 
ein  Bach  floJ3,  der  zwischen  den  harten  Kalken  des  Rauracien 
einerseits  und  des  Obersequan  anderseits  in  die  leicht  zerstor- 
baren  Kalke  und  Mergel  des  Mittel-  und  Untersequan  sein  Bett 
eingrub  und  erst  dort,  wo  der  heute  das  Talchen  hinabfiihrende 
Weg  die  Oxford wiesen  von  Pres  dessous  erreicht,  die  Rauracien- 
kalke  durchbrach.  Besonders  hervorgehoben  zu  werden  ver- 
dient  folgende  Erscheinung:  Vom  Triangulationspunkt  896  des 
Rauracienkammes  nordlich  von  les  Pommerats  fuhrt  einKammhin- 
iiber  zur  isolierten  Rauracienplatte  im  S  von  Chez  le  Forestier. 
Der  Kamm  besteht  vollstiindig  aus  den  Tonen  des  Terrain  a 


49 


Chailles  und  bietet  im  W  auch  gute  Gelegenheit  zum  Sammeln 
von  Fossilien  dieser  Stufe.  Zu  oberst  liegen  noch  Blocke  der 
unteren  Rauracienlagen,  die  jedoch  nicht  mehr  in  festem  Zu- 
sammenhang  stehen  und  daher  yon  mir  auf  der  Karte  nicht  ein- 
gezeichnet  wurden.  DaB  dieser  Oxfordkainm  sich  bis  auf  unsere 
Zeit  erhalten  konnte,  erkJart  sich  eben  aus  der  Uberlagerung 
dieser  Blocke,  die  hier  eine  ahnliche  Rolle  spielten  wie  die 
Gesteinsplatten  auf  der  Spitze  der  Erdpyramiden.  Jener  Oxford- 
kainm mit  den  oben  aufliegenden  Rauracienblocken ,  die  eine 
Verbindung  des  Siidschenkels  mit  der  horizontal  en  Platte  auf 
dem  Gewolbescheitel  darstellen,  scheint  mir  ein  Beweis  dafiir 
zu  sein,  dafi  wenigstens  in  dieser  Kette  die  Gewolbeuberdeckung 
nach  abgeschlossener  Faltuug  noch  .eine  ziemlich  geschlossene 
war. 

Der  Vollstilndigkeit  halber  muB  ich  noch  die  gewaltigen 
Bergstiirze  erwiihnen,  die  von  jenem  isolierten  Plateau  nieder- 
gingen  und  deren  Trunimer  im  SW  bis  sur  le  Rang,  im  NO 
bis  Malnuit  reichen.  Der  Grund,  weshalb  gerade  hier  so  ge- 
waltige  Bergstiirze  niedergingen,  ist  einfach  der,  daB  die  Oxford- 
flanken  abgeglitten  und  den  Randern  des  Rauracienplateaus  da- 
durch  die  Unterlage  entzogen  wurde,  so  daB  sie,  durch  ihr  Eigen- 
gewicht  veranlaBt,  abbracheu.  In  diesen  Schutthalden  lassen 
sich  Rauracienfossilien  sammeln. 

Der  Nordschenkel  der  MoDtfavergierkette.  (Allg.  Ubersicht.) 
Wenn  ich  im  folgenden  die  tektonischen  Yerhaltnisse  des 
Nordschenkels  der  Montfavergierkette  zu  erklaren  versuche,  so  ist 


Fig.  2. 

es  mir  nicht  moglich,  wie  dies  bei  der  tektonischen  Besprechung 
anderer  Gebiete  wohl  tunlich  ist,  eine  Stoning  nach  der  anderen 
zu  besprechen,  da  hier  die  eiDzelnen  Storungen  in  einem  innigen 
genetischen  Zusammenhange  stehen,  die  eine  StOrung  daher  nur 

Zeitschr.  d.  D.  Geol.  Ges.  1914.  4 


50 


in  Bezugnahme  auf  die  andere  verstanden  werden  kann.  Auch 
scheint  mir,  daB  das  Yerstandnis  der  speziellen  Yerhaltnisse  da- 
durch  wesentlich  unterstiitzt  wird,  weim  ich  gleich  anfangs  einen 
schematischen  Bauplan  wenigstens  der  Hauptstorungen  entwerfe. 
Denken  wir  uns  die  zur  Zeit  der  Gebirgsentstehung  von  S  nach 
N  vorriickenden  Falten  durch  vorlagernde  Widerstande  gestaut, 
wie  dies  in  unserem  Fall  durch  den  Yogesenkern  und  den 
diesen  Kern  iiberlagernden  Tafeljura  der  Fall  war,  so  werden 
die  Falten  anfangs  eine  extreme  Steilstellung  erfahren.  Figur  2 
zeigt  diesen  hypothetischen  Zustand  von  der  Montfavergierkette. 


Fig.  3. 


s 


Fig.  4. 


Hierbei  werden.  wie  dies  uberhaupt  fiir  die  Jurafaltung  dieses 
Gebietes  charakteristisch  ist,  ausgesprochene  Knickzouen  ent- 
standen  sein. 

Nun  ging  der  Schub  weiter,  und  der  Nordschenkel  der 
Montfavergierkette  legte  sich  nach  N  liber.  Diese  Bewegung 
dauerte  so  lange  an,  bis  die  Achsenebene1)  jenes  Gewolbes  mit 
der  Horizontalen  einen  Winkel  you  35 — 40°  bildete.    Fig.  3. 

Als  diese  Lage  erreicht  war,  widerstand  die  Kohasion,  die 
an  den  Schichtkopfen  durch  die  starke  Knickung  schon  sehr 
Yerringert  war,  uicht  mehr  einem  weiteren  Druck.    Die  Folge 

])  Unter  Achsenebene  verstehe  ich  diejenige  Ebeue,  die  durch  die 
Gewolbeachse  und  diejenige  Richtung  gelegt  werden  kann,  welche  siimt- 
liche  ubereinauderliegenden  Schichtkopfe  miteinander  verbindet. 


51 


davon  war,  daB  in  der  Achsenebene  ein  RiB  entstand  und  der 
Siidschenkel  dieses  Gewolbes  iiber  den  iiberkippten  Nordschenkel 
geschoben  wurde.  Infolge  dieses  weiteren  Druckes  wurde  der 
Nordschenkel  auf  die  im  N  vorgelagerten  horizontalen  Schichten 
aufgedriickt.  Dieses  Stadium  der  Gebirgsbildung  sehen  wir 
uoch  heute  im  N  von  Yautenaivre.    Fig.  4. 

Weiter  nach  0,  nordlich  von  Chez  le  Forestier  widerstand  die 
Kohasion  der  Knickzone  zwischen  den  vorgelagerten  horizontalen 


Fig.  5. 


Schichten  und  dem  nordlichen  iiberkippten  Gewolbeschenkel 
dem  Druck  des  iiberschobenen  Siidschenkels,  der  auch  seiner- 
seits  wieder  den  iiberkippten  Nordschenkel  initzerrte,  nicht  so 
lange  wie  im  W.  Die  Folge  davon  war,  daB,  bevor  es  noch 
zu  jener  extremen  Uberfaltung  kam,  ein  RiB  entstand  und  nun 
auch  der  Nordschenkel  des  Gewolbes  zugleich  mit  dem  Siid- 
schenkel iiber  die  vorlagernden  horizontalen  Schichten  ge- 
schoben wurden.    Fig.  5. 

tiberschiebung. 

Die  tiberschiebung  von  Beaugourd  dessous  —  es  Royes  — 
Champ  —  FOiseau — Patalour  tritt  amklarsten  nordlich  des  Talchens 
von  Yautenaivre  in  die  Erscheinung.  Wir  haben  gesehen,  daB  im 
Norden  des  Baches  ein  neues  Doggergewolbe  beginnt.  Dieses 
wird  an  seinem  Scheitel  von  der  tiberschiebung  zerrissen,  und 
der  Siidschenkel  verschiebt  sich  gegen  den  Nordschenkel  nach 
oben  urn  einige  100  m.  Die  Uberschiebungsebene  ist  mit  etwa 
35 — 40°  nach  S  geneigt.  Die  Neigung  laBt  sich  nur  hier  mit 
einiger  Sicherheit  berechnen.  Wenn  ich  auf  meinen  Profilen 
diese  Neigung  auf  den  ganzen  Yerlauf  der  tiberschiebung  iiber- 
tragen  habe,  so  handelt  es  sich  hierbei  um  eine  Annahme, 
die  ich  bei  dem  Mangel  weiterer  Anhaltspunkte  zu  machen  ge- 
zwungen  war. 

4* 


52 


Steigt  man  Yom  Doubs  aus  sozusagen  in  der  IJberschiebungs- 
spalte  nach  oben,  so  daB  man  also  zur  Rechten  den  Siidschenkel 
des  yerworfenen  Doggergewolbes ,  zur  Linken  aber  Rauracien- 
kalke  hat,  so  iiberschreitet  man  zuerst  bis  zu  einer  Hohe  yob 
20 — 30  m  FluBsand,  eine  alte  Ablagerung  des  Doubs,  dann  be- 
wegt  man  sich  bis  zu  derWiesenterrasse  YonBeaugourd  dessous  — 
Beaugourd  dessus  standig  in  den  Mergeln  des  Terrain  a  Chaillesy 
und  es  war  mir  auch  moglich,  dort  typische  Fossilien  dieser 
Stufe  zu  sammeln.  Auf  dem  oberen  Rand  des  Yerworfenen 
Schenkels  Yon  mittl.  Dogger  liegt  noch  etwas  Dalle  nacree,  je- 
doch  ungemein  reduziert  und  sich  dadurch  als  deutliches  Relikt 
erweisend.  Kurz  bevor  man  nach  es  Royes  gelangt,  tritt,  durch 
eine  Querverwerfung  YeranlaBt,  auf  die  ich  spater  zu  sprechen 
kommen  will,  Rauracien  dicht  an  den  Uberrest  Yon  Dalle  nacree 
heran,  so  daB  Oxford  auf  ein  auBerst  diinnes  Band  zusammen- 
gepreBt  wird.  Auf  dem  Wege  Yon  es  Royes  nach  Pourpier 
konnen  wir  in  der  Dalle  nacree  einige  kleine  sekundare  Falten 
beobachten,  die  mit  der  Uberschiebung  in  Zusammenhang  zu 
bringen  sind.  Bis  zu  dieser  Yerwerfung  von  es  Royes  —  Combe* 
Chabroyat  Yerhalt  sich  der  Nordschenkel  der  Montfavergier- 
kette  tektonisch  einheitlich,  und  ich  werde  daher  zunachst  Yon 
diesem  Gebiet  sprechen.  Auf  dem  schematischen  Profil  3  auf 
S.  19  sind  ungefahr  die  Yerhaltnisse  des  westlichen  Teiles  wieder- 
gegeben.  Genauer  den  ortlichen  Yerhaltnissen  angespafit  sind 
die  Spezialprofile  1,  2,  3,  4  u.  5.  Wie  daraus  ersichtlich,  handelt 
es  sich  im  wesentlichen  um  eine  grofie  liegende  Falte,  die  Yon 
S  her  iibergeschoben  wurde.  Eine  schone  Ubersicht  laBt  sich  yob 
den  Hohen  jenseits  des  Doubs  erlangen. 

Widersinniges  Einfallen  des  Rauracien  vod  Pres  de  Beaugourd. 
Soweit  ware  die  Sache  ganz  schon  und  gut,  wenn  nicht 
eine  neue  Erscheinung  das  tektonische  Problem  komplizierte. 
Diese  neue  Komplikation  liegt  im  Yerhalten  des  Rau- 
racien. Yerfolgen  wir  den  Weg,  der  vonBeaugourddessusnachPres 
de  Beaugourd  hinauffiihrt,  so  fallt  uns  auf,  daB  das  Rauracien  nichtT 
wie  es  bei  der  liegenden  Falte  anzunehmen  ware,  gegen  S  einfalltT 
sondern  im  Gegenteil  steil  gegen  N,  daB  diese  Schichten  also' 
im  Yerhaltnis  zu  den  obwaltenden  LagerungSYerhaltnissen  zu- 
riickgebogen  erscheinen.  Diese  Rauracieiiplatte  laBt  sich  nun 
am  siidlichen  Rand  des  Gipfelplateaus  bis  gegen  den  Steilabbruch 
im  W  Yerfolgen,  wobei  dieses  Schichtpaket  unzerbrochen  er- 
scheint  und  das  gleiche  sinnwidrige  Fallen  bewahrt.  Das  nordliche 
Fallen  laBt  sich  nach  meiner  Meinung  auf  zweierlei  Art  er- 
klaren.    Einmal  ware  es  moglich,  daB  bei  der  Uberschiebung; 


53 


der  siidliche  Teil  der  umgeklapptenRauracienplatte  einseitig  so  stark 
belastet  wurde,  dal3  die  darunterliegenden  weicben  Sequan- 
mergel  ausgequetscht  wurden  und,  indein  sie  sicb  mit  Gewalt 
einen  Ausweg  nach  N  suchten,  den  nordlicben  Teil  der  Rauracien- 
platte  hoben  und  iiberkippten.  Die  andere  Deutung,  die  mir 
personlicb  viel  wabrscbeinlicber  ist,  babe  icb  durch  beigegebenes 
scbematiscbes  Profil  (6)  veranscbaulicbt.  Danacb  wurden  wir 
in  dem  widersinnigen  Einfallen  der  Rauracienscbiebten  die  Um- 
biegungsstelle  jener  flacbliegenden  Falte  zu  seben  haben.  Die 
Umbiegung  der  boberen  Scbicbten  muB  auch  rein  tbeoretiscb 
auBerhalb  der  Bergkontur  fallen.    Mit  dieser  Erkliirung  werclen 


Fig.  6. 


also  einerseits  die  Lagerungsverhaltnisse  gelost,  anderseits  ge- 
winnen  wir  hierdurcb  eine  Anscbauung  fiir  das  AusmaB  der 
liegenden  Falte.  Diese  rnuB  etwa  iiber  dem  Doubstal  ibr  Ende 
«rreicbt  baben  und  darf  sicb  jenseits  dieses  Tales,  auf  franzo- 
sichem  Gebiet  bocbstens  durcb  lose  berumliegende  Triimmer 
bemerkbar  maeben.  Icb  habe  nun  daraufbin  die  franzosiscbe 
Spezialkarte  „Montbeliard"  angesehen  und  babe  nichts  gefunden, 
was  fiir  ein  Ubergreifen  jener  liegenden  Falte  sprecben  konnte. 

Scbon  zur  Zeit  der  Faltung  mufl  jener  Gewolbescbeitel  be- 
standsunfiibig  gewesen  und  aller  Wabrscbeinlicbkeit  nacb  scbon 
damals  zusammengebrocben  sein.  Denn  ich  werde  ananderer  Stelle 
den  Nacbweis  fiibren,  daB  zur  Zeit  der  Faltung  hobere  Sedimente 
als  oberes  Kimmeridge  in  dieser  Gegend  nicht  bestanden  baben; 
somit  muflte*der  auBerste  Teil  des  liegenden  Gewolbes  frei  in 
die  Luft  binausgeragt  baben. 

Verbalten  des  der  liegenden  Falte  vorgelagerten  Schichtpaketes. 
Der  Sockel,  bestebend  aus  den  Scbicbten  des  Kimmeridge 
und  Sequan,  auf  dessen  westlicben  Teile  die  liegende Falte  aufrubt, 
ist  in   seinen  barten  Partien   durcb  das  Doubstal  gut  aufge- 


54 


schlossen  und  gibt  sicli  mit  Ausnahme  des  Berges  yon  Pres  de 
Beaugourd,  wo  er  von  machtigen  Schuttinassen  verhiillt  ist, 
deutlich  durch  eine  den  Hohenlinien  folgende  Steilstufe  zu  er- 
kennen.  Dieser  ganze  Sockel  ist,  soweit  in  meinem  Gebiet 
befindlieh,  durchaus  horizontal  und  unzerbrochen.  DaB  auch 
im  Berge  von  Pres  de  Beaugourd  diese  Schichten  horizontal 
liegen,  erkennen  wir  aus  den  anstehenden  Kimnieridge-Kalken 
bei  Combe  Chabroyat  und  durch  die  den  Hohenlinien  folgenden 
Felsbander  bei  der  Uberfaltungsstelle. 

Sekundare  Storungen  dort,  wo  der  Knick  der  liegenden  Falte  mit  der 
Uberschiebung  zusammentrifft. 

Die  horizontale  Lagerung  tritt,  im  W  durch  das  Doubstal 
aufgeschlossen,  bis  nahe  an  die  Umbiegungsstelle  und  die  da- 
hinterliegende  Uberschiebung  heran,  so  daB  wir  den  Eindruck 
eines  sehr  scharfen  Knickes  bekommen.  Durch  diese  starke 
Knickung  und  das  gleichzeitige  Zusammentreffen  der  Uber- 
schiebung mit  der  Umbiegivng  der  tieferen  Schichten  erklart 
sich  die  an  jener  Stelle  zu  beobachtende  starke  Zerriittung. 
Die  letzte  betrifft  YOr  allem  das  Rauracien  und  das  untere 
und  mittlere  Sequan.  Interessant  ist,  daB  das  Rauracien  bis 
hinab  ins  Doubstal  zieht,  woraus  hervorgeht,  dai3  die  Uber- 
schiebung nur  die  tieferen  Schichten  betroffen  hat.  Von  den 
kleineren  durch  die  Uberschiebung  veranlaflten  Storungen  mochte 
ich  nur  einen,  dieser  parallel  verlaufenden,  Bruch  zwischen  Rau- 
racien und  Sequan  erwahnen,  cler  oberhalb  des  Hohenpunktes 
608  die  Rauracienplatte  durchsetzt. 

Aufblattern  der  Schichten. 
Yergleichen  wir  nun  noch  das  Streichen  des  Rauracien- 
kammes  von  Pres  de  Beaugourd  mit  demjenigen  der  darunter- 
liegenden  Sequan-  und  ganz  besonders  der  Kimmeridgeschichten, 
so  lafit  sich  eine  ganz  deutliche  Differenz  gegen  0  erkennen. 
Mit  anderen  Worten,  das  Aufblattern  der  Schichten  nimmt  von 
W  nach  0  zu.  "Wie  dieses  Aufblattern  iiberhaupt  zu  erklaren 
ist,  habe  ich  auf  Seite  52  u.  53  erortert.  DaB  jedoch  diese  Er- 
scheinung  im  0  bedeutender  ist  als  im  W,  dafiir  will  ich  nach  Be- 
sprechung  der  NS -Verwerfung  von  es  Royes  —  Combe  Chabroyat 
eine  Erklarung  zu  geben  versuchen. 

Verwerfung  von  es  Royes  —  Combe  Chabroyat. 
Durch  diese  Querverwerfung  wird  einmal  das  Verschwinden 
des  Rauracienkammes   im  W  von  es  Royes   erklart,  zweitens 
dasjenige  des  Rauracienkammes  von  Pres  de  Beaugourd  im  0. 
Am  klarsten  aber  wird  sie  bewiesen  durch  das  Yerhalten  der 


55 


Mumienbank  (punktierte  Linie  der  Karte).  Auf  dem  Weg  von 
Chez  le  Forestier  nach  Combe  Chabroyat  finden  wir  sie  auf 
Hohenlinie  690  bei  der  groBen  Wegschleife.  Yon  dieser  Stelle 
lafit  sie  sich  nach  0  die  Steilkante  entlang  bis  Hohenpunkt 
750  verfolgen,  wahrend  sie  nach  W  plotzlich  verschwindet. 
Gehen  wir  jedoch  den  Weg  von  Beaugourd  dessus  nach  Pres 
de  Beaugourd,  so  treffen  wir  auch  hier,  etwa  bei  Hohenlinie 
740,  auf  die  Mumienbank,  die  sich  noch  ein  kurzes  Stuck  gegen 
0  verfolgen  laBt,  nm  dann  scharf  nach  N  umzubiegen.  Etwa 
auf  Hohenlinie  G40  verschwindet  sie  auch  hier.  Dasselbe  Um- 
biegen  nach  N  zeigt  auch  das  Rauracien  von  Pres  de  Beaugourd 
und  das  unter  der  Mumienbank  liegende  Obersequan  und  Kim- 
meridge.  Durch  dieses  plotzliche  Abbiegen  der  Schichten  nach 
N  im  W  der  Yerwerfung  wurden  die  Gesteinsmassen  im  SW 
von  Combe  Chabroyat  gestaut.  Hierauf  mochte  ich  die  Er- 
scheinung  zuriickfiihren,  daB  die  Schichten  hier  starker  aufge- 
blattert  wurden  als  im  W  des  Berges  von  Pres  de  Beaugourd. 
Nach  meiner  Meinung  riB  die  NS -Yerwerfung  zur  Zeit  der  Jura- 
faltung  auf,  und  zwar  stent  sie  mit  der  Uberfaltung  resp. 
Faltenuberschiebung  in  einem  ganz  bestimmten  Zusammenhang. 
Gilt  namlich  fur  den  ganzen  Berg  von  Pres  de  Beaugourd  bis 
zu  dieser  Yerwerfung  das  Schema  der  Figur  4  auf  Seite  19, 
so  zeigt  Figur  5  auf  Seite  20  die  Yerhaltnisse  im  0  dieser 
Yerwerfung  bis  Saignolet.  Nach  meiner  Meinung  ging  also 
die  liegende  Falte  nicht  langsam  und  unmerklich  in 
eine  Faltenuberschiebung  uber,  sondern  gleichzeitig 
mit  dem  AufreiBen  des  Knickes  zwischen  dem  Sock  el 
und  dem  liegenden  Schenkel  der  iib ergekippten  Falte, 
riB  auch  wegen  der  plotzlichen  Auslosung  der  unge- 
heueren  Spannung  die  SN-Yerwerfung  von  es  Royes  — 
Combe  Chabroyat  auf.  Es  verhielt  sich  also  der  Berg  im 
"W  dieser  Yerwerfung  als  geschlossene  Einheit  tektonisch  anders 
als  der  Berg  im  0.  Wahrend  im  westlichen  Berg  der  Zusammen- 
hang der  unten  liegenden  Platte  mit  dem  Nordschenkei  der 
Falte  noch,  wenn  auch  unvollkommen,  erhalten  blieb,  bildet  der 
Berg  im  0  eine  nach  alien  Seiten  losgeloste  Scholle.  Stellen 
wir  uns  nun  vor,  daB  die  NS- Yerwerfung  und  jenes  AufreiBen 
des  Faltenknickes  vor  dem  vollstandigen  Erloschen  der  faltenden 
Krafte  erfolgte,  so  kann  ganz  gut  durch  das  Anpressen  dieser 
Scholle  an  den  ostlichen  Teil  des  Berges  von  Pres  de  Beaugourd 
jenes  Umbiegen  der  Schichten  nach  N  und  die  damit  zusammen- 
hangende  Zusammenstauchung  erklart  werden.  DaB  die  Yer- 
werfung nicht  alter  ist  als  die  Jurafaltung,  geht  daraus  hervor, 
daB  sie  sich  nicht  in  dem  unteren  Sockel  fortsetzt,  sondern  nur 


56 


den  Nordschenkel  der  liegenden  Falte  betrifft.  Aus  alien  diesen 
Verhaltnissen  erklart  sich  auch  das  nach  Combe  Chabrovat  und 
weiter  zum  Doubs  hinabziehende  Trockentalchen ,  und  zwar 
ist  dies  im  oberen  Teil  rein  tektonisch  durch  das  Herabziehen  der 
weichen  Sequanniergel  bedingt,  im  imteren  Teil  aber  durch 
Erosion  entstanden.  Die  letztere  wurde  dadurch  begiinstigt, 
daB  die  tonigen  Naticamergel  die  Wasseransammlung  unter- 
stiitzten. 

Die  Scholle  im  N  von  Chez  le  Forestier. 

Die  Scholle  im  N  von  Chez  le  Forestier,  die  im  W  durch 
die  Verwerftmg  von  es  Royes  —  Combe  Chabroyat  und  im  0  in- 
folge  der  Erosion  nordlich  von  Malnuit  verschwindet,  verhalt  sich 
nach  meiner  Meinung  ganz  einheitlich,  und  zwar,  wie  schon 
wiederholt  erwahnt,  nach  dem  Schema  4.  Am  klarsten  lassen 
sich  die  Verhaltnisse  im  NW  von  Malnuit  iiberblicken,  da  dort 
durch  einen  Bach,  der  gegen  Moulin  Jeannotat  hinabzieht, 
einigermafien  gute  Aufschliisse  existieren.  Die  Felsplatte,  auf 
der  Saignolet  steht,  und  die  auch  die  Unterlage  fur  jene  Scholle 
bildet,  besteht  aus  den  Kalken  des  oberen  Kimmeridge 
(charakterisiert  durch  reichliches  Vorkommen  von  Nerineen). 
Von  Saignolet  geht  ein  kleiner  Pfad  hinab  ins  Bachbett  und 
bietet  oberhalb  seiner  Einmiindungsstelle  Gelegenheit  zum 
Sammeln  von  Fossilien  aus  den  Pterocera-Mergeln.  Das  Bach- 
bett hinab  konnen  wir  Stufe  fiir  Stufe  das  ganze  Kimmeridge 
und  Obersequan  studieren.  Das  ganze  Schichteupaket  liegt 
ziemlich  horizontal. 

Nun  fiihrt  von  Malnuit  aus  ein  Kohlerweg  im  0  um  die 
Scholle  herum  und  halt  sich  ungefahr  in  einer  Hohe  von 
630 — 640  m.  Dieser  Weg  fiihrt  zuerst  an  der  Grenze  von 
Dalle  nacree  und  Oxford  entlang.  Renggeritone  fehlen  voll- 
kommen,  und  die  Dalle  nacree  fallt  nach  S  ein,  sodafi  Dalle 
nacree  auf  Terrain  a  chailles  geschoben  erscheint.  Das 
ziemlich  steile  Einfallen  der  Dalle  nacree  gegen  Siiden  bei 
vorgelagertem  Oxford  lafit  sich  bis  gegen  Champ  verfolgen 
und  zeigt  damit  untriiglich  die  Trace  der  Uberschiebung  an. 
Aber  auch  das  Oxford  ist  auf  dieser  Strecke  auf  ein  Minimum 
reduziert,  und  dort,  wo  der  eben  erwahnte  Bach  seinen  Ursprung 
nimmt,  kann  man  deutlich  seine  Auflagerung  auf  Kimmeridge 
beobachten.  Verfolgen  wir  aber  den  Kohlerweg  weiter,  so 
kommen  wir  in  die  Kalke  des  Rauracien,  die  erst  etwa  mit  40°, 
dann  immer  steiler  gegen  N  einfallen.  Bald  jedoch  fiihrt  der 
Weg  aus  der  iiberschobenen  Masse  in  die  Unterlage,  und  wir 
befinden  uns  nun  im  oberen  Kimmeridge,  das  hier  direkt  an 
der  Stbrungslinie   sehr  zerkliiftet  ist.     An  einer  Stelle  treten 


57 


etwas  Pteroceramergel  auf,  die  wohl  auf  einer  Spalte  hochge- 
preBt  wurden,  dann  kommt  wieder  oberes  Kimmeridge.  Haufig 
treffen  wir  iiber  dem  Kimmeridge  Tone  an,  die  ich  fiir  da- 
zwischengepreBtes  Oxford  halte.  Auch  gelbliche  Kalkniergel- 
stuckcben.  wohl  aus  verwitterten  zerdriickten  Chailles  hervor- 
gegangen,  kommen  vor.  An  der  NO-Ecke  des  Berges,  in  der 
Umgebung  des  Hohenpunktes  619  treffen  wir  eine  machtige  Ent- 
wricklimg  von  Terrain  a  Chailles.  Daraus  ergibt  sich  also,  daB 
das  Terrain  a  Chailles  aucb  bei  dieser  Tektonik  eine  groBe 
Rolle  gespielt  hat.  Yerfolgen  wir  den  Kohlerweg  weiter,  so 
steigen  wir  etwas  hinab  und  treffen  ungefahr  auf  Hohenlinie 
600 imN  des  Berges  auf  ausgezeichnete,sehrfossilreiche  Aufschliisse 
in  den  Pteroceramergeln,  die  dem  normalliegenden  Schichtpaket 
angehoren.  Auf  dem  ganzen  Berg  fallt  das  Rauracien  nach  N 
ein,  und  zwar  steht  es  im  W  beinahe  senkrecht,  legt  sich  je- 
doch  gegen  0  etwas  flacher.  Das  Obersequan  dagegen  zeigt 
iiberall  ein  Einfallen  gegen  S  von  70 — 80°.  So  haben  Avir  also 
auch  bier  die  Erscbeinung  der  Schichtauf  blatterung,  die  icb 
schon  beim  Berg  von  Pres  de  Beaugourd  besprochen  babe. 

Die  Gegend  von  Saignolet. 
"Wie  schon  erwahnt,  ist  im  0  der  Scbolle  bis  gegen  POiseau 
die  ganze  liegende  Falte  der  Zerstorung  anheim  gefallen,  und 
nur  an  der  Strafie  von  Malnuit  nach  Moulin  Jeannotat  finden 
wir  bei  Saignolet  noch  iiber  Kimmeridge  einen  diirftigen  Rest 
Ton  Rauracien.  Die  zerstorende  Wirkung  kann  ich  nicht  nur 
auf  Kosten  der  Erosion  schreiben,  sondern  glaube  vielmehr, 
daB  hier  in  erster  Linie  tektonische  Momente  in  Betracht 
kommen.  Als  Stiitze  dieser  Vermutung  fiihre  ich  an,  daB  ge- 
rade  auf  dieser  Strecke  die  Trace  der  Uberschiebung  am  wei- 
testen  nach  N  yorgeschoben  ist;  ferner,  daB  wir  den  in  POiseau 
wieder  zum  Yorschein  kommenden  Nordschenkel  der  liegenden 
Falte  weder  umgelegt  noch  iiberschoben  finden.  Somit  ist  die 
Tektonik  des  Berges  nordl.  yon  Chez  le  Forestier  eine  ganz 
andere  als  die  yon  POiseau  und  der  Fortsetzung  dieses  Berges 
nach  0.  Es  werden  diesen  Teil  des  Nordschenkels,  solange  er 
bestand,  eine  Reihe  Yon  NS-Verwerfungen  durchzogen  haben. 
Moglicherweise  haben  tiefgehende  Verwerfungen  dieser  Art  die 
beiden  ostlich  von  Saignolet  befindlichen  Grabenbriiche  hervorge- 
rufen.  Ebensogut  ist  es  aber  auch  moglich,  daB  diese  Graben- 
briiche alter  sind  und  die  Yeranlassung  zu  besonders  starker 
Storung  dieses  Gebietes  gegeben  haben.  In  diesem  Falle  waren 
sie  in  Parallele  zu  stellen  mit  den  Grabenbriichen,  die  der 
Hauensteinkette  vorgelagert  sind.    Die  Tatigkeit  des  Wassers 


58 


besorgte  zum  SchluB"  nur  das  Fortschaffen  der  durch  tektonische 
Vorgange  zertrummerten  Gesteine.  Uber  die  Sprunghohe  jener 
Grabenbriiche  laJBt  sich  nichts  Bestimmtes  angeben,  da  das 
Oxford  und  die  Dalle  nacree  in  den  Graben  wohl  nur  eine 
Ausfullung  mit  Gesteinsmaterial  darstellen,  das  yon  S  verschleppt 
wurde.  Sehr  interessant  ist,  daU  wir  auf  dem  Weg  yon  Champ 
nach  Patalour  im  W  des  Berges  yon  POiseau  ganz  breccioses 
Rauraciengestein  antreffen,  das  durch  die  dicht  dahinter  yer- 
lanfende  Uberschiebungstrace  durchaus  yerstandlich  wird.  Im 
iibrigen  schlieBt  sich  das  Rauracien  yon  l'Oiseau  tektonisch 
yollkommen  an  den  im  N  des  Talchens  Patalour — Clairbief  hin- 
abziehenden  Rauracienkamm  an  und  ist  yon  diesem  nur  durch 
ein  nach  Moulin  Jeannotat  hinabfuhrendes  Erosionstalchen  ge- 
trennt.  « 
Uberkippung  im  Talchen  von  Clairbief — Patalour. 

Steigt  man  yon  Clairbief  das  Talchen  nach  Patalour  binaufy 
so  hat  man  anfangs  zur  Linken  Rauracienkalke,  die  ostwestlich 
streichen  und  gegen  S  einfallen.  300  m  yom  Doubs  aufwarts 
betragt  der  Einfallswinkel  38°.  Das  Talchen  selbst  befindet 
sich  anfangs  im  Humeralis-  und  Naticaniveau.  Etwa  100  m 
weiter  haben  wir  zu  unserer  Rechten  steil  aufragende  ostwestlich 
streichende  Schichten,  die  mit  80 — 85°  gegen  S  einfallen.  Da 
wir  jedoch  zu  unserer  Linken  das  Doggergewolbe  yon  le  Cer- 
neux  haben,  so  ergibt  sich  hieraus  mit  yoller  Klarheit  die  La- 
gerungsdiskordanz  zwischen  uberkipptem  Rauracien  und  normal 
einfallendem  oberen  Dogger.  Oxford,  das  hier  bis  auf  ein  Mi- 
nimum ausgequetscht  ist,  war  wieder  das  Medium,  das  die  Be- 
wegung  forderte.  Im  "Weiterschreiten  beobachtet  man,  dafi"  die 
Uberkippung  des  Rauracien  immer  geringer,  die  Entwicklung 
des  Oxford  immer  groBer  wird,  bis  wir  in  der  Felsbarre  NW 
yon  Patalour  den  Nordschenkel  eines  normalen  Gewolbes  yor 
uns  haben.  Das  Oxford  erreicht  in  der  Gegend  yon  Patalour 
eine  sehr  grofie  Machtigkeit.  Die  Uberkippung  findet  etwa 
dort  ihr  Ende,  wo  der  Rauracienzug  der  Karte  yon  der  OW- 
Richtung  in  die  NO-SW-Richtung  umbiegt.  Der  Grund  fur 
diese  ganze  Erscheinung  ist  leicht  einzusehen.  Das  Vordringen 
des  ostwestlich  streichenden  Doggergewolbes  yon  le  Cerneux  hat 
die  dariiberlagernden  Schichten  aufgestaut.  Die  Oxfordmergel 
haben  eine  selbstandige  Bewegung  der  oberen  Schichten  zu- 
gelassen,  wobei  sie  teils  zusammengeprefit  wurden,  teils  in  ihrer 
Machtigkeit  anschwollen.  Nun  yerflacht  sich  das  Doggerge- 
wolbe gegen  W,  und  der  Druck  gegen  die  dariiberliegenden 
Schichten  wird  daher  geringer.  Infolgedesseri  nimmt  auch  das 
Rauracien  sein  normales  Einfallen  gegen  N  wieder  an. 


59 


Knickzone  bei  CJairbief. 
AnschlieB.end  mochte  ich  gleich  eine  Erscheinung  erwahnenr 
auf  die  ich  in  weiterem  noch  eingehender  zu  sprechen  kommen 
will.  In  dieser  ganzen  Kette  hat  man  nirgends  so  gute  Ge- 
legenheit  wie  bei  Clairbief,  die  fur  die  jurassische  Faltung 
dieses  Gebietes  so  bezeichnenden  Knickzonen  zu  beobachten. 
Die  von  Moulin  Jeannotat  bis  Clairbief  aufgeschlossenen  Sequan- 
und  Kimmeridgekalke  zeigen  eine  durchaus  horizontale  Lagerung. 
Steigt  man  indessen  siidlich  von  Clairbief  etwas  empor,  so  kann 
man  deutlich  wahrnehmen,  wie  die  bisher  horizontalen  Schichten 
ohne  Ubergang  mit  einem  scharfen  Knick  sich  senkrecht  empor- 
stauen. 

NS-Verwerfung  von  Patalour. 
Nun  wird  die  Frage  brennend,  wie  kommt  es,  daB  das 
Doggergewolbe  von  le  Cerneux  viel  weiter  nach  N  vorgeschoben 
erscheint,  als  das  von  Patalour.  Um  dafiir  Anhaitspunkte  zu 
erlangen,  begibt  man  sich  am  besten  an  die  Steilwand  von 
mittlerem  Dogger  oberhalb  Patalour.  Am  ostlichsten  Punkt  dieser 
Steilwand,  sieht  man,  wie  die  das  mittlere  Doggergewolbe- uber- 
deckende  Dalle  nacree  plotzlich  mit  einem  scharfen  Knick  von 


Fig.  7. 


beinahe  90°  umbiegt  und '  sich  in  die  Tiefe  senkt,  um  dann 
wieder  normale,  flache  Lagerung  anzunehmen.  Wir  haben  also 
hier  einen  Fixpunkt  einer  die  Kette  senkrecht  zu  ihrem  Streichen 
durchsetzenden  Terwerfung.  Beistehende  schematisohe  Skizze  (7) 
soli  diese  Yerhaltnisse  veranschaulichen.  Weitere  sichere 
Punkte  lassen  sich  nicht  auffinden.  Immerhin  wird  es  auch 
durch  die  eigenartige  Tatsache,  daB  das  Doggergewolbe  von  le 
Cerneux  gerade  dort  verschwindet,  wo  die  Yerwerfung  mut- 
mafilich  durchziehen  wiirde,  sehr  wahrscheinlich  gemacht,  daB 
diese  Yerwerfung  tatsachlich  das  ganze  Doggergewolbe  von  le 
Cerneux  durchsetzt  und  dafi  sie  fur  das  Yerschwinden  des 
Dogger  von  le  Cerneux  verantwortlich  gemacht  werden  kann, 
AVollen  wir  uns  nun  ein  Bild  von  der  Art  der  Bewegung 
machen,  so  laBt  sich  dies  etwa  folgendermal3en  gestalten.  Durch 
die  NS- Yerwerfung  von  Patalour  wurde   das  Doggergewolbe 


60 


von  le  Cerneux  unabhangig  yon  seiner  westlichen  Fortsetzung  und 
konnte  starker  als  diese  nach  N  vorbranden.  Irn  W  war  das 
Anbranden  geringer,  da  durch  das  AufreiBen  der  Uberschiebungs- 
spalte  ein  Auslaufen  der  Faltungsenergie  moglich  wurde.  So  stent 
denn "  die  diskordante  Lagerung  und  Uberkippung  im  unteren 
Teil  des  Talchens  von  Clairbief — Patalour  in  ganz  bestimmter 
Beziehung  zur  NS-Verwerfung  von  Patalour,  und  zwar  so,  daB 
diese  die  A'orbedinguug  zu  den  tektonischen  Storungen  im 
Tiilchen  war. 

Ich  mochte  bei  dieser  Gelegenheit  besonders  darauf  hin- 
weisen,  daB  das  Zutagetreten  des  mittleren  Doggers  oberhalb  Pa- 
talours  im  Gegensatz  zu  dem  bei  le  Cerneux  nichts  mit  der 
NS-Verwerfung  zu  tun  hat,  sondern  durch  die  groSe  Uber- 
schiebung  Patalour  —  Saignolet  —  Beaugourddessous  hervorgerufen 
wurde.  Die  NS-Yerwerfung  von  Patalour  hat  aber  noch  eine 
weitere  Bedeutung  darin,  daB  ostl.  von  ihr  die  groBe  Uber- 
schiebung  nicht  mehr  nachweisbar  ist.  Entweder  hat  also  das 
AusmaB  der  Uberschiebung  im  0  betrachtlich  abgenommen,  oder 
diese  ist,  was  mir  weit  wahrscheinlicher  diinkt,  ganzlich  ver- 
schwunden.  Dies  entspricht  ganz  den  theoretischen  Erwagungen, 
da  die  Uberschiebung  imWbezuglich  derFaltungsenergie  ein  Aqui- 
valent  fiir  das  weitere  Yorbranden  im  0  darstellt.  Bedeutet 
die  NS-Yerwerfung  nun  aber  eine  Kluft,  welche  zwei  verschie- 
dene  Auslosungserscheinungen  der  Faltungsenergie  trennt, 
so  geht  daraus  klar  hervor,  daB  sie  nicht  nur  (wie  schon  erwahnt) 
alter  sein  muB ,  als  die  Storung  im  Talchen  von  Clairbief  —  Pa- 
talour, sondern  audi  alter  als  die  Uberschiebung  im  W.  Allenfalls 
konnte  sie  mit  dieser  letzteren  gleichzeitig  entstanden  sein. 

Verwerfung  Malnuit  —  Patalour. 
Nun  bleibt  zur  Yervollstandigung  der  Tektonik  der  Mont- 
favergierkette  nur  noch  die  Storungslinie  zu  erwahnen  iibrig, 
die  von  Malnuit  nach  Patalour  zieht.  Es  handelt  sich  hierbei 
um  keine  starke  Verwerfung,  trotzdem  ist  sie  gut  zu  verfolgen. 
Es  tritt  namlich  langs  dieser  Linie  im  Gebiete  der  Dalle  na- 
ree  haufig  reines  Oxford  zutage,  das  zu  kleinen  Siimpfen  Yer- 
anlassung  gibt;  durchweg  erscheinen  Oxford  und  Dalle  nacree 
vollkommen  ineinandergeknetet.  Auch  im  mittleren  Dogger  laBt 
sich  die  Storungslinie  weiterverfolgen,  da  wir  entlang  dieser 
Yerwerfungstrace  ein  sonst  unmotiviertes  Trockentalchen  linden. 
Diese  Storungslinie  liiuft  im  wesentlichen  der  Haupttiberschiebung 
parallel  und  scheint  zu  den  vielen  Erscheinungen  zu  gehoren, 
die  in  Gefolgschaft  dieser  Uberschiebung  auftraten.  Nach  Prof. 
Rolliek  soil  ostlich  von  Patalour,  im  S  des  groBen  Doggerauf- 


61 


bruches  von  le  Cerneux  noch  einmal  durch  Doppelung  des 
Gewolbes  mittlerer  Dogger  herauskominen.  Die  Doppelung  soli 
bei  Cernievillers  endigen.  Obwohl  in  dieser  Richtung  die 
groBe  Uberschiebungslinie  verlaufen  wiirde,  so  daB  hier  mittlerer 
Dogger  nicht  durch  Doppelung,  wohl  aber  infolge  jener  Uber- 
schiebung  ganz  gut  herauskommen  konnte,  so  habe  ich  selbst 
hiervon  doch  nichts  wahrnehmen  konnen. 

Die  Synklinale  zwischen  der  Montfavergier-  und 
Velleratkette. 

Die  Synklinale  zwischen  der  Kette  von  Montfavergier  und 
Yellerat  ist  so  gebaut,  daB  der  Nordschenkel  auf  der  ganzen 
Erstreckung  ein  konstantes  Einfallen  von  ungefahr  40°  gegen 
S  zeigt,  wahrend  der  Siidschenkel  fast  vertikal  steht.  Die 
TJmbiegung  erfolgt  mit  einem  scharfen  Knick.  Gut  aufgeschlossen 
sind  diese  Verhaltnisse  im  W  durch  das  Doubstal  und  im  N  von 
Pommerats  durch  einen  Bach,  der,  die  Schichten  senkrecht 
durchbrechend,  dem  Flufichen  von  Vautenaivre  zustromt. 

Die  Vellerat-Kette. 

Schon  die  Synklinale  zwischen  der  Montfavergier-  und 
Vellerat-Kette,  besonders  aber  diese  letztere  selbst,  gibt  sich 
deutlich  als  Gebirgsrumpf !)  zu  erkennen.  Die  senkrecht  ste- 
henden  Kalke  des  Sudschenkels  der  Mulde  sowie  der  westliche 
Teil  des  auBerst  steilen  Rauraciengewolbes  treten'  orographisck 
nicht  hervor.  Die  bei  Bemont  —  La  Bosse  —  les  Praissalet  noch 
einheitliche  Velleratkette  teilt  sich  gegen  W  in  zwei  sekundiire 
Gewolbe.  Das  eine  zieht  mit  normalem  0 W-Streichen  liber- 
ies Pornnierats —  sur  les  Crins  gegen  la  Vauchotte,  das  andere 
mit  WSW  -  ONO-  Streichen  bildet  den  Bergriicken  zwischen 
Saignelegier  und  Bemont,  um  in  der  Gegend  von  la  Deute 
wieder  zu  verschwinden.  Im  W  wiirde  der  ganze  Aufbruch 
von  Goumois  zur  Velleratkette  gehoren.  Im  S  von  Bemont 
tritt  nun  in  der  Synklinale  zwischen  der  Vellerat-  und  Raimeux- 
kette  ein  neues  Gewolbe  auf,  zu  dem  das  Rauracien  und  Oxford 
von  Saignelegier  sowie  die  steile  Aufpressung  im  S  von  Pre 
St.  Nicolas  zugerechnet  werden  miissen. 

Der  Oxford-Dalle-nacree- Aufbruch  von  Goumois. 
Der  Oxford -Dalle -nacre -Aufbruch  von  Goumois  gestattet 
nns  ausgezeichnete  Einblicke  in  die  Eigenart  der  Juratektonik 

J)  Der  Ausdruck  Paine-plaine  trifft  das  Wesen  der  Sache  nicht; 
der  Ausdruck  Rumpfgebirge  ist  ein  schlechtgebildetes  Wort. 


62 


■dieser  Gegend.  Wir  haben  gesehen,  daB  das  Rauracien  des 
Nordschenkels  der  Synklinale  zwischen  jenen  beiden  Ketten  bei 
eineni  ostwestlichen  Streichen  mit  ungefahr  40°  gegen  S  einfallt. 
Zwisclien  la  Yauchotte  und  Gouinois  richtet  sich  dieses  Raura- 
cien  in  der  Longue  Roche  plotzlich  mit  eineni  scharfen  Knick 
senkrecht  empor,  und  es  kommt  sogar  zur  TJberkippung  oder, 
-da  die  Longue  Roche  an  ihrer  hochsten  Stelle  in  ein  kleines 
wiederum  durch  Knickzonen  ausgezeichnetes  Gewolbe  ubergeht, 
-zum  ersten  Anfang  einer  liegeuden  Falte.  Das  kleine  Gewolbe 
ist  so  gebaut.  daB  die  Gewolbedecke  nahezu  horizontal  liegt 
und  von  zwei  senkrecht  abbiegenden  Gewolbeschenkeln  getragen 
wird.  Doch  ist  dieses  Gewolbe  unsymmetrisch;  denn,  wahrend 
das  Rauracien  des  Nordschenkels  (Longue  Roche)  bis  zur  Hohen- 
linie  550  hinabreicht,  erreicht  dasjenige  des  Siidschenkels  nur 
•etwa  700  m  Meereshohe.  Direkt  an  die  Longue  Roche  lehnt 
sich  im  S  eine  schmale  Aufpressung  von  Dalle  nacree  an,  wo- 
bei  das  Oxford  zwischen  dieser  und  dern  Rauracien  nahezu 
Yollig  ausgequetscht  wurde.  Dafiir  zeigt  jedoch  das  Oxford 
jenseits  dieser  schrnalen  Dalle-nacree-Barre  eine  aufiergewohn- 
liche  Entwicklung,  da  es  in  jenem  Gewolbe  mit  hochgepreBt 
wurde.  Man  kann.  von  der  StraJ3e  ausgehend,  bis  unter  das 
Rauracien  des  Gewolbescheitels  330  m  immer  iiber  Oxford- 
mergel,  die  naturlich  von  Schutt  stark  bedeckt  siud,  empor- 
steigen. 

Verwerfung  von  Boiechat— Goumois. 
Im  iibrigen  weist  die  groBe  Yerbreitung  des  Oxford  im 
Aufbruch  von  Goumois  auf  eine  Yerwerfung  hin,  die  den  West- 
niigel  gegeriiiber  dem  ostlichen  etwas  gehoben  hat.  In  der 
Tat  lassen  sich  fur  diese  Storuug  gute  Anhaltspunkte  fin  den. 
Auf  der  StraBe  les  Pommerats — Goumois  stehen  an  der  StraBen- 
biegung  im  N  von  Belfond  dessus  westHch  der  StraBe  Raura- 
cien, ostlich  Oxford  an.  Das  Rauracien  laBt  sich  nicht  durch 
die  westliche  Abdachung  der  Schichtenserie  im  0  von  Goumois 
erklaren,  da  der  Betrag  dieser  Abdachung  ein  viel  zu  geringer 
ist.  Yielmehr  wird  die  Annahme  einer  Yerwerfung  notig,  an 
welcher  das  Rauracien  gegenuber  dem  Oxford  gehoben  wurde. 
Im  Oxfordaufbruch  von  Goumois  ist  es  unmoglich,  eine  Yer- 
werfung zu  konstatieren,  da  diese  nur  hohe  Oxfordlagen  von 
tiefen  trennen  wiirde.  Immerhin  wird  die  Annahme  dieser 
Yerwerfung  durch  die  Yerhaltnisse  in  dem  siidlich  anstoBenden 
Gebiet,  das  auf  der  Karte  nicht  mehr  zur  Darstellung  kam, 
sehr  gestutzt.  Denn  es  lieB  sich  ein  sicherer  Punkt  fiir  diese 
.Storung  im  W  von  Muriaux  auf  Boiechat  (Hohenpunkt  809) 
auffinden,  wro  ein  steiles  Rauraciengewrolbe  in  SO-NW-Richtung 


63 


wie  mit  einer  Sage  durchschnitten  erscheint  unci  sich  das  aus 
dem  Gewolbekern  hervorquellende  Oxford  gegen  NW  iiber 
Rauracien  und  Sequan  ergossen  hat.  Wahrend  also  ftir  diese 
Yerwerfung  die  Strecke  von  Boiecbat  nach  Belfond  dessus  und 
zur  Straflenecke  nordlich  davon  feststeht,  fehlen  weiter  nach  N 
alle  exakten  Anhaltspunkte,  weshalb  ich  vorlaufig  die  Fort- 
setzung  in  gleicher  Richtung  angenommen  habe.  Ini  Doubstal 
selbst,  am  FuBe  der  Longue  Roche  inufl  eine  Parallelverwerfung 
durc.hziehen,  da  eine  Fortsetzung  des  Longue-Roche-Gewolbes 
auf  franzosischem  Boden  nicht  existiert. 

Was  das  Hinabgreifen  der  Faltung  in  die  Tiefe  anlangt,  so 
konnen  wir  mit  ziemlicher  Sicherheit  sagen,  dafi  der  mittlere 
Dogger  yon  der  steilen  Auffaltnng  in  der  Longue  Roche  nicht 
mehr  betroffen  wurde,  sondern  da!3  sich  der  ganze  Yorgang  im 
wesentlichen  im  Oxford  und  in  geringerem  Grade  in  der  eben- 
falls  wenig  widerstandslahigen  Dalle  nacree  abspielte.  Schon 
in  der  Stratigraphie  habe  ich  die  Fluflablagerungen  in  der  Uni- 
gebung  von  Goumois  erwahnt.  Es  handelt  sich  hier  um  eine 
alte  Fluflterrasse  im'  S  von  Goumois,  welche  auf  einer  Hohe 
von  550—560  m  liegt,  also  etwa  50  m  iiber  dem  heutigen 
Niveau  des  Doubs,  und  zwar  teils  auf  Oxford,  teils  auf  Dalle 
nacree  aufruhend,  und  eine  andere,  direkt  nordostlich  iiber  dem 
Ort  auf  einer  Hohe  von  530  m.  Diese  Ablagerung  erklare  ich 
mir  dadurch,  dafi  der  Doubs  in  friiherer  Zeit  durch  die  Rau- 
racienbarre  der  Longue  Roche  einen  Stauung  erfuhr  und  bei  Gou- 
mois in  eiuem  Wasserbecken  jene  Sande  und  Schotter  ab- 
lagerte.  Die  Ablagerung  im  NO  von  Goumois  wurde,  wie  uns 
•die  tiefere  Lage  beweist,  aus  einer  jiingeren  Phase  stammen. 

Das  Gebiet  zwischen  les  Pommerats  und  Saignelegier. 
Das  steile  Gewolbe  im  N  von  Goumois  setzt  sich  unter 
westostlichem  Streichen  nach  les  Pommerats  fort.  Zwischen  dem 
Aufbruch  von  Goumois  und  les  Pommerats  tritt  noch  einmal 
auf  sur  les  Crins  das  Oxford  des  Gewolbekernes  auf  eine  Er- 
streckung  ATon  etwa  700  m  zutage.  Bei  les  Pommerats  und 
besonders  im  0  dieses  Ortes  verflacht  sich  der  Rauracien- 
riicken,  und  wegen  des  langsamen  Ansteigens  der  Sattelachse 
tritt  unter  dem  Rauracien  das  Oxford  und  weiterhin  die  Dalle 
nacree  von  la  Bosse — Praissalet  zutage.  Auf  dem  Wege  von 
les  Pommerats  nach  Praissalet  treffen  wir,  wahrscheinlich  durch 
einen  kleinen  Einbruch  hervorgerufen ,  schon  bei  Hohenpunkt 
'904  auf  Oxford,  welches  zur  Bildung  zweier  Weiher  Yeran- 
lassung  gegeben  hat.  Gegen  NO  wird  der  flache  Rauracien- 
xiicken   auf    weite   Erstreckung   hin  sichtbar.    In  ihm  finden 


64 


wir  im  N  des  Hohenpunktes  981  eine  kleine  Mulde,  in  welcher 
noch  etwas  Naticamergel  liegen  konnen,  doch  ist  dies  wegen 
der  mangelnden  Aufschliisse  ungewiB.  Nordlich  hiervon,  dort7 
wo  die  alte  StraBe  vou  les  Pomnierats — Malnuit  den  Rand  des 
Kartenblattes  bei  Hohenpunkt  934  trifft,  befindet  sich  ein  kleiner 
Weiher,  an  dessen  Rande  sich  Versteinerungen  der  Huineralis- 
zone  nebst  runden  Bohnerzkornern  sammeln  lassen.  Im  S  von 
les  Pommerats  treffen  wir  auf  eine  sekundare  Mulde,  an  die 
sich  weiterhin  die  zweite  sekundare  Aufwolbung  des  Rauracien 
der  Velleratkette  anschlieBt.  In  der  Mulde  liegt  auf  weiter 
Erstreckung  Sequan  und  nur  im  tiefstenKern  bei  la  Retenue  noch 
Kimmeridge.  Die  Schichten  von  la  Retenue  liegen  im  W 
flach,  stehen  dagegen  im  0  am  Schlufi  der  Mulde  senkrecht 
bei  einem  Streichen  von  NNO — SSW.  Der  Gruncl  fur  dieses 
plotzliche  Abbiegen  der  Schichten  in  einer  fur  unser  Gebiet  so 
ungewohnlichen  Richtung  ist  in  einer  Verwerfung  zu  suchen, 
die  sich  am  besten  auf  der  StraBe  yon  Saignelegier  nach  les 
Pommerats  studieren  laBt. 

Uberschiebung  im  W  von  Saignelegier. 
Etwa  150  m  nachdem  man  die  letzten  Hauser  Yon  Saig- 
nelegier Yerlassen,  befindet  man  sich  an  der  Grenze  von  Rau- 
racien, das  ziemlich  steil  gegen  NNW  einfallt,  und  NaticamergeL 
Orographisch  sind  diese  durch  die  kleine  nach  la  Deute  hinab- 
ziehende  Mulde  scharf  markiert.  Im  weiteren  Verlauf  der 
StraBe  sind  die  Aufschliisse  so,  da!3  es  schwer  ist,  sich  ein 
Bild  iiber  Streichen  und  Fallen  cler  Schichten  zu  machen,  doch 
scheinen  diese  bei  genauer  Betrachtung  zwischen  Hohenliriie 
850  und  840  senkrecht  zu  stehen,  um  im  Weiterschreiten  nun 
deutlich  gegen  SSO  einzufallen.  Vergleicht  man  damit  den 
Befund  auf  dem  Steig,  der  von  Saignelegier  am  Friedhof  vorbei 
iiber  den  Gipfel  des  Berges  nach  les  Pommerats  fiihrt, 
auf  dem  ich  bei  Hohenlinie  1020  ein  vertikales  und  kurz  dar- 
auf  ein  siidliches  Einfallen  der  Sequanschichten  feststellen 
konnte,  so  ergibt  sich,  daB  eine  durch  diese  beiden  Punkte  ge- 
gebene  Richtung  die  Achse  einer  sehr  steilen  Mulde  darstellt. 
Geht  man  nun  die  erstgenannte  StraBe  weiter,  so  finclet  man, 
daB  das  Sequan  sein  Einfallen  gegen  SSO  beibehalt,  und  daft 
darunter  bei  Hohenlinie  930  ebenso  einfallendes  Rauracien  zu- 
tage  tritt.  Bei  Hohenlinie  920  erscheint  dies  stark  gestort, 
unci  eskommen  zwischen  Hohenlinie  920  und  910  Tone,  die  nach 
Beschaffenheit  und  Stellung  als  Oxford  gedeutet  werden  mussen. 
Auf  das  nur  schmale  Oxfordband  folgen  wieder  gegen  SO  ein- 
fallende  Kalke,  die  sich  als  unteres  Kimmeridge  zn  erkennen 


65 


geben.  Daraus  ergibt  sich  zwischen  Hohenlinie  920  unci  910 
eine  Uberschiebung  yon  betriichlichem  AusinaB.  Die  Stoning 
laBt  sich  gegen  S  noch  einige  100  m  iiber  die  Grenze  meines 
Aufnahmeblattes  hinaus  verfolgen.  Gegen  NO  scheint  die 
Uberschiebung  ungefiihr  dort  zu  verschwinden.  wo  die  Hohen- 
linie 1000  den  Pfad  trifft.  der  iiber  halbe  Bergeshohe  von 
Saignelegier  nach  les  Pommerats  fiihrt.  Diese  Uberschiebung 
fallt  vollkommen  aus  der  Faltungsrichtung  heraus,  so  daB  es 
schwer,  vielleicht  unmoglich  ist,  sich  vorzustellen,  dafl  sie  mit 
der  Faltung  gleichzeitig  entstanden  sein  konnte.  Nach  meiner 
Meinung  haben  wir  es  mit  einer  Yerwerfung  zu  tun,  die  schon 
yor  der  Faltung  yorhanden  war  und  durch  die  faltenden 
Krafte  zur  Uberschiebung  wurde.  Im  S,  auBerhalb  meines 
Aufnahmeblattes,  fallt  in  die  Yerlangerung  jener  Storung  die 
eigenartige  Ablenkung  des  steilen  Rauraciengewolbes  im  O 
von  Grosse  Cote,  welches  augenscheinlich  durch  jene  Storung 
abgebogen  wurde;  und  zwar  gibt  sich  die  Storung  hier  in 
einer  scharfen  Knickzone  im  W-Schenkel  des  Gewolbes  kund. 
Auch  dieses  Yerhalten  ist  nur  denkbar.  wenn  man  annimmt, 
dafi  die  Storung  schon  yor  der  Faltung  yorhanden  war.  Sieht 
man  nun  die  wrestlich  anstofienden  franzosischen  geologischen 
Karten  an,  so  fallt  uns  auf.  daB  unsere  Verwerfung  dort  mit 
einem  ganzen  Schwarm  yon  Yerwerfungen  der  Kichtung  nach  zu- 
samnienfallt.  Der  Gedanke  liegt  daher  nahe.  daB  wohl  auch 
diese  Storung  jenem  groBen  Bruchsysteni  zugerechnet  wrerden 
muB. 


Anmerkung.  L.  Rollier  erwiihnt  diese  Uberschiebung  in  seinem 
Buch :  Materiaux  pour  la  carte  geologique  de  la  Suisse,  ^structure  et 
histoire  geologique  de  la  partie  du  Jura  centrale"  auf  S.  230.  Er 
schreibt:  „On  observe  un  chevauchement  du  chainon  du  Boiechat  au 
nord  de  Saignelegier,  sur  la  route  des  Pommerats,  ou  le  coralien  de  cette 
voussure  touche  au  Kimmeridien  de  celle  de  Bemont,  au  point  oil  celle- 
ci  passe  au  plateau  de  Sur  les  Cotes.  II  mesure  un  peu  plus  d'un  kilo- 
metre de  long,  et  occupe  la  place  d'un  synclinal  sureleve.  On 
voit  la  forme  en  equerre  de  ce  s)-nclinal  kimmeridien  sur  son 
prolongement  a  la  Grosse  Cote,  depuis  le  Moulin  du  Theusseret.  Le 
tlanc  sud  est  redresse  a  la  verticalle,  tandis  que  le  flanc  nord  est  hori- 
zontal. Un  effort  plus  grand  dans  le  plissement  eut  continue  le  che- 
yauchement."  Dazu  noch  folgende  Bemerkung:  Es  ist  ein  Irrtum 
Rolliees,  der  auch  auf  seiner  Karte  1:100  000  zum  Ausdruck  koramt, 
daB  das  steile  Rauraciengewolbe  im  O  von  Grosse  Cote  in  direktem 
Zusammenhang  steht  mit  dem  Rauraciengewolbe  zwischen  Saignelegier 
und  les  Pommerats.  Vielmehr  setzt  sich  dieses  erstere  iiber  sur  les- 
Cras  und  la  Baumatte  in  das  flache  Rauraciengewolbe  von  Saignelegier 
fort.  Der  Zusammenhang  zwischen  beiden  Gewolben  besteht  einzig 
und  allein  in  der  ihnen  gemeinsamen  praexistierenden  St6rungslinieT 
die  beide  in  ihrer  Richtung  ablenkte. 

Zeitschr.  d.  D.  Geol.  Ges.  1914.  5 


06 


In  Gefolgschaft  dieser  Uberschiebung  treten  im  W  von 
Saignelegier  noch  einige  untergeordnete  Briiche  auf.  Einer  in 
dein  kleinen  Talchen,  das  yon  Finage  du  Droit  gegen  S  die 
StraBe  Saignelegier  —  Muriaux  bei  Hohenpunkt  964  trifft;  Er 
verarilaBt  auf  kurze  Erstreckung  das  Zutagetreten  von  Oxford. 
Ein  zweiter,  der  ebenfalls  Oxford  hervortreten  laflt,  liegt 
100 — 125  m  westlich  von  dem  eben  beschriebenen  imd  verlauft 
ungefahr  parallel  rnit  diesem.  Beide  beginnen  auf  der  Grenze 
meines  Aufnahrneblattes. 

Saignelegier  stent  auf  einem  flachen  Riicken  von  Rauracien, 
der  sich,  wie  schon  erwahnt,  in  der  Mulde  zwischen  der  Vel- 
lerat-  und  Raimeux-Kette  aufwolbt.  Im  0  des  Ortes  fin  den 
wir  einen  groBeren  Oxfordaufbruch,  ebenso  einen  ganz  kleinen 
im  W  in  einer  Entfernung  von  etwa  700  m.  Die  Einzeichnungen 
auf  der  anstoBenden  Rollierschen  Karte  (1:25000)  siidl.  von 
Bemont  sind  unzutreffend.  Z.  B.  stent  an  dem  westlichsten  Hause 
von  Bemont  die  Mumienbank  des  mittleren  Sequan  an,  das  nach 
Rolliers  Karte  auf  Kimmeridge  stetien  sollte.  Kimmeridge 
kommt  siidlich  von  Bemont  iiberhaupt  nicht  vor. 

Das  Faltungsproblem  des  Schweizerjura  im  allgemeinen. 

In  meinem  Gebiete  konnte  ich  die  Erfahrung  machen,  die 
audi  von  anderen  Gegenden  im  nordsclrweizerischen  Kettenjura 
bestatigt  wird,  daB  die  Faltung  der  Malmschicbten  nicht  in 
normal  gerundeten  Gewolben  erfolgte,  sondern  dafl  sich  allent- 
halben  Knickzonen  ausbildeten,  zwischen  welchen  sich  wenig 
ocler  gar  nicht  gekriimmte  Tafeln  befinden.  Die  Faltung  des 
Doggers  zeigt  diesen  Typus  lange  nicht  mehr  so  extrem. 
Diese  Erscheinung  glaube  ich  auf  folgende  Weise  erklaren  zu 
mtissen.  Gehen  wir  von  der  normalen  Faltung  aus,  die  etwa 
dem  Faltenwurf  eines  Tuches  verglichen  werden  kann,  so  wird 
dieselbe  iiberall  da  zustande  kommen,  wo  wir  es  mit  einem 
auf  weite  Erstreckung  hin  lagenweise  homogenen  Schichtpaket 
zu  tun  haben.  Im  Schweizer  Kettenjura  aber,  wo  sich  hori- 
zontal oder  schwach  geneigte  Schichtkomplexe  mit  einem 
scharfen  Knick  plotzlich  aufstauen  und  zu  gigantischen  Fels- 
partien  (z.  B.  Longue  Roche)  AnlaB  geben  konnen,  wo  wir  des 
ofteren,  wie  z.  B.  im  SO  von  Saignelegier,  zwei  senkrecht  stehende 
Rauracienbarren  beobachten,  die  nur  durch  ein  schmales  Oxford- 
band,  das  bei  der  heftigen  Bewegung  dazwischen  gequetscht 
Avurde,  getrennt  sind,  finden  wir  von  einer  solch  einfachen 
Faltung  keine  Spur.  Hier  werden  wir  also  wohl  annehmen 
konnen,  daB  ein  solch  homogenes  Schichtpaket  des  oberen  Jura 


67 


zur  Zeit  der  Faltung  nicht  bestanden  hat.  Sei  es  nun,  daB 
wiihrend  der  langen  Festlandperiode,  die  in  diesem  Gebiete  der 
•Jurazeit  folgte,  tiefe  FluBtiiler  entstanden  waren,  oder  daB  das 
Land  von  kleinen  Verwerfungen  durchsetzt  war,  jeclenfalls 
miissen  zur  Zeit  der  Faltung  die  oberen  Juraschichten  vielerorts 
sckwache  Stellen  aufgewiesen  haben,  an  denen  das  Schicht- 
paket  bei  einsetzender  Faltung  geknickt  wurde  oder  zerriB. 
DaB  aber  die  Schichten  des  Dogger  lange  nicht  mehr  jenen 
^xtremen  Faltentypus  zeigen,  erklart  sich  einmal  daraus,  daB 
sich  fur  jene  tieferen  Schichten  Druckdifferenzen,  wie  sie  etwa 
■durch  oberflachliche  Erosion  hervorgerufen  warden,  nicht  mehr 
so  stark  fiihlbar  machten,  und  daB  anderseits  durch  die  Tone 
<les  Oxford,  worauf  besonders  BuXTORF  des  ofteren  hingewiesen 
hat,  die  Bewegung  der  iiberlagernden  Schichten  sich  bis  zu  einem 
gewissen  Grade   unabhangig  machte  von  der   des  Liegenden. 


Fig.  8.  Fig.  9.  Fig.  10. 


Fur  eine  haufig  auftretende  Faltenform  (Fig.  8)  hat  Gerth 
den  Ausdruck  „Koffergewolbeu  gepragt.  In  seiner  neuesten 
Schrift1)  erklart  er  sie  folgenderniaBen.  Er  meint,  es  hiitten 
sich  zuerst  normale  Falten  gebildet,  und  der  Scheitel  ware  erst, 
nachdem  die  Schubkraft  erloschen  war,  eingesunken.  Nach 
meiner  Meinung  ist  es  durchaus  nicht  einzusehen,  wreshalb  der 
Scheitel  eines  spitzen  Gewolbes,  das  doch,  wie  wir  schon  aus 
•der  Architektur  wissen,  ein  auBerst  stabiles  Gebilde  clarstellt, 
einsinken  soli.  Jedoch  liefie  sich  diese  Form  vielleicht  ganz 
■einfach  erklaren,  wenn  wir  annehmen,  wie  dies  Fig.  9  zeigen 
soil,  daB  bei  der  Faltung  die  oberen  Schichten,  die  ja  bei  weitem 
mehr  gezerrt  wurden  als  die  tieferen,  am  Scheitel  zerrissen,  und 
-claher  der  Gewolbe- Scheitel  schon  wahrend  der  Faltung  der 
Zerstorung  anheimfiel.  Die  Ansicht,  daB  die  oberen  Schichten 
•des  Gewolbe-Scheitels  bei  der  Faltung  zerreiBen  muBten,  hat 
Herr  Deecke  schon  lange  wiederholt  im  personlichen  Gesprach 
vertreten.     Nun  war  der  Druck  auf  den  beiden  Flanken  ein 

:)  W.  Delhaes  u.  H.  Gerth:  „Geologische  Beschreibung  des  Ketten- 
jura  zwischen  Reigoldswil  (Baselland)  und  Onsingen  (Solothurn)".  Geo- 
logische  und  palaontologische  Abhandlungen.  Neue  Folge  XI  Heft  1. 
•Jena  1912. 


5 


68 


bedeutend  starkerer  als  am  Scheitel,  und  die  den  Gewolbekeni 
bildenden  Schichten  muBten  ihrerseits ,  uni  den  Seitendruck 
auszugleichen,  den  Gewolbescheitel,  der  den  geringsten  Gegen- 
druck  auszuiiben  vermochte,  auseinanderzerren  (Fig.  10).  Komint 
nun  noch  die  stauende  Wirkung  machtiger,  dem  in  Faltung  be- 
griffenen  Gebiet  vorlagernder  Sedimentmassen  hinzu,  wie  am 
Rand  der  Schweizer  Tertiarbecken,  so  erscheint  die  Entstehung: 
typischer  Facherfalten  ganz  wohl  verstandlich. 

Zusamnienfassung. 

I.  Montfavergier-Kette. 

Alle  Storungen  in  der  Montfavergier-Kette  treffen  nur  den 
Nordschenkel,  wahrend  der  Siidschenkel  normales  Yerhalten 
zeigt.  Im  Nordschenkel  der  Montfavergier-Kette  zeigen  sicb 
bei  mir  folgende  Storungen: 

1.  Doppelung  des  mittleren  Doggers  im  Talchen  yon 
Yautenaivre ; 

2.  eine  Uberschiebung,  nachgewiesen  yom  Doubstal  iiber 
Beaugourd  dessous  —  es  Royes,  nordlich  von  Saignolet  zwischen 
Champ  nnd  POiseau  bis  nordlich  yon  Patalour;  sie  erstreckt 
sich  mit  Sicherheit  iiber  den  Doubs  noch  ein  groBes  Stuck  nach 
Frankreich  und  yermutlich  auch  noch  weiter  nach  Osten; 

3.  eine  liegende  Falte  im  Berg  yon  Pres  de  Beaugourd; 
auch  diese  lafit  sich  mit  Sicherheit  noch  auf  franzosisches  Ge- 
biet verfolgen; 

4.  Querverwerfungen  zwischen  Combe  Chabroyat  und  es 
Royes; 

5.  Falteniiberschiebung,  welche  ostlich  der  eben  erwahnten 
Querverwerfung  aus  der  liegenden  Falte  yon  Pres  de  Beaugourd 
hervorgeht;  im  Norden  von  Malnuit  ist  die  iiberschobene  Masse 
durch  Erosion  und  vielleicht  auch  durch  tektonische  Yorgange, 
die  fiir  uns  nicht  mehr  nachweisbar  sind,  yernichtet,  so  daB  wir 
in  dem  Berg  nordlich  yon  Chez  le  Forestier  eine  yollkommen 
isolierte  Scholle  erblicken  miissen; 

6.  zwei  kleine  Grabenbruche  im  NO  yon  Saignolet; 

7.  kleiner  isolierter  Rauracienfetzen  auf  Kimmeridge 
liegend,  ostlich  yon  Saignolet  an  der  StraBe  Malnuit  —  Moulin 
Jeanotat; 

8.  eine  Querverwerfung,  welche  das  Yorbranden  des  Doggers 
im  0  von  Patalour  erklart; 

9.  eine  Yerwerfung  im  unteren  Teile  des  Talchens,  das- 
von  Patalour  nach  dem  Doubs  hinabzieht;  Uberkippung  der 
Schichten  im  N  dieser  Yerwerfung; 


69 


10.  Parallel verwerfung Malnuit  —  Patalourzuder  unter  2  auf- 
gefiihrten  Uberschiebung; 

11.  Bergrutsch  im  Talchen  von  Vautenaivre. 

II.  Vellerat-Kette. 

Die  Vellerat-Kette  teilt  sich  im  Gebiete  zwischen  les  Pom- 
nierats  iind  Saignelegier  in  zwei  Rauracienriicken,  urn  westlich 
dieses  Gebietes  als  selbstiindige  Kette  vollkommen  zu  ver- 
schwinden. 

Siidlich  des  Longue-Roche-Rauracienkammes  ist  etwa  auf 
200  m  Erstreckung  Oxford  fast  vollkommen  ausgequetscht. 

Die  anormal  groJ3e  M&chtigkeit  des  Oxford  im  Aufbruch 
von  Goumois  findet  nach  meiner  Meinung  ihre  Erklarung  durch 
die  Verlangerung  der  Verwerfung  Boiechat  —  Belfond  dessus. 

Die  Antiklinale  zwischen  Saignelegier  und  les  Pommerats 
findet  ihr  Ende  in  einer  Uberschiebung  im  NW  von  la  Deute. 
Diese  Uberschiebung  entspricht  nach  meiner  Meinung  einer  schon 
vor  der  Faltung  existierenden  Verwerfung.  Siidlich  meines  Auf- 
nahmeblattes  liegt  eine  augenscheinliche  Beeinflussung  der 
Stoning  auf  das  steile  Rauraciengewolbe  im  0  von  Grosse  Cote 
vor. 

Westlich  der  eben  erwiihnten Stoning  sind  siidlich  meines  Auf- 
nahmeblattes  noch  einige  untergeordnete  NS-Briiche  zu  er- 
kennen. 

Zusammenfassende  Beruerkung. 

Die  Uberschiebung  unter  2  sowie  die  in  ihrem  Gefolge  auf- 
tretende  Verwerfung  unter  10  betreffen  den  Dogger,  wahrend 
sich  alle  iibrigen  Storungen  auf  den  Malm  beschriinken. 

Sowohl  Uberfaltung  wie  Uberschiebung  sind  nach  "N  ge- 
richtet,  was  eine  von  S  nach  N  wirkende  tangentiale  Kraft 
voraussetzt. 

Liter aturverzeichnis. 

1.  Buxtorf,  A.:  tiber  den  Gebirgsbau  des  Clos  du  Doubs  und  der 

Vellerat-Kette  im  Berner  Jura.  Sonderabdr.  a.  d.  Berichten 
iiber  die  42.  Versammlung  des  Oberrh.  geol.  Vereins.  1909. 

2.  —  Zur  Tektonik  des  Kettenjuras.    Sonderabdr.  aus  den  Berichten 

iiber  die  40  Versamml.  d.  Oberrh.  geol.  Vereins  zu  Lindau. 
1907. 

3.  —  Geol.  Beschreibung  d.  WeiBensteintunnels  u.  seiner  Umgebung. 

Beitrage  zur  geol.  Karte  d.  Schweiz,  neue  Folge  XXI.  Lieferung. 
Bern  1908. 

4.  —  Bemerkung  iiber  d.  Gebirgsbau  d.  nordschweizerischen  Ketten- 

jura,  im  bes.  der  WeiBensteinkette.  Diese  Zeitschr.  Bd.  63,  1911, 
Abhdl.  Heft  3. 

5.  Greppin,Ed.:  tiber  den  Parallelismus  d.  Malmschichten  im  Jura- 

gebirge.    Verhandl.  d.  Naturf.  Gesellsch.  in  Basel  XII,  Heft  3. 


70 


6.  Greppin,  L:  Materiaux  pour  la  carte  geologique  cle  la  Suisse:  Jura 

bernois  et  districts  adjacentes  (1870).   Bd.  8 

7.  Jenny,  Fr.:  Uberschiebungen  im  Berner  und  Solothurner  Falten- 

jura.  Separat-Abdr.  a.  d.  Verhandl.  d.  naturforschenden  Gesell- 
schaft  in  Basel  XI,  Heft  3.  1897. 

8.  Kemmerling,  G. :   Geol.  Beschr.  d.  Ketten  v.  Vellerat  u.  Moutier. 

Inaug.  Dissert.    Freiburg  i.  B.  1911. 

9.  Koby,  T.:  Notice  stratigraphique  sur  Foxfordien  dans  la  partis 

septentrionale  du  Jura  bernois.  Abhdl.  der  Schweiz.  palaont. 
Ges.  XXVI,  1899. 

10.  Koby,  T. :  Etude  stratigraphique  des  couches  rauraciennes  superi- 

eures  du  Jura  bernois.   Abh.  d.  Schweiz.  palaont.  Ges.  XIX,  1892. 

11.  Mathey,F.:   Coupes  geologiques   des   tunnels   du  Doubs.  Neue 

Denkschr.  d.  Schweiz.  naturf.  Ges.  XXIX,  1885. 

12.  Machacek.  :  Der    „Schweizer-Jura".     Versuch    einer  geomorpho- 

logischen  Monographic  A.  Petermauus  Mitteil.  Erg.  Heft  Nr. 
150,  1905. 

13.  Muhlberg,  F.:   Zur  Tektonik  des  nordschweiz.  Kettenjura.  Sep. 

Abdr.  des  Neuen  Jahrb.  fiir  Mineral,  usw.  Beilagebd.  XVII,  1903. 

14.  Muhlberg,  M. :  Vorlaufige  Mitteilungen  iiber  die  Stratigraphie  des 

braunen  Jura  im  nordschweiz.  Juragebirge.  Eclog.  geol.  Helv. 
VI,  1899—1900. 

15.  Oertel,  W. :   Stratigraphie  u.  Tektonik  d.  Gegend  v.  St.  Brais  u. 

Saulcy.  Neues  Jahrb.  f.  Mineral,  usw.  Beilageband  XXX. 

16.  Rollier,  L.:  Materiaux  pour  la  carte  geologique  de  la  Suisse:  Jura 

bernois  et  regions  adjacentes.  Premier  Supplement,  Bd.  Villa, 
Ier  Supplement  1893. 

17.  —  lime  Supplement.    Bd.  VIII b,  1898. 

18.  —  Revision  de  la  Stratigraphique  et  de  la  Tectonique  de  la  Mo- 

lasse  au  Nord  des  Alpes  en  general  et  de  la  Molasse  subalpine 
Suisse  en  particulier.  Neue  Denkschr.  d.  Schweiz.  naturf.  Ges. 
Zurich    BdsXLVII,  1911. 

19.  —  Materiaux  pour  la  carte  geologique  de  la  Suisse.    Illme  Sup- 

plement a  la  description  geologique  de  la  partie  jurassienne  de  la 
feuille  VII  de  la  carte  geologique  de  la  Suisse  au  1:100000.  Bd.55. 

20.  Steinmann,  G. :  Bemerkungen  iiber  d.  tekton.  Beziehungen  d.  oberrh. 

Tiefebene  zu  d.  nordschweizer.  Kettenjura.  Bericht  d.  naturf. 
Ges;  Freiburg  i.  B.   VI,  Heft  4.  1892. 

21.  Therm ann,  G.:  Essai  sur  les  soulevements  jurassiques  de  Porren- 

truy.  1832.  u.  1836. 

22.  —  Etallon.  A.  Lethaea  Bruntrutana.    Etudes  paleontologiques  et 

stratigraphiques  sur  le  „Jura  bernois".  1861 — 1864.  1.  Teil: 
Mem.  soc.  naturhist.  de  Strassbourg.  II.  Teil:  Porrentruy  im 
Selbstverlag. 

23.  Tobler  ,  A. :   Tabellarische  Zusammenstellung  d.  Schichtenfolge  in 

der  Umgebung  von  Basel.    Basel  1905. 


Anhang. 

Zur  allgemeinen  Jura-Tektonik. 

Es  sei  mir  gestattet,  hier  nocli  einige  Anscbauungen  iiber 
den  FaltiiugsprozeB  im  Schweizer  Jura  mitzuteilen,  auf  die  ich 
spater  vielleicht  noch  einmal  zuruckkoinnien  Averde. 


71 


Fur  die  Beurteilung  des  tektonischen  Aufbaues  des  ganzen 
Faltenjuras  ist  nach  ineiner  Meinung  ein  TJinstand  yon  ganz 
besonderer  Wichtigkeit,  auf  den  bisher  nicht  geniigend  auf- 
merksam  gemacht  wurde,  daB  wir  es  namlich  mit  zwei  diver- 
gierenden  Faltenziigen  zu  tun  haben. 

Wie  aus  der  geologischen  Karte  von  Porrentruy  1:100000 
ersichtlich,  trennen  sich  vom  Mont  Terrible  gegen  AY  zwei 
Ketten  ab,  die  eigentliche  Mont-Terrible-Kette  und  die  Clos- 
du-Doubs-Kette,  die  bis  Ursanne  eng  geschart  sind,  dann 
auseinanderweichen,  um  sich  bei  Glere  wieder  eng  zusainnien- 
zuschlieBen.  Nehmen  wir  nun  das  Blatt  Montbeliard  der 
geologischen  Karte  von  Frankreich  1  :  80000  zur  Hand,  so  • 
konnen  wir  diesen  Faltenzug  weit  nach  Frankreich  in  derselben 
OW-Richtung  streichend  weiterverfolgen,  und  zwar  als  Mont- 
agues du  Loniont  bis  in  die  Gegend  von  Baumes  les  Dames. 
Auch  nach  Osten  setzt  sich  die  Mont-Terrible-Kette  mit  OW- 
Streichen  fort.  So  sind  wir  berechtigt,  von  einem  einheit- 
lichen  Lomont-Mont-Terrible-Falten  zug  zu  sprechen. 
Demgegeniiber  zeigen  auch  die  siidlichen  Ketten  von  der  Weifien- 
stein-  bis  zur  Rainieux-Kette  ein  einheitliches  Bild,  indem  sie 
unter  sich  parallel  das  Molasseland  der  Mittelschweiz  im 
Norden  umrahmen.  Zwrischen  jenen  beiden  Faltenziigen  aber 
(dem  Lomont-Mont-Terrible-Falten  zug  einerseits  und  dem  WeiBen- 
stein-Raimeux-Faltenbiindel  anclerseits)  liegt  ein  Gebiet  von 
weniger  einheitlichem  Aufbau.  Dieses  Gebiet  wird  mich  im 
folgenden  vorwiegend  beschaftigen.  Es  laBt  sich  folgender- 
maBen  umgrenzen  : 

Im  Osten  haben  w'ir  das  groBe  Tertiarbecken  von  Delemont, 
dem  gegentiber  die  iibrigen  Tertiarbecken  im  Schweizer  Ketten- 
jura  untergeorduet  erscheinen.  Hieran  schlieBt  sich  die  in 
ihrem  Streichen  vollkommen  abweichende  und  nur  auf  kurze 
Erstreckung  verfolgbare  Caquerellekette  (zwischen  dem  Rau- 
racien  im  NW  von  Saulcy  und  Caquerelle).  Ferner  gehoren  in 
dieses  Gebiet  die  Montfavergier-Kette  (vom  Rauracien  im  NW  von 
Saulcy  bis  Fossevillers) l)  und  die  Yellerat-Kette  (von  Mervelier 
bis  Goumois).  Die  beiden  letztgenannten  erreichen  ungefahr  auf 
der  Grenze  zwischen  der  Schweiz  und  Frankreich  ihr  Ende. 

Wie  es  nun  zur  Ausbildung  der  beiden  groBen  Falten- 
richtungen  kam,  ob  sie  gleichzeitig  entstanden  sind,  oder  die 
eine  von  beiden  friiher  gebildet  wurde,  sind  Fragen,  die  schwer 

1)  Beide  Ketten  wurden  urspruglich  mit  dem  einen  Namen 
Caquerellekette  bezeichnet.  Da  aber  beide  Ketten  tektonisch  wenig 
miteinander  zu  tun  haben,  erscheint  es  mir  richtiger,  sie  mit  ver- 
schiedenen  Namen  zu  belegen. 


72 


zu  entsclieiden  sind.  Soweit  der  Schwarzwald  der  Mont- 
Terrible-Kette  vorgelagert  ist,  erscheint  deren  OW-Streichen 
verstandlich ;  doch  dafl  auch  die  westliche  Fortsetzung  (die  Lo- 
mont-Kette)  diese  Richtung  beibehalt,  obwohl  der  Vogesenkern 
nicht  so  weit  nach  S  reicht  wie  der  des  Schwarzwaldes,  ist 
nicht  einzusehen.  Sollten  sich  die  Vogesen  vielleicht  unter 
dem  Tafeljura  noch  weiter  gegen  S  fortsetzen?  Was  das  Alter 
der  einzelnen  Ketten  anlangt,  so  folgert  Machacek  in  seiner 
geomorpliologischen  Studie  auf  Grund  der  verschieden  weit 
YOrgeschrittenen  Abtragung  in  den  einzelnen  Juraketten,  claB 
die  nordwestlichen  Ketten  die  altesten  seien.  und  dafl  die 
Faltung  gegen  SO  fortschritt.  Ist  dies  riclitig,  so  kann  mog- 
licherweise  als  Erklarung  herangezogen  werden,  dafl  die  Se- 
dimentdecke  im  S  weit  machtiger  war  als  im  N,  da  iin  S  iiber 
dem  Jura  noch  Kreide  yorhanden  ist.  Es  hatte  dann  die  tek- 
tonische  Bewegung  dort  eingesetzt,  wo  der  Sedirnentmantel 
weniger  dick  war.  Doch  yerlassen  wir  dieses  unsichere  Gebiet, 
urn  zu  Greifbarerem  iiberzugehen. 

Bei  der  Betrachtung  des  zwischen  beiden  Faltungsrichtungen 
liegenden  Mittelstiickes  (vergl.  S.  40  Zeile  28  u.folgende)  erscheint 
es  Yor  allem  erforderlich,  die  you  Steinmann1)  angegebenen  Leit- 
linien  (Vogesen-,  Schwarzwald-  und  Sundgau-Linie)  auf  ihre 
Berechtigung  nachzuprufen. 

Die  Sundgaulinie  scheint  auf  den  ersten  Blick  sehr  Yer- 
lockend;  denn  sie  trifft  den  Yirgationspunkt  des  Mont  Terrible, 
fal-lt  zusamrnen  mit  der  Yon  alien  anderen  Ketten  abweichenden 
Streichrichtung  der  Caquerelle-Kette.  Die  Montfavergier-  und 
die  Vellerat-Kette  Yerschwinden  westlich  dieser  Linie  oder 
uberschreiten  sie  doch  nur  wenig  (Montfavergier-Kette).  Ferner 
bildet  die  Sundgau-Linie  den  Nordrand  des  WeiBenstein-Rai- 
meux-Faltenbiindels  gegeniiber  dem  von  der  Faltung  nur  in 
geringerem  MaBe  betroffenen  Gebiet  zwischen  dem  Lomont- 
Mont-Terrible-Faltenzug  im  Norden  und  dem  eben  erwahnten 
Faltenbiindel  im  Siiden.  Trotzdem  erheben  sich  schwere  Be- 
denken,  ob  wir  die  Sundgau-Linie  zur  Erklarung  all  dieser 
Ycrhaltnisse  wirklich  benotigen,  wahrend  die  beiden  anderen 
Linien  Steinmanns,  die  Schwarzwald-  und  Vogesen-Linie,  welche 
das  Depressionsgebiet  der  Tertiiirbecken  nach  beiden  Seiten 
begrenzen,  unsere  gegenwartige  Vorstellung  voin  Bau  des 
Schweizer  Kettenjura  doch  wesentlich  unterstiitzen. 

Es  wird  allgemein  angenommen,  dafl  die  Faltung  das 
mittelschweizerische  Molasseland  deshalb  nicht  ergriffen  habe, 

')    Steinmann:  Bemerkungen  iiber  die  tektonischen  Beziehungen 
der  oberrheinischen  Tiefebene  zu  dem  nordschweizerischen  Kettenjura. 


73 


weil  hier  Liber  den  roesozoischen  Schichten  noch  etwa  1000  in 
Tertiar  lag.  Diese  miichtige  Tertiarbedeckung  konnte  von  der 
Faltung  nicht  iiberwunden  werden.  Es  wurde  daher  das  Mo- 
lasseland  als  Ganzes  vorwartsbewegt,  und  erst  dort  konnte  es 
Avieder  zu  einer  Faltenbewegung  koinmen,  wo  ini  Norden  diese 
Uberdeckung  fehlte.  Setzen  wir  also  den  Fall,  das  Sckweizer 
Molassebecken  wurde  nicht  bestehen  und  hatte  nie  bestanden, 
so  hatte  sicli  die  Faltenbewegung  am  Nordrand  der  Alpen 
noch  weiter  fortgesetzt,  und  der  Faltenjura  hatte  sicli  ohne 
merkliche  Differenz  an  den  Alpenkorper  angegliedert.  Aus 
cliesen  Betrachtungen  ergibt  sich,  da!3  die  mittelscliweizerische 
Molassesenke,  die  schon  vor  der  Faltung  bestand,  ini  letzten 
Grund  die  Ursache  war  fiir  die  Entstehung  eines  selbstandigen 
Faltenjuras;  dieser  wurde  durch  das  Molasseland  vom  Alpen- 
korper abgedrangt. 

Viele  Tatsachen  machen  es  nun  wahrscheinlich,  daB  auch 
ini  Gebiet  des  jetzigen  Kettenjura  vor  der  eigentlichen  Fal- 
tung schon  Niveauunterschiede  bestanden  haben,  und  dafi  die 
mittelschweizerischen  Tertiarbecken  alte  Depressionen  darstellen 
(vergleichbar  der  Mittelschweiz),  bei  deren  seitlicher  Be- 
grenzung  die  Schwarzwald-  und  Yogesen-Linie  zur  Geltung 
kam.  Die  Senken  spielten  nun  fiir  die  Faltung  eine  analoge 
(wenn  auch  geringfugigere)  Rolle  wie  das  Becken  der  Mittel- 
schweiz. Auch  sie  konnten  von  der  Faltenbewegung  nicht 
iiberwunden  werden  —  eine  Tatsache,  die  uns  ganz  verstand- 
lich  erscheint,  seitdem  uns  die  Abscherungstheorie  Buxtokfs 
den  FaltungsprozeB  im  Schweizer  Kettenjura  als  eine  yerhaltnis- 
mafiig  oberflachliche  Erscheinung  erkennen  lieB.  —  Wie  vom 
Tertiargebiet  der  Mittelschweiz  der  Faltenjura  vom  Alpen- 
korper abgedrangt  wurde,  so  ist  es  hier  das  Tertiarbecken 
von  Delemont  (demgegeniiber  die  iibrigen  Tertiarbecken  im 
Schweizer  Jura  untergeordnet  erscheinen),  das  der  Caquerelle- 
Kettelangs  seines  Randes  eine  nordostliche  Richtung  aufzwang.  In 
zweiter  Linie  wrurde  auch  die  Clos-du-Doubs-  und  die  Mont- 
Terrible-Kette  Von  ihren  westostlichen  Streichen  gegen  NO 
abgelenkt.  Ganz  vorziiglich  paBt  zu  diesen  Erorterungen  die 
Uberschiebungslinie,  die  Rollier  auf  seiner  Karte  1  :  100000  von 
Montmelon  bis  Chavat  dessus  einzeichnet;  clenn  gerade  dort, 
wo  die  Caquerelle-Kette  gegen  die  nordlich  vorlagernden 
Ketten  andrangte,  muBte  die  Spannung  am  grofiten  sein. 

Einen  direkten  Beweis  daftir,  daB  die  Tertiarbecken  tat- 
sachlich  bei  der  Jurafaltung  als  Stauwiderstand  gewirkt  haben, 
erblicke  ich  in  der  ersten  Anlage  von  Facherfalten,  die  an  die 
Umgebung  der  Tertiarbecken  gebunden  sind. 


74 


Aus  diesen  Darlegungen  ergibt  sicb,  da£  zur 
Erklarung  der  Umbiegung  der  Mont-Terrible-  und 
Clos- du-Doubs-Kette  im  S  von  Courgenay  ebenso  wie 
fur  die  Deutung  des  Yerbaltens  der  Yellerat-Kette 
die  Annahme  einer  in  der  U nib iegungsrichtung  ver- 
laufenden  te ktonis chen  Linie  wie  die  Sundgaulinie 
Steinmanns  durcbaus  unnotig  ist. 

Ich  komme  nun  zu  einer  neuen  tektoniscben  Linie,  auf 
die  meines  Wissens  nocb  niemand  bingewiesen  bat,  imd  die 
docb  mit  ziemlicber  Sicberbeit  angenommen  werden  kann.  Sie 
verlauft  in  bercyniscber  Ricbtung  iiber  Trevillers,  Ferrierey 
Urtiere,  siidl.  yon  Muriaux  und  nordl.  yon  Breuleux.  Ob  sie 
sicb  nocb  weiter  nacb  N  in  das  stark  gestorte  Gebiet  YOn 
Montandon  fortsetzt,  lasse  icb  dabingestellt.  Diese  Linie 
wiirde  bei  TreYillers  den  YOn  Maicbe  nacb  NO  ziebenden 
Doggerkamm  in  2  Teile  zerlegen,  wiirde  Yveiterbin  mit  dem 
Verscbwinden  der  MontfaYergier-Kette  zusammenfallen,  wiirde 
erklaren,  wesbalb  sicb  die  MontfaYergier-Kette  weiter  nacb  W 
fortsetzt  als  die  Yellerat-Kette,  wurde  aiich  die  eigenartigen 
tektoniscben  Yerbaltnisse  Yon  Fossevillers  einigermaBen  Yer- 
standlicb  macben;  sie  wiirde  auf  den  Knick  des  Doubs  stofien, 
der,  wahrend  er  bisber  im  Streicben  der  Scbicbten  floJ3,  nun 
diese  plotzlicb  senkrecbt  zu  ibrem  Streicben  durcbbricbt, 
wiirde  fernerbin  das  Doggergewolbe,  das  sicb  Yon  Biaufond 
bis  zuni  Spiegelberg  in  nordostlicber  Ricbtung  binziebt,  gegen  N 
absetzen,  lieBe  die  Kette,  dieYOnLajoux  in  siidwestlicber  Ricb- 
tung berabziebt,  im  NW  Yon  Noirmont  verscbwinden,  wiirde 
weiterbin  das  tektoniscbe  Problem  von  le  Rosselet  treffen 
und  scbliefilicb  im  SO  you  les  Breuleux  das  Yerscbwinden 
des  Hobenriickens,  der  im  S  von  Genevez  in  siidwestlicber  Ricbtung 
binziebt,  erklaren.  Icb  nenne  diese  Ricbtung  die  „Le-Rosselet- 
Trevillers-Linie" . 

Somit  wiirde  also  aucb  das  Yerscbwinden  der 
Montfavergier-  und  Yellerat-Kette  nicbt  fiir  eine 
von  SW  nacb  NO  verlaufende  tektonisehe  Linie,  wie 
die  Sundgaulinie  Steinmanns,  sprecben.  Das  weitere 
Umbiegen  des  Jurabogens  aber  stebt  im  engen  Zu- 
sammenbang  mit  der  Umbiegung  des  Alpensystems 
einerseits  und  der  Ausdebnung  des  scbon  vor  der 
Faltung  bestebenden  mittel  scbweizeriscben  Molasse- 
beckens  anderer seits.  Denn  erst  an  den  Randpartien  dieses 
Beckens  gelang  es  der  siidlicben  Scbubkraft,  die  Sedimentkruste 
in  Falten  zu  legen. 

Wir   konnen    nun    die    obigen    Ausfiibrungen    dabin  zu- 


75 


sammenfassen,  dafi  wir  erstens  im  Schweizer  Kettenjura 
zwei  Faltenziige  erkennen  konnen,  die  sich  im  0  des 
Beckens  vonDelemont  scharen,  dafl  ferner  im  Schweizer 
Kettenjura  kein  Grund  ftir  die  Annahme  der Sundgau- 
linie  Stein  mann.s  v  or  liegt,  sonde  rndaBsichalleY  erhalt- 
nisse,  die  zuerst  fiir  eine  solche  Linie  zu  sprechen 
schienen,  erklaren  lassen  durch  Steinmanns  Yo- 
gesenlinie.  durch  den  Widerstand  des  Tertiarbeckens 
yon  Delemont  und  die  h ercynische  Linie  Le-Rosselet- 
Treyillers. 


Manuskript  eiugegangen  am  1.  August  1913.] 


76 


3.  Beitrage  zur  Stratigraphie  und  Tektonik 
des  Simplongebietes. 

Von  Herrn  A.  Rothpletz  in  Miinchen. 
Hierzu  Tafel  VI— VIII  und  24  Textfiguren. 


Inlialtsverzeichnis.  Seite 

Einleitung  77 

J.  Die  Stratigraphie  des  Simplongebietes   ......  81 

1.  Die     stratigraphische     Einteilimg     der  Kalksedimente 
zwischen  Brig  und  Berisal  82 

2.  Das  Mesozoicum  und  die  Griinschiefer  bei  Visp  ....  98 

3.  Die  Stratigraphie  der  Berisalschiefer  .  103 

4.  Der  Kontakt   zwischen   den   Berisalschiefern  und  den 
mesozoischen  Schichten  107 

5.  Stratigraphie  der  Kalksedimente  auf  der  Siidseite  des 
Simplon  108 

a)  Die  Bacenoschiefer  108 

b)  Die  Giacomoschiefer  114 

c)  Die  hellen  quarzitischen  Schiefer  mit  Sericit.    .    .    .  117 

d)  Die  sonstigen  Kalksedimente  auf  der  Siidseite  des 
Simplon  ,  120 

6.  Das  Alter  der  verschiedenen  Gneise  121 

a)  Der  Monte-Leone-Gneis  121 

b)  Der  Lebendun-  und  Valgrandegneis  123 

c)  Der  Antigoriogneis  131 

d)  Die  vertikale  und  horizontale  Verbreitung  der  ein- 
zelnen  Gneismassen  und  ihr  Alter  .  132 

e)  Die  Ursachen  der  Metamorphose  136 

f)  Die  eruptiven  Gneisgange  von  Candoglia  139 

II.  Die  Tektonik  des  Simplongebiet'es  142 

1.  Zur  tektonischen  Terminologie  143 

2.  Die  Berisaliiberfaltung  146 

3.  Die  Formazzafaltung  148 

4.  Die  Bedrettofaltung  148 

5.  Der  Simplontunnel  149 

6.  Das  Tunnelprofil .    .  151 

7.  Verbindung  des  Tunnels  mit  dem  Oberflachenprofil.    .    .  162 

8.  Die  Verwerfungen  im  Tunnel  167 

9.  Die  Verwerfung  bei  Rosetto  168 

10.  Die  Verwerfung  im  Norden  des  Hubschhornes  ....  168 

11.  Die  Formazzafaltung  169 

a)  Die  Formazzafalte  am  Teggiolo  169 

b)  „  „  bei  Crodo  und  im  Deverotal    .    .  170 

c)  „  „  im  Formazzatal  171 

d)  „  „  im  Basodino-Massiv  172 

12.  Die  Beziehung  der  Formazzafaltung  zur  Berisalfaltung  .  173 

13.  Die  Bedrettofalten  173 

14.  Das  Verhaltnis  der  alpinen  Falten  zu  den  Gneisen     .    .  174 

15.  Die  Beziehungen  der  drei  Faltungssysteme  zueinander    .  177 


77 


Einleitung. 

Eine  sichere  Altersbestirnmiing  der  Schichtgesteine  in  dem 
Simplongebiet  ist  bisher  nicht  gegliickt.  Die  wenigen  Ver- 
steinerimgen,  die  gefunden  worden  und  leidlich  gut  erhalten 
sind,  liegen  in  den  Kalkschiefern  im  Siiden  des  Aarmassives. 
Der  Art  nach  sind  sie  unbestimnibar,  doch  ist  ihr  Habitus  ein 
liasischer.  Nach  den  Lageruugsverhaltnissen  und  der  Gesteins- 
bildung  hat  man  versucht,  die  anderen,  versteinerungsfreien  mit 
diesen  versteinerungsfiihrenden  Schichten  in  eine  chrouologische 
Beziehung  zu  bringen.  Diese  Yersuche  sind  aber  recht  ver- 
schiedenartig  ausgefallen.  Am  meisten  hat  Gerlachs  Einteiluug 
Anklang  gefunden.   Er  unterscheidet  vom  Jiingeren  zum  Alteren: 

1.  Lias:   Kalkstein  und  Kalkschiefer; 

2.  Trias:   Glanzschiefer  (schistes  lustres)  mit  Dolomit,  Rauh- 

wacke,  Gips  und  Quarzit,  von  denen  der  Glanzschiefer 
mit  Gips-  und  Rauhwacke- Einlagerungen  vielleicht  zu 
oberst,  Kalk,  Dolomit  und  Quarzit  zu  unterst  liegen; 

3.  Carbon:   schwarze    bis    graue,    glimmerige    Schiefer  und 

Quarzite,  lokal  mit  Authracit  und  Graphit; 

4.  die  jiingeren  metamorphen  Schiefer:   Chlorit,  Talk- 

und  Hornblendeschiefer,  sowie  Serpentin,  wechsellagernd 
mit  Kalkglimmerschiefern  und  Cipoliuen; 

5.  die    alteren    metamorphen     Schiefer:  vorherrschend 

Glimmerschiefer  mit  Einlagerimgen  von  Chlorit-  und  Horn- 
blendeschiefern,  sowie  Gneis ; 

6.  die  jiingeren  Gneise:   mit  Einlagerungen  von  Glimmer- 

schiefern,  Marmor,  Dolomit  und  Serpentin:  Crodo-,  Leben- 
dun-,  Binneutal-,  Monte  Leone-,  Monte  Rosa-,  Sesia-  und 
Stroma-Gneise; 

7.  die  alteren  Gneise:  Antigorio-Gneis. 

UngewiB  blieb  Gerlach  dariiber,  ob  die  Glimmerschiefer,  Kalk- 
glimmerschiefer,  Marmore,  Dolomite  und  Hornblendeschiefer  des 
Deverogebietes  zu  2  oder  5  zu  stellen  sind,  doch  hielt  er 
ersteres  fiir  das  Wahrscheinlichste. 

Von  den  in  Granit  und  Arkesin  iibergehendeh  Gneisen  des 
Dentblanche-Gebietes,  die  Einlagerungen  yon  Gabbro,  Diorit, 
Hornblendeschiefer,  Serpentin,  Marmor  und  Glimmerschiefer 
enthalten  und  von  Eurit-  und  Granitgangen  durchsetzt  sind, 
sagt  er,  dafi  sie  iiber  5  liegen,  und  dan  diese  Auflagerung  „ein 
Ratsel  ist  und  bleibt". 

Ganz  anders  war  die  Auffassung  B.  Studers,  die  er  schon 
1853    in    seiner    Geologie    der  Schweiz    veroffentlicht  hatte 


78 


und  auch  noch  aufrecht  erhielt,  als  nach  deni  1871  erfolgten 
Tode  Gerlachs  das  Yon  diesem  aufgenommene  Blatt  XXIII 
erscheinen  sollte.  Er  yeranlaBte  eine  zweifache  Auflage.  Die 
eine,  mit  A  (rechts  oben  in  der  Kartenecke)  bezeichnete,  gibt 
Gerlachs,  die  mit  B  bezeichnete  Studers  Gliederung  wieder. 
Dem  Alter  nach  unterscheidet  Studer  hier  Kalke  unbestimniten 
Alters,  triasischen  Gips  nnd  Pauhwacke,  Dolomit  und  Quarzit, 
wahrend  er  alle  Gneise,  Glimmerschiefer  Griinschiefer,  Horn- 
blendeschiefer  und  Serpentine  nur  als  aus  einer  Metamorphose 
jener  Sedimente  hervorgegangen,  also  stofnich  gleichalterig,  be- 
trachtet. 

Gerlachs  Ansicht  trug  jedoch  den  Sieg  davon  nnd  fand 
allgemeinsten  Anklang.  Als  1878  der  Plan  eines  Simplon- 
durchstiches  auftauchte,  legten  erst  Penevier,  dann  auch  Lory, 
Heim  und  Taramelli  ihren  geologischen  Tunnelprofilen  Gerlachs 
Gliederungsschema  zugrunde,  und  spater,  als  sich  diese  Profile 
bei  der  Ausfiihrung  des  Durchstiches  als  nicht  zutreffend  erwiesen, 
wollte  man  dennoch  dies  Schema  nicht  aufgeben,  man  nahm 
nur  einige  Veranderungen  daran  Yor,  und  als  die  Profile  auch 
dann  nicht  mit  den  Ergebnissen  des  immer  weiter  Yordringenden 
Tunnels  iibereinstimmten,  ging  man  dazu  liber,  die  bisherigen 
Vorstellungen  iiber  den  Gebirgsbau  Yollstandig  iiber  den  Hauten 
zu  werfen.  Man  Yersuchte  durch  Konstruktion  Yerwickelter 
Uberfaltungsdecken  libereinstimmung  zwischen  dem  tatsach- 
lichen  Befund  und  der  GERLACHSchen  Gliederung  herzustellen, 
die  sich  allerdings  hierbei  wiederum  einige  Yeranderungen  ge- 
fallen  lassen  mufite.  Statt  der  7  blieben  nur  noch  4  chrono- 
logische  Glieder  iibrig,  namlich,  wenn  wir  uns  an  die  Karte 
des  Simplongebietes  und  deren  Text  halten,  die  Yon  C.  Schmidt 
und  H.  Preiswerk  1908  herausgegeben  worden  ist: 

1.  Juraschiefer    mit  .  Prasinit-,    Pikrit-    und  Serpentinein- 

lagerungen ; 

2.  Trias  Marmor,  Gips,  Anhydrit,  Quarzit  u.  s.  w; 

3.  Carbonschief  er; 

4.  archaische  Glimmerschiefer  und  Gneise. 

In  der  Gruppe  4  werden  jedoch  zwei  Gesteinsgruppen  scharf 
auseinandergehalten :  erstens  die  Ortho  gneise  (Antigorio-, 
Verampio-  und  Monte-  Leone-Gneise)  mit  Amphibolit-,  Peridotit- 
und  Serpentineinlagerungen  und  zweitens  die  Par  a  gneise 
(Lebendun-,  Berisal-  und  Valgrande-Gneise)  mit  Glimmerschiefer- 
und  Hornblendeschiefereinlagerungen.  Gerlachs  4  ist  dabei 
teils  nach  1,  teils  nach  2  gekommeu  und  jiingere  (6)  und  iiltere 
•(7)  Gneise  werden  nicht  mehr  unterschieden. 


TO 


Diese  stratigraphische  Einteilung.  zu  der  auch  Schahdt 
und  Akgand  im  wesentlichen  gekomnien  sind,  hat  den  groBen 
Yorteil,  auf  einfachsten  petrographischen  Merkmalen  zu  be- 
rulien  und  darum  sich  ohne  weiteres  bei  den  Aufnahnien  im 
Felde  anwenden  zu  lassen.  Alle  kalkfiihrenden  Gesteine  sind 
mesozoisch,  die  kalkfreien  aber  pratriasisch.  Allerdings  gibt 
es  in  den  mesozoischen  Schichten  auch  kalkfreie  Einlagerungen, 
bes.  Quarzite  und  hornfelsartige  Schiefer,  aber  sie  sind  doch 
zu  untergeordnet  und  treten  so  deutlich  als  Einlagerungen  her- 
Yor,  dafi  daraus  eine  Schwierigkeit  nicht  entstehen  kann.  Das 
gleiche  gilt  auch  fur  die  mesozoischen  Griinschiefer  (Prasinite), 
Pikrite  und  Serpentine. 

Alle  kalkfreien  Gliininerschiefer  und  Gneise  sind  archaisch, 
ebenso  wie  die  eingelagerten  Amphibolite,  Peridotite  und  Serpen- 
tine. Die  carbonischen  Schiefer  unterscheiden  sich  durch  ihren 
Graphitgehalt  von  den  archaischen  Glimmerschiefern,  konimen 
iibrigens  nur  an  so  wenigen  Stellen  im  Gebiete  der  Simplon- 
karte  vor,  dafi  wir  sie  hier  fiiglich  aufier  acht  lassen  konnen. 
Yon  Bedeutung  werden  sie  erst  im  Westen  der  Walliser  Alpen, 
wo  ihr  Alter  durch  Pnanzenfunde  sichergestellt  ist. 

Im  Simplongebiet  ist  die  herrschende  stratigraphische  Ein- 
teilung somit  im  westlichen  eine  rein  petrographische,  und  das 
jiingere  Alter  der  Kalksedimente  gegentiber  den  krystallinischen 
Schiefern  und  den  Gneisen  stiitzt  sich  auf  das  Yorkommen  Yon 
Granit- Gneisgerollen  in  den  Kalkgesteinen.  Letztere  selbst 
liegen  allerdings  abwechselnd  iiber,  unter  und  in  den  Gneisen, 
■so  dafi  aus  diesen  Lagerungsverhaltnissen  das  durchweg  jiingere 
Alter  der  Kalksedimente  unmoglich  abgeleitet  werden  konnte, 
•doch  gibt  es  Stellen,  wo  die  eingelagerten  mit  den  aufgelagerten 
Kalkschiefern  in  unmittelbare  Yerbindung  treten,  und  es  ist  dies 
als  ein  Beweis  ihrer  Gleichalterigkeit  aufgefaBt  worden.  Daraus 
ergab  sich  dann  die  Notwendigkeit,  jede  auch  noch  so  gering- 
fiigige  Einlagerung  yon  Kalk  im  Gneis  als  eine  Einfaltung  zu 
•deuten,  und  da  es  solche  Einlagerungen  gibt,  die  nur  wenige 
Meter  machtig  sind,  so  fiihrten  die  neueren  Profile  im  Gegen- 
satz  zu  den  alteren  zu  einer  enormen  Haufung  Yon  stehenden, 
liegenden,  Yerbogenen,  Yerzweigten  und  haufig  ganz  schmalen, 
aber  sehr  langen  Mulclen.  Die  Muldenumbiegungen  sind  jecloch  an 
Ort  und  Stelle  in  den  meisten  Fallen  nicht  zu  sehen,  und  da- 
•durch  erklart  es  sich  auch,  wie  es  moglich  wurde,  daB  im  Yerlauf 
der  letzten  20  Jahre  die  Yerschiedenen  Autoren  und  z.  T.  auch  die- 
selben  Autoren  rasch  hintereinander  Profile  durch  das  Tunnelgebiet 
Yeroffentlichen  konnten,  in  denen  jeweils  die  Form  und  Lage  der 
Mulden  ganz  bedeutende  Yeranderungen  erfahren  haben. 


80 


Man  mache  einmal  den  Versuch,  die  Strati graphie  auf  den 
Kopf  zu  stellen,  die  Gneise  fur  das  Jiingste  und  die  Kaik- 
schiefer  fiir  das  Alteste  zu  erklaren;  dann  ware  es  eine  Kleinig- 
keit,  auf  Grutid  des  Yorhandenen  geologischen  Kartenbildes, 
alle  Sattel  in  Mulden  nnd  die  Mulden  in  Sattel  umzuwandeln 
und  ein  Profil  langs  der  Tunnelachse  zu  zeichnen,  das  ebenso- 
gut  die  festgestellten  Tatsachen  in  Zusamnienhang  brachte  wie 
die  von  Schardt  und  Schmidt  zuletzt  Yeroffentlichten  Profile, 
nur  mit  dem  Unterschied,  daB  ein  solches  Profil  in  tektonischer 
Beziehung  sogar  einfacher  und  fiir  unsere  Vorstellung  faBlicher 
ware.   Wir  hatten  dann  eine  Heine  you  etwa  11  Schichtgewolben, 


Rhone,    Klenenhorn.  Monte  Leone,  Diveriatal. 


Fig.  1. 

Wie  sich  der  Faltenwurf  darstellen  laBt  umter  Aimahme  einer  uinge- 
kehrten  Schichtfolge  auf  Grundlage  des  Profils  13  auf  Tafel  III  der 
Erlauterungen  zur  geol.  Karte  der  Simplongruppe. 


Yon  denen  die  nordlicben  einfacbe  stehende,  die  siidlichen  lie- 
gende,  und  zwar  Yier  davon  nacb  Siiden  und  drei  nach  Norden 
tibergekippte  Sattel  wareu,  und  Yon  diesen  wiir.de  nur  einer  mit 
seinen  obersten  Teilen  einen  Knick  mit  Zuriickbeugung  nach 
Norden  zeigen.  Selbstverstandlich  will  ich  hiermit  einer  solchen 
Umkebr  der  Stratigraphie  nicht  das  Wort  reder,  denn  sie 
ware  sicherlich  ganz  unricbtig.  Ich  wollte  nur  zeigen,  daB  man 
mit  Faltenkonstruktionen,  die  einerscits  hoch  in  die  Liifte  hin- 
auf-  und  anderseits  bis  zu  unergrundlichen  Tiefen  in  die  Erd- 
kruste  hinabgefiihrt  werden,  auch  auf  Grund  einer  sicher  un- 
richtigen  Stratigraphie  plausible  Profilbilder  entwerfen  kann, 
weil  man  sich  dabei  in  der  Wahl  der  sattel-  und  muldenfor- 
migen  Umbiegungen  keinerlei  Beschrankungen  aufzuerlegen 
braucht.  Plausible  Profile  waren  alle,  die  seit  1878  fiir  die 
Simplonlinie  entworfen  worden  sind,  aber  eines  nach  dem 
anderen  bat  sich  als  unzutreffend  erwiesen,  und  nur  die  nach 
Vollendung  des  Tunneldurchstichs  augefertigten  haben  sich 
einer  langeren  Lebensdauer  erfreuen  dtirfen.  Ob  sie  das  auch 
getan  hatten,  wenn  etwa  weiter  im  Osten  ocler  Westen  ein 
neuer  Tunnel  angelegt  worden  ware?  Diese  Frage  drangt  sich 


81 


imwillkiirlich  auf,  unci,  um  eine  Antwort  darauf  geben  zu  konnen, 
ist  es  in  erster  Lime  notig,  die  zugrunde  gelegte  Stratigraphie 
auf  ihre  Zuverlassigkeit  zu  priifen. 

Zu  dieseni  Zweck  babe  icb  das  Simplongebiet  im  Herbst 
1908  wiikrend  12  Tagen  durchwandert  mit  der  schonen  neuen 
geologischen  Karte  in  der  Hand,  fiir  die  den  Yerfassern 
C.  Schmidt  und  Preiswerk  jeder  dort  wandernde  Geologe  nicht 
dankbar  genug  sein  kann.  Das  Ergebnis  dieses  Besuches  waren 
erhebliche  Zweifel.  Ich  wiederholte  meinen  Besuch  in  den 
folgenden  4  Jahren,  1909  fiir  7,  1910  fur  5,  1911  fiir  10  and 
1912  fiir  7  Tage,  und  bin  jetzt  sicher,  daB  die  Stratigraphie 
der  Karte  in  einigen  wesentlichen  Punkten  veriindert  werden 
muB,  wodurch  sich  natiirlich  auch  das  tektonische  Bild  er- 
heblich  urngestaltet. 

I.  Die  Stratigraphie  des  Siniplongebietes. 

Fiir  die  Gliederung  der  Sediniente,  wie  sie  auf  der  Simplon- 
karte  durchgefuhrt  ist,  kann  man  im  Sinne  von  Carl  Schmidt 
und  Preiswerk  folgende  Beweisgriinde  anfiihren: 

1.  In  den  Kalkschiefern  der  sog.  Bedrettomulde  kommen 
liasisehe  YersteinerUngen  vor.  In  konkordanter  Lagerung  zu 
petrographisck  diesen  ahnlichen  Scbiefern  finden  sich  Dolomite, 
Rauhwacken  und  Gipse.  Da  solche  Gesteine  auch  ringsum  im 
Norden,  Siiden  und  Westen  der  "Walliser  Alpen  vorkommen  und 
dort  z.  T.  durch  Yersteinerungen  als  triasisch  charakterisiert 
und  von  Lias  iiberlagert  sind,  und  da  Gesteine  solcher  Art  von 
anderem  Alter  in  diesem  Teil  der  Alpen  nicht  bekannt  sind, 
so  diirfen  auch  die,  welche  in  den  AValliser  Alpen  vorkommen, 
in  die  Trias  gestellt  werden. 

2.  Diese  Triasgesteine  liegen  entweder  inmitten  der  auf- 
gerichteten  liasischen  Schiefer  als  schmale  Streifen,  oder  sie 
sind  nur  auf  einer  Seite  von  diesen  begrenzt  und  auf  der  ent- 
gegengesetzten  von  Gneis.  In  ersterem  Falle  bilden  sie  enge 
Gewolbe  zwischen  zwei  Liasmulden,  im  zweiten  Falle  bildet 
der  Lias  ihr  Hangendes  und  der  Gneis  ihr  Liegendes. 

3.  Dieser  liegende  Gneis  ist  alter  als  die  Trias;  denn  an 
•vielen  Stellen*  findet  man  Granitgneisgerolle  in  den  Trias- 
sedimenten  eingeschlossen,  und  auch  da,  wo  der  Gneis  ein  Ortho- 
gneis  ist,  entsendet  er  niemals  Apophysen  in  die  Trias  hinein. 

4.  Fast  iiberall,  wo  der  Gneis  auf  zwei  Seiten  oder  auch 
ringsum  von  Kalksedimenten  umgeben  ist,  gehoren  die  unmittel- 
bar  an-  oder  auflagernden  Sedimente  der  Trias  an,  und  dann 
erst  folgen  solche  des  Lias.  Dies  gilt  aber  nur  fiir  die  Ortho- 
gneise.    Auf  den  Paragneisen  fehlt  die  Trias  meistens  ganz, 

Zeitschr,  d.  D.  Geo].  Ges.  1014.  6 


82 


unci  es  legen  sich  die  Liasschiefer  direkt  auf  diese.  Das  be- 
weist,  dafi  die  niesozoischen  Sedimente  transgressiv  iiber  der 
altkrystallinen  Schieferformation  abgelagert  wurden. 

5.  Das  Grundgebirge  besteht  teils  nur  aus  Orthogneisen, 
teils  aus  Paragneisen  mit  Intrusionen  yon  Orthogneisen.  Erstere 
bilden  die  Zonen  des  Verampiogranites  (Crodogneis  Gerlachs), 
des  Antigorio-  und  Tessiner  Gneises  und  des  Monte-Leone- 
Ofennorngneises.  Amphibolite,  Peridotite  und  Serpentine  komnien 
darin  als  basische  Spaltungsprodukte  der  Gneise  yor.  Die 
Paragneise  bilden  die  drei  getrennten  Zonen  desLebendungneises, 
des  Valgrandegneises  und  des  Berisalgneises. 

6.  Der  Umstand,  dafi  die  Orthogneise  in  den  Paragneisen 
als  Intrusionen  auftreten,  aber  niemals  in  die  Trias-  and 
Liasgesteine  heraufsteigen,  ist  ein  Beweis,  da6  dieselben  ein 
pratriasisches  Alter  haben. 

7.  Doch  kommen  auch  in  den  niesozoischen  Sedimenten 
Eruptivgesteine  vor.  Es  sind  Serpentine,  Prasinite  und  Pikrit. 
Sie  werden  nicht  als  Intrusionen,  sondern  als  naesozoische 
Erguflgesteine  und  Tuffe  aufgefafit. 

Wieweit  diese  Argumente  den  Tatsachen  gegeniiber  stand- 
halten  konnen,  soil  im  nachfolgenden  erortert  werden. 

i.  Die  stratigraphische  Einteilung  der  Kalksedimente 
zwischen  Brig  und  Berisal. 

Die  Kalkschiefer,  fiir  welche  ein  liasisches  Alter  anzunehmen 
wir  berechtigt  sind,  bilden  einen  Zug,  der  sich  im  Bedrettotal 
detnGotthardgneis-Massiv  gegen  Siiden  anlegt,  iiber  denNufenen- 
PaB  und  die  Ritzfurgge  ins  Rappental  und  von  da  iiber  AuBerbinn 
nach  Morch  und  Z'Matt  ins  Rhonetal  hinzieht.  Belernniten 
kommen  darin  an  inanchen  Stellen  ziemlich  haufig  yor,  und 
wenn  sie  auch  infolge  der  Umwandlung  der  Gesteine  der  Art 
nach  mit  Sicherheit  nicht  zu  bestimmen  sind,  so  gehoren  sie 
doch  einem  Formenkreis  an,  der  im  Lias  zu  Hause  ist.  Das  gilt 
auch  yon  dem  arietenahnlichen  Ammoniten,  den  Salomon  neuer- 
dings  yon  der  Alpe  Alle  Foppe  im  Osten  des  Nufenen-Passes 
beschrieben  hat1).  Weniger  charakteristisch  sind  die  Stielglieder 
von  Pentacrinus  und  die  cardinienartigen  Muschelschalen,  die 
aber  wenigstens  das  mesozoische  Alter  bestatigen  und  mit  dem 
liasischen  Alter  der  Schichten  in  Einklang  stehen. 

Sobald  wir  diesen  nordlichen  Schieferzug  verlassen  und  uns 
den  noch  weit  nach  Siiden  sich  ausbreitenden  Schiefern  zuwenden, 
geht  jeder  palaontologische    Anhaltspunkt   fiir    die  Altersbe- 


')  Verb.  d.  Naturhist.-Mediz.  Vereins  zu  Heidelberg,  Bd.  IX,  1911. 


8a 


stimmung  verloren.  Derm  die  breccienartige  Anhaufung  von 
Crinoidenbruchstiicken,  welche  an  einer  Stelle1)  im  Dolomit 
am  Siidabharig  des  Monte  Leone  gefunden  worden  ist,  beweist 
doch  nnr  den  marinen  Charakter  dieses  Sedimentes. 

Wenn  man  der  Meinung  ist,  daft  die  Dolomite,  Rauh- 
wacken  und  Gipslager  trotz  des  Fehlens  triasischer  Fossilien 
als  Vertreter  der  Triasformation  deslialb  mit  Sicherheit  in 
Anspruch  genommen  werden  diirfen,  weil  ringsum  aufterhalb 
der  durch  ihren  regionalen  Metamorphismus  ausgezeichneten 
Zone  der  AValliser  Alpen  solche  Gesteine  nur  in  palaontologisch 
sichergestellter  Trias  vorkommen  und  sowohl  in  jiingeren  als 
auch  alteren  Formationen  fehlen,  dann  hat  man  in  ihnen  einen 
zweiten  Anhaltspunkt  fur  die  Gliederung  der  Kalksedimente 
gewonnen,  der  gegeniiber  dem  ersten,  rein  palaontologischen 
sogar  den  Yorteil  bietet,  daft  sich  jene  triasiscben  Charakter- 
gesteine  viel  leichter  nachweisen  lasseu  als  Versteinerungen. 

Gleichwohl  gelingt  es  auch  mit  diesem  Hilfsmittel  nicht, 
die  ganze  Menge  der  Kalksedimente  in  Altersstufen  zn  zerlegen, 
weil  jene  Triasgesteine  nur  geringe  Machtigkeit  haben  und  so 
sporadisch  auftreten,  daft  nicht  einmal  dariiber  Klarheit  zu 
erlangen  ist,  ob  die  Kalkschiefer  stets  jiinger  als  die  triasischen 
Gesteine,  oder  ob  es  auch  solche  gibt,  die  alter  sind.  Diese 
Schwierigkeiten  haben  die  Verfasser  der  Simplonkarte  wohl 
empf unden.  Urn  aber  doch  die  Kalkschiefer  restlos  in  der  Jura- 
uncl  Triasformation  unterzubringen,  haben  sie  unbekiimmert  um 
die  petrographische  Gleichartigkeit  einen  Teil  der  Schiefer  der 
Trias,  einen  anderen  dem  Jura  zugeteilt.  MaBgebend  dabei  war 
fiir  sie  die  Uberzeugung,  daft  die  Gneise  alter  als  die  Kalk- 
sedimente sind,  und  daft  somit  Kalkschiefer,  die  zwischen  Trias- 
gesteinen  und  Gneisen  liegen,  untertriasisch  sein  mtissen.  Auf 
diese  Weise  hat  zugleich  auch  das  Kartenbild  jene  Uberzeugungs- 
kraft  erhalten,  der  sich  kein  Beschauer  entziehen  kann,  und 
die  auch  in  mir  keinen  Zweifel  an  der  Richtigkeit  der  Strati- 
graphie  aufkommen  lieB,  solange  als  ich  nicht  das  Gebiet  aus 
eigener  Anschauung  kennen  zu  lernen  Gelegenheit  fand.  Heute 
aber  weis  ich,  daJ3  e§  zurzeit  nicht  moglich  ist,  alle  die  ver- 
schiedenen  Kalksedimente  dieses  Gebietes  in  eine  bestimmte 
chronologische  Reihenfolge  einzuordnen,  und  daft  fiir  viele  der- 
selben  die  von  B.  Studer  gewahlte  Bezeichnung  „unbestimmten 
Alters"  vorzuziehen  ist. 

Um  dies  zu  beweisen,  will  ich  eine  Anzahl  von  Einzel- 
beobachtungen  beschreiben. 


J)  Erlauterung  zu  Simplonkarte  S.  17  v.  Eclogae,  Vol.  IX,  S.  505. 

6* 


84 


Wir  beginnen  nrit  der  naheren  Umgebung  von  Brig,  wo- 
erne  ungefahr  10  km  breite  Zone  von  Kalkschiefern  im  Norden 
yon  dem  Gneis  des  Aarmassives,  im  Siiden  yon  dem  des  Simplon- 
gebietes  eingerahmt  ist.  Die  Schiefer  haben  vorherrschend  nord- 
ostliches  Streichen  und  siidostliches  Einfallen,  doch  stehen  sie 
auch  ganz  senkrecht  und  nehmen  sogar  stellenweise  steile 
Neigung  nach  Nordwest  an.  Im  einzelnen  sind  sie,  was  besonders 
gut  in  der  Saltine-Schlucht  von  der  Napoleonsbriicke  an  auf- 


Fig.  2. 

Gefalteter  Glanzschiefer  mit  Quarzknauern  neben  der  Wasserleitung 
am  Saltinebach  unterhalb  des  Rieder  Gipslagers.    1  : 32. 
S  Schutt. 


warts  langs  der  Wasserleitung  zu  sehen  ist,  oft  stark  geknickt 
und  gefaltelt,  wobei  die  Umbiegungsstellen  z.  T.  transversale 
Schieferung  zeigen.  An  solchen  Stellen  sind  sie  von  Knauern 
und  Adern  von  Quarz  und  Calcit  so  stark  durchsetzt,  daft 
letztere  an  (Yolumen  der  S chief ermasse*  oftmals  fast  gleich- 
kommen.  Der  Gangquarz  herrscht  gegeniiber  dem  Calcit  meist 
vor,  und  man  begreift  leicht,  daB  die  viele  Kieselsaure  nicht 
aus  dem  Nebengestein  stammen  kann,  sondern  einen  anderen 
Ursprung  haben  muft.  Diese  Gange  sind  so  seltsam  verbogen 
und  verdriickt,  da6  die  Annahme  nicht  von  der  Hand  zu  weisen 
ist,  sie  miiBten  schon  vor  der  Aufrichtung  und  Faltung  der 
Schiefer  vorhanden  gewesen  sein. 

Der  Gneis,  der  diesen  Schieferzug  im  Norden  begrenzt,  ist 


85 


bei  Natters  in  groBen  Steinbriichen  gut  aufgeschlossen.  Es  ist 
em  gebanderter  Granit  mit  kornigen  Feldspataugen.  Er  schliefit 
schiefrige  Partien  ein,  in  die  er  auch  gangformig  eindringt. 
Die  Bankung  verlauft  hier,  ebenso  wie  in  dem  groBen  Steinbrucli 
siidlich  von  Bitsch,  am  Ausgang  der  Massaschlucht,  parallel  zur 
lagenformigen  Anordnung  der  Feldspataugen  und  fallt  sehr  steil 
uacli  Siiden  ein.  Zur  Zeit  meines  Besuches  des  Bitscher  Stein- 
bruches  war  im  Gneis  ein  Quarzgang  aufgeschlossen,  der  groBe 
schwarze  Nester  von  Turmalin  enthielt.  Die  auf  der  topo- 
graphischen  Karte    clort    eingetragene,   vom   Massaufer  gegen 

.SO  NW 


Rhone 


Fig.  3. 

Gipslager    am    linken   Rhoneufer   gegeniiber   den   Warmen  Brunnen 
oberhalb  Naters. 

1.  Kalkschiefer,  7  m  machtig.     2.  Gips  mit  Schieferzwischenlagen.    3.  Reines 
Gipslager.    4.  Kalkschiefer. 

Bitsch  heraufziehende  Felswand  bezeichnet  zugleich  die  siid- 
■ostliche  Grenze  dieses  Gneises  gegen  die  Kalkgesteine.  Aber 
•der  unmittelbare  Kontakt  ist  hier  nirgends  zu  sehen.  Ungefahr 
in  einer  Entfernung  von  100  Metern  von  der  Wand  erhebt  sich 
ein  kleiner  Riicken,  der  von  einem  etwa  60  Meter  breiten  Gips- 
lager gebildet  ist,  das  in  einem  Steinbruch  abgebaut  wird,  und 
iiber  dem  anscheinend  konkordant  schwarzliche  Kalkschiefer 
liegen.  Sie  ziehen  sich  gegen  Siidwest  unter  der  Massa  hindurch 
zu  deren  rechtseitigem  Ufer  hin fiber,  wo  sie  wieder  sichtbar 
werden.  In  ihrem  Hangenden  bei  Massa-Eggen  folgt  ein  zweites 
Gipslager.  Es  ist  wahrscheinlich  dasselbe,  welches  gegeniiber 
von  den  warmen  Brunnen  auf  dem  linken  Ufer  der  Rhone  gut 
aufgeschlossen  ist,  und  in  dessen  Liegendem  mit  siidostlichem  Ein- 
fallen  schwarzliche  Kalkschiefer  von  knotenschieferartiger  Be- 
schaffenheit  in  einer  Machtigkeit  von  etwa  7  Metern  zutage 
treten.  Dariiber  folgt  eine  Serie  von  diinnen  Gipslagen  und 
Schiefern  und  dann  ein  massiges  Gipslager  von  iiber  50  Meter 
Starke,  in  dessen  Hangendem  wieder  Kalkschiefer  liegen.  Be- 


86 


merkenswert  ist  es,  daB  die  liegenden  Kalkschiefer  Yon  zahl- 
reichen  Quarz-  und  Calcitgangen  zunieist  parallel  zur  Schieferung 
durchsetzt  sind.  Alle  Schichten  in  diesem  Profile  liegen  an- 
scheinend  Yollig  konkordant,  und  es  waren  keinerlei  tektonische 
Storungsflachen  zwischen  ihnen  zu  erkennen. 

Wie  soli  man  dieses  Profit  deuten?  Wenn  man  den  Gips 
der  Trias  und  den  Kalkschiefer  dem  Lias  zurechnet,  dann 
erscheint  es  fast  selbstverstandlich,  einen  nach  NW.  uberkippten 
isoklinalen  Sattel  anzunehmen.  Eine  gewolbeartige  Umbiegung 
ist  jedoch  in  dem  Gipslager  nicht  wahrzunehrnen,  und  das  gibt 
uns  ein  mindestens  ebenso  gutes  Recht,  den  liegenden  Kalk'  fiir 
alter  als  den  liangenden  anzusehen.   Und  da  jener  hochst  wahr- 


so  N"W 


Fig.  4. 


Profil  bei  der  Einniiinckmg  cler  Massa  in  die  Rhone  oberhalb  Naters. 

1  :  10000. 

gn  Gneis,  y  Gips,  k  Kalkschiefer. 


scheinlich  die  nordostliche  Fortsetzung  des  Yorher  erwahnten 
Schieferzuges  ist,  welcher  zwischen  den  zwei  Gipslagern  an  der 
Massa  liegt,  so  wtirde  auch  ihm  triasisches  Alter  zukornmem 
Danach  laBt  sich  das  nebenstehende  Profil  entwerfen,  dessen 
Deutung  jedoch  ebenfalls  unsicher  ist  und  davon  abhangt,  ob 
man  die  beiden  Gipslager  fiir  gleich-  oder  ungleichalterig. 
ansehen  will.  In  ersterem  Falle  ergibt  sich  ein  isoklinales 
Gewolbe,  in  letzterem  Falle  eine  isoklinale  einfache  Schichten- 
folge,  in  der  j  1  alter  als  y  2,  k  1  alter  als  k  2  ware.  Den 
Gneis  kann  man  in  diesem  Profile  in  keinen  sicheren  Zusammen- 
hang  mit  den  Schichtgesteinen  bringen,  weil  eine  ungefahr 
100  m  breite  Zone  dazwischen  liegt,  die  keinerlei  Aufschliisse- 
bietet.  Wir  bleiben  also  auch  dariiber  im  Zweifel,  ob  eine  tekto- 
nische  Stoning  die  Gneise  in  einen  abnormalen  Kontakt  mit  der 
Trias  gebracht  hat,  oder  ob  letztere  normal  auf  dem  Gneis  liegt. 

Aus  alledem  geht  heiwor,  mit  wieYiel  Unsicherheit  hier 
jede  stratigraphische  und  tektonische  Ausdeutung  behaftet  ist,  und 
in  welche  Verlegenheit  wir  den  aufnehmenden  Geologen  bringen,. 
wenn  Avir  ihm  zur  Kolorierung  seiner  Karte  nur  die  drei  Farben 
Blau,  Gelb  und  Rot  in  die  Hand  geben,  Yon  denen  die  erste- 
Jura,  die  zweite  Trias  und  die  dritte  Gneis  anzeigen  soil. 


87 


Wie  aber  konnte  man  es  denn  anders  inacben,  und  ist  denn 
die  Wabrscbeinlicbkeit,  dafi  die  Kalkschiefer  wirklicb  ver- 
scbiedenen  Alters  sind,  so  groB,  daB  man  dem  Blau  keine 
stratigraphische,  sondern  nur  eine  petrograpbiscbe  Bedeutung 
beilegen  darf?  Diese  Erage  erwarte  icb  von  den  Anbangern 
der  Metbode,  welcbe  bei  Ausfiibrung  der  neuen  Simplonkarte 
zur  Anwendung  gekommen  ist,  urn  so  sicberer,  als  sie  dabei  auf 
das  Befriedigende  ibrer  Auffassung  von  dem  Faltenbaue  in  der 
Bedretto-Mulde  binweisen  konnen,  die  aucb  mit  den  Auf- 
scbliissen  im  Simplontunnel  vollkommen  im  Einklang  stebe. 
Hierauf  batte  icb  zu  erwidern,  daB  letzteres,  wie  sich  spiiter 
ergeben  wird,  keineswegs  der  Fall  ist,  nnd  daB  es  nicht  Aufgabe 
einer  geologiscben  Spezialkarte  ist,  Wabrscbeinlicbkeiten,  aucb 
wenn  sie  nioinentan  eine  giinstige  Aufnabme  finden,  darzustellen. 
Sie  soli  sicb  vielmebr  auf  den  tatsiicblicben  Befund,  der  jeder- 
zeit  kontrollierbar  ist,  bescbranken.  Und  dieser  Befund  ergibt 
in  unserem  Falle  das  Yorkommen  von  zwei  Ztigen  yon  Kalk- 
scbiefern,  von  denen  wir  nur  wissen,  daB  beide  mesozoiscb  sind, 
deren  Altersverbiiltnis  zum  Gips  aber  unbekannt  ist.  Sobald 
man  nacb  rein  petrograpbiscben  Merkmalen  anfiingt,  strati- 
grapbiscbe  Horizonte  festzulegen  und  zu  kartieren,  fallt  man 
unfeblbar  in  Irrtiimer.  Die  Gescbicbte  der  Alpengeologie  ist 
iiberreicb  an  solcben  selbst  in  Gegendeu,  avo  es  an  Yer- 
steinerungen  nicbt  feblt.  Man  macbe  den  Versucb,  z.  B.  in 
unseren  Ostalpen,  wo  Trias  und  Jura  palaontologiscb  geglieclert 
sind,  eine  Karte  nacb  rein  petrograpbiscben  Merkmalen  olme 
Beriicksicbtigung  der  Yersteinerungen  zu  entwerfen,  dann  wird 
sofort  klar,  daB  eine  solcbe  Karte  tektonisch  wertlos  oder  docbi 
mindestens  bocbst  unzuverlassig  ware.  Unbeabsicbtigt  sind  tat- 
sacblicb  solcbe  Yersucbe  des  oftern  gemacbt  worden.  Wie  oft 
sind,  weil  Yersteinerungen  nicbt  gefunden  oder  gesucbt  wurden, 
Kreide-,  Jura-  und  Triasmergel,  oder  Kalke  oder  verscbieden- 
artige  Triasdolomite  miteinander  verwecbselt  worden,  bis  es 
gelang,  den  Irrtum  clurcb  Fossilfunde  aufzuklaren  und  die 
geologiscbe  Karte  zu  rektifizieren.  Ein  Beispiel,  das  gerade 
fur  das  Simplongebiet  von  besonderer  Bedeutung  ist,  mag 
Erwabnung  finden.  Wir  sind  geneigt,  die  Gipse  und  Dolomite 
in  die  Trias  zu  stellen,  weil  in  den  anstoBenden  Berner  und 
Ereiburger  Alpen  solcbe  Gesteine  sebr  baufig  vorkommen,  und 
ibr  triasiscbes  Alter  durcb  Yersteinerungen  festgelegt  werden 
konnte.  Das  bat  aucb  die  Yerfasser  des  Blattes  XYII  veranlaBt, 
dies  zu  tun  und  eine  Reibe  sie  begleitender  Kalkgesteine  als 
Jura  zu  kartieren.  Hatte  man  in  den  Kalken  des  Hugels  von 
St.  Tripbon  spater  nicbt  die  cbarakteristiscben  Yersteinerungen 


88 


des  Muschelkalkes  aufgefnnden,  so  wtirden  dieselben  aus  petro- 
graphischen  Griinden  wohl  auch  heute  noch  als  Lias  auf  den 
Karten  erscheinen.  Man  unterscheidet  jetzt  in  dortiger  Gegend 
von  unten  nach  oben1):  weiJ3e  Quarzite,  untere  Rauhwacke, 
dunkelgraue  bis  schwarze  Kalksteine,  obere  Rauhwacke  niit 
buntfarbigen  Mergeleinlagerungen  und  Gips,  dickbankige  Dolo- 
mite, griinliche  und  dunkle  Mergel  rnit  einer  Gesanitmachtigkeit 
von  etwa  800  Metern.  Dariiber  liegen  die  ratischen  Kalke  und 
Mergel,  und  dann  erst  komnien  die  liasischen  Gesteine.  Ware 
diese  ganze  Serie  einer  ahnlichen  Metamorphose  unterworfen 
worden  wie  die  schistes  lustres  bei  Brig,  dann  wiirden  die 
Kalke  und  Mergel  wohl  alle  ziemlich  gleichartig  aussehen,  die  Yer- 
steinerungen  waren  verschwunden,  und  man  konnte  nur  die 
Dolomite,  die  Rauhwacke  und  den  Gips  als  iibereinander  sich 
wiederholende  Einlagerungen  petrographisch  darin  unterscheiden, 
gerade  so,  wie  dies  auch  bei  Brig  der  Fall  ist. 

Tatsachlich  liegen  in  den  Kalkschiefern  bei  Brig  nicht  nur 
die  zwei  schon  erwahnten  Gipslager,  sondern  weiter  siidlich 
noch  drei  andere,  die  der  Tunnel  durchfahren  hat,  und  zwischen 
diesen  und  den  zwei  ersten  liegt  auch  noch  ein  Rauhwackezug. 
Die  Kalkschiefer  dazwischen  sind  aber  keineswegs  von  so 
gleichartiger  petrographischer  Beschaffenheit,  daB  man  nicht  auch 
sie  in  yerschiedene  Abteilungen  bringen  konnte.  Die  Sirnplon- 
karte  scheidet  z.  B.  einen  schwarzen  Dachschiefer  mit  Sprod- 
glimmer  und  einen  granatfiihrenden  Schiefer  noch  besonders  aus. 
Ersterer  liegt  zwischen  den  zwei  nordlichen  und  den  zwei 
siidlichen  Gipszugen  ungefahr  in  der  Mitte  und  konnte  recht 
gut  als  der  eigentliche  Muldenkern  gedeutet  werden.  Ein  Teil 
dieser  Schiefer  ist  frei  you  Kalkcarbonat,  und  dahin  gehoren 
insbesondere  die  Dachschiefer,  welche  bei  Bach  in  mehreren 
Briichen  gewonnen  werden.  Sie  komnien  auch  bei  der  Napoieons- 
briicke  vor,  dort  aber  in  Wechsellagerung  mit  den  schon 
beschriebenen,  an  Quarzgangen  reichen  Kalkschiefern.  Bei  Bach 
hingegen  sind  die  Schiefer  frei  von  solchen  Gangen  und  fiihren 
Pyrit  in  Nestern  und  Linsen.  Dunne  Kalkbelage  komnien  nur 
auf  den  ebenflachigen  Absonderungskliiften  vor. 

Die  Grenze  zwischen  den  Kalkschiefern  und  dem  Gips- 
lager von  Brei  ist  auf  der  rechten  Seite  der  unteren  Saltine- 
schlucht  gut  aufgeschlossen,  mit  seigerer  Stellung  der  Kalk- 
schiefer. Die  Karte  zeichnet  hier  zwei  Gipslager  ein,  was 
richtig  sein  mag.  Anstehend  konnte  ich  nur  das  nordliche 
sehen,  das  ungefahr  50  m  breit  ist  und  gegen  Siiden  von  stark 


l)  A.  Jeannet  et  F.Rabowski:  Eclogae  XI,  S.  739. 


89 


verrutschten  Schiefern  begrenzt  ist.  Auf  der  scliwer  zuganglichen 
linken  Talseite  karin  man  die  zwei  Lager  niit  zwischengelagerten 
Schiefern  wohl  sehen,  doch  ist  aucli  dort  starke  Yerrutschung 
•eingetreten.  Dann  folgen  gegen  Siiden  von  neuem  Kalkschiefer, 
soweit  als  die  Schlucht  uberhaupt  gangbar  ist.  Sie  sind  meist 
steil  gestellt,  mit  Neigung  gegen  Siiden.  Sie  unterscheiden  sich 
im  allgemeinen  von  dem  Kalkschiefer  im  Norden  der  Gipslager 
dadurch,  daB  sie  krystallinischer  sind.  Yon  Gliminerbauten 
uberzogene,  wellige  Schiefer  wechsellagern  mit  festeren,  braun 
anwitternden  dCinnen  Kalklagen,  imd  die  sie  durchschwarmenden 
Giinge  und  Adern  enthalten  mehr  Calcit  als  die  quarzreichen 
Adern  in  den  nordlichen  Schiefern.  Weiter  herauf  in  der 
Schlucht  nehmen  die  Schiefer  immer  mehr  einen  phyllitartigen 
Charakter  an  und  enthalten  neben  Granaten  auch  Biotit  und 
Hornblendegarben.  Aber  auch  abgesehen  von  dieser  Metamor- 
phose scheint  der  Schiefer  ursprunglich  schon  eine  etwas  andere 
Beschafifenheit  gehabt  zu  haben  als  der  weiter  im  Norden,  so 
•daft -ein.  zwingender  Grund,  beide  fiir  gleichalterige  Ablagerungen 
zu  halten,  nicht  vorliegt.  Ob  die  zwei  Gipslager  von  Brei  ein 
Gewolbe  bilden,  an  das  sich  beiderseits  liasische  Kalkschiefer  an- 
legen,  bleibt  somit  auch  hier  sehr  zweifelhaft.  Steigt  man  von  da 
nach  Stuckisegg  herauf,  so  iindet  man  sowohl  an  der  alten  wie 
an  cler  neuen  PoststraBe  gute  Aufschliisse  in  den  Schiefern, 
■die  den  gleichen  Charakter  beibehalten  wie  in  der  oberen 
Saltineschlucht.  Sie  fallen  meist  steil  nach  SO,  manchmal 
auch  nach  NW  ein,  uud  erst  holier  oben  am  Gehange  des 
Klenenhornes  legen  sie  sich  flacher  mit  Einfallen  nach  SO 
Yon  Schallberg  bis  Eisten  lauft  die  PoststraBe  mehr  im 
.Streichen  der  Schichten,  und  es  stellen  sich  darin  mehr  und 
mehr  dickbankige  Kalklagen  ein,  die,  stark  verbogen,  von 
kleinen  Yerwerfungen  durchsetzt  sind  und  an  solchen  Stellen 
oft  auf  kurze  Erstreckung  flach  nordwarts  einfallen.  Auch 
hier  sind  sie  von  vielen  Gangen  durchschwarmt.  Wo  die 
Schichten  gefaltelt  oder  gebogen  sind,  sind  es  auch  die  Gange. 
Das  vorwaltende  Gestein  ist  ein  feinkorniger  Marmor  mit 
kleinen  weiBen  Glimmerschiippchen.  Wo  sericitische  Schiefer- 
einlagerungen  auftreten,  stellt  sich  gewohnlich  auch  Granat 
und  Biotit  ein.  Kurz  vor  Eisten  bei  der  Telegraphenstange 
'91  127  erreicht  man  den  Eistengneis.  Die  Kalkschiefer  haben 
hier  ein  nordwestliches  Einfallen  angenommen  und  liegen  auf 
•dem  Gneis.  Sie  sind  ganz  krystallinisch  und  sehr  glimmerreich, 
schlieBen  aber  eine  glimmerarme  machtige  Lage  hellen  Marmors 
■ein.  Auf  der  geologischen  Karte  ist  derselbe  als  Rauhwacke 
•eingetragen.    Diese  leicht  zugangliche  und  gut  aufgeschlossene 


90 


Kontaktstelle  ist  yon  Wichtigkeit;  denn  Stiicke  yon  Gneis  und 
Granit,  die  in  den  Schiefern  und  im  Marnior  liegen,  sollen  den 
Beweis  liefern,  daB  der  Gneis  alter  als  der  Schiefer,  und  daft 
dieser  auf  ihni  zur  Ablagerung  gekommen  ist.  An  .zwei 
Stellen  ist  die  Auflagerungsflaclie  an  der  "Wegboschung  gut  zu 
sehen.  Die  erste  kiirzere  Strecke  zeigt  einen  grobkornigen 
Augengneis,  der  mit  unregelmafliger  Umgrenzung  von  unten  in 
den  Kalkschiefer  heraufragt,  dessen  Schichten  an  ihm.  abstoBem 
An  der  zweiten  Stelle  ist  es  ein  feinkornigerer  Augengneis, 
dessen  Oberflache  etwas  konformer  zu  den  Kalkschiefern  verlauft. 


Fig.  5. 

Felsen  an  der  SimplonstraBe  bei  Telegraphenstange  91127  uuweit  Eisten, 
g  Gneis.  m  Marmor.  k  Kalkglimmerschiefer.    Rechts  Gehangeschutt. 

Einige  Meter  dariiber  schaut  aber  aus  dem  Kalkschiefer  eine 
4  m  lange  und  4 — 5  drn  breite  Gneisplatte  heryor,  und  in  der 
Nahe  ungefahr  in  gleicher  Schichtlage  sieht  man  ein  anderes, 
aber  kleineres  Gneisstiick.  Keines  von  beiden  hat  Gerollforrn. 
Ein  drittes.  nur  iiber  faustgroBes  Stuck  eines  grobkornigen 
Granites  endlich  lag  in  der  hoheren  Marrnorbank  und  lieB  sich 
leicht  herauslosen.  Es  hat  eine  kurz  linsenformige  Gestalt  und 
zeigt  ebenfalls  keine  Spur  yon  Abrolluug.  Die  Kalkgesteine 
selbst  sind  ganz  frei  yon  granitischem  Grus  oder  Sand,  und 
audi  der  darunterliegende  Gneis  laBt  keine  Spuren  yon  Yer- 
witterung  oder  Zertriimmerung  erkennen,  wie  dies  an  einer 
Transgressionsflache  etwa  zu  erwarten  ware.  Geht  man  auf 
der  StraBe  weiter,  so  gewahrt  man,  daB  der  Gneis  in  die  Hohe 
steigt  und  eine  Strecke  weit  allein  die  Boschung  bildet,  dann 
aber  kommt  unter  ihm  wieder  Glimmerschiefer  zum  Vorschein7 
der  zwar  stark  zersetzt,  aber  doch  noch  kalkhaltig  ist  und 
neuerdings  yon  Augengneis  unterteuft  wird,  der  dann  bis  zur 
Ganterbrucke  anhalt.  Auf  der  Karte  ist  dieser  Kalkstreifen 
wohl  etwas  zu  breit  eingetrageu,  und  yon  den  zwei  Marmor- 


91 


streifen.  die  ihn  gegen  den  hangenden  und  liegenden  Gneis 
abgrenzen  sollen,  habe  ich  nichts  sehen  konnen. 

Schon  1908  schien  es  mir  so,  daB  dieses  Profil  am  ver- 
standlichsten  ware,  wenn  man  annehmen  diirfte,  daB  der  Gneis 
juDgerals  dieKalksedimente  ist,  daB  er  in  dieselben  aufgedrungen 
und  dabeieinerseits  einenTeilderSedimenteeinschloB,  andererseits 
in  die  hangenden  Teile  kleine  Apophysen  entsandte.  Auffallig 
bleibt  dabei  allerdings,  daB  diese  Apophysen  mit  dem  Granitstock 
nicht  oder  nicht  mehr  in  direkter  Yerbindung  stehen.  Doch 
ist  es  recht  wohl  moglich,  daB  dieser  urspriingliche  Zusammenhang 
nicht  aufgeschlossen  oder  durch  spatere  Gebirgsbewegungen 
verloren  gegangen  ist.  Am  folgenden  Tage  schon  brachte  mir 
ein  Ausflug  nach  „Im  Stafel"  far  diese  Yermutung  weitere 
Anhaltspunkte,  aber  ehe  ich  darauf  eingehe,  will  ich  erwahnen, 
was  Schahdt  im  Tunnel,  der  gerade  unter  Eisten  hindurchgeht, 
beobachtet  hat. 

Die  Aufeinanderfolge  der  Gesteinsarten  war  dort  yon  Nord 
nach  Siid  folgende: 

gewohnliche  Kalkglimmerschiefer  (schistes  lustres), 

34  m    derselbe    Schiefer    mit    dickeren  ^larmorbanken 

wechsellagernd, 
26  m  Dolomit, 
9  m    grauer  Kalkstein  und  Glimmerschiefer, 

1  m  Gneis, 

2  m  Kalkschiefer, 
8  m  Dolomit, 

81  m    Gneis  (sog.  Eistengneis), 

59  m    Dolomit  und  Glimmerschiefer, 

22  m    grauer  Glimmerkalk, 

5  m  Dolomit, 

1,5  m  Glimmerschiefer, 
329  m    Gneis  (Gantergneis). 

Die  Schichten  fallen  mit  80 — 85°  nach  NW,  also  erheblich 
steiler  als  an  der  PoststraBe,  wro  im  Hangenden  des  Eisten- 
gneises  von  den  zwei  Dolomitlagen  gar  nichts  zu  beobachten  ist. 
Das  macht  es  wahrscheinlich,  wras  ja  auch  in  Fig.  5  zu  erkennen 
ist,  daB  die  Schichten  diskordant  zum  Gneis  streichen.  Der 
TunnelaufschluB  liegt  200  m  weiter  im  Osten  und  etwa  700  m 
tiefer  als  die  PoststraBe.  Am  Weg,  der  nach  Eisten  hinauffiihrt, 
findet  man  jedoch  gerade  iiber  der  in  der  Karte  eingetragenen 
Tunnellinie  eine  kleine  Partie  yon  Dolomit  aus  dem  Waldboden 
aufragen,  wodurch  diese  Diskordanz  ebenfalls  bestatigt  wird. 
TJber  die   kleine   Gneislage  im  Hangenden   des  Eistengneises 


92 


•sagt  Schardt  (Rapport  trimestriel  No.  9  voin  31.  Dez.  1900  S.  3): 
0,La  lame  cle  gneis  au  kin  3,900  est  une  intercalation  absolument 
anormale,  accompagnee  de  phenornenes  de  glissement  et  de 
lamination  indubitables.  La  premiere  zone  dolomitique  passe 
au  gneis  par  un  plan  de  glissement  marque  par  de  la  dolomite 
pulverulente.  Le  contact  avec  le  calcaire  sousjacent  est 
cependant  plus  normal,  en  apparence  du  moins,  car  le  passage 
se  fait  par  un  micaschiste  tres  lamine.  Cette  deuxieme  zone 
de  calcaire  dolomitique  presente  dans  ses  couches  de  nombreux 
contournements  et  des  plans  de  glissement;  le  contact  avec 
le  gneis,  qui  se  fait  par  l'intermediaire  d'un  lit  de 
micaschiste,  est  franchement  discordant.  Cette  repeti- 
tion de  zones  dolomitiques  et  de  gneis  est  peut-etre  due  a  des 
ecailles,  peut-etre  aussi  a  des  replis  ecrases."  Besonderen 
Wert  lege  ich  auf  die  von  mir  gesperrt  gedruckte  Stelle  des 
Berichtes,  weil  der  Yerfasser  damit  ausdriicklich  eine  Tatsache 
festgestellt  hat,  die  ihm  unerwartet  kam.  Das  Normale  ware 
fiir  ihn  die  Konkordanz  zwischen  dem  nach  seiner  Meinung 
alteren  aufgefalteten  Gneis  und  dem  jiingeren  Dolomit  gewesen, 
wahrend  das  Bild,  welches  sich  bot,  das  eines  schrag  durch 
die  Doloinitschichten  hindurchsetzenden  Gneisganges  war.  Er 
meint  zwar,  es  konne  dieser  Gneis  ein  Teil  des  Eistengneises 
selbst  sein,  der  durch  schuppenartige  Verschiebungen  ocler 
Ausquetschungen  von  der  Hauptmasse  abgetrennt  worden  sei, 
und  beruft  sich  auf  das  Vorhandensein  von  Gleitnachen.  Aber 
solche  Flachen  hat  er  so  viele  auch  an  anderen  Stellen  im 
Tunnel  angetroffen  und  bescbrieben,  dafi  gerade  auf  diese  hier 
kaum  ein  besonderes  Gewicht  gelegt  werden  darf,  und  zwar 
um  so  weniger,  als  er  sie  just  im  Hangenden  des  Gneises  und 
nicht  in  seinem  Liegenden  angibt,  wo  sie  doch  eigentlich  bei 
Schuppenstruktur  zu  erwarten  ware. 

Der  Tunnel  und  die  Poststrafle  bei  Eisten  haben  somit 
gezeigt,  daB  der  Kontakt  zwischen  Gneis  und  den  Kalksedimenten 
nicht  fiir  ein  hoheres  Alter  des  Gneises  spricht,  und  daB  die 
Einschliisse  von  kleinen  Gneispartien  in  den  Kalkgesteinen  am 
besten  durch  Injektionen  erklart  werden  konnen,  die  von  den 
Gneisen  ausgingen.  Damit  stimmt  auch  vollkommen  die  Tat- 
sache liberein,  dafi  die  Kalksedimente  am  Kontakt  sehr  hoch 
krystallin  sind  und  jedenfalls  in  hoherem  Mafie  umgewandelt 
sind  als  die  Kalkgesteine  weiter  im  Norden.  Desgleichen  sind 
diejenigen  zwischen  dem  Eisten-  und  dem  Gantergneis  stark 
umgewandelt,  und  ebenso  die,  welche  bei  der  Ganterbriicke  im 
Liegenden  des  Gantergneises  gut  aufgeschlossen  sind.  Sie 
bestehen  dort  aus  zuckerkornigen  Marmorbanken,  die  mit  biotit- 


93 


und  granatreiehen  Kalkschiefern  wechsellagern  imd  als  eine 
iiber  100  m  machtige  Zone  zwischeu  deni  Gantergneis  und  dem 
sogenannten  Berisalgneis  liegen.  Da  aber  letzterer  an  der 
PoststraBe  durch  Schutt  und  Moriinen  yerdeckt  ist,  wild  es 
notig.  eine  geeignetere  StelJe  aufzusuchen,  um  diesen  Kontakt 
zu  studieren.  Ini  Tunnel  ist  jener  Kalkzug  im  Liegenden  des 
Gantergneises  ebenfalls  durchfahren  worden.  er  hat  dort  aber 
nur  eine  Machtigkeit  von  16  m,  was  sehr  auffallig  ist.  und 
grenzt  unmittelbar  an  granatfiihrende  sericitische  Gliinmerschiefer 
des  „Berisalgneises"'.    Ich  komme  darauf  im  tektonischen  Teile 


Fig.  6. 

Ansicht  des  Rundhockers  siidwestlich  neben  den  Hiitten  der  Steinen-Alp. 
Verbogener    Glimmerschiefer    bildet    die   Oberfliiche   und    die  Basis 
desselben.    Ein  Gang  von  Gneisgranit  setzt  hindurch,  dessen  oberer 
Kontakt  mit  dem  Schiefer  uberwachsen  ist. 

zuriick  und  begniige  mich  zunachst  mit  der  F  e  st  stel  lun  g, 
daB  die  Kalksedimente  vom  Schallbergbis  zur  Ganter- 
briicke  fiir  eine  stratigraphisch  e  Abtrennung  von  den 
nordlich  angrenzenden  Kalkschiefern  zwei  Merkmale 
geliefert  haben,  namlich  das  Yorkommen  yon  machtigen 
Dolomitlagern  und  das  Vorherrschen  dickbankiger 
Kalklager  in  den  Schiefern,  mit  denen  zusammen  im 
Simpl  ontunnel  auch  Anhydrit  angetroffen  worden  ist. 

Ein  lehrreiches  Querprofil  bietet  der  Weg  you  der  Steinen- 
Alp  uber  den  Saurerriick  nach  dem  oberen  SckieBbach.  Von 
Berisal  fiihrt  der  Weg  zunacht  uber  einen  Steg,  der  den  oberen 
Ganterbach  uberbriickt,  zur  Steinen-Alp.  Man  triflt  da  stark 
gewun'dene  gebanderte  Hornblendeschiefer,  die  mit  einem 
granitartigen  Gneis  vergesellsehaftet  sind.  Letzterer  tritt  weiter 
oben  an  dem  Zickzackweg.  der  zur  Alp  kerauffuhrt,  mit  granat- 
reichem  kalkfreien  Quarzglimmerschiefer  in  Verbindung,  und 
bei  den  Alphiitten  sieht  man  sehr  deutlich,  wie  der  Gneisgranit 
gangformig  den  Schiefer  durchsetzt.  Am  Sudgehange  des 
Saurerriick  wird  dieser  Glimmerschiefer,  der  helle  Quarzitlager 


94 


einsckHeBt.  toil  den  kalkigen  Schiefern  iiberlagert.  Leider  ist 
die    unmittelbare   Auflagerung    durck    Gekangsckutt  verdeckt. 

Beide  Schiefer  fallen  in  den  Berg  ein:  und  eine  Diskordanz 
ist,  wenn  sie  iiberkaupt  existiert,  nicht  zu  beackten.  Die 
Kalksckiefer  enthalten  einzelne  granatreicke  Einlagerungen,  und 
weiter  oben  sckaltet  sick  ein  wenig  maektiger  Griinsckiefer  in 
dieselben  ein.  Diese  Zone  yon  Kalksedimenten  kat  ungefakr 
die  gleiche  Macktigkeit  wie  die  liber  1  km  entfernte  an  der 
Ganterbriicke  sicktbare.  und  beide  steken  auek  niiteinander  in 
direkter  Yerbindung.  Dock  muB  man  im  Auge  bebalten,  daB 
an  der  Ganterbriicke  zuckerkornige  Marmorlager  eine  groBere 
Rolle  spielen  und  daB  der  Griinsckiefer  feklt.  Am  Saurerriick 
liegt  uber  diesem  Kalksckiefer  ebenfalls  der  Gantergneis,  aber 
der  Kontakt  ist  versckiittet.  Der  Gneis  ist  zunachst  feinkornig, 
aber  bald  nimmt  er  den  Ckarakter  eines  sckonen  Augengneises 
an,  der  in  diinne  Platten  abgesondert  ist,  die  steil  nack  Nordwest 
einfallen.  Wo  der  FuBweg  den  SckieBback  erreickt,  kort  der 
Gneis  auf.  und  man  siekt,  wie  er  unmittelbar  A^on  Kalksckiefern 
iiberlagert  Avird.  die  ziemlick  steil  nack  NW  einfallen  und  mit 
mekreren  zuckerkornioen  Marmorbanken  wecksellagern.  Uber 
iknen  folgt  der  Eistengneis  und  auf  diesen  ein  Dolomitlager 
und  dann  Kalkschiefer,  die  einige  ganz  sckwacke  Prasinitlager 
einscklieBen.  Aknlick  wie  bei  Eisten  gewakrt  man  auck  kier 
mekrere  Gneislamellen  im  Kalksckiefer  eino-esckaltet,  nur  mit 
dem  Entersckied,  daB  sie  bei  Eisten  im  Hangenden^  kier  aber 
im  Liegenden  des  Gneises  auftreten.  Sie  sind  nur  bis  etwa 
drei  Zoll  macktig.  und  jeder  Yersuck,  sie  fur  ausgequetsckte 
Gneisfalten  zu  erklaren,  muB  kier  yersagen.  Da  die  eingekende 
Beschreibung  dieses  Platzes  Herr  Arndt  iibernommen  kat,  so 
will  ick  auf  eine  genauere  Sckilderung  desselben  nickt  eingeken 
und  nur  bemerken.  daB  mir  diese  Stelle  sckon  1908  als  ent- 
sckeidend  fur  .  das  jiingere  Alter  des  Gneises  und  fiir  die 
Beurteilung  der  Stratigrapkie  erscbienen  ist. 

Denn  sobald  man  erkannt  hat,  daB  der  Ganter-  und  Eisten- 
gneis Intrusionsmassen  sind,  dann  stekt  nickts  mekr  im  AYege, 
die  Kalksckiefer  der  sogenannten  Ganter-  und  der  Eistenmulde 
mit  den  den  Eistengneis  unmittelbar  iiberlagernden  Sckiefern 
als  eine  einkeitliche  Sckicktenserie  aufzufassen,  die  durck  die 
wiederkolten  Einlagerungen  yon  Dolomit,  Ankydrit  und  Gips 
sowie  durck  die  Hiiufigkeit  dickbankiger  Kalksteine  ckarakte- 
risiert  ist,  und  die  sick  dadurck  in  einen  auftalligen  Gegensatz 
zu  den  Kalksckiefern  setzt,  die  wir  bei  Brig  kaben  kennen 
gelernt.  ^lan  kunnte  deskalb  yersuckt  sein,  in  jenen,  als  den 
alteren,  Yertreter  der  Trias  und  in  diesen  des  Lias  zu  seken, 


95 


und  in  der  Tat  sprechen  far  eine  solche  Annahme  sehr  viele 
Wahrscheinlichkeitsgrunde.  Aber  weiter  geht  die  GewiBheit 
nicht,  und  insbesondere  maclit  sich  der  Mangel  zuverlassiger 
Merkmale  fiihlbar,  wenn  man  versucht,  die  Grenzen  zwischen 
den  so  umschriebenen  Trias-  und  Liassedimenten  kartographisch 
gen  an  festzulegen.  Solange  die  entscheidenden  Leitfossilien 
fehlen,  wird  es  uns  nicht  gelingen,  den  triasischen  von  dem 
jurassischen  Anteil  clieser  Kalksedimente  abzugrenzen,  und  der 
auf  der  Simplonkarte  dahin  zielende  Versuch  ist  als  rnifigliickt 
zu  bezeichnen. 

Wenn  wir  die  Machtigkeit  der  Schichten  von  triasischem 
Charakter  zusammenrechnen,  welch e  irn  Tunnel  zwischen  Km  3 
und  5,  abgesehen  von  den  Gneisintrusionen  und  den  spater 
zu  besprechenden  liegenden  Schiefern,  durchfahren  worden  sind, 
so  erhalten  wir  rund  200  Meter.  Im  Querprofil  der  Steinen- 
alp,  avo  so  genaue  Messungen  allerdings  nicht  moglich  sind, 
uberschreitet  die  Machtigkeit  diese  Zahl  wohl  sicher. 

Erstaunlich  ist  diese  Machtigkeit  jedoch  durchaus  nicht; 
denn  wenn  wir  den  Zug  mesozoischer  Gesteine  von  Brig  aus 
nach  Westen  verfolgen,  stellen  sich  unterhalb  Yisp  alsbald  die 
Pontiskalke  darin  ein,  die  mitsamt  den  sie  begleitenden 
Quarziten  allgemein  in  die  Trias  gestellt  werden.  Diese  Kalke 
allein  haben  an  vielen  Stellen  sicher  eine  Machtigkeit  von 
500 — 600  m,  und  wenn  man  auch  annehmen  will,  daB  sie 
muldenartig  gelagert  sind,  so  bleiben  dann  doch  noch  250  bis 
300  m  fiir  sie  iibrig.  Dieser  Kalk  ist  lange  nicht  so  stark 
metamorphosiert  wie  die  Kalke  bei  Brig,  und  in  ihm  wird  man 
vielleicht  einmal  Yersteinerungen  finden. 

Wenden  wir  uns  nun  nochmals  der  auf  S.  88  erwahnten 
Trias  im  unteren  Rhonetal  zu,  so  haben  sich  dort  Maehtig- 
keiten  von  bis  zu  800  m  ergeben,  und  die  obersten  Lagen  haben 
<eine  petrographische  Entwicklung,  die  aus  ihnen  bei  Eintritt 
einer  ahnlichen  Metamorphose  wie  der  im  Simplongebiet 
ganz  leicht  typische   schistes  lustres  hatte  erzeugen  konnen. 

Wir  kommen  also  zu  dem  Schlusse,  daB  in  dem 
Gebiete  zwischen  Brig  und  Berisal  nicht  nur  die  als  tria- 
sisch  eingetr  age  nen  Schichten,  sondern  auch  noch 
ein  guter  Teil  der  „  j  urassischen  Biindnerschief e r "  mit 
groi^erer  W ahrs cheinlichkeit  zur  Trias  als  zum  Lias 
zu  stellen  sind. 

Die  Simplonkarte  belehrt  uns,  daB  die  Kalkschichten  und 
die  eingelagerten  Gneise  von  Berisal  gegen  SW  ohne  Unter- 
brechung  bis  zur  Nanzliicke  herauf  streichen,  daB  sie  dabei 
aber  nicht  nur  ihre  Streich-,   sondern  auch  ihre  Eallrichtung 


96 


andern  und  schlieBlich  an  der  Nanzliicke  flach  nach  Siiden  ein- 
fallen,  so  daB  sie  dort  nicht  mehr  die  Berisalgneise  iiberlagern, 
sondern  unter  dieselben  einschieBen.  Zugleich  schiebt  sich  da- 
zwischen  ein  schmaler  Zug  yon  carbonischen  Schiefern  sowie 
audi  von  Prasinit  und  Serpentin  ein.  Die  Trias  hingegen 
fehlt  dort  ganz  und  erscheint  erst  weiter  im  Norden  zwischen 
den  jurassischen  Kalken  und  dem  Gantergneis.  Hierin  sehen 
die  Verfasser  der  Karte,  wie  icb  auf  Seite  81  bereits  erwahnt 
babe,  einen  Hinweis  darauf  daB  das  Jurarneer  iiber  die  TJfer 
des  Triasrneeres  transgredierte.  Icbhabe  diese  Stelle  voinSimplon- 
paB  aus  im  September  1908  besucht,  die  Yerhaltnisse  aber 
auders  gefuuden.  Der  Berisalgneis  ist  Lier  hauptsachlich 
Glimnierschiefer,  der  von  Gneisgangen  durchschwarmt  ist  und 
Yorherrschend  eine  Neigung  nach  NW  zeigt,  doch  will  icb  auf 
ihn  jetzt  nicht  naber  eingeben.  Am  Fui3  des  ScbieBborns  in 
in  der  Nabe  von  Wange  streicben  steil  nach  SO  geneigte  kalk- 
freie  Scbiefer  aus,  die  mir  von  den  gewohnlichen  Glimmer- 
scbiefern  im  Berisalgneisgebiet  etwas  verschieden  erschienem 
Sie  sind  mehr  verucanoartig  und  werclen  von  den  Kalkscbiefern 
und  Banken  des  siidlicben  ScbieBborngrates,  die  ebenfalls  steil 
nach  SO  einfallen,  unterlagert.  Doch  hat  es  den  Anschein,  als 
ob  zwischen  diesen  beiden  Schichtgesteinen  eine  Diskordanz  im 
Streichen  bestehe.  Der  Carbonzipfel,  welchen  die  Karte  bis 
zum  FuBweg  bei  Wange  heraufzieht,  existiert  nicht,  und  die 
einzige  Stelle,  an  der  ich  die  ruBigen,  stark  abfarbenden  Schiefer 
fand,  die  man  eben  deshalb  als  Carbon  ansprechen  kann,  lag- 
an dem  Nanzliickenbach  zwischen  Cote  2220  und  2280,  namlich 
von  dem  Knie  weg,  das  der  Bach  bei  der  Umbiegung  in  die 
ostnordostliche  Bichtung  bildet,  bis  zur  Einmiindung  eines  aus  der 
Richtung  des  Rossensees  kommenden  Wasserleins.  Es  ist  ein 
glimmeriger,  grauer  miirber  Schiefer  mit  viel  Gleitflachen.  Yon 
Planzenresten  war  keine  Spur  zu  entdecken.  Die  Yerlangerung 
dieses  Carbons  auf  der  Karte  westwarts  bis  zur  Hohe  des  Ge- 
birgsgrates  kann  nicht  auf  Beobachtungen  beruhen,  weil  eine 
machtige  Seitenmoriine  alles  Anstehende  vollstandig  ATerdeckt 
und  auf  dem  Gebirgsgrat  selbst  ganz  andere  Gesteine  anstehen. 
Dahingegen  hat  die  Karte  recht,  wenn  sie  im  Norden  an  den 
nur  etwas  zu  hoch  heraufgelegten  CarbonaufschluB  direkt  Kalk- 
schiefer  angrenzen  laBt.  Was  ich  auf  dem  Gebirgsgrat  der 
Nanzliicke  gesehen  babe,  ist  auf  Eigur  7  dargestellt;  was  nach 
der  Karte  dort  zu  sehen  sein  miiBte,  ist  auf  dem  darunter- 
stehenden  Prolil  eingezeichnet.  Alle  Schichten  fallen  ganz  flach 
nach  Siiden.  Yon  Punkt  2636  bis  zur  inneren  Nanzliicke 
sind  es  recht  monotone  diinnschiefrige,  sericitische,  kalk-  imd 


97 


98 


granatenfreie  Glimmerschiefer,  durch  die  ein  vertikal  gestellter 
Serpentingang  mit  prasinitartigen  Salbandern  hindurchsetzt. 
Bei  der  inneren  Nanzliicke  sieht  man  diesen  Schiefer  sehr  deut- 
lich  von  einern  phvllitartigen  Schiefer  mit  quarzitisclien  Ein- 
lagerungen  unterlagert,  der  seinerseits  auf  Kalkschiefern  ruht, 
die  mit  marmorisierten  dickeren  Kalkbanken  wechseln  und  an 
der  hochsten  Spitze  des  Straffelgrates  noch  eine  Kappe  von 
Glimmerschiefer  tragen.  An  der  aufleren  Nanzliicke  stellen 
sich  unter  dem  Kalkschiefer  dickere  Banke  eines  etwas  sandigen 
Marmors  und  zuletzt  ein  paar  Meter  eines  rauhwackenartig  an- 
witternden  Marmors  ein,  der  unmittelbar  auf  einer  feinkornigen 
Yarietat  des  Granitgneises  ruht.  Im  Gegensatz  zur  Berisaler 
Gegend  liegen  also  hier  die  Sedimente  vollstandig  verkehrt, 
die  palaozoischen  Glimmerschiefer  zu  oberst,  die  Kalksteine, 
die  vielleicht  mit  denen  bei  Eisten  gleichaltrig  sind,  darunter. 
Ihr  jurassisches  Alter  ist  nicht  zu  beweisen,  und  unter  keinen 
Umstanden  lafit  sich  aus  diesen  Aufschliissen  der  Beweis  einer 
trausgressiven  Lagerung  der  Jurasedimente  extrahieren. 

Den  Westabhang  der  Nanzliicke  habe  ich  nicht  begangen, 
und  deshalb  kann  ich  auch  keine  Angaben  iiber  den  weiteren 
Yerlauf  des  Serpentin-Diabasganges  machen,  der  nach  der  Karte 
von  Gerlach  alsbald  endet,  nach  der  Simplonkarte  hingegen 
gerade  dort  zu  ganz  eriormer  Breite  anschwillt,  sich  dann  mit 
mehrfachen  Unterbrechuugen  hiniiberzieht  ins  Yispertal,  wo  er 
an  den  Westgehangen  dieses  Tales  bis  herauf  nach  Stadlen 
bei  Zeneggen  wieder  eine  groJ3e  Machtigkeit  erlangt.  Auch  da 
sollen  nach  der  Karte  diese  Gesteine  nirgends  gangformig,  sondern 
stets  lagerformig,  nach  Art  yon  mesozoischen  ErguBgesteinen,  ^auf- 
treten.  Wir  miissen  deshalb  ihnen  und  den  sie  begieitenden  meso- 
zoischen Sedimenten  zunacht  unsere  Aufmerksamkeit  zuwenden. 

2.  Das  Mesozoicum  und  die  Griinschiefer  bei  Visp. 

Nach  der  Simplonkarte  besteht  das  Westgehange  cles 
Yispertal es  von  Yisp  aufwarts  bis  Stalden  aus  drei  nach  Norden 
iiberkippten  Mulden,  deren  Kern  aus  jurassischen  Kalkschiefern 
sowie  diesen  eingelagertem  Griinschiefer  und  Serpentin  besteht. 
Zwei  schmale,  nur  30  bis  hochstens  50  m  machtige  dolomitische 
Marmorbander  der  Trias  stellen  die  diese  Mulden  trennenden, 
langgezogenen  Gewolbekerne  dar.  Im  Siidniigel  der  siidlichsten 
Mulde  fehlt  jedoch  dieses  triasische  Glied,  und  an  seine  Stelle 
tritt  ein  schmaler  Zug  carbonischer  Schiefer,  und  dann  eine 
machtige  Masse  von  Glimmerschiefern  der  Berisalgneisgruppe, 
die  sich  weithin  ausdehut,  die  Mischabelhorner  aufbaut  und  ost- 
warts  bis  Berisal  reicht. 


99 


Den  zwei  nordlichen  dieser  Mulden  habe  ich  1908  einen 
Tag  gewidmet,  um  ein  Urteil  daruber  zu  gewinnen,  ob  die 
Grtinschiefer  hier  wirkliche  Erguflgesteine  sind,  wie  es  Preis- 
werk  1907  dargestellt  hat,  oder  ob  seine  friihere  Auffassung 
von  1904,  die  mit  meinen  Beobachtungen  an  der  Nanzliicke  in 
besserem  Einklang  steht,  nicht  doch  vielleicht  die  richtigere  war.' 

S  N 
Hohenfluh  Eich  Zen  Stadlen  Visp 


Katzhaus 


Fig.  8. 

Zwei  Profile  durch  das  linke  Talgehange  oberhalb  Visp.  1  : 25000. 
Das  obere  Profil  naeh  meinen  Aufnahmen,  das  untere  nach  Preiswerk. 

§1  Quarzglimmerschiefer,  q  Quarzit,  d  Dolomit,  y  Griinschiefer  und  Serpentin, 
k  Kalkschiefer,  s  kalkfreier  Schiefer,  F  Fahrweg. 

Yom  Visptal  auf warts  bis  Katzhaus  haben  die  glanzschiefer- 
artigen  Kalk^esteine  jene  Beschaffenheit,  welche  wie  bei  Brig 
es  unbestimmt  la6t,  ob  man  sie  zum  Lias  oder  zur  oberen  Trias 
stellen  soil.  Sie  sind  alle  gegen  Siiden  geneigt  und  werden 
oben  am  Gehange  yon  Grunschiefern  iiberlagert,  die  sich  aber, 
ehe  man  Kalkhaus  erreicht,  bis  zum  Talboden  herabsenken 
und  einen  ins  Tal  yorspringenden  Sporn  bilden.  An  diesem 
kleinen  Hiigel  sieht  man  den  Kalkschiefer  unter  den  Griin- 
schiefer einschieflen,  iiber  dem  ein  schmaler  Zug  Yon  Quarz- 
glimmerschiefer mit  sericitischen  Glimmerhauten  liegt.  Unweit 
davon  und  oberhalb  des  Hauses  ragt  aus  dem  groBen  Schutt- 
kegel  auch  noch  ein  Fels  Yon  siidwarts  einfallendem  Quarzit- 
schiefer  heraus,   der  wohl  ebenfalls  anstehen  diirfte.  Weiter 

7* 


100 


talauf  stellt  sich  dann  wieder  Grunschiefer  im  machtiger  Ent- 
wicklung  ein,  der  in  der  Hohe  mit  deni  schon  vorher  beob- 
achteten  zusainmenhangt  nnd  bis  zu  den  an  die  A  isp  vor- 
springenden  Felswanden  der  Hohenfluh  heranreicht,  wo  er  aber 
nicht,  wie  die  Karte  angibt,  von  dolomitischem  Marnior,  sondern 
yon  Kalkschiefer  iiberlagert  ist.  Kurz  vor  der  Uberlagerung 
gewahrt  man  in  dem  Griinscbiefer  einzelne  adinolartig  umge- 
wandelte  Kalkbander  eingebettet,  Yon  der  Art,  wie  sie  auchander- 


Fig.  9. 


Diabasgang  im  Kalkschiefer  am  linken  Ufer  der  Visp  zwischen  Katz- 
haus  nnd  der  Hohenfluh.    3  :  1000. 

warts  beobacbtet,  abertrotzdemnicbt  als  einGegenbevveisdafiir  an- 
geseben  Avorden  sind,  daB  der  Griinscbiefer  urspriinglicb  eine 
Tuffablagerung  gewesen  sei,  die  abwecbselnd  mit  Kalksedimenten 
abgelagert  wurde.  Gebt  man  aber  Aveiter  Yor  bis  zum  han- 
genden  Kalkschiefer,  dann  sieht  man  darin  einige  Griin- 
schiefer-Gange,  die  nicht  paralell  znr  Schieferung  Yerlaufen 
und  deshalb  wohl  als  diabasartige  Intrusionen  gedentet  werden 
miissen.  An  der  Fluh  selbst  liegt  im  Kalkschiefer  ein  Lager 
von  kalkfreiem  Schiefer,  der  teils  schwarz,  teils  hellfarbig  ist 
und  sich  talgig  anfiihlt.  Er  ist  Yon  auffallend  Yielen  und  starken 
weifien  Q.uarzknauern  und  -linsen  durchsetzt,  die  sich  am 
Kontakt  mit  dem  hangenden  Kalkschiefer  auch  in  diesem  ein- 
stellen.  Steigt  man  auf  der  Siidseite  des  Fluhfelsens  berganr 
so  erreicht  man  bald  wieder  Griinscbiefer,  der  auf  dem  Kalk- 
schiefer liegt  und  weiter  oben  in  der  Hohe  Yon  Eich  endlich 
Yon  Dolomit  iiberlagert  wird.   Dieser  Dolomit,  der  sich  von  da  als 


101 


geschlossener  Zug  nordwarts  bis  in  die  Nahe  von  Zen  Stadlen 
verfolgen  liiBt,  ist  es,  den  die  Simplonkarte  als  Gewolbesattel 
eingetragen  unci  siidwarts  herab  bis  zur  Hohenfluh  verlangert 
bat.  Letzteres  ist  sicher  niclit  richtig,  und  man  kann  ganz  leicht 
feststellen,  daB  erstens  der  Kalkschiefer  der  Hohenfluh  weder 
Dolomit  noch  Marmor  ist,  zweitens,  daB  zwischen  ihm  und  deni 
Dolomit  von  Eich  ein  miichtiger  Griinschieferzug  verlauft,  und 
drittens,  daB  der  von  Xorden  her  gegen  Eich  herabziehende 
Dolomitzug  schon  vor  Eich  endet  und  gegen  Siiden  ganz  von 
Oriinschiefer  abgeschnitten  und  eingeschlossen  wird.  AuJ3erdem 
liegt  auf  diesem  Dolomit,  kurz  ehe  er  endet,  auf  eine  kurze 
Erstreckung  von  Yielleicht  iiber  hundert  Meter,  eine  Lage  you 
Quarzgliinmerschiefer,  der  demjenigen  von  Katzhaus  sehr  ahnlich 
ist.  AVeiterhin  gegen  Norden  versehwindet  letzterer  wieder,  und 
«s  liegt  der  Griinschiefer  direkt  auf  dem  Dolomit.  liemerkens- 
wert  ist  auch  noch,  daB  der  Dolomit  da,  wo  dieser  Quarz- 
glimmerschiefer iiber  ihm  liegt,  in  seinen  obersten  Banken  kalk- 
haltig  wird.  Das  ganze  Dolomitlager  ist,  soweit  ich  es  beob- 
achten  konnte,  hochstens  50  Meter,  Yielerorts  aber  auch  minder 
machtig.  Xurdlich  you  dem  Punkt  1178,  wo  sich  der  Weg  yor 
Zeneggen  mit  dem  you  Eich  Yereint,  streicht  der  Dolomit,  der 
bis  dahin  auf  der  Ostseite  des  Weges  zutage  tritt  und  unter 
ihm  steil  abfallende  Wande  bilclet,  deren  helle  Farben  bis  nach 
Yisp  herunter  leuchten,  auf  die  Westseite  heriiber,  und  man  sieht 
am  Wege  selbst  aufgeschlossene  Kalkschiefer  unter  ihm  zuui  Vor- 
schein  kommen,  die  sich  als  Zwischenschicht  zwischen  ihn  und 
den  liegenden  Griinschiefer  einschieben.  In  letzterem  habe  ich 
keine  Serpentineinlagerungen  entclecken  konnen,  dahingegen 
stellen  sich  in  den  Griinschiefern  iiber  dem  Dolomit  alsbald 
groBere  Serpentinmassen  ein  und  dariiber  wieder  Kalkschiefer 
bis  Zen  Stadlen.  Yon  dem  oberen  Dolomit  oder  Marmorzug, 
den  die  Simplonkarte  da  ganz  breit  durchzieht,  war  nichts  zu 
sehen. 

Der  intrusive  Charakter  der  Griinschiefer  geht  aus  diesen 
Beobachtungen  klar  hervor.  Die  basische  Eruptivmasse  hat 
sich  zwischen  die  mesozoischen  Seclimente  eingeprefit,  oft  paral- 
lel zu  den  Schichtfugen,  oft  aber  auch  ist  sie  aus  diesen  Eugen 
heraus  in  andere  iibergesprungen  und  hat  dabei  die  urspriinglich 
direkt  iibereinander  liegenden  Banke  weit  auseinandergeschoben. 
Sehr  auffallend  ist  es,  dafi  die  Dolomitwande,  Yrelche  von  Aesch 
sich  am  Gehange  heraufziehen  bis  Schulmatten  (siehe  Simplon- 
karte), dort  plotzlich  enden  und  wreiter  nordwarts  nicht  mehr 
hervortreten,  daB  aber  etwa  200  m  weiter  unten  am  Gehange 
bei  Eich  die  Dolomitwand  unseres  Profiles  (Fig.  8)    gerade  da 


102 


auftritt,  wo  oben  driiber  die  andere  aufhort,  und  daB  sie  es 
ist,  welche  nord  warts  fortsetzt.  Es  scheint  wenigstens  so,  als 
ob  beide  demselben  Dolomitlager  angehorten,  das  durch  die 
sich  einzwangenden  Eruptivmassen  auseinandergeschoben  wurde. 
Durch  eine  genaue  Kartierung  der  Umgebung  von  Zeneggen 
konnte  der  wirkliche  Tatbestand  leicht  festgestellt  werden. 
Der  untere  Griinschiefer  hat  uns  ebenfalls  deutliche  Beweise 
fiir  seine  intrusive  Natur  gebracht,  und  so  steht  denn  unser 
Ergebnis  in  vollem  Einklang  mit  der  Beobachtung  an  der 
Nanzliicke,  und  wir  konnen  es  als  ziemlich  sicher  aus- 
sprechen,  daB  im  Simplongebiet  basische  Intrusionen 
in  die  vorhandenen  mesozoischen  sowie  auch  in  die 
alteren  Sedimente  stattgef unden  haben. 

Fiir  die  Altersbestimmung  der  Sedimente  dieses  eben  be- 
schriebenen  Gebietes  haben  mir  nieine  Begehungen  viel 
mehr  negative  als  positive  Ergebnisse  gebracht.  Negativ  sind 
sie  vor  allem  mit  Bezug  auf  die  Simplonkarte,  auf  der  die 
Kalkschiefer  und  Griinschiefer  in  den  Jura,  der  Marmor  und 
Dolomit  in  die  Trias  eingereiht  wurden,  wonach  sich  dann  drei 
tektonische  Mulden  ergeben  wurden.  Damit  stimmt  jedoch  der 
Quarzglimmerschiefer  und  Quarzit  beim  Katzhaus  nicht  iiberein, 
der  sogar  schon  zu  den  Berisalschiefern  gehoren  konnte,  aber 
keinesfalls  als  ein  jurassisches  Gliecl  in  die  Kalkschiefer  ein- 
gereiht werden  darf.  Auch  der  Quarzglimmerschiefer  bei  Eich, 
den  die  Simplonkarte,  wenn  auch  in  viel  zu  grofier  Ausdehnung, 
angegeben  hat,  ahnelt  sehr  gewissen  Berisalschiefern,  und  es 
konnte  andernfalls  hochstens  noch  die  Trias  fiir  ihn  in  Betracht 
kommen.  Ferner  sind  Griinschiefer  und  Serpentin  sicher  jiinger 
als  die  ganze  Sedimentserie  und  in  ihrer  Verbreitung  an  kein 
bestimmtes  Glied  dieser  Serie  gebunden. 

Auch  das  Alter  des  schwarzen,  eisenkiesreichen  Schiefers, 
der  an  derHochfluh.  unter,  beziehungsweise  zwischen  dem  gewohn- 
lichen  Kalkschiefer  liegt,  bleibt  ganz  ungewiB.  Wir  wissen  zwar, 
daB  auch  bei  Brig  und  besonders  bei  Bach  schwarze  kalkfreie 
Schiefer  im  Kalkschiefer  vorkommen,  aber  sie  konnen  doch  mit 
jenem  petrographisch  so  genau  nicht  identifiziert  werden,  daB 
ein  gleiches  Alter  zwingend  daraus  hervorginge.  Anch  dafiir, 
daB  alle  Kalkschiefer  bei  Visp  jiinger  als  der  Dolomit  sind,  ist 
ein  zuverlassiger  Beweis  nicht  zu  erbringen.  Ihre  Beziehungen 
zu  dem  Quarzglimmerschiefer  bei  -Katzhaus  sprechen  weit  eher 
dafiir,  das  mindestens  ein  Teil  derselben  alter  als  Jura,  also 
etwa  triasisch  ist. 

Ich  will  ferner  noch  darauf  aufmerksam  machen,  daB  am 
Weg,  der  von  Visp  in  rein  westlicher  Richtung  den  Berg  herauf 


103 


Each  Birchen  fiihrt,  zimiichst  zwar  Kalkschiefer  anstehen,  wie 
es  die  Siinplonkarte  angibt,  bis  zur  Hohenkurve  780;  dann 
aber  streicht  em  Quaizglimmerschiefer  iiber  den  Weg,  und 
Aveiter  herauf  bis  Punkt  992  fehlen  anstehende  Gesteine  mit 
Ausnahnie  eines  '  schmalen  Griinschieferzuges,  der  etwa  in 
840  dieter  Hohe  sichtbar  ist.  Jener  Quaizglimmerschiefer  kann 
seiner  Lage  nach  mit  demjenigen  yon  Katzhaus  ziisammenhangen. 

Bemerkenswert  ist  auch,  daB  die  Sedimente  bei  Visp  keinen 
so  hohen  Grad  yon  Metamorphose  zeigen  wie  diejenigen  im 
Gantertal  bei  Berisal.  Es  fehlen  ihnen  die  yielen  Granaten  und 
Biotite,  und  der  Marmor  ist  nicht  so  zuckerkornig  und  groB- 
krvstallinisch.  Diese  Verschiedenartigkeit  fall t  zusammen  mit 
dem  vollstiindigen  Fehlen  granitischer  Intrusionen  bei  Visp. 

3.  Die  Stratigraphie  der  Berisalschiefer. 

Als  solche  bezeichne  ich  die  yerschiedenartigen  Glimmer- 
schiefer  und  Quarzitschiefer,  yvelche  einen  wesentlichen  und  oft 
sogar  den  Hauptbestandteil  der  sogenannten  Berisalgneise  bilden. 
Sie  sind  allerdings  yon  zahlreichen  Orthogneisen  und  Ainphi- 
bolitgesteinen  lager-  und  gangformig  durchsetzt,  aber  fiir  die 
Altersbestimmung  sind  diese  als  ein  jedenfalls  jiiDgeres  Element 
nicht  ausschlaggebend.  Die  Glimmerschiefer  haben  eine  sehr 
Avechselnde  Zusammensetzung  —  Quarz  und  Glimmer  sind  die 
Hauptbestandteile.  Der  Muscovit  bildet  gewohnlich  sericitisch 
A'erfilzte  silberglanzende  Hiiute.  Daneben  sind  Granat  und  Biotit 
sehr  haung,  Hornblende  und  Chlorit  seltener.  Durch  Zunahme 
des  Quarzgehaltes  uud  Zuriicktreten  der  Glimmerhiiute  gehen 
die  Schiefer  in  Quarzite  iiber,  die  als  diinne  Lagen  oder  auch 
dickere  feste  Banke  zwischen  den  Schiefern  liegen  und  wohl 
oft  auch  kleine  Peldspatkorner  enthalten,  was  aber  bei  der 
Feinkornigkeit  des  Gesteines  im  Felde  nicht  sicher  festzustellen 
ist.  Anderseits  gehen  die  Glimmerschiefer  auch  durch  Aufnahme 
von  Feldspat  in  gneisahnliche  Gesteine  iiber,  welche  dann  A'on 
echtem  Orthogneis  im  Handstiick  nicht  immer  mit  Sicherheit 
zu  unterscheiden  sind,  und  die  vielleicht  auch  "\virklich  in  diese 
iibergehen,  insofern  als  sie  im  Kontakt  mit  solchen  yorkommen 
und  yon  ihnen  „feldspatisiert"  wurden. 

Diese  Berisalschiefer  sind  im  Simplongebiet  in  auBerordent- 
licher  Weise  yon  Granit,  Gneis  und  Amphibolit  gang-  und  lager- 
formig  durchsetzt.  Oftmals  hat  es  den  Anschein,  als  ob  diese 
Eruptiya  in  den  Schiefern  regelmaBige  konkordante  Einlagerungen 
bildeten,  wenn  es  aber  gelingt,  sie  im  Streichen  zu  yerfolgen, 
dann  kann  man  haufig  das  Durchgreifende  ihrer  Lagerung 
erkennen.   Sehr  schon  ist  dies  z.  B.  bei  der  Steinen-Alp  (siehe 


104 


Fig.  6)  zu  selien,  unci  ebenso,  wenn  man  vom  Simplon-Hotel 
aiis  in  den  Hiigelziigen  der  Hopschen-Alp  heruuiwandert.  Am 
AusfluB  des  Hopschen-Sees  Hegt  ein  kleiner  Hiigel  von  Glimmer- 


Fig.  10. 

Siidwestseite  des  Hiigels  am  Abfluft  des  Hopschensees,  westlich  vom 
Simplonhotel.   Einlagerung  von  (I)  granatfiihrendem  Gaels  im  Glimmer- 
schiefer.    1 :  170. 

scbiefer,  der  in  nordostlicher  Richtung  streicht  und  nach  NW 
einfallt.  An  dem  siidwestlicben  Ende  dieses  Hiigels  sieht  man 
ein  vier  Meter  breites  Gneislager  in  dem  Schiefer.  Folgfc  man 
diesem  auf  dem  Siidabhang  des  Hiigels,  so  gewahrt  man  bald, 


Fig.  11. 

Siidabhang  des  Hiigels  der  Fig.  10  mit  zwei  Gneiseinlagerungen,  von 
denen  der  obere  (I)  die  Fortsetzung  der  Einlagerung  auf-  der  Siid- 
westseite ist.    1  :  170. 

daB  unter  dem  liegenden  Glimmerscbiefer  ein  zweiter  Gneiszug 
erscheiot,  der  sich  alsbald  mit  dem  oberen  in  der  "Weise  vereinigt, 
wie  es  die  Figur  11  darstellt. 

Recht  beqnem  hat  die  PoststraBe  von  Berisal  bis  zu  den 
,,Kalten  "Wassern"  Beobachtungen  dieser  Art  durch  ihre  kiinst- 
lichen  Felsanschnitte  gemacht.  Fortwahrender  Wechsel  zwischen 
Glimmerschiefern  verschiedener  Art  und  Gneisen  mit  oft  schoner 
Biinderung,  besonders  wo  es  hornblendereiche  Gesteine  sind.  DaB 
es  keine  Schicht-,  sondern  Erstarrungsbanderung  ist,  kann  man 
sehr  gut  bei  Stange  97  277  sehen,  von  wo  nebenstehende  Zeiclmung 


105 


(Fig.  12)  genoiiimen  ist.  Die  Eintragungen  auf  der  Simplonkarte 
sind  hier  selir  suuimarisch  und  lassen  den  Reichtum  an  Ortho- 
gneisen,  welche  dem  Schiefer  eingelagert  sind,  nicht  erraten.  So 
wird  von  Berisal  an  langs  der  Poststrafle  bis  Ref.  IV  nur  Granat- 
glimmeTS chief er  angegeben.  Man  trifft  aber  sowohl  am  Fronbaeh 
als  insbesondere  auch  am  Durstbach  Gneise  und  fein'kornige 
Granitgneis'1,   im  Glinimerschiefer  an  und  ebenso  roten  Gneis 


Fig.  12. 

Biindergneis  bei  Stange  97277  bei  Rofugiam  IV  an  der  Simplonpo-st- 
strafie.    Die  dunkleren  Binder  fiihren  Chlorit  uod  Horablende. 

(Granit  mit  vertikaler  Banclerung)  in  der  Nalie  von  Punkt  1718, 
wo  der  anstehende  Glimmerschiefer  mit  40 — 60°  nacli  SO 
geneigt  ist.  Das  wiederholt  sich  bis  zum  Ref.  IV,  wo  Ilorn- 
blendegesteine  beginnen,  die  auf  der  Karte  richtig  angegeben 
sind,  ebenso  wie  einige  spater  folgende  Gneiseinlagerungen. 
Es  ist  allerdings  nicht  moglich,  im  MaBstab  1  :  50  000  alle 
Gneise  einzutragen,  weil  deren  zuviel  da  sind,  und  man  darf 
deshalb  der  Karte  daraus  keinen  Vorwurf  machen.  Nur  hatte 
dies  im  erlauternden  Text  deutlicher  hervorgehoben  werden 
konnen. 

Fast  iiberall,  wo  Gneisintrusionen  vorhanden  sind,  ist  der 
Glimmerschiefer  mit  Granaten  gespickt,  wo  aber  jene  fehlen, 
wie  z.  B.  an  der  Nanzliicke,  da  fehlen  auch  die  Granaten  im 
Schiefer. 


106 


Es  ist  mir  nicbt  gelungen,  irmerhalb  cler  Berisalscbiefer 
stratigrapbiscbe  Horizonte  zu  unterscbeiden.  Im  Streichen  be- 
wahren  sie  zwar  auf  groBe  Erstreckungen  eine  ziemlicbe 
Bestandigkeit,  aber  ibre  Neigung  ist  groBem  Wecbsel  unter- 
worfen.  Zwiscben  Berisal  und  Rotwald  berrscht  sudostlicbesT 
yon  da  ab  gegen  die  Kalten  Wasser  nordwestlicbes  Fallen  vor, 
und  das  bait  an  liber  den  SimplonpaB  bis  Hopscben.  Bei 
Wiinge  und  an  der  Nanzliicke  ist  die  Neigung  wieder  eine  siid- 
ostlicbe.  Es  entspricht  das  einer  muldenformigen  LagerungT 
deren  Acbse  yon  S  "W  nacb  NO  streicbt.  Aber  am  Nordrand,  wo 
die  mesozoiscben  Kalksedimente  im  Gantertal  und  bei  der 
Steinen-Alp  angrenzen,  ist  ibr  Einfallen  wieder  ein  nordlicbes7 
als  ob  an  die  Mulde  sicb  im  Norden  ein  Gewolbe  anlegte,  auf 
dessen  Nordfliigel  aucb  tatsiicblicb  die  mesozoiscben  Kalke 
aufliegen. 

Dies  ist  der  Grund,  wesbalb  man  ganz  allgemein  bisber 
angenommen  bat,  daB  die  Berisalscbiefer  alter  als  die  Trias 
sind.  Gerlach  bat  sie  bei  seinem  pracarboniscben  „jiingeren 
metamorpbiscben  Scbiefer"  untergebracbt.  C.  Schmidt  und 
Schardt  sind  geneigt,  sie  fur  arcbaiscb  zu  balten.  Wenn  man 
aber  nacb  palaontologiscben  Beweisen  gefragt  wird,  dann  muB 
man  zugeben,  daB  diese  Tollstandig  feblen,  und  zwar  nicbt  nur 
bier  im  Simplongebiet,  sondern  auf  der  ganzen  weiten  Erstreckung 
bis  zum  GroBen  St.  Bernbard.  Das  Carbon,  welcbes  im  Westen 
palaontologiscb  sicbergestellt  ist,  stebt  in  keinem  urspriinglicben 
Zusammenbang  mit  den  Berisalscbiefern,  und  die  im  Osten 
eingetragenen  scbmalen  Carbonstreifen,  die  allerdings  so  liegen, 
daB  sie  entweder  als  die  obersten  Berisalscbiefer  selbst  oder 
als  ein  dariiber  abgelagertes  Sediment  angeseben  werden  mussen, 
sind  ibreni  Alter  nacb  unbekannt.  DaB  sie  ruBig  abfarben  und 
etwas  Grapbit  entbalten,  kann  nicbt  als  ein  Altersbeweis 
gelten.  Sicber  stebt  nur  fest,  daB  an  genugend  yielen  Stellen 
die  mesozoiscben  scbistes  lustres  iiber  den  Berisalscbiefern 
liegen,  so  daB  diese  jedenfalls  alter  als  jene  sein  mlissen,  und 
daB  da,  wo  jene  wirklich  nnter  diesen  liegen,  dies  Folge 
tektoniscber  Bewegungen  sein  muB.  Ob  die  Berisalscbiefer 
palaozoiscb  oder  nocb  alter  sind,  kann  nicbt  ent- 
schieden  werden,  und  ebensowenig  ist  es  moglicb,  ver- 
schiedenalterige  Horizonte  darin  aus zus cb eiden.  Fiir 
die  Bebauptung,  daB  zu  oberst  die  bellen  granatfiibrenden 
Glimmerscbiefer,  darunter  die  Ampbibolitscbiefer  und  zu  unterst 
Muscovitgneise  und  Augengneise  liigen,  babe  icb  nirgends  Be- 
lege  finden  konnen. 

Soweit  meine  Erfabrungen  reicben,  ist  die  Yerbreitung  der 


107 


Berisalschiefer  auf  der  Simplonkarte  sehr  zutreffend  angegeben. 
Recht  auffallend  ist,  dafi  dieser  Schiefer  fast  iiberall  von 
mesozoischen  Kalksedimenten  umgeben  ist,  die  ihn  von  den 
auderen  Gneisen  trennen,  und  dafi  nur  im  Siiden  bei  Gabi  und 
Zwischenbergen  dieses  trennende  Band  zwischen  ihm  und  dem 
Monte-Leonegneis  fehlt. 

4.  Der  Kontakt  zwischen  den   Berisalschiefern   und  den 
mesozoischen  Schichten. 

Die  Yerfasser  der  Karte  nehmen  eine  diskordante  Auf- 
lagenmg  au,  weil  die  mesozoischen  Schichten  nicht  iiberall  mit 
ihren  altesten,  den  triasischen  Sedimenten  liber  den  Berisal- 
schiefern liegen,  und  weil  diese  gerade  da,  wo  noch  die  Carbon- 
schiefer  vorhanden  sind,  fehlen  und  die  jurassischen  Schiefer 
das  unmittelbare  Hangende  bilden.  Es  soli  dies  eine  Trans- 
gressionserscheinung  sein.  Dal3  dies  schwer  zu  beweisen  ist, 
haben  wir  schon  gesehen,  denn  an  der  Nanzliicke  und  an 
auderen  Orten,  wo  die  Karte  Jura  eingezeichnet  hat,  ist  diese 
Altersbestiinmung  sehr  zweifelhaft.  Im  iibrigen  iiberzeugt  ein 
Blick  auf  die  Profile,  welche  den  Erlauterungen  der  Karte 
beigegeben  sind,  dafi  trotzdem  durchweg  der  Schichtverlauf 
der  pratriasischen  und  der  mesozoischen  Gesteine  als  konforni 
eingezeichnet  ist.  Dies  entspricht  auch  wirklich  den  tatsachlichen 
Yerhaltnissen.  Ich  habe  besonders  darauf  geachtet.  ob  eine 
Diskordanz  existiert,  und  gefunden,  dafi  an  yielen  Stellen,  wo 
die  Aufschlusse  sehr  gut  waren,  die  Kalksedimente  so  konform 
den  Berisalschiefern  liegen,  dafi  es  genauer  TJntersuchung  be- 
durfte,  urn  iiberhaupt  die  wirkliche  Grenze  sicher  festzulegen. 
Besonders  gut  lafit  sich  das  hinter  dem  Simplon-Hospiz  bei 
Rotelsch  feststellen.  Nur  bei  "Wange  am  Schiefihorn,  wo  Kalk 
und  Schiefer  gleicher\veise  nach  SO  einfallen,  glaubte  ich  im 
Streichen  eine  kleine  Diskordanz  daran  erkennen  zu  konnen, 
dafi  die  infolge  yon  Uberkippung  im  Hangenden  befindlichen 
Schiefer  auf  die  Kontaktflache  mit  den  Kalkschiefern  zustreichen 
und  z.  T.  an  ihr  abstofien,  was  aber  freilich  auch  Folge  der 
spateren  starken  tektonischen  Bewegungen  sein  konnte. 

Daraus  ergibt  sich,  dai3  die  Berisalschiefer  ihre  urspriing- 
lich  horizontale  Lagerung  noch  gar  nicht  oder  doch  nur  ganz 
wenig  yerloren  hatten,  als  die  jungeren  Kalksedimente  darauf 
zum  Absatz  kamen,  und  ich  schliefie  daraus  weiter,  dafi  jene 
nicht  yiel  alter  als  diese  sind.  "Waren  sie  wirklich  archaisch, 
dann  sollte  man  doch  erwarten,  dafi  sie  in  der  langen  palao- 
zoischen  Zwischenzeit  Lagerungsstorungen  erlitten  oder  min- 
destens  durch  Erosion  und  Yerwitterung  eine  mit  dem  Yerlauf 


108 


der  Scbicbtgrenzen  niclit  rnebr  ubereinstimrnende  Oberflache 
bekommen  batten.  Die  Wabrscbeinlicbkeit  spricht  des- 
balb  dafiir,  daB  die  obersten  Berisalscliiefer  ein  jung- 
palaozoiscbes  Alter  baben. 

5.  Stratigraphie  der  Kalksedimente  auf  der  Siidseite 
des  Sfmplon. 

Die  mesozoiscben  Scbicbten,  die  wir  bisber  besprocben 
baben,  liegen  alle  auf  der  Nordseite  des  Siinplon.  Sie  streicben, 
wie  dies  auf  der  Karte  sebr  deutlicb  bervortritt,  in  nordostlicber 
Ricbtung  iiber  Binn  unci  clas  Blindenhorn  als  ein  breites  Band 
bis  zum  Nufenenstock  und  in  dieser  Ricbtung  uocb  weiter  durcbs 
Bedrettota].  Am  Banborn  jedocb  zweigt  sicb  davon  ein  Ast  ab, 
der  urn  den  Gneisstock  des  Ofenborns  berumbiegt,  erst  mit 
sudlicber  unci  dann  mit  siidwestlicber  Ricbtung.  Gneise  scbalten 
sicb  weiterhin  dazwiscben  ein,  so  daB  clieser  Ast  alsbald  in 
mebrere  auseinanclergebt,  die  unter  vielfaltigen  Kriiinmungen 
das  Gebiet  im  Siiden  des  Simplon  durcbzieben.  Die  Karte 
scbeidet  aucb  bier  wie  im  Norden  den  triasischen  und  juras- 
siscben  Anteil  sowie  den  Griinscbiefer  aus,  der  bald  in  der 
Trias,  bald  im  Jura  liegt.  AuBerdein  treten  aber  nocb  andere 
Gesteine  binzu,  die  auf  der  Nordseite  gauz  oder  fast  ganz 
feblen.  Es  sind  dies  die  „granathaltigen  Glimmerpbyllite",  die 
besonders  bei  Baceno  und  Varzo  groBe  Yerbreitung  baben,  und 
die  „sericitiscben  Quarzglimmerscbiefer",  die  in  groBeren  Mengen 
in  der  Nordostecke  der  Karte  vorkomnien.  Sie  werden  beide 
in  die  Trias  gestellt.  Des  weiteren  findet  man  im  Nordostgebiet 
der  Karte  die  jurassischen  „braunen,  Cjiiarzigen  Schiefer  mit 
Biotitu.  Da  in  diesen  baufig  allerdings  kalkfreien  Gesteinen 
doch  macbtige  Marmorlager  eiugelagert  sind,  so  konnen  wir 
aucb  sie  zu  den  Kalksedimenten  zahlen. 

AVir  baben  aber  zu  untersucben,  iu^Yieweit  diesen  petro- 
grapbiscben  Gliedern  eine  stratigrapbiscbe  Bedeutung  zukommt, 
und  wollen  zuniicbst  mit  den  „Bacenoscbieferni-  beginnen,  welcbe, 
wie  eine  Insel  ringsum  yon  Gneis  eingerabmt,  mit  den 
iibrigen  mesozoiscben  Scbicbten  in  keine  unmittelbare  Be- 
riibrung  kommen. 

a)  Die  Bacenoscliiefer. 
Die  Gesteine  sind  durcbweg  bocbkrystalliniscb  und  ab- 
geseben  von  den  eingelagerten  Alarmoren  petrograpbisch  deutlicb 
yon  den  bisber  besprocbenen  mesozoiscben  Scbiefern  unter- 
scbieden.  Sie  sind  Yollstandig  frei  von  Calcit.  Die  zwei  Marmor- 
lager beben  sicb  mit  ibrem  Kalkgebalt  scbarf  yod  ibnen  ab 


109 


und  sind  petrographisch  durch  kerne  Ubergange  rnit  ihnen 
verkniipft.  Gerlach  hat  sie  cleshalb  fiir  bedeutend  alter  gehalten 
und  zur  pracarbonischen,  oberen  Abteilung  der  metamorphosen 
Schiefer  (Casannaschiefer  e.  p.)  gestellt.  Auch  Schmidt  (Eclogae  IX, 
S.  505)  war  anfangs  geneigt,  sie  fiir  palaozoisch  anzusehen,  halt 
sie  aber  jetzt  fiir  triasische  „Einklemmungenu  zwischen  den 
archaischen  Gneisen.  In  erster  Linie  war  fiir  ihn  bestimmend, 
daB  sie  von  archaischen  Gneisen  unter-  und  iiberlagert  sind, 
geradeso  wie  die  mesozoischen  Sedimente  in  seiner  Ganter- 
und  Eistenmulde.  Sodann  fand  er  den  Bacenoschiefern  ahnliche 
Gesteine  bei  Varzo,  die  dort  aber  in  engeni  Yerband  mit  Gips 
und  Rauliwacke  stehen,  und  denen  er  deslialb  ein  triasisches 
Alter  gab.  Die  Altersbestimmung  beruht  also  lediglich  auf 
petrographischen  Ahnlichkeiten,  denn  die  betreffenden  Schiefer 
von  Varzo  stehen  in  keiner  sichtbaren  Yerbindung  mit  denen 
yon  Baceno. 

In  welchem  Yerband  stehen  die  Bacenoschiefer  mit 
dem  G  n  e  i  s  ? 

Im  Antigoriotal  oberhalb  Crodo  liegt  der  Bacenoschiefer 
auf  dem  Yerampiogranit,  der  allerseits  die  Steilwande  des  hier 
kesselartig  enweiterten,  aber  tief  eingeschnittenen  Tales  der 
Toce  aufbaut.  Es  kann  ein  Zweifel  daruber  nicht  aufkommen, 
daB  dieser  Granit,  den  Gerlach  als  Crodogneis  bezeichnet  hat, 
veil  es  Stellen  gibt,  wo  er  eine  deutliche  Parallelstruktur 
zeigt,  die  Unterlage  des  Bacenoschiefers  bildet,  welche  talauf- 
warts  und  -abwarts  in  den  Boden  sich  herabsenkt  und  ver- 
schwindet.  Der  Granit  erscheint  somit  wie  in  einem  yon 
Bacenoschiefern  umrahmten  Fenster.  Leider  ist  die  un- 
mittelbare  Auflagerung  des  Schiefers  auf  dem  Granit  an  den  yon 
Moranen,  Gehangeschutt  und  Wald  bedeckten  Gehangen  meist 
verhullt,  und  ich  kenne  nur  den  einen  AufschluB  an  der  Post- 
straBe  iiber  Monpiano,  der  durch  die  Anlage  der  StraBe  ge- 
schaifen  worden,  und  der  alien  Geologen,  welche  diese  Gegend 
besucht  haben,  wohlbekannt  ist.  Ich  habe  ihn  im  Herbst 
1909  kennen  gelernt.  Die  glaciale  Erosion  hat  den  Glimmer- 
schiefer  starker  angegriffen  als  den  Granit  und  so  in  die  etwa 
80  m  hohe  Felswand  gerade  da  eine  Stufe  herausmodelliert, 
wo  der  Schiefer  dem  Granit  auf  liegt.  Bei  Anlage  der  Post- 
straJBe  hat  man  diese  Stufe  erweitert  und  im  Granit  durch 
Sprengung  frische  AufschliiBe  erzeugt,  wahrend  der  Glimmer- 
schiefer  unberuhrt  blieb,  so  claB  auch  jetzt  noch  der  schmale 
Falz  stellenweise  you  eingepreBter  Morane  erfullt  ist,  welchen 
der  diluYiale  Gletscher  gerade  an  der  Auflagerungsstelle  in  die 


110 


Wand  hineingearbeitet  hat.  Aber  man  braucht  nur  dem  Kon- 
takt  etwas  zu  folgen,  indem  man  auf  die  Granitfelsen  herauf- 
steigt,  was  keine  besonderen  Kietterkiinste  erfordert,  dann  sieht 
man  ihn  vollkommen  freigelegt.  Der  Granit  ist  frisch  bis  her- 
auf  zum  Kontakt  wie  aus  einem  GuB.  Er  ist  feinkornig  und 
hat  schwach  gneisartige  Struktur.  Quarz-  und  Aplitgange  durch- 
setzen  ihu  schnurgerade.  Audi  im  Glimmerschiefer  gibt  es  viel 
Gangquarz,  er  ist  aber  in  Form  von  Linsen  und  unregelmafiigen 
Knauern  der  Schieferuug  ziemlich  genau  parallel  angeordnet,  und 
es  steht  das  zu  der  Anordnung  der  Gangcjuarze  itn  Granit  in 


Fig.  13. 

TJberlagerung  des  Verampiosgneises  (gr)  durch  die  Bacenoschiefer  (s). 
Ungefahr  1:300. 

q  Quarzknauer,  von  denen  der  groBte  am  Granit  bis  1  Meter  breit  ist.    Bei  x 
zungenformiges  Eingreifen  des  Granites  in  den  Schiefer.  p — p  PoststraBe. 

einem  auffalligen  Gegensatz.  Der  Glimmerschiefer  selbst  ist 
vollig  krystallin  und  besteht  hauptsachlich  aus  wohlausgebil- 
•deten  Glimmerblattern  und  Quarzkornern,  Es  fehlen  ihm  jene 
-eng  yerfilzten  Glimmerhaute  des  gewohnlichen  Quarzglimmer- 
schiefers,  und  ware  nicht  die  Schichtungsbanderung  vorhandeu, 
so  konnte  man  sagen,  dafl  er  ein  granitisches  Gefiige  habe. 
Auf  den  ersten  Blick  gewinnt  man  den  Eindruck,  dafi  die 
Schichtung  der  Glimmerschiefer  mit  der  Auflagerungsflache  auf 
dem  Granit  parallel  lauft,  aber  bei  genauerem  Zusehen  gewahrt 
man,  wie  die  Figur  13  zeigt,  daJ3  eine  schwache  Diskordanz  deut- 
lich  ausgepragt  ist.  An  einer  Stelle,  wo  die  Kontaktflache  sich 
von  dem  StraBenniveau  schon  etwas  eiitfernt  hat,  greift  der  Granit 
jzungenformig  in  den  Schiefer  ein,  als  ob  er  apophysenartig  in 
ihn  eingedrungen  ware.  Beweise  dafiir,  dafi  die  Glimmerschiefer 
ursprunglich  auf  einem  viel  alteren  Granit  abge^agert  worden 
seien,  liefert  somit  dieser  AufschluB  in  keiner  Weise.  Die 
Oberflache  des  Granites  zeigt  keine  Spuren  von  Verwitteruug, 
Erosion  oder  ahnlichen  Erscheinungen  unter  dem  Glimmer- 
schiefer, und  dieser  enthalt  keine  klastischen  Granittruinmer. 
Die  eigentiimliche  Verzahnung  der  beiderlei  Gesteine  hingegen 


Ill 


spricht  fiir  die  intrusive  Natur  des  Granites  und  damit  fur  dessen 
jiingeres  Alter.  Der  Vorkampfer  fur  das  jiingere  Alter  des 
Tessiner  Gneises,  G.  Klemm  hat  1910  denselben  Eindruck  ge- 
nommen  und  in  den  Monatsber.  der  D.  Geol.  Ges.  1911  S.  468 
•daruber  eine  Mitteilung  gemacht. 

Die  Beziehungen  des  hangenden  Antigoriogneises  zu  den 
Bacenosehiefern  an  guten  Aufschliissen  zu  studieren,  ist  mir 
nicht  gelungen.  Im  Deverotal  heraufgehend  siebt  man  jedocb, 
wie  in  den  Glimmerschiefern,  die  teils  granatreich  und  voll  von 
weiBen  und  griinen  Sericithauten,  teils  stark  quarzhaltig, 
■glimnierarm  und  nur  kleine  Granatkorner  fuhrend  sind,  ein 
ziemlich  machtiges  weifies  Marmorlager  eingesclialtet  ist, 
und  daB  allesanit,  schwaeh  am  Gehange  ansteigend,  oben  an 
der  Gneisdecke  unter  spitzem  AVinkel  diskordant  abstoBen. 
(Siebe  Taf.  VIII  Fig.  4.)  Ahnlich  ist  es  auch  auf  der  Karte  einge- 
tragen.  Der  Diskordanzwinkel  ist  allerdings  nicbt  groB,  aber 
so  gestellt,  als  ob  nicbt  die  Schiefer  urspriinglich  diskordant 
auf  dem  Gneis  abgelagert  worden  und  jetzt  erst  durcb  nach- 
tragliche  Inversion  aller  Schichten  unter  den  Gneis  zu  liegen 
gekommen,  sondern  als  ob  umgekehrt  die  Schiefer  von  clem 
spater  sich  darauflegenden  Gneis  abgeschnitten  worden  waren. 

Wir  kommen  also  zu  dem  SchluB,  daB  das  jiingere  Alter 
derBacenoschie  fe  r  nicht  be  wiesen,  hinge  gen  das  jiingere 
Alter  der  Gneise  im  Hangenden  und  Liegenden  sehr 
wahrscheinlichist. 

Sind  die  B  acenoschi  efer  mit  den  Granatglimmer- 
schiefern  bei  Varzo  gleichalterig  ? 
Die  Erlauterungen  sagen  (S.  20):  „In  dem  Schiefergebiet 
von  Varzo  wurden  „granathaltige  Glimmerph)Tllite"  eng  ver- 
bunden  mit  Triasgesteinen  gefunden,  namentlich  im  Kehrt'unnel 
und  an  der  Grenze  gegen  den  aufliegenden  Antigoriogneis  im 
Cairascatal." 

Urn  mich  davon  zu  iiberzeugen,  daB  diese  Granatglimmer- 
schiefer  einen  von  den  jurassischen  Kalkschiefern  trennbaren 
Horizont  bilden,  babe  ich  beide  Gehange  des  Cairascatales  be- 
gangen.  Auf  der  rechten  Seite  dieses  Tales  fuhrt  ein  Weg 
von  der  PoststraBe  weg  iiber  Cionina  nach  Nembro,  und  die 
Karte  zeichnet  ein  Band  von  Granatglimmerschiefer  auf  diesem 
Weg  bis  Cioina  ein,  das  von  Antigoriogneis  unmittelbar  tiber- 
und  von  jurassischem  Kalkschiefer  unterlagert  ist.  Doch  schiebt 
sich  im  Siiden  ein  900  m  langer  Rauhwackenzug  und  bei  Cioina 
ein  450  m  langer  Marmorzug  zwischen  den  Granatglimmer- 
schiefer und  den  Jura  ein.    Hier  schienen  also  die  Verhaltnisse 


112 


sehr  klar  zu  liegen.  In  Wirklichkeit  fancl  icli  es  anders.  Am 
Ausgang  des  Cairascatales,  aber  noch  ini  Diveriatal,  sielit  man 
allerdings  nnter  clen  hohen  Gneiswanden  mit  15°  nach  Stiden 
geneigt  ein  gips-  imd  glimmerreiches  Rauhwackenlager  von 
geringer  Machtigkeit  ausstreichen,  aber  der  Granatglimmerschiefer 
zwischen  beiden  fehlt.  Am  Anstieg  des  Trasqueraweges  liin- 
gegen,  wo  der  Granatglimnierschiefer  zu  sehen  ist,  fehlt  die 
Rauhwacke,  und  audi  der  Glimmerschiefer  verschwindet  auf 
dem  Wege  nach  Cioina  kurz  nach  der  Abzweigung  yon  dem 
Trasquerawege  unter  der  Moranendecke.  Der  hangende  Gneis 
bildet  hoch  liber  dem  Wege  Steilfelsen,  darimter  ist  Schutt  und 
Moranenbedeckung ;  erst  wo  in  einer  Meereshohe  von  900  m  ein 
von  Fracchia  herunterkommender  WasserriB  den  Weg  kreuzt, 
stent  wieder  Glimmerschiefer  an,  schwach  in  den  Berg  fallend 
imd  noch  erheblich  hoch  am  Gehange  heranf  Felsen  bildend. 
Die  untere  Grenze  des  Antigoriogneises  ist  auf  der  Karte  hier 
also  viel  zu  tief  herab  gelegt.  Als  anstehende  Gesteine  trifft 
man  dann  erst  wieder  zwischen  Cioinafuori  und  -dentro  an 
einern  kleinen  WasserriB  in  fast  horizontaler  Lagerurig  eine 
nicht  sehr  machtige  helle  Marmorbank,  dariiber  zunachst  glimmer- 
reichen  Marmor  und  dann  Granatglimmerschiefer.  Das  ist  das 
auf  der  Karte  eingetragene  Marmorband.  Die  in  der  Cairasca- 
schlucht  darunter  liegenden  Kalkschiefer  sind  unznganglich,  und 
auch  der  dariiber  liegencle  Gneis  ist  nicht  zu  beobachten,  da 
alles  won  Moriine  bedeckt  ist.  Die  Karte  hat  hier  also  den 
Charakter  einer  abgedeckten  Karte,  und  es  lafit  sich  nicht  fest- 
stellen,  ob  sie  den  Tatsachen  Yollig  gerecht  wird. 

Giinstiger  fiir  die  Untersuchuug  erwies  sich  das  jenseitige 
Gehange,  wo  die  Kalkschiefer  yiel  hoher  am  Gehange  herauf- 
steigen.  Die  Karte  gibt  in  ihnen  eine  Granatglimmerschiefer- 
einlagerung  bei  Mauloue  und  eine  zweite  zwischen  dem  Kalk- 
schiefer und  dem  Gneis  in  der  Fresaiaschlucht  an.  Der  hangende 
Gneis  tragt  ferner  erheblich  dariiber  noch  einen  Kalkschiefer- 
zug,  der  bei  Proso  im  SO  beginnt  und  liber  die  Alp  Convalo 
bis  St.  Domenica  zieht,  somit  eine  Langserstreckung  von  6  km 
und  eine  maximal e  Machtigkeit  von  200  m  hat.  Da  er  wieder- 
um  von  machtigem  Antigoriogneis  iiberdeckt  ist,  erscheint  er 
wie  eine  groBe  Linse  in  diesem  Gneis  eingeschlossen. 

Schon  am  Saumweg,  der  von  Yarzo  nach  der  Alpe  Yeglia 
fiihrt,  hat  man  gute  Aufschliisse  der  sehr  marmorartigen  „juras- 
sischen"  Kalkschiefer,  und  man  kann  oft  Wechsellagerung  mit 
kalkfreien  granatfiihrenden  Glimmerschiefern  beobachten.  Im 
allgemeinen  haben  die  Schiefer  eine  Neigung  nach  SW,  z.  T. 
steigt    dieselbe    bis   30°,   hoher   am  Gehange    aber  wird  sie 


113 


flacher  bis  sohlig.  Das  Granatglinmierschiefer-Lager  bei  Mau- 
lone  tritt  nicht,  wie  es  die  Karte  angibt,  als  etwas  besonderes 
hervor,  weil  solche  Schiefer  sowohl  weiter  unten  als 
weiter  oben  vorkommen.  In  einer  Mereshohe  yon  ungefahr 
1300  m  legt  sicli  dann  der  Gneis  iiber  den  Schiefer.  Die  Karte 
ist  bier  ungenau  nnd  zieht  ihn  im  Maulone-Bach  yiel  zu  tief 
herab,  und  anderseits  die  Morane  iiber  die  auf  der 
topographischen  Karte  bei  Calendra  richtig  eingetragene  Fels- 
wand  zuweit  herauf.  Yon  Calendra  bis  zur  Alp  Conyalo 
bleibt  man  im  Gneis.  Die  Hiitten  dieser  Alp  liegen  auf  der 
recliten  Seite  der  Fresaia-Schlucht  und  nicht  auf  der  linken, 
wie  die  topographische Karte  irrtiimlich  angibt.  Sie  stehen  nochauf 
Gneis,  der  bis  zur  Waldgrenze  heraufgeht;  dann  erst  folgt  dar- 
iiber  grobkorniger  Marmor,  dessen  Biinke  aber  nicht  mehr  nach 
SW,  sondern  mit  10 — 15°  bergwarts  einfallen.  Die  unmittel- 
bare  Uberlagerungsflache  ist  nicht  entbloflt,  doch  besteht  kein 
Zweifel  iiber  die  Tatsache  der  tlberlagerung.  Dariiber  foigen 
dunkle  Granatglimmerschiefer  von  hochstens  50  m  Machtigkeit 
und  dann  \yieder  Gneis,  zu  unterst  biotitreich  und  feinkornig, 
nach  oben  in  Augengneis  iibergehend.  Diese  Gneiskuppe  bildet 
den  mit  1835  bezeichneten  Hiigel  der  Karte,  wo  statt  dessen 
Morane  und  Kalkschiefer  eingetragen  sind.  Der  Gneis  bildet 
nur  einen  Yorsprung  der  dahinter  etwa  400  m  hoch  aufragenden 
Gneismasse  des  Pizo  del  Balzo. 

Wir  sind  somit  hier  zu  dem  Ergebnis  gelangt,  daB  es  un- 
moglich  ist,  den  kalkfreien  Granatglimmerschiefer  als  einen 
besonderen  stratigraphischen  Horizont  yon  den  Kalkglimmer- 
schiefern  abzutrennen.  Beide  Gesteinsarten  stehen  in  inniger 
Wechsellagerung,  und  grobkornige  Marmor-Banke  sind  ihnen 
ebenfalls  eingeschaltet,  in  ihrer  hellsten  Yarietat  allerdings  stets 
in  der  Nahe  des  Gneises. 

Will  man  also  den  Quarzglimmerschiefer  als  ein  fur  die 
Trias  charakteristisches  Gestein  auffasseu,  so  muB  man  alle 
Yarzoschiefer  in  die  Trias  stellen.  Aber  dann  wird  man  erst 
recht  gewahr,  daB  die  Bacenoschiefer  als  Gauzes  genommen 
petrographisch  sich  yon  den  Yarzoschiefern  erheblich  unter- 
scheiden,  weil  ihnen  die  vielen  Kalkglimmerschiefer  fehlen,  und. 
man  kommt  so  immer  wieder  zu  dem  Ergebnis,  dafi 
keine  Tatsachenyorliegen,  welch  e  bestimmte  Hinweise 
auf  das  Altersv  erh  altnis  der  beiderlei  Schiefer- 
komplexe  zueinander  geben. 


Zeitschr.  d.  D.  Geol.  Ges.  1914. 


8 


114 


b)   Die  Giacomoschiefer. 

Welche  Stellung  nehmen  die  „braunen,  quarzigen 
Schiefer  niit  Biotit"  ein? 

Hauptsachlich  im  nordlichen  Teile  der  Karte  spielen  diese 
auf  der  Karte  rnit  einer  grauen  Farbe  besonders  ausgezeichneten 
Schiefer  eine  wichtige  Rolle.  Die  Erlauterungen  stellen  sie  in 
den  Jura  und  bemerken  dazu:  „In  einer  Zone.,  die  vom 
Bedrettotal  iiber  St.  Giacomo  nacb  der  Lebendunalp  und  der 
Alpe  Busin  ziebt,  ferner  in  einzelnen  kleinen  Teilmulden  am 
Ostabhang  des  Monte  Giove,  sowie  am  Nordrand  der  Teggiolo- 
mulde  im  Talboden  uuterhalb  der  Tosafalle  zeigen  die  Biindner- 
schiefer  allgemein  eine  quarz-  und  biotitreicbe  Ausbildung.  Sie  er- 
langen  so  das  Aussehen  von  plattigen,  meist  rot  anwitternden  fein- 
kornigen  Gneisen.  In  der  Hauptsache  besteben  diese  Gesteine 
aus  Quarz,  Kalkspat,  wenig  Plagioklas  und  reicblichem  braunen 
Glimmer.  Hornfelsartige  Typen  fehlen  auch  hier  nicht.  Als 
Porphyroblasten  treten  z.  B.  bei  Morasco  dezimeterlange  Iiorn- 
blendebiindel  auf.  Helle  ziemlich  massige  Abarten,  in  denen  der 
Glimmer  etwas  zuriicktritt,  findet  man  oberhalb  der  Tosafalle. 
Im  ATal  Toggia  und  auf  der  Gigelnalp  treten  in  dieser  Zone, 
typiscben  Triasgesteinen  benachbart,  helle  Muscovitschiefer  auf, 
die  Porphyroblasten  yon  Biotit  fiihren."  (Erl.  S.  26.  27.)  Wie 
auch  aus  seinen  Profilen  1 — 5  hervorgeht,  faGt  Schmidt  diese 
Schiefer  als  eine  besondere  Facies  der  jurassischeu  Sedimente 
auf,  die  im  Streichen  in  die  Kalkfacies  iibergehe,  und  stiizt 
auf  ihr  Angrenzen  au  triasische  Marmore,  Dolomite  und  Gips- 
lager  ihr  jurassisches  Alter.  Yersteinerungen  sind  darin  noch 
nicht  gefunden  worden.  Um  diese  „Giacomo-Schiefer",  wie  ich 
sie  der  Kiirze  halber  bezeichuen  will,  kennen  zu  lernen,  bin 
ich  yon  Crodo  das  Autigorio-  und  Formazzatal  heraufgegangen 
und  habe  vom  Tosa-Hotel  aus  Touren  ins  '.Griestal  sowie  zum 
Schwarz-  und  Kastelsee  unternommen. 

Auf  diesem  Wege  sieht  man  zuuachst,  wie  die  Baceno- 
schiefer  im  oberen  Antigoriotale  uuter  den  machtigen  Antigorio- 
gueismassen  verschwinden  und  das  Tal  dann  nur  noch  in  diesen 
Gneis  eingeschnitten  ist  bis  Tuffald  im  Formazzatal1).  Dort 


')  Das  Aatigoriotal  endet  bei  Foppiano  (870  m  iiber  Meer),  und 
seine  obere  Fortsetzung  bildet  das  Formazzatal,  dessen  Talboden  bei 
Staffehvald  1200  m  hoch  liegt.  Die  Toce  flieBt  von  dort  durch  eine 
enge  1  "2  km  lange  Schlucht,  mit  der  sie  die  iiber  300  m  hohe  Talstufe 
iiberwindet,  ins  Antigoriotal  herab.  Die  untere  Halfte  der  Selilacht 
ist  in  den  Gneis  eingeschnitten,  in  der  oberen  H'ilfte  hat  sich  der  FlnB 
seinen  Weg  dutch  eine  gewaltige  Bergstarzmasse  gebahnt,  die  aus  dem 


J 15 



koinrnen  imter  dem  Gneis,  weil  er  an  beiden  Talgehangen 
gegen  Norden  rasch  in  die  Hohe  steigt,  wieder  Sedimentgesteine 
zum  Vorschein.  Es  sind  aber  keine  Bacenoschiefer,  die  hier 
wieder  zu  erwarten  waren.  Auf  der  linken  Talseite  stehen 
kieselige  Kalkschiefer  an,  uber  clenen  ein  inachtiges  Quarzit- 
lager  liegt.  Auf  der  rechten  Talseite  hingegen  steht  ein  heller 
Doloinitmarmor  voll  von  Phlogopit,  Skapolith  und  Tremolit  an. 
Solche  Gesteine  sind  den  Bacenoschiefern  fremd.  Weiter  tal- 
aufwarts  bei  Gurf  oder  Crovella  wird  das  Tal  yon  einem  Fels- 
riegel  gesperrt,  der  aus  NW  einfallenden  Quarzit-  und  Glimnier- 
schiefern  gebildet  ist,  und  ein  zweiter  Riegel  von  mit  50°  nach 
NW  geneigtera,  hellem  Quarzitschiefer  sperrt  das  Tal  bei 
Unterfrutt.  Dann  folgt  der  Lebendungneis  der  143  m  hohen 
Tosawasserfallwand,  dessen  Banderung  unter  Winkeln  von  40° 
und  mehr  nach  NNW  geneigt  ist.  Der  Schiefer  verschwindet 
somit  hier  unter  dem  Lebendungneis  und  nicht,  wie  man  er- 
warten sollte,  wieder  unter  dem  Antigorio.  Da  Herr  Arndt 
die  interessanten  Kontaktverhaltnisse  bei  Tuffald  zu  beschreiben 
ubernommen  hat,  will  ich  darauf  hier  nicht  naher  eingehen. 

Etwa  400  m  talaufwarts  vom  Hotel  erreicht  der  Lebendun- 
gneis auf  der  linken  Talseite  bereits  sein  Ende,  und  es  folgen 
jene  Giacomoschiefer,  die  aber  von  dem  Gneis  durch  eine  Lage 
von  stellenweise  granatfuhrendem  Glimmerschiefer  und  einem 
mehrere  Meter  machtigen  Marmorlager  getrennt  sind.  Sie  fallen 
mit  40°  gegen  SO  unter  den  Gneis  ein  und  liegen  selbst  auf 
•dem  Giacomoschiefer.  Beachtenswert  ist  es,  daB  die  Banderung 
des  Gneises  entgegengesetzt  gegen  NW  einfallt,  und  nur  am 
Kontakt  mit  den  Schiefern  langs  des  Weges,  der  herauf  zur 
<jigelnalp  fiihrt,  gewahrt  man  Einfallen  nach  S. 

Der  Giacomoschiefer  baut  nicht  nur  den  Riegel  auf,  der 
den  Talboden  von  Oberfrutt  von  dem  Kehrbachi  trennt,  sondern 
audi  den  ganzen  Hohenzug,  der  vom  Rotebalmhorn  sich  gegen 
Kehrbachi  herabzieht.  An  der  Briicke  unterhalb  Kehrbachi 
liegen  mitten  im  Tal  drei  kleine  Hiigel,  der  links  von  der  Toce 
ist  auf  der  topographischen  Karte  nicht  eingetragen.  Auch  er 
besteht  aus  SO  fallendem  Schiefer,  dem  aber  im  Hangenden 
noch  eine  Lage  von  Kalkschiefer  aufgesetzt  ist.  Ahnlich  wie 
bei  Oberfrutt  legen  sich  also  die  Kalksedimente  auch  hier  auf 
den   Giacomoschieferzug,   der   bis    zum   Neufelgiugraben  eine 

Tal  des  Riebbo  vom  Wandfluhmassiv  sich  herabgewiilzt  hat  bis  zur 
Geschenbriicke.  Es  ist  ein  gewaltiger  Triimmerhaufen ,  der  auf  der 
Simplonkarte  irrtiimlich  als  ansteheuder  Gneis  eingezeichnet  wurde  UDd 
ehemals  das  Formazzatal  herauf  bis  Andermatten  in  ein  Seebecken  um- 
gewandelt  haben  muB. 

8* 


116 


Breite  yon  beinahe  iy2  km  hat.  Bei  Morasclig  auf  der  linken  Tal- 
seiteliegen  dieseSchieferhingegenaufKalkschieferuninittelbarauf, 
und  yon  der  Raubwacke,  die  in  der  Karte  hier  eingetragen  ist, 
fehlt  jede  Spur.  Sie  stent  aber  irn  Neufelgiugraben  an  dessen 
rechtein  Gehange  an  nnd  scbiebt  sich  bier  zwiscben  den 
Giacomoscbiefer  und  den  Kalkscbiefer  des  Banbornes  ein.  Das 
Gelande  ist  freilich  stark  yerschiittet,  und  es  ist  desbalb  der 
Kontakt  der  Raubwacke  sowohl  mit  den  bangenden  wie  aucb 
den  liegenden  Scbiefern  unsichtbar.  Wo  der  Griesbacbweg  in 
Serpentinen  die  bintere,  fast  200  m  bobe  Welscbenbieler  Tal- 
stufe  herauffiihrt,  steben  mit  steiler  Neigung  nacb  SO  und  zu- 


Fig.  14. 

Profil  durcb  das  linke  Gehange  des  Griestales.  1:36000. 

gn  Lebendun-Gneis,  d  Dolomit  in  Wechsellagerung  mit  Marmor  und  Schiefer, 
k  glimmerreiche,  z.  T.  granitfiihrende  Kalkscbiefer.  g  Giacomoschiefer. 


letztganz  seiger  ersteineMarmorbank,  dannniebrereDolornitbanke 
an,  die  durcb  Gips  und  Scbiefer  yoneinander  getrennt  sind. 
Danach  folgen  granatreicbe  Kalkscbiefer  und  nacb  der  Simplon- 
karte  wiirden  irn  Bettelmatter  Talboden  nocb  mebrere  Rauh- 
wackenziige  sicb  einscbalten,  bis  zu  denen  icb  aber  wegen  ein- 
brecbender  Dunkelbeit  nicht  mebr  yordringen  konnte.  Die 
Kartierung  an  den  Welscbenbieler  Weg-Serpentinen  stimnit  nur 
im  allgemeinen  rnit  rneinen  Beobacbtungen. 

Die  Giacomoscbiefer  sind  somit  yon  Kalkschiefern  im 
Norden  unter-  und  im  Siiden  iiberlagert.  Die  nordlicben  Kalk- 
scbiefer entbalten  im  Liegenden  eine  ungefabr  400  m  breite 
Dolomit-  und  Gipszone,  und  wenn  man  diese  als  Vertreter  der 
Trias  ansiebt,  dann  geboren  die  bangenden  Kalkscbiefer  ent- 
weder  aucb  nocb  als  obertriasiscbe  Scbicbten  bierzu  oder  scbon 
zum  Jura.  Die  Giacomoscbiefer  konnten  somit  als  nocb  jiingere 
Yertreter  des  Jura  aufgefaBt  werden.  Gegen  Siiden  sind  sie  you 
Kalkscbiefern  iiberlagert,  die  aber  nicbt  nur  die  scbon  erwabnte 
Marmorbank,  sondern,  wenn  man  ibnen  im  Streicben  gegen  den 
GiacomopaB  folgt,  auch  mebrere  Dolomitbanke  und  ein  Gipslager 
einscblieBen,  so  daB  sie  ebenfalls  als  triasiscb  gelten  konnen. 


117 


Wenn  also  das  Griestalprofil  als  erne  nacb  Norden  iiber- 
gekippte  Mulde  gedeutet  wird,  dann  liegen  die  Giacomo- 
schiefer  als  Jiingstes  im  Muldenkern  unci  konnten 
entweder  noch  jiinger  als  Lias  sein  oder  diesen  als 
eine  besondere  Facies  vertreten.  Spuren  einer  Diskordanz 
zwischen  ihnen  unci  den  Kalkscbiefern  habe  ich  nicbt  wabr- 
nebnien  konnen,  und  so  ist  es  zunachst  recbt  wabrscbeinlicb, 
clafi  sie  nocb  der  Juraformation  angehoren.  Aber  Sicherheit 
besteht  dariiber  nicht. 


nw  SO 


Fig.  15. 

Felsriff  oberhalb   des  Giacomoweges  in  2010  m  Meereshohe,   500  m 
westlich  von  K  des  Wortes  Kastelsee. 

Im  Kalkglimmerschiefer  Hegt  1  m  Gips  (y)  mit  glimmerigen  Zwischenlagen. 
Die  Dolomitbanke  (dl  und  d2;  sind  je  1,5m  machtig. 

Im  Formazzatal  bei  Unterfrut  und  am  Westufer  des  Kastel- 
sees  gibt  die  Karte  isolierte,  aber  groBere  Partien  abnlicber 
Scbiefer  an.  Was  sie  yon  den  ecbten  Giacomoscbiefern  zu 
unterscbeiden  scbeint,  ist  ihre  enge  Yerknupfung  und  Wecbsel- 
lagerung  mit  Kalkscbiefern  sowie  ibre  meist  helle  Farbe,  wo- 
durcb  sie  petrograpbisch  sicb  anderen  Quarziten  sebr  nabern, 
die  im  Gebiet  der .Bedrettomulde  nicbt  allzuselten  den  liasiscben 
Kalkschiefern  eingelagert  sind.  £s  liegen  somit  keine  zwingenden 
Griinde  vor,  sie  stratigrapbiscb  mit  den  Giacomoscbiefern  zu 
vereinigen. 

c)  Die  hellen  quarzitischen  Schiefer  mit  Sericit. 
Diese    oftmals    aucb    granatfiihrenden    Gesteine  rechnet 
die  Karte  zur  Trias.    Ibre  Hauptverbreitung  liegt  im  Nordosten 
des  Kartenblattes.    Kleinere  Yorkommen  sind,  mit  Ausnahme 
einiger  Partien  im  Binnental,  am  Gipfel  des  Teggiolo  und  bei 


118 


"Visp,  nicht  eingetragen  worden.  Tatsachlich  sind  sie  an  vielen 
Stellen  anzutreffen,  aber  gewohnlich  in  so  enger  Yerkniipfung 
mit  Marmor  und  Dolomitlagern,  dafi  selbstverstandlich  eine 
Eintragung  auf  der  Karte  ausgeschlossen  ist.  Die  Erlauterungen 
machen  mit  Recht  darauf  aufmerksain,  daB  ahnliche  Gesteine 
auch  in  den  „jurassischen"  Kalkschiefern  zu  finden  sind  und  es 
fiir  einzelne  Yorkommnisse  schwer  ist,  eine  Altersentscheidung 
zu  treffen. 

In  der  Nordostecke  der  Karte  habe  ich  diese  Gesteine  am 
Schwarzsee  nnd  Kastelsee  kennen  gelernt,  wo  sie  eine  grofle 
Yerbreitung  haben.  Bei  der  Gigelnalp  und  am  Schwarzsee 
liegen  sie  auf  dem  Gneis.  Es  ist,  da  beide  ahnliche  Farben 
haben,  nicht  leicht,  die  Grenzlinie  zwischen  ihnen  aufzufinden, 
und  sie  verlauft  tatsachlich  anders,  als  die  Karte  sie  angibt. 
Die  Hauser  der  Alp  stehen  noch  ganz  auf  Lebendungneis,  und 
erst  etwa  80 — 100  m  weiter  oben  am  Gehange  des  Gigelnalp- 
berges,  der  dem  Gigelnhorn  gegeniiberliegt,  wird  dieser  von 
Quarzit  iiberlagert,  der  jedoch  mitsamt  den  ihn  begleitenden 
anderen  Schiefergesteinen  nur  eine  Machtigkeit  von  etwa  40  m 
hat.  Aber  auf  dem  nach  Osten  gemachlich  ansteigenden  Berg- 
riicken  liegt  nicht  Juraschiefer,  wie  die  Karte  es  angibt,  sondern 
von  neuem  Lebendungneis  dariiber.  Das  Nordgehange  dieses 
Bergruckens,  wo  es  sich  gegen  den  Gigelnbach1)  herabsenkt, 
laBt  ein  gutes  Profil  beobachten,  von  oben  nach  unten  (Fig.  16),: 

flach  nach  Sud  geneigter  Gneis, 
heller  quarzitischer  Schiefer  (4  m), 
gelber  Kalkschiefer  (1  m), 

granatfiihrender  dunkler  Glimmerschiefer  zu  unterst,  mit 

Hornblende-Garben, 

Marmorlager, 

Dolomitlager, 

Marmorlager, 

Kalkglimmerschiefer. 

Das  Siidgehange  des  Gigelnalpriickens  besteht  fast  ganz 
aus  Gneis,  denn  der  Schieferzug  ob  der  Gigelnalp  keilt  sich 
ungefahr  an  dem  kleinen  in  2350  m  Hohe  liegenden  See  aus. 
Aber  hart  iiber  dem  Seealpbach  bei  2600  m  Hohe  ist  als- 
Erosionsrest  eine  Kappe  von  Schiefer  auf  dem  Gneis  erhalten 
geblieben,  die  urspriinglich  jedenfalls  mit  der  groBeren  Schiefer- 

J)  Der  Gigelnbach  ist  auf  der  Karte  nur  im  Oberlauf  richtig  ein- 
getragen. Bei  ch  des  Wortes  Gigelnbach  biegt"  er  nach  SW  um  un&! 
lauft  durch  eine  enge  Felsschlucht  in  den  Bach,  der  auf  der  Karte 
keinen  Namen  fiihrt,  aber  von  den  Hausern  der  Gigelnalp  herabkommt. 


119 


decke  am  Schwarzsee  imd  Talihorn  zusammeugehangen  hat. 
Das  Felsbecken  des  Schwarzsees  ist  nicht  in  Gneis,  sondern  in 
Quarzit  eiugesenkt,  der  iiber  dem  Gneis  liegt.  Die  flach 
mu  1  den  form  ig  verbogene  Schieferkappe  des  2515-m-H6henriickens 
besteht  zu  unterst  aus  machtigen  hellen  Quarziten,  dariiber 
liegt  Granatglimmerschiefer,  dann  quarzitischer  Glimmerschiefer, 
dariiber  1  m  gelber  Marmor,  und  zuletzt  das  Ganze  kroneud 
wieder  Granatglimmerschiefer.  Die  Quarzitschiefer  iiber  der 
Gigelnalp  ziehen  ohne  Unterbrechnng  nordwarts  iiber  den 
Gigelnbach  auf  den  Felskamm,  welcher  den  Kastelsee  auf  der 


Fig.  16. 

Profil  in  Abstieg  voin  Gigelnalpberg  zum  Kastelsee. 

gs  Gneis,  q  heller  Quarzit  (4  m),  k  gelber  Kalkschiefer  (1  m),  gl  granatfiihrender 
dunkler  Glimmerschiefer,  m  Marmor,  d  Dolomit,  ks  Kalkglimmerschiefer. 

Westseite  begrenzt.  Die  Schiefer  fallen  wenig  steil  nach  OSO 
ein.  Der  helle  biotitfiihrende  Quarzit  liegt  auf  dem  Gneis,  der 
die  Steilwande  gegen  das  Toggiatal  aufbaut  und  seine  Ab- 
grenzung  Yon  diesem  erfordert  Sorgfalt.  Er  wechsellagert  aber 
mit  Kalkschiefer,  der  zu  oberst  auf  dem  Grat  erheblich  zu- 
nimmt.  Am  FuBe  der  Gneiswande  ragen  aus  dem  stark  uber- 
schiitteten  Gehlinge,  yon  dem  sich  der  Weg  yon  Oberfrutt  zum 
S.-Giacomo-PaB  heraufzieht,  einzelne  grofiere  Felspartien  herYOr, 
die  aus  Granatglimmerschiefer,  Kalkglimmerschiefer,  Dolomit 
und  Gips  bestehen  und  schwach  in  den  Berg,  also  unter  dem 
Gneis  einschiefien.  Diese  am  Gigelnbach  etwa  400  m  hohen 
Gneiswande  nehmen  gegen  Norden  rasch  an  Machtigkeit  ab, 
und  kurz  Yor  den  Hiitten  „Im  Moos"  keilt  der  Gneiszug 
zYvischen  den  liegenden  und  hangenden  Schiefern  ganz  aus,  in 
die  er  also  wie  eine  Zunge  hineingreift.  Man  kann  an  ein  en 
liegenden  Sattel  denken,  dessen  Gneiskern  in  den  Berg  hinein- 
streicht.  Aber  weder  im  Gneis  noch  im  Schiefer  ist  Yon  einer 
sattelformigen  TJmbiegung  etwas  zu  sehen.  Auf  der  Karte  ist 
diese  Gneifizunge  um  etwa  700  m  zu  kurz  eingezeichnet.  Viel- 
leicht  setzt  sie  noch  weiter  fort,  doch  die  gewaltigen  Schutt- 
massen,  welche  die  Talstufe  Kastel-Fischsee  bedecken,  Yerhindern 


120 


jede  weitere  Beobachtung1).  Ein  kleiner  Gneisgang  erscheint 
am  S.-Giacoino-Weg  etwa  200  ni  von  den  Hausern  „Ini  Moos" 
entfernt  inniitten  der  liegenden  Schiefer.  Er  gehort  wohl  einer 
kleinen  Gneisapophyse  an.  Herr  Arndt  wird  sie  eingehender 
schild'ern. 

Die  stratigraphisch  enge  Yerkniipfung  dieser 
hellen  Quarzite  mit  den  Doloniiten  ist  klar,  und 
wenn  diese  triasisch  sind,  dann  gehoren  auch  die 
Qu  arzitschiefer  zur  Trias. 

d)  Die  sonstigen  Kalksedimente  auf  der  Siidseite  des  Simplon. 
AYenn  wir  von  den  schon  besproclienen  Teilen  der  Karte 
absehen  und  nur  die  Gebiete  ins  Auge  fassen,  die  unmittelbar 
siidlich  der  SimplonpaBhohe  und  des  Bergzuges  liegen,  der 
sich  von  dort  uber  das  Bortelhorn  zum  Ofenhorn  zieht,  dann 
ergibt  sich  eine  grofie  Ahnlichkeit  der  Sedimente  mit  denen 
im  Norden,  und  wie  dort  lassen  sich  die  Kalkglimmerschiefer, 
die  mit  Dolomit,  Gips  und  dickbankigen  Marmorlagern  in 
enger  Yerbinduag  stehen,  von  solchen,  die  davon  frei  sind,  im 
allgemeinen  wohl  unterscheiden,  aber  ob  damit  auch  eine 
stratigraphische  Gliederung  gewonnen  ist,  bleibt  hier  noch 
zweifelhafter  als  im  Norden.  Eine  Tatsache,  die  sich  jedem 
Besucher  dieser  Gegend  bisher  aufgedrangt  hat,  ist  die,  daB 
uber  und  unter  den  Gneisen  die  hochkrystallinen  Marmore  und 
Granatglimmerschiefer  vorwalten  und  in  grofierer  Entfernung 
von  den  Gneisen  die  Kalkpliyllite  liegen.  Die  meisten  haben 
dies  so  gedeutet,  daB  jene  Gesteine  alter  als  diese  sind,  weil 
sie  den  Gneis  fur  das  alteste  halten,  und  in  alien  den  Fallen, 
wo  Marmore  inmitten  der  vom  Gneis  entfernteren  Kalkpliyllite 
auftreten,  haben  sie  konsequenter  Weise  Einfaltung  der  alteren 
Marmore  in  die  jiingeren  Phyllite  angenommen.  So  sind  jene 
schlangenformigen  schmalen  Deckfalten  entstanclen,  welche  die 
modernen  Profile  im  Simplongebiet  auszeichnen.  Die  erforder- 
lichen  Umbiegungen  innerhalb  dieser  liegenden  Falten  sind 
zvvar  nicht  nachzuweisen,  aber  man  nahm  an,  daB  diese  groB- 
artige  Faltung  mit  einer  so  gewaltigen  Dynamometamorphose 
verbunden  gewesen  sein  miisse,  daB  dabei  die  Faltungsstmkturen 
ganz  verloren  gin  gen. 


])  Auf  der  Karte  ist  dieses  weit  ausgedehnte  Blockmeer,  das  vom 
AbfluB  des  Kastelsees  durchbrochen  ist,  als  aitere  Morane  bezeichnet. 
In  ^Wirklichkeit  ist  es  der  Schuttstrom  eines  gewaltigen  Bergsturzes, 
der  von  den  Gneiswanden  der  Fiorina,  wahrscheinlich  bei  der  Boccheta 
Val  Maggia,  einstmals  niedergegangen  ist,  und  dem  der  Kastelsee  seine 
Entotehung  verdankt. 


121 


Bedenken  sind.  dagegen  laut  geworden.  Die  krystallinischen 
Sedinientgesteine  zeigen  z.  T.  so  deutliche  Wirkungen  von  Kon- 
taktmetamorphose,  und  dies  unisomehr,  je  naher  sie  an  den 
Gneisen  liegen,  daB  es  naheliegt,  in  diesen  Gneisen  die  Ursache 
der  Umwandlung  zu  suchen.  Sie  miiBten  dann  freilich  mag- 
matisclie  Intrusionen  und  soniit  j linger  als  die*  Sediinente  sein. 
Fiir  das  Simplongebiet  haben  sich  in  diesem  Sinne  Weinschenk, 
Lindemann  und  neuerdings  auch  Klemm  ausgesprochen.  Audi 
•die  Frage,  ob  Dynamometamorphose  nnd  Kontaktmetaniorphose 
imstande  sind,  gewohnliche  Sedimente  ganz  in  der  gleichen  Weise 
umzuwandeln,  so  daB  die  Neubildungen  an  sich  die  Yer- 
schiedenartigkeit  der  bewirkenden  Krafte  nicht  erkennen  lassen, 
ist  auf  theoretischem  AVege  erortert  worden,  ohne  daB  es  bis 
jetzt  gelungen  ist,  erne  befriedigende  und  iibereinstimmende 
Antwort  zu  finden. 

Leicliter  und  schnelleristeinErgebniszuerwarten, 
wenn  man  auf  die  Frage  in  dieser  Allgenieinlieit  gar 
nicht  eingeht,  sonde r n  sich  daraufbeschrankt,  zuent- 
^cheiden,  ob  die  Gneise  im  Simplongebiet  alter  oder 
jiinger  als  die  Sedimente  sind.  Im  ersteren  Falle 
konnen  jene  ja  eine  Kontaktmetaniorphose  auf  diese 
:gar  nicht  ausgeiibt  haben,  im  letzteren  Falle  hingegen 
ware  dies  nicht  nur  moglich,  sondern  selbstverstand- 
lich.  Wir  miissen  uus  deshalb  mit  dem  Alter  der 
•Gneise  beschiiftigen. 

6.  Das  Alter  der  verschiedenen  Gneise. 

DaB  die  sogenannten  B erisalgneis e  diesen  Namen  nicht 
Terdienen,  sondern  Schiefer  sind,  die  nur  stellenweise  von  gra- 
nitischen  Intrusionen  durchsetzt  werden,  ist  allseits  anerkannt. 
Auch  darauf  habe  ich  bereits  hingewiesen,  daB  der  Eisten- 
und  der  Gantergneis  und  wahrscheinlich  auch  der  Crodogranit 
in  die  Kalksedimente  eingedrungen,  also  jiinger  wie  diese  sind, 
und  daB  die  sogenannten  Konglomerate  von  Eisten  und  Im 
.Stafel  als  solche  nicht  gelten  konnen.  Es  bleibt  also  das  Alter 
~des  Antigorio-,  Lebendun-  und  M. -Leone- Gneises  zu  untersuchen 
lib  rig. 

a)  Der  Monte -Leone-Gneis. 

Da  der  Gantergneis  nur  eine  Abzweigung  des  Leonegneises 
ist,  so  spricht  dieser  Umstand  allein  schon  auch  fiir  dessen 
intrusive  Natur.    Es  gibt  dafiir  aber  noch  weitere  Beweise. 

Im  Siiden  des  Helsenhornes  liegt  der  Monte  Moro  (2945  m), 
<dessen  Gipfelkegel  ganz  aus  Leonegneis  besteht.    An  seinem 


122 


Fig.  17. 

Am  Nordgehange  des  Paso  di  Valtendra  (M.  Moro)  1:100. 

Kontakt  des  Antigoriogneises  (gn)  mit  dem  Marmorschiefer  (m).  Die  Quarzknauer 
(q)  fiihren  Turmalin. 


s 

Fig.  18. 

Profil  durch  den 

Paso  di  Valtendra. 

1 : 1000. 

g  Antigoriogneis,  gl  granatfiihrender  Gneis,  m  marmorartiger  Kalkglimmer- 
schiefer,  k  Kalkglimmerschiefer. 


Fig.  19. 

Zu  unterst  am  NordfuB  der  Panta  Amoinciei,  oberhalb  Laghi  delle  Streghe. 
gn  Gneis,  k  Kalkschiefer,  q  quarzreiches  Kalkgestein. 


123 


NordfuB  auf  der  Hohe  des  Paso  di  Valtendra  (2347  m)  sieht 
man  ein  machtiges  Marmorlager  mit  nordlicher  Neigung  unter 
den  Gneis  verschwinden.  Der  kornige  helle  Marmor  wechsel- 
lagert  mit  glimmerigem  Marmorschiefer.  Der  Kontakt  mit 
dem  Gneis  ist  leicht  zuganglich  und  gut  aufgeschlossen.  Tur- 
malinfiihrende  Quarzknauer  stecken  langs  der  Grenz- 
flache  sowoh]  im  Gneis  als  auch  im  Marmorschiefer,  der 
in  geringer  Entfernung  vom  Kontakt  auch  einen  schmalen 
langeren  Streifen  von  Gneis  einschlieiit,  annahernd  parallel  zur 
Schichtung,  und  ein  doppelt  so  langer  Streifen  von  Schiefer 
liegt  im  Gneis.  Mit  der  Annahme  eines  archaischen  Alters  des 
Gneises  stimmt  das  nicht  uberein.  Hoher  oben  an  der  Gneis- 
wand  sieht  man  noch  einen  Streifen  dunklen  Glimmerschiefers 
im  Gneis  eingelagert.  Am  Fufi  des  Marmorlagers  kommt  dar- 
unter  ein  ungefahr  7  m  starkes  Lager  von  granatfiihrendem 
Gneis  zum  Vorschein,  wahrend  das  ansteigende  Berggehange  im 
Siiden  des  Passes  aus  Kalkschiefer  aufgebaut  ist.  Auf  der 
Simplonkarte  ist  dieser  Gneis  als  Lebendungneis  eingetragen. 
Er  soil  danach  noch  ein  gutes  Stuck  am  Gehange  heraufgehen, 
was  ich  aber  nicht  bestatigen  kann.  Mit  dem  eigentlichen 
Lebendungneis  hat  der  am  Joch  keinen  sichtbaren  Zusammen- 
hang,  es  ist  wahrscheinlich  ein  besonderer  Lagergang. 

Am  FuB  des  Nordauslaufers  des  Monte  Leone,  westlich 
von  Laghi  delle  Streghe  auf  der  Vegliaalp  liegt  der  Leonegneis 
auf  einem  quarzreichen  Kalk,  der  von  Kalkschiefern  unterlagert 
ist.  In  ihn  ist  eine  Gneisapophyse  lagerformig  von  unten  her- 
auf  eingedrungen. 

In  diesen  beiden  Fallen  gewinnt  man  den  Eindruck,  daft 
der  Gneis  junger  ist  und  sich  in  die  Kalksedimente  parallel  zu 
ihrer  Schichtung  eingedrangt  hat,  einzelne  ihrer  Lagen  auf- 
blatterte  und  sich  dazwischenschob. 

b)  Der  Lebendun-  und  Valgrande- Gneis. 
Von  den  Verfassern  der  Karte  wird  die  Hauptmasse  dieser 
Gneise  zu  den  Paragneisen  gestellt,  es  „sind  dunnschichtige, 
biotitreiche,  oft  calcitfiihrende  Gneise.  .  .  .  Charakteristisch 
fur  den  Lebendungneis  in  seiner  Gesamtheit  sind  Einlagerungen, 
die  an  Konglomerate  erinnern.  Diese  im  Durchschnitt  meist 
elliptischen  Einschlusse  werden  oft  mehrere  Dezimeter  lang. 
Sie  haufen  sich  lagenweise.  .  .  .  Ihr  Gestein  ist  aplitartig. 
Manchmal  sind  diese  gerollahnlichen  Bildungen  von  Glimmer 
flaserig  umsaumt,  manchmal  verschmelzen  sie  mit  dem  INebenge- 
stein.  .  .  .  Doch  trifft  man  auch  massige  Gesteinstypen  z.  T. 
eruptiver  Natur  ....  grobbankige  Zweiglimmergneise  und  Augen- 


124 


gneis  e,  die  gewissen  Yarietaten  von  Antigoriogneis  und  Ofenhorn- 
gneis  vergleickbar  sind.  Yerbreiteter  sind  feinkdrnige,  aplitartige 
Typen."  Manersieht  ausdieseru  Wortlaut,  daB  die  „Konglonierate", 
wie  sie  kurzer  Hand  auf  der  Karte  bezeicknet  werden,  als.solche 
•doch  recht  unsicher  sind.  GroBeren  aplitartigen  Massen  irn  Leben- 
dungneis  wird  eruptive  Natur  zugesprochen,  die  kleineren  el- 
liptischen,  aplitartigen  Massen  hingegen  werden  als  gerollahnlich 
bezeicknet.  Die  ersteren  raiiBten  dann  jedenfalls  j linger  als  die 
letzteren  sein,  wenn  deren  Gerollnatur  wirklick  bekauptet  werden 
will.  Wo  aber  kamen  diese  Gerolle  her,  warurn  besteken  sie 
-alle  okne  Ausnakme  aus  Aplit,  und  weshalb  kommen  mit  ihnen 
keine  Gerolle  von  anderen  Gesteinsarten  vor?  Wenn  sie  kin- 
gegen nur  „  gerollahnlich",  aber  keine  wirklicken  Gerolle  sincl, 
welche  Beweise  kat  man  dann  fur  die  Paragneisnatur  des  Leben- 
•dungneises?  Urn  auf  diese  Fragen  eine  Antwort  zu  finden,  kabe 
ick  rnekrere  der  Stellen  aufgesuckt,  wo  Konglornerate  in  den 
Gneisen  auf  der  Karte  eingetragen  sind.  Eine  solcke ,  leickt 
zugangliche  Stelle  liegt  bei  Cologno  im  oberen  Deverotal,  und 
ick  beschlofl,  im  September  1909  dieselbe  zu  besucken.  Als 
ick  aber  von  Crodo  aus  Goglio1)  erreickt  katte,  war  der  Weg 
nack  Cologno  wegen  Sprengarbeiten  gesperrt,  und  ick  muBte 
mick  begntigen,  die  zaklreicken  Gneisblocke  zu  untersucken,  die 
.am  Gekange  bei  Cugnesco  kerumliegen  und  von  oben  iiber  die 
steilen '  Kalkwande  kerabgesturzt  sind.  Fiir  das  Studium  der 
^Konglornerate"  erwiesen  sie  sick  als  ganz  vorziiglick.  Aplit- 
sckmitzen,  die  auf  einer  Seite  des  Gneisblockes  oft  wirklick 
•etwas  an  Gerolle  erinnerten,  stellten  sick  stets  als  diinne,  lagen- 
formige  Partien  keraus,  wenn  man  sie  bis  auf  die  andere  Seite 
verfolgte  oder  durck  Anscklagen  mit  dem  Hammer  bloBlegte. 
Ikre  Grenzen  gegen  den  Gneis  waren  allerdings  sckarf,  aber  um 
•diese  Sckmitzen  als  Gerolle  zu  erklaren,  muBte  man  eine  groB- 
artige  meckaniscke  Deformierung  derselben  zu  Hilfe  zu  nekmeu, 
von  der  jedock  weder  die  Struktur  der  Aplitmasse  nock  des 


])  Bei  den  gegeniiber  von  Goglio  auf  dem  linken  Ufer  des  Devero 
liegenden  Hausern  gibt  die  Karte  eine  kleine  Partie  von  Kalkphyllit 
nnter  einem  Marmorlager  an,  auf  dem  bei  1230  m  Meereshohe  der 
Antigoriogneis  liegen  soli.  In  Wirklichkeit  ist  davon  nichts  zu  sehen, 
da  das  ganze  GTehange  herauf  bis  zur  Hohe  von  1350  m  von  Schutt 
und  Felsblocken  bedeckt  ist.  Von  1350—1500  m  Meereshoke  stekt  der 
Gneis  an,  und  dariiber  bauen  sich  die  Steilwiinde  von  Kalkphyllit  auf, 
an  deren  SiidfuB  die  Hauser  von  Ausone  liegen.  An  der  Aufiagerungs- 
ikiche  entspringen  starke  Quellen.  Auch  der  Marmorstreifen,  der  gerade 
UDter  dem  Wort  Cugnesco  zwischen  dem  Gneis  und  dem  hangenden 
Kalkphyllit  eingezeichuet  ist,  fehlt.  Ich  halte  es  fiir  ausgeschlossen, 
-daB  die  Eintragung  auf  Beobachtung  beruht. 


I 

125 


umgebenden  Gneises  etwas  zeigt.  Ich  habe  spater  noch  ofters- 
solche  .^Conglomerate"  im  Lebendungneis  angetroffen,  aber  nie- 
mals  irgendwelche  Anhaltspunkte  fur  die  Gerollnatur  der  ap- 
litischen  Linsen  gefunden. 

Der  feingebanderte  und  biotitreiche  Lebendungneis  unter- 
scheidet  sich  von  dem  Antigorio-  und  M.-Leone-Gneis  ziemlich 
gut;  aber  ohne  scharfe  Grenzen  geht  er  sehr  haufig  in  glimmer- 
armere,  etwas  grobkornigere  und  augengneisartige  Varietaten 
iiber,  die  im  Handstiick  mit  jenen  zwei  anderen  Gneisarten 
leicht  verwechselt  werden  konnten.  Ich  stelle  ihn  deskalb 
ebenfalls  zu  den  Orthogneisen  und  habe  dafiir  auch  eine  Reihe 
anderer  Beweise,  die  ich  im  einzelnen  besprechen  will. 

Es  ist  eine  besondere  Eigentumlichkeit  des  Lebendun- 
gneises,  daB  er  haufig  nur  geringe  Machtigkeit  besitzt.  Auf  der 
Karte  zieht  er  sich  als  ein  schmales  hellrotliches  Band  in 
zahlreichen  Biegungen  zwischen  den  grofien  Massen  des  Antigo- 
rio-, Monte-  Leone-  und  Ofenhorn-  Gneises  hindurch,  welch  letztere 
mit  einer  gemeinsamen  dunkelroten  Farbe  bezeichnet  sincl. 
Zwischen  diesen  beiden  Farben  erscheinen  aber  stets  noch  gelbe 
und  blaue,  sie  trennende  Streifen,  die  im  Stiden  sehr  schmal  sind, 
gegen  NO  aber  immer  breiter  werden.  Zugleich  fallt  es  auf, 
daB  mit  diesem  Breiterwerden  auch  der  Lebendunstreifen  breiter 
und  unregelmafliger  wird.  Am  FuB  des  Monte  Camera  zweigt 
sich  ein  Seitenast  yon  ihm  ab  und  zieht  iiber  Val  Grande  nach 
dem  Pizzo  di  Yaltendra,  wo  er  zweispitzig  endet.  Der  Haupt- 
ast  lauft  hingegen  quer  durch  die  Karte  bis  an  ihren  Rand  und 
sendet  an  einigen  Stellen  noch  kurze  Auslaufer  ab.  Nach  der 
Auffassung  der  Karte  entspricht  dieses  Band  einem  groi3en,  aber 
ganz  diinnen  liegenden  Gewolbe  archaischer  Gneise,  daJ3  sich  in 
kleinere  Seitengewolbe  spaltet,  yon  denen  das  Yal- Grande -Ge- 
wolbe das  bedeutendste  ist. 

Die  Hohe  dieses  liegenden  Gewolbekernes  betragt  demnach 
mehr  als  20000  m,  seine  Dicke  30 — 400  m,  und  es  mul^te  an- 
genommen  werden,  da!3  der  in  diesen  Kern  eingefaltete  Gneis 
nur  15 — 200  m  machtig  ist,  da  er  ja  doppelt  liegt  und  unten 
und  oben  von  Trias-  und  Juraschichten  umhullt  sein  soil,  deren 
Machtigkeit  nach  der  Karte  im  Siiden  oft  50  m  nicht  erreicht, 
im  Norden  aber  erheblich  bedeutender  wird. 

Es  gilt  also  zu  untersuchen ,  in  welchem  Kontaktverhalt- 
nis  dieser  Gneis  zu  den  ihn  einschliefienden  Sedimentgesteinen 
steht. 

Ein  leicht  zuganglicher  AufschluB  liegt  am  Wege  von  Yarzo 
nach  der  Alpe  Yeglia,  da  wro  die  Cairasca  iiber  die  Felsstufe  von 
Cropalla  oberhalb  Nembro  herabschiefit.    Der  Lebendungneis 


126 


ist  am  Saumweg,  der  in  Serpentinen  ansteigt,  gut  aufgeschlossen 
und  stellenweise  erfiillt  niit  jenen  Aplitlinsen,  die  in  den  ge- 
banderten  Gneis  eingeschaltet  sind.  Sie  liegen  auch  hier  wie 
liberall,  wo  ich  sie  gesehen  babe,  nicht  nach  Art  von  Konglo- 
rnerat-bildenden  Gerollen  dicbt  aufeinander,  sondern  jedes 
fur  sicb  im  Gneis,  und  sie  sind  auch  nicht  besonders  „geroll- 
ahnlichu\  Am  Wege  sieht  man,  wie  sich  (s  1)  ein  0,5  m  breiter 
Schiefer  mit  quergestellten  Glimmerblattchen  im  Gneis  plotzlich 
einstellt,  aber  rasch  wieder  auskeilt,  es  folgt  ein  zweiter  (s  2), 
etwas  kalkhaltig,  und  ein  dritter  (s  3)  in  kurzen  Abstanden. 
Sie  keilen  alle  links  am  Gehange  herauf  aus,  ebenso  wie  ein  vierter 


Fig.  20. 

Am  Weg  von  Nembro  zur  Cap.  del  Cropalla  im  Cairascatale.    1  :  140. 

Lebendungneis  mit  Tier  Schierereinschliissen  (si -4).    Dariiber  folgt  kalkarmer 
granatfiihrender  Glimmerschiefer  (gl). 

(s  4),  liber  dem  dann  aber  die  Decke  des  kalkarmen  und  granat- 
fiihrenden  Glimmerschiefers  folgt:  jedoch  ist  die  etwa  1  m  breite 
Zone  zwischen  ihm  und  dem  vorausgegaugenen  Schieferlager 
eine  Mischung  yon  Gneis  und  Schiefermaterial  und  macht  durch- 
aus  den  Eindruck  einer  Schieferzone,  die  yon  dem  Gneis  ganz 
durchtrankt  worden  ist. 

Der  Lebendungneis  erscheint  somit  hier  als  ein 
jiingeres  Intrusivg  estein  in  den  Schiefern,  und  nicht 
als  ein  alteresarchaischesGestein,aufdemder  Schiefer 
abgesetzt  wurde. 

Uber  diesem  nicht  sehr  machtigen  Lebendungneis  lagern 
etwa  400  m  Glimmerschiefer,  die  nach  oben.  kalkreicher  werden 
und  mit  quarzitischen  Schiefern  wechsellagern.  Erst  erheblich 
weiter  oben  am  Wege  folgen  die  gewohnlichenKalkschiefer  jedoch 
auffallenderweise  mit  yerandertem  Streichen,  die  hoch  oben  von 
einem  zweiten  Gneislager  gekront  werden,  welches  die  steile  Fels- 
wand  bildet,mitder  das  eigenartigeHochtalYalgrande  gegenOsten 
abfallt.  Auf  dieser  zwei  Kilometer  breiten  und  schwach  gegen 
Westen  sich  senkenden  Gneisplatte  liegt  der  See  yon  A  vino,  und 


127 


iiber  demselben  steigen  die  1000  Meter  boben  Gneiswande  des 
Monte  Leone  auf.  Dazwiscben  komnien  am  FuB  der  Wande  an 
wenigen  Stellen  unter  dem  niacbtigen  Gebangescbutt  einige  feste 
Felsriffe  von  Dolonait  und  Scbiefer  zum  Vorschein,  die  den  Tal- 
grande-Gneis  von  dem  Leonegneis  trennen  sollen.  In  Wirk- 
licbkeit  ist  die  Sacblage  nicht  so  einfacb.  .Der  Valgrande-Gneis., 
der  das  ostlicbe  Ufer  des  Lago  d'Avino  umsiiumt,  bildet  aucb 
den  Felsriicken,  der  den  See  im  Norden  anfstaut.  Nacb  der 
Karte  endet  er  gleicb  100  m  westlicb  des  Punktes  2291,  und 
nur  durcb  eine  scbmale  Schnttzone  von  ihm  getrennt,  in  der  die 
Kalkscbiefer  zu  ervvarten  waren,  stebt  etwa  100  m  bober  am 
Gebiinge  der  Leone  -Gneis  an.  Es  ist  aber  leicht  festzustellen 
und  durcb  die  Felsarbeiten,  welcbe  die  beabsicbtigte  Stauung 
des  Sees  1911  notig  macbte,  vollstiindig  klargelegt  worden,  daB 
der  Valgrande- Gneis  sicb  vom  Pankt  2291  obne  Unterbrecbung 
aucb  um  die  Westseite  des  Sees  herumziebt  und  die  auf  der 
topograpbischen  Karte  eingezeicbnete  untere  Felsstufe  aufbaut. 
Nacb  Siiden  za  verscbwindet  diese  Stufe  stellenweise  unter 
dem  Gebangescbutt,  sie  ziebt  sicb  aber  gleicbzeitig  bober  am 
Berggebange  berauf  und  erreicbt  zwiscben  dem  binteren  Ende 
des  Sees  und  dem  Stickelgrat  eine  Hobe  von  ungefiibr  2500  m, 
wiibrend  sie  am  unteren  Seende  2100  m  nicbt  ganz  erreicbt. 

Die  Karte  gibt  westlicb  vom  binteren  Seende  eine  kleine 
Partie  triasiscber  Raubvvacke  an,  die  direkt  vom  Leonegneis 
iiberlagert  sein  soli.  Es  ist  das  aber  jener  Valgrande-Gneis 
und  die  „Trias"  gebt  nordwiirts  nicbt  iiber  den  kleinen  Wasser- 
lauf  beriiber,  sondern  kommt  nur  auf  der  Siidseite  zum  Vorscbein 
als  ein  scbmaler  Felsriicken,  der  sicb  westwarts  vom  Gebiinge 
heranfziebt.  Die  Scbicbten  baben  eine  Miicbtigkeit  von  iiber 
46  Meter,  fallen  gegen  NW  ein  und  sind  nacb  oben  und  unten 
von  Gneis  begrenzt.  Auf  der  Nordseite  dieses  Felsriffes 
bat  es  den  Anschein,  als  ob  der  Gneis  und  die  Kalk- 
scbicbten  konkordant  liigen,  auf  der  Siidseite  siebt 
man  aber  die  Grenzlinie  in  deutlicbster  Diskordanz 
zum  S  cbicbt -^erlauf.  Aucb  der  untere  Gneis  liegt 
nicbt  konform  und  sendet  sebr  deutlicb  eine  apo- 
pbysenartige  kurze  Zunge  in  die  Scbiefer.  Letztere 
besteben  aas  einer  unter  sicb  konkordanten  Reibenfolge  von 
Marmor,  Dolomit  und  Quarzitbiinken  sowie  Quarzglimmer- 
scbiefern  (Fig.  21—23). 

Das  Ganze  erscbeint  wie  eine  groBe  Secliment- 
scbolle,  die  im  Valgrande-Gneis  eingescblossen  worden 
ist.  Fur  die  Annabme  einer  muldenformigen  Einfaltung  dieser 
Kalkgesteine  zwiscben  zwei  arcbaiscbe  Gneisfalten  lassen  sicb 


128 


hier  keinerlei  Anbaltspunkte  finden,  vielniehr  spricht  alles 
dagegen. 

Der  Boden  des  Piano  d'Avino  besteht  ebenfalls  aus  Yal- 
grande-Gneis,  aber  oft  trifft  man  auf  demselben  audi  groflere 
Partien  yon  nachgelagerten  Gliinmerschiefern.  Ihre  Anwesenheit 
erklart  sich  gerade  so  wie  die  an  dem  Felsriff. 


Fig.  21. 

Nordseite  des  Felsriffes  am  SWEnde  des  Lago  d'Avino.  1 : 600. 
gn  Gneis,  d  Dolomit,  m  Marmor,  ql — 4  Quarzitlager,  gl  Glimmerschiefer. 


Der  Yalgrandegneis  zieht  sich  siidwarts  gegen  den  Monte 
Camera  und  auf  der  Ostseite  uni  denselben  beruni  nach  dem 
Pizzo  Cornacchia.  In  den  nach  Ost  gekehrten  Steilwanden  war 
es  mir  unmoglich,  die  Kalk-  und  Gneisgesteine  genau  zu  yer- 
folgen  uud  voneinander  abzntrennen.  Merkwiirdig  ist  aber, 
da6  nicht  nur  zwischen  dem  Leonegneis,  der  die  Gipfelpyramide 
des  Pizzo  Camera  aufbaut,  und  dem  Yalgrandegneis  ein  Band 
yon  Kalkgesteinen  hindurchzieht,  sondern  daB  ein  Band  auch 
mitten  in  den  Steilwanden  des  Yalgrandegneises  eingeschlossen 
erscheint. 

Der  Lebendungneis,    den  wir  vorher  am  Wege  nach  Alpe 


129 


Veglia  kennen  gelernt  haben,  soli  ebenfalls  nach  dem  Pizzo 
Cornacchia  heraufstreichlm,  urn  sich  da  init  dem  Valgrandegneis 
zu  Yereinigen.  Dabei  wird  die  400  m  dicke  Schieferlage,  die 
an  jenem  Wege  beide  Gneise  trennt,  nach  Angabe  der  Karte 
immer  schwacher  und  ist  an  der  Cornacchia  nur  noch  einige  Meter 
breit.    Diese  Schieferlage  wird  als  eine  ausgequetschte  Separat- 


Fig.  22. 

Siidseite  des  Felsriffes  der  Fig.  21.    1  :  2400. 


Fig.  23. 

SiidostfuB  desselben  Felsriffes.  1:190. 
gn  Gneis  mit  Quarzknauern  (q),  m  glimmerreicher  Marmor. 

mulde  gedeutet.  Man  kann  ihr  diinnes  Ende  sehr  gat  sehen, 
messen  und  untersuchen,  wenn  man  yon  Paso  Possette  am  Nord- 
hang  des  P.  Cornacchia  heraufsteigt. 

DieBanderung  im  Gneis  verlauft  dort  horizontal  mit  schwacher 
Neigung  gegen  Norden.  In  einer  Hobe  yon  annahernd  2400  m 
liegt  ein  im  Maximum  4  m  stark es  Kalkglimmerschieferlager 
in  diesem  Gneis;  es  ist  im  Hangenden  und  Liegenden  scharf  yon 
diesem  abgegrenzt  und  kann  in  dieser  fast  schwebenden  Lage 
einige  hundert  Meter  weit  verfolgt  werden,  bis  es  unter  Ge- 
hangschutt  Yerschwindet.  Gegen  SO  scheint  es  im  Gneis  am 
Grat  oben  aufzuhoren.     Der  Gneis  ist  zweiglimmerig  wie  der 

Zeitschr.  d.  D.  Geol.  Ges.  1914.  9 


130 


Leonegreis,  nur  viel  feinkorniger  und  glinmierreicher,  in  seiner 
Zusammensetzung  sehr  raonoton,  aber  deutlich  zur  Augengneis- 
Struktur  neigend. 

Diese  Glimmerschiefer-Einlagerung  ist  auf  der  Karte  nicht 
exakt  eingezeichnet.  Ob  ihr  Yerlauf  auf  der  Siidseite  des 
Grates  richtiger  ist,  kann  ich  nicht  sagen,  weil  ich  keine  Zeit 
hatte  hiniiberzugehen.  Aber  auf  der  Nordseite  hatte  er  als 
ein  von  NW  nach  SO  gerichteter  kleiner  Streifen  zu  er- 
scheinen.  Yon  dem  steil  nach  Norden  am  Gehange  herunter- 
steigenden  nnd  an  der  Basis  des  gegeniiberliegenden  Felsvor- 
sprunges  Aviederauftauchenden  Ast  ist  nichts  zu  sehen.  Er 
scheint  nur  eingezeichnet,  um  zu  zeigen,  wie  sich  die  Yerfasser 
der  Karte  die  Abzweigung  des  Yalgrande-Gewolbes  von  dem 
Lebendungewolbe  gedacht  haben. 

Es  entspricht  die  Yorstellung  den  Tatsachen 
besser,  da  13  derKalkschieferstreifen  am  Cornacchia  ein 
EinschluB  im  Gneis  ist,  ebenso  wie  die  Kalkscholle 
am  Lago  d'Avino.  De.r  Gneis  von  Cornacchia  hangt 
uninittelb  ar  durch  die  Ostwande  des  Camera  mit  dein 
Yalgrandegneis  zusammeu,  ob  aber  der  Lebendun- 
gneis  vonNembro  mit  dem  von  Cornacchia  zusammen - 
hangt,  ist  ungewiB  und  sehr  zweifelhaft.  Jedenfalls 
fehlen  die  charakteristischen  Aplitlinsen  hier  voll- 
standig. 

Auffallig  ist  die  groBe  Machtigkeit,  welche  der  Lebendun- 
gneis  im  Formazzatal  hat.  Gegeniiber  deu  Machtigkeiten  von 
100 — 400  Meter  im  SW  des  Kartenblattes  sieht  man  hier 
plotzlich  diesen  Gneis  in  den  Bergmassiven  des  Monte  Giove  und 
Fregelihornes,  des  Talihornes  und  Basodinos  bis  zu  900  Meter 
anschwellen,  aber  sudwestlich  des  M.  Giove  sinkt  das  Gneis- 
band  bei  der  Alpe  Civon  bereits  auf  weniger  als  200  m  herab, 
und  wenn  es  beim  nahen  Pizzo  Pojala  audi  wieder  auf  400  m 
anschwillt,  so  verschmalert  es  sich  doch  nachher  wieder,  bald 
auf  sogar  150  m.  Die  machtige  Lebendungneismasse  des 
Basodino  und  Talihornes  entsendet  gegen  Norden  zwei  Aus^ 
laufer.  Der  westliche  springt  vom  M.  Castello  der  Simplon- 
karte  (Gigelnhorn  der  top.  Karte)  gegen  ,,Im  Moos"  vor, 
verliert  dabei  rasch  an  Machtigkeit  und  keilt  sich  schlieBlich 
ganz  aus.  Ein  zweiter  Auslaufer  zieht  sich  vom  CavognoK- 
Gletscher  in  die  NO-Ecke  der  Karte  und  ist  dort  nur  noch 
ganz  schmal.  Den  ganz  kleinen  isolierten  Auslaufer  unterhalb 
desjenigen  von  M.  Castello  am  Giacomoweg  habe  ich  schon 
friiher  erwahnt.  Da  auBerdem  im  Gebiete  des  M.  Giove  an 
mehreren  Stellen   groBere  Fetzen    von  Schiefer  in   dem  Gneis 


131 


eingeschlossen  sind,  so  entspricht  das  Ganze  am  besten 
einer  groBartigen  lakkolithartigen  Intrusion  in  den 
Kalksedimenten,  die  seitlich  in  verschiedenen  Ho  hen 
Apophysen  aussandte  und  zugleich  beim  Aufdringen 
groBe  S  edimentbrocken  in  sich  einschloB.  Diese  ver- 
haltnismaBig  einfachen  Lagerungsverhaltnisse  wurden  dann 
spater  durch  die  alpine  Faltimg  wesentlich  verwickelter  ge- 
staltet,  und  so  ist  es  gekommen,  daB  sie  bisher  iiberhaupt  als 
solche  noch  nicht  erkannt  worden  sind. 

c)  Der  Antigoriogneis. 

Die  Erlauterungen  sagen:  ,,Der  Antigoriogneis  ist  ein  grob- 
bankiger,  homogen  ausgebildeter  Zweiglioiniergneis  von  gra- 
nitischem  Habitus  ....  Er  ist  in  seinen  verschiedenen 
Varietaten  identisch  mit  dem  Tessiner  Gneis,  mit  dem  er  die 
ZusammeDsetzung  eines  normal  granitischen  Magmas  gemeinsam 
bat.  .  .  .  Der  petrographische  Charakter  der  Monte-Leone- 
Ofenliorn-Gneise  ist  dem  der  Antigoriogneise  durchaus  analog.  .  . 
Ini  Siidosten  des  Kartenblattes  hiingen  sie  gleichwie  der  Anti- 
goriogneis mit  dem  Tessiner  Gneis  zusaminen."  Schon  aus 
diesen  Angaben  ergibt  es  sich,  daB  eine  Trennuug  der  beiden 
Gneise  selbst  dem  Namen  nach  eigentlich  nicht  erforderlich 
ist.  und  das  ist  wohl  aucb  der  Grund,  wesbalb  sie  auf  der 
Karte  mit  einer  gemeinsamen  Farbe  bezeichnet  wurden.  Fur 
uns  ergibt  sich  ferner  daraus,  daB  auch  der  Antigoriogneis  ein 
jiiugeres  Eruptivgestein  sein  muB.  Besondere  Beweise  dafiir 
fand  ich  im  September  1909  bei  Zwischenbergen  und  am  Pizzo 
Teggiolo,  den  ich  nochmals  1910  und  1911  besuchte.  An  dem 
kekannten  AufschluB  an  der  Strafie  zwischen  Stalden  und 
Zwischenbergen  liegt  der  Kalk  direkt  auf  dem  Antigoriogneis. 
An  der  Kontaktlinie  dringen  Apophysen  in  den  Kalk,  sie  sind 
aber  sehr  klein.  Was  man  als  Gerolle  von  Gneis  im  Marmor 
bezeichnet  hat,  sind  rundliche  bis  linsenformige  und  sogar  band- 
artige  granitische  Injektionen. 

Das  gleiche  gilt  yon  dem  beriihmten  Fundorte  am  Nord- 
hang  des  Pizzo  Teggiolo.  An  dem  ganz  verwachsenen  FuBweg, 
■der  von  der  Alpe  Yalle  auf  der  rechten  Bachseite  nach  Lavin 
herabfiihrt,  fand  ich  1909  bei  ungefahr  1600  m  Meereshohe  im 
Kalkstein  einen  eckigen,  lauglichen  Gneiskeil  eingeschlossen, 
der  nur  als  Apophyse  sich  erklaren  laBt.  Die  unten  auf  dem 
Talboden  bei  Nembro  am  FuBe  des  Teggiolo  herumliegenden  und 
angewitterten  Felsblocke,  die  infolge  dieser  Anwitteruug  kon- 
^lomeratahnlich  aussehen,  aber  in  Wirklichkeit  stark  granitisch 
injizierte  Marmore   sind,   sind  von   ziemlicher  Hohe  herabge- 

9* 


132 


fallen.  Die  Stelle,  wo  sie  anstehen,  habe  ich  1910  aufgesucht 
und  auch  dort  die  TJberzeugung  gewonnen,  daJ3  es  sich  urn 
Kontakterscheinungen  an  der  Benihrungsstelle  eines  eruptiven 
Granites  mit  Kalksteinen  handelt,  und  daB  die  sog.  Gerolle  gar 
kein  Antigoriogneis  sind.  Fur  genauere  Einzelheiten  verweise 
ich  auf  die  Arbeit  yon  Arndt.  1911  besuchte  ich  die  Apophyse 
an  dem  verfallenen  Wege  von  Lavin  nochmals.  Sie  lag  noch 
gerade  so  unberuhrt  wie  zwei  Jahre  vorher.  Yon  den  vielen 
Besuchern  des  Pizzo  Teggiolo  scheint  niemand  dagewesen  zu 
sein.  G.  Klemm,  der  die  „Konglomeratblocke"  zusammen  mit 
Hugi  1910  besucht  hat,  kam  ebenfalls  zu  dem  Ergebnis,  daB 
Aplit-Injectionen  in  Marmor  vorliegen  (Monatsber.  D.  geoL 
Ges.  1911,  S.  468). 

Auch  der  Kontakt  des  Antigoriogneises  mit  dem  Dolomit 
bei  Tuffald  zeigt  Erscheinungen,  die  auf  ein  jiingeres  Alter 
hinweisen,  er  besitzt  eine  deutliche  Randfacies,  die  ich  1909 
beobachtete.  Auch  dies  habe  ich  Herrn  Arndt  zur  Bearbeitung 
uberlassen. 

DaB  aber  der  Antigoriogneis  nicht  nur  solche  kleine  Apo- 
physen  und  Injektionen,  sondern  auch  groBere  Abzweigungen 
in  die  Kalkgesteine  entsendet,  davon  kann  man  sich  leicht  am 
linken  Gehange  des  Cairascatales  iiberzeugen,  das  ich  bereits 
geschildert  habe.  Der  Gneis  des  Teggiolo  setzt  zweifellos 
iiber  die  Cairasca  heriiber  auf  das  linke  Ufer  und  wird  bei 
Crosso  von  Kalkphyllit  uberlagert  und  bei  Gebbo  von  solchem 
unterlagert.  Dieser  so  eingeschlossene  Gneis  lauft  als  ein  etwa 
300  m  machtiges  Lager  iiber  Chioso,  Calendra  bis  Cimalavalle. 
Die  Hauptmasse  des  Teggiologneises  hingegen  steigt  bei 
S.  Donienico  noch  hoher  am  linksseitigen  Talgehange  empor 
und  bildet  die  von  Kalkphyllit  unter-  und  iiberlagerten  Steil- 
wande  des  M.  Cistella,  senkt  sich  von  da  gegen  Siiden  bis  ins 
Diveriatal  bei  Varzo  herab  und  vereinigt  sich  dabei  mit  dem 
tieferen  kleineren  Gneisast  von  Crosso-Cimalavalle. 

Nicht  nur  die  Yerb andverhaltnis se  mit  den  Sedi- 
menten,  sondern  auch  die  Form  der  Gneismassen 
selber  sprechen  dafiir,  daB  der  Antigoriogneis  nach- 
traglich  erst  sich  in  die  Sedimente  hereingezwangt 
und  dabei  groBere  Schollen  der  Schiefer  in  sich  ein- 
geschlossen  hat. 

d)  Die  vertihale  und  horizontal  Yerbreitung  der  einzelnen  Gneis- 
massen und  ihr  Alter. 
Ihre  vertikale  Aufeinanderfolge  steht  wohl  fest:   zu  oberst 
liegt  der  Leone-Ofenhorngneis   und  darunter   folgen  der  Reihe 


133 


nach   der  Valgrande-,   Lebendun-,   Antigorio-  imd  Verampio- 
Gneis.    In    horizontaler  Richtung  greifen    die    oberen  jeweils 
iiber   die   tieferen  Gneise   gegen  NW    hiniiber.  Infolgedessen 
hat  der  Leone-Ofenhorngaeis   die  groBte  Ausdehnung  und  der 
Auflenrand  des  Valgrande-  und  Lebedungneises  liegt  viel  weiter 
nach  SO  zuriick.     Dieselbe  Erscheinung   zeigt   der  Antigorio- 
gneis   gegeniiber   dem   Lebendungneis.     Von   der  Ausdehnung 
des  Verampiogneises,  der  nur  im  Bacenofenster  zum  Vorschein 
kommt,   wissen   wir  zuwenig,   um   ihn   hier   rnit   in  Vergleich 
zu  stellen.    Die  Trennung  des  Valgrande-  und  Lebendungneises 
bereitet   im   Siiden    und  Siidosten    der  Karte  Schwierigkeiten. 
Von  der  Nordostecke  her  bis  Devero  gibt  es  zwischen  Antigorio- 
und  Ofenhorngneis  nur  Lebendungneis.     Von  Devero  bis  Valle 
unweit  Nembro  liegt  der  Valgrandegneis   Tiber  dem  Lebendun- 
gneis und   keilt  sich    bei  Pizzo  di  Valtendra    gegen  NO  aus, 
wahrend  umgekehrt  der  Lebendunzug  bei  Valle  verschwindet. 
Schmidt  nimmt  an,  dafi  er  am  Pizzo  Cornacchia  sich  mit  dem 
Valgrandegneis  vereinigt,   aber   diese  Vereinigung  ist  nicht  zu 
sehen;.  sie  konnte  jedoch,    wenn  sie  iiberhaupt   vorhanden  ist, 
unter  dem  Schutt  bei  Alp  Le  Balmelle    begraben  liegen.  Ob 
der  lange  Gneiszug,  der  yom  Pizzo  Cornacchia  iiber  Alpien  und 
Zwischenbergen  nach  Campeglia  im   unteren  Diveriatal  zieht, 
eine  Vereinigung  dieser  beiden  Gneise  oder  nur  den  Valgrande- 
gneis darstellt,  ist  noch  nicht  aufgeklart,    aber  Gneis  von  der 
Beschaffenheit  des  echten  Lebendungneises  habe  ich  da  keinen 
zu  sehen  bekommen. 

Der  Antigoriogneis  erreicht  sein  nordwestliches  Ende  am 
Teggiolo,  bei  Goglio  im  Deverotal,  bei  Tuffald  im  Formazza- 
tal  und  im  Val  Antobbio. 

Obwohl  alle  diese  Gneise  in  ihrer  petrographischen  Aus- 
bildung  vielerlei  Wechsel  zeigen,  so  gehoren  doch  einerseits 
der  Antigorio-  und  der  Leone -Ofenhorn- Gneis  so  sehr  zuein- 
ander,  das  Unterscheidungen  nach  Handstucken  unmoglich  sein 
diirtten.  Andererseits  stehen  sich  der  Valgrande-  und  Leben- 
dungneis nicht  so  nahe,  als  Schmidt  annimmt,  der  ersteren 
nur  fiir  eine  Abzweigung  des  letzteren  halt. 

Der  Verampiogranit  oder  Crodogneis  hin gegen  scheint 
sich  von  diesen  zwei  Gruppen  scharfer  zu  unterscheiden,  doch 
kommt  das  vielleicht  nur  daher,  daB  wir  so  wenig  von  ihm 
zu  sehen  Gelegenheit  haben. 

DaB  alle  diese  Gneise  jedenfalls  jiinger  sein  miissen  als  der 
Lias,  geht  aus  den  vorausgegangenen  Untersuchungen  klar  hervor. 
Fiir  eine  genauere  Altersbestimmung  fehlen  Anhaltspunkte, 
weil  postliasische  marine   Sedimente   diesem  Teil  der  Alpen 


134 


vollstandig  abgehen.  Dahingegen  konnte  die  alpine  Faltung 
insofern  die  Moglichkeit  geben,  den  weiten  Zeitraum  vom  Lias 
bis  zur  Gegenwart,  in  welchen  die  Gneisintrusion  fallen  muB, 
um  ein  erhebliches  einzuengen,  wenn  es  gelange  festzustellen, 
ob  die  Intrusion  vor,  nach  oder  wahrend  der  Faltung  ein- 
getreten  ist.  Bei  einer  dahinzielenden  Untersuchung  ware  es 
zunachst  weniger  wichtig  zu  wissen,  in  welchem  geologischen 
Zeitabschnitte  die  alpine  Faltung  eintrat,  als  in  welche  Formen 
sie  die  urspriinglich  horizontalen  Sedimentgesteine  gebracht 
hat.  Das  ist  es  aber  gerade,  was  wir  nicht  wissen;  denn  alle 
die  Profile,  durch  welche  Lugeon,  Scharlt,  Schmidt  und 
Stella  uns  dariiber  eine  Yorstellung  zu  geben  versucht  haben, 
basieren  auf  der  irrtiimlichen  Annahme  des  hohen  Alters  der 
Gneise  und  konnen  darum  den  tatsachlichen  Yerhaltnissen 
nicht  entsprechen.  Gleichwohl  darf  es  als  eine  durch  die 
neueren  Untersuchungen  und  insbesondere  auch  durch  die  neue 
Simplonkarte  vollstandig  gesicherte  Tatsache  gelten,  daB  die 
mesozoischen  Sedimente  im  Simplongebiet  in  eine  Reihe  von 
Falten  gelegt  sind,  die  in  ostlicher  bis  nordostlicher  Richtung 
streichen,  und  daB  auBerdem  die  alteren  Berisalschiefer  iiber 
die  jiingeren  Schichten  hinubergefaltet  sind  und  infolge  dessen 
im  ganzen  Gebiet  der  Simplonkarte  sich  in  uberstiirzter  La- 
gerung  beiinden.  I>er  au!3ere  Rand  clieser  iiberfalteten  Berisal- 
schiefer verlauft  von  Yisp  bis  zum  Cherbadung  in  siidwest- 
nordostlicher  Richtung.  Am  Cherbadung  biegt  er  aber  um 
und  lauft  in  gleicher  Richtung  bis  zum  Simplonpal3  zuruck, 
so  dafi  die  iiberfalteten  Berisalschiefer  bis  dahin  in  Form  eines 
20  km  langen  und  im  Maximum  5  km  breiten  zungenformigen 
Lappens  iiber  die  jiingeren  Schichten  heriibergreifen.  Yom 
SimplonpaB  an  hingegen  verlauft  der  AuBenrand  der  Ver- 
breitung  der  Berisalschiefer  in  ungefahr  ostsiidostlicher  Rich- 
tung iiber  Gabi  und  Zwischenbergen  bis  Domo  d'Ossola,  wo 
er,  nach  der  ScHMiDTschen  Ubersichtskarte,  auf  der  ostlichen 
Ossolatalseite  einen  zweiten  zungenformigen  Yorsprung  nach 
NO  von  etwa  8  km  Lange  entsendet. 

Wenn  wir  nun,  alles  weitere  auf  den  tektonischen  Teil 
versparend,  nur  yon  dieser  Faltungstatsache  ausgehen,  dann 
ergibt  sich,  daB  die  Gneise  innerhalb  der  gefalteten  Kalk- 
sedimente  in  auffalligster  AVeise  lagerformig  sich  ausbreiten, 
daB  sie  hingegen  in  den  iiberfalteten  Berisalschiefern  ausge- 
sprochen  gangformig  transgressiv  sind.  Das  gilt  auch  fiir  die 
Serpentine  und  Prasinite.  Der  Serpentin  auf  der  Nanzliicke 
ist  ein  kleiner  yertikal  gestellter  Gang  im  nach  fallenden 
Berisalschiefer,  und  er  nimmt  erst  die  Gestalt  eines  Lagers  an, 


135 


wo  er  iin  Westen  in  den  Kalkschiefer  herunterreicht,  wie  dies 
aus  der  Darstellung  auf  der  geologischen  Simplonkarte,  welche 
ich  allerdings  zu  kontrollieren  keine  Zeit  gefunden  habe, 
hervorgeht  und  auch  init  den  ion  mir  bereits  geschilderten 
Yerhaltnissen  bei  Visp  in  Einklang  steht. 

Es  ergibt  sich  da  r  a  us  ganz  allgemein  der  SchluB, 
dafi  alle  sauren  und  basischen  Eruptivgesteine  durch 
die  alteren  Sedimente  gangforniig  aufgestiegen  sind 
und  sich  in  den  jiingeren  Kalksedimenten  lagergang- 
und  lakkolithenartig  ausgebreitet  haben.  Das  ist  ja 
auch  der  Grund,  weshalb  man  bisher  zwar  ein  jungeres  Alter 
fur  die  Gneise  in  den  Berisalschiefern  stets  anerkannt  hat, 
dasselbe  fur  die  Gneise  in  den  rnesozoischen  Schichten  aber 
nicht  zugeben  wollte,  weil  dort  die  transgressive  Natur  der 
Gneise  nicht  ebenso  deutlich  in  die  Erscheinung  tritt  und 
deshalb  sogar  ganz  geleugnet  werden  konnte.  DaB  dem  jedoch 
nicht  so  ist,  daB  Apophysen  von  den  Gneisen  ausgehen, 
dafi  diese  aufierdem  sich  nicht  an  bestimmte  Horizonte  inner- 
halb  der  Sedimente  halten  und  ferner  durch  die  Kontakt- 
metamorphose  auch  ihr  jungeres  Alter  dokumentieren,  ist  im 
vorausgehenden  nachzuweisen  versucht  worden. 

Hiernach  ergibt  sich  nun  zugleich  die  Entscheidung  uber 
das  Alter  der  Gneis-Injektionen.  Sie  konnen  nicht  erst  nach 
der  Faltung  in  die  Sedimente  eingedrungen  sein,  da  sonst  die 
Eigenart  ihrer  Lagerung  in  den  rnesozoischen  Schichten  im 
Gegensatz  zu  der  in  den  alteren  Sedimenten  vollstandig  un- 
erklart  bliebe.  Wir  sind  gezwungen  anzunehmen,  daB  zur  Zeit 
ihres  Empordringens  die  Berisalschiefer  noch  iiberall  normal 
unter  den  rnesozoischen  Schichten  lagen,  und  daB  die  groBe 
alpine  Faltung  erst  nachher  eingetreten  ist. 

In  neuerer  Zeit  hat  man  eine  alte,  friiher  besonders  von 
B.  Studer  vertretene  Anschauung  vvieder  in  Erinnerung  ge- 
bracht,  wonach  die  Gneisbildung  zeitlich  und  auch  ursachlich 
mit  der  Alpenentstehung  zusammengefallen  sei.  Es  ist  mir 
nicht  recht  klar  geworden,  ob  die  Beweggrunde  dazu  mehr  in 
allgemeinen  theoretischen  Erwagungen  oder  in  der  Erkenntnis 
der  Unzulanglichkeit  der  derzeit  herrschenden  Yorstellungen 
zu  suchen  sind,  aber  wirkliche  Anhaltspunkte  fiir  die  Kichtig- 
keit  dieser  Anschauung  habe  ich  bis  jetzt  keine  finden  konnen. 
Denn  es  haben  sich  Ealtungen  iiberall  in  den  Alpen  gebildet, 
sowohl  da,  wo  Granite  und  Gneise  vorhanden  sind,  als  auch 
da,  wo  sie  fehlen.  Speziell  im  Simplongebiet  gibt  es  zwischen 
dem  Faltenwurf  der  Sedimente  und  der  Form  der  Gneismassen 
keinerlei  Beziehungen,  die  darauf  hinweisen,  daB  entweder  die 


136 


Faltung  dem  Magma  das  Eindringen  erleichtert  und  ihm  ge- 
wissermaBen  den  Weg  dazu  gewiesen  habe,  oder  daB  das  empor- 
dringende  Magma  es  war,  welches  den  Vorgang  der  Faltung 
beeinflufite  oder  forderte. 

So  kommen  wir  also  zu  dem  Ergebnis,  daB  die 
Gneisintrusionen  dem  Zeitraum,  der  zwiscben  die  Ab- 
lagerung  der  liasiscben  Sedimente  und  die  alpine 
Faltung  f al It,   angeboren  miissen. 

Eine  ibrer  Folgen  inuB  die  Hebung  der  liasiscben  Meeres- 
sedimente  um  mebr  als  tausend  Meter  und  damit  die  Ent- 
stebung  von  Festland  gewesen  sein,  auf  dem  sicb  weitere 
Meeressedimente  nicbt  mebr  absetzen  konnten.  Damit  in  Ein- 
klaDg  stebt  das  tatsacblicbe  Feblen  jeglicber  jiingeren  marinen 
Formationen  im  Simplongebiet  und  nocb  dariiber  binaus  gegen 
AVesten  und  Osten,  soweit  als  solcbe  Gneise  in  Kalkphyllite 
eingelagert  vorkomrnen.  Im  Norden  und  Suden  bingegen,  wo 
diese  Gneise  feblen,  liegt  eine  normale  Sedimentfolge  vom  Lias 
durcb  Jura  und  Kreide  bis  ins  aitere  Tertiar  vor.  Zwiscben 
den  Meeren,  in  denen  jene  Absatze  erfolgten,  lag  wabrscbeinlicb 
ein  altes  Walliser  Festland  als  eine  Schranke,  welcbe*  die 
beiderseitigen  Meeresbewobner  voneinander  schied  und  mit 
dazu  beitrug,  daB  die  Jura-  und  Kreideformation  sicb  biiben 
und  driiben  in  so  verscbiedenartiger  Facies  entwickelt  baben. 

e)  Die  Ursache  der  Metamorphose. 

Das  Simplongebiet  ist  ein  Teil  der  Zone  der  scbistes 
lustres  oder  Kalkpbyllite.  Diese  ganze  Zone  ist  beriibmt  da- 
durcb,  daB  alle  Sedimentgesteine  einen  auBergewobnlich  boben 
Grad  yon  Umwandlung  erfabren  baben,  so  daB  man  sie  alle  in 
die  Gruppe  der  krystallinischen  Scbiefer  stellen  kann.  Es  ist 
nicbts  beweisender  fiir  diese  Annabme  und  Stellung  als  der 
Yergleich  zweier  jurassiscber  Handstucke,  von  denen  das  eine 
etwa  vom  NufenenpaB,  das  andere  aus  den  nordlicben  Scbweizer 
Hocbalpen  genommen  ist.  Bei  beiden  bat  der  gebirgsbildende 
Druck  zu  Dynamometamorpbose  gefiibrt  und  Veranderungen 
erzeugt,  aber  Granaten,  Biotit,  Tremolit,  Staurolitb  usw.  baben 
sicb  nur  in  der  Zone  der  scbistes  lustres  gebildet.  Schmidt 
meint  (Eclogae  IX,  S.  520),  daB  sicb  bier  die  dynamometa- 
morpbose Umwandlung  in  groBerer  Rindentiefe  vollzogen  babe 
als  anderswo.  „Die  theoretischen  Profile,  die  wir  beute  durcb 
unser  Gebiet  legen,  zeigen,  daB  die  mesozoiscben  Scbicbten  des 
Simplon  zur  Zeit  ibrer  Faltung  15  000  —  20000  Meter  unter  der 
Oborflacbe  gelegen  sein  sollen." 

Von  diesen  tbeoretiscben  Profilen  kommt  fiir  unser  Gebiet 


137 


das  Profil  Fig.  6,  Taf.  12  (1.  c.)  in  Betracht.  Dauach  waren 
die  Schiefer  am  Simplon  einstnials  von  12  000  ni  Gestein  be- 
deckt  gewesen,  die  inzwischen  von  der  Erosion  weggeschafft 
worden  sind.  Von  diesen  12000  m  kommen  8  500  in 
auf  die  oberste,  ostalpine  Decke,  die  aber  gdnzlich  in  der  Luft 
liegt,  fur  deren  Existenz  aueh  nicht  ein  einziger  „Erosionsrest" 
ins  Feld  gefiihrt  werden  kann.  AuBerdeni  ist  bei  diesen 
Profilen  angenommen  worden,  daB  vor  der  Faltung  die  meso- 
zoischen  und  alttertiaren  Sedimente  ohne  Ausnahine  uberall 
abgelagert  worden  waren,  nnd  speziell  in  der  ostalpinen  Decke 
in  einer  MacMigkeit  yon  beinahe  5  000  m.  Nur  wenn  man 
Decken  zu  HilTe  niinmt,  fiir  die  gar  keine  Anhaltspunkte  ge- 
geben  sind,  und  nur  wenn  man  Formationsmachtigkeiten  ein- 
tragt,  wie  sie  so  groB  in  den  Alpen  gar  nicht  vorkonimen,  ist 
es  moglich,  eine  friihere  Belastung  yon  12  000  m  auszurechnen 
und  damit  zugieich  die  Hypothese  der  UmwandluDg  durch 
Dynamometamorphose  „in  groBerer  Rindentiefe"  zu  retten. 

In  Wirk  lichkeit  ist  es  so,  daB  nur  die  eine  groBe 
Uberfaltung  der  Berisal  schiefer  im  Simplongebiet 
nachgewiesen  ist;  a  He  an  deren  Decken  sind  „Luft- 
decken",  und  damit  fiillt  natiirlich  die  Dynamo-Um- 
wandlungshypothese.  Das  Vorkommen  zahlreicher  typischer 
Kontaktmineralien  und  hornfelsartiger  Gesteine  in  den  schistes 
lustres  hat  schon  seit  langem  die  Aufmerksamkeit  der  Geologen 
auf  sich  gelenkt.  Aber  nur  wenige  haben  es  gewagt,  sie  als 
Produkte  echter  Kontaktmetamorphose  zu  deuten,  weil  die 
dazu  notigen  Eruptivgesteine  zu  fehlen  schienen.  Die  Gneise 
waren  zwar  da,  aber  sie  sollten  archaisch  sein,  und  die  meta- 
morphen  Gesteine  lagen  zwar.  z.  T.  am  Kontakt  mit  diesen 
Gneisen,  aber  z.  T.  auch  entfernt  yon  denselben.  Hatte  man 
Eruptivgange  yon  den  Gneisen  ausgehend  und  in  die  Sedimente 
eindringend  gesehen,  dann  wiirde  auch  Schmidt  (Eclogae  IX, 
S.  515)  sofort  sich  zur  Kontaktmetamorphose  bekannt  haben. 
Aber  er  fand  solche  Begleiterscheinungen  intrusiyer  Granite 
nicht.  Und  doch  sind  sie  da,  nur  hat  eine  spatere  Gebirgs- 
faltung  die  urspriingliche  Form  der  Intrusiymassen  bedeutend 
verwischt.  Die  Apoph)rsen  sind  bei  den  groBen  Massen- 
bewegungen  haufig  yon  dem  Granitstock  abgerissen  worden 
und  stecken  jetzt  oftmals  wie  Einschliisse  in  den  krystallinen 
Sedimentgesteinen.  GroBere  Verzweigungen  der  Granitmassen 
sind  auch  heute  noch  unverkennbar,  aber  unter  dem  Banne 
einer  allvermogenden  Faltungstheorie  hat  man  gerade  diese 
trefflichen  Zeugen  der  Intrusion  eliminiert  und  so  aus  jeder 
groBen  Apophyse  (z.  B.  der  bis  80  m  breiten  Eistenapophyse) 


138 


einen  Spezialsattel  geoiacht.  Man  wurde  dabei  noch  unterstiitzt 
durch  die  Meinung,  daB  die  Parallelstruktur  im  Gneis  keine 
ursprungliche  Intrusiystruktur  sei,  sondern  erst  bei  der  Gebirgs- 
bildung  durch  Dynamometamorphose  erzeugt  wurde.  Auch  auf 
die  zahllosen  Quarzgange  und  Knauer,  die  in  den  Kalk- 
phylliten  oftmals  in  geradezu  erstaunlichen  Mengen  liegen  und 
die  wegen  ihrer  Massenhaftigkeit  unmoglich  durch  Lateral- 
secretion  erklart  werden  konnen,  hat  man  hier  kein  Gewicht 
gelegt,  wahrend  sie  doch  recht  deutlich  auf  „postvulkanischect 
Prozesse  hindeuten.  Auch  sie  tragen  jedoch  die  deutlichen 
Spuren  spaterer  Storungen  durch  die  Gebirgsfaltung  an  sich 
und  sind  ein  weiterer  Beweis  dafur,  dafi  die  ^rauitischen  In- 
trusionen  nicht  erst  in  oligocaner  Zeit,  sondern  vor  der  alpinen 
Faltung  entstanden  sind. 

Einige  Geologen,  die  weder  in  der  Dynamo-  noch  in  der 
Kontaktmetamorphose  eine  geniigende  Erklarung  fanden,  ver- 
suchten  es  mit  dem  Regionalmetainorphismus,  den  sie  in  einem 
Sinne  auslegten,  der  sich  den  alten  Anschauungen  B.  Studers 
erheblich  naherte.  Aber  iiber  allgemeine  Erorterungen  ist  diese 
Hypothese  mit  Bezug  auf  das  Simplongebiet  nicht  hinaus- 
gekommen.  Mit  dem  Worte  „Regionalmetamorphismus"  ist 
bisher  fast  yon  jedem  Autor,  der  dieses  "Wort  gebrauchte,  ein 
besonderer  Sinn  verknupft  worden,  so  da8  es  unmoglich  isty 
dasselbe  fernerhin  noch  zu  gebrauchen,  es  sei  denn,  da8  man 
jeweils  eine  besondere  Interpretation  clazu  gibt  oder,  etwa  wie 
in  der  zoologischen  Systematik,  den  Autornamen  hinzufugt, 
z.  B.  Regionalmetamorphose  Lossen,  —  Termier  usw. 

Andernfalls  ware  diese  Bezeichnung  fiir  das  Simplongebiet 
recht  passend  gewesen,  weil  es -sich  hier  um  eine  groBe  Region 
handelt,  die  von  einem  Metamorphismus  erfafit  worden  ist, 
der  nicht  an  eine  einzige  Intrusion  gekniipft  war,  sondern  an 
yiele,  deren  Kontaktwirkungen  sich  z.  T.  gekreuzt  und  ver- 
starkt  habeu,  und  die  auch  nicht  gleichzeitig,  sondern  im  Laufe 
einer  langeren  Periode  hintereinander  aufgetreten  sind,  und  die 
nicht  nur  mit  Kontaktwirkungen  gearbeitet  haben,  sondern 
denen  auch  pneumatolytische  (postvulkanische)  Beeinflussuugen 
in  den  umgebeuden  Gesteinsmassen  eigen  waren. 

Da  nun  der  Ausdruck  „Regionalmetamorphosect 
fiir  die  sowohl  dem  Simplongebiet  als  auch  der 
ganzen  Zone  der  schistes  lustres  eigenartige  Gesteins- 
umwandlung  nicht  anwendbar  erscheint,  so  durfte  sich 
vielleicht  als  Ersatz  das  Wort  „  In  j  ektionsmeta- 
morphose"  empfehlen. 


139 


f)  Die  eruptiven  Gneisgdnge  von  Candoglia. 

Bei  der  Wichtigkeit,  welche,  wie  aus  dem  vorausgehenden 
Kapitel  hervorgeht,  dem  Nachweis  unzweifelh after  eruptiver 
Gneisgange  zukomrnt,  will  ich  hier  einige  beschreiben,  die 
zwar  nicht  niehr  im  Simplongebiet  selbst  liegen,  sondern  un- 
gefahr  40  km  weiter  im  Siiden,  deren  Situation  aber  eine 
solche  ist,  daB  ihnen  Beweiskraft  auch  fiir  das  Simplongebiet 
uninittelbar  zukommt. 

Zur  Orientierung  iiber  den  Fundplatz  sei  darauf  hinge- 
wiesen,  .  daS  die  Berisalschiefer,  welche  im  Simplongebiet 
iiberfaltet  sind,  bei  Domo  d'Ossola  ihre  „Wurzel"  haben.  Sie 
stelien  dort  an  und  schieflen  in  den  Talboden  ein,  unter  dem 
sie  verschwinden.  Auf  Schmidt's  Ubersichtskarte  1:350  000 
sind  sie  zwar  als  solche  dort  eingetragen,  aber  jedenfalls 
haben  sie  gegen  Siiden  eine  weitere  Ausdehnung.  Am  Wege, 
der  von  Domo  iiber  den  Calvarienberg  nach  Calice  fiihrt,  sah 
ich  sie  deutlich  anstehen,  mit  Neigung  nach  NW  und  nord- 
ostlichem  Streichen.  Am  Calvarienberg  selbst  freilich  steht 
echter  Gneis  an,  der  aber  in  den  Berisalschiefern  eine  Ein- 
lagerung  bildet.  Ich  habe  die  Grenze  gegen  den  im  Siiden 
angegebenen  Tessiner-  bezw.  Antigorio-Gneis  nicht  erreicht. 
Auch  die  sog.  Iyreazone,  welche  zwischen  Pie  di  Mulera  und 
Oruavasso  von  dem  Ossolatal  gequert  wird,  habe  ich  an  diesen 
Stelien  nicht  untersucht,  aber  bei  einer  Querung  derselben 
weiter  im  Siidwesten  von  Yarallo  iiber  Colle  di  Baranca  nach 
Pie  di  Mulera  habe  ich  mich  davon  iiberzeugt,  claB  von  den 
geheimnisvollen  Wurzeln,  die  die  Nappisten  darin  zu  suchen 
geneigt  sind,  nichts  zu  sehen  ist.  Gneis,  Granit,  Diorit  und 
verwandte  Tiefengesteine,  z.  T.  mit  ausgezeichneter  Randfacies 
und  Kontakthofen,  sind  gegeniiber  den  stark  umgewandelten 
Sedimentgesteinen  weitaus  vorherrschend. 

Im  Siiden  dieser  Zone,  d.  h.  da  wo  die  basischen  Tiefen- 
gesteine, welche  der  Ivreazone  ihren  Charakter  verleihen,  enden, 
stelien  sich  bei  Ornavasso  Schiefer  mit  Marmorlagern  ein, 
denen  man,  da  sie  mit  Gneisen  wechsellagern,  friiher  ein  sehr 
hohes  Alter  zugeschrieben  hat.  Carl  Schmidt  hat  aber  1907 
dieselben  mit  seinen  triasischen  Schiefern  des  Simplongebietes 
identifiziert  und  ihr  Yorkommen  im  Gneis  als  Folge  einer 
muldenformigen  Einfaltung  gedeutet.  In  diesem  Schiefer  liegen 
oberhalb  Candoglia  die  von  altersher  beriihmten  Marmorbriiche. 
Eine  Fahre  bringt  uns  von  Ornavasso  aus  iiber  die  Toce,  und 
ein  FahrstraBchen  zieht  sich  von  da  in  etwa  8  Kehren  zum 
untersten  der  Marmorbriiche  hinauf. 


140 


Kombiniert  man  die  Aufschltisse  an  d ein  Wege  mit  denen 
des  Marmorbruches  so  hat  man  eine  geschlossene  Reihe  von 
Schichten,  die  bei  nordostlichem  Streichen  steil  aufgerichtet 
sind  und  meist  senkrecht  stehen.  Im  Siidosten  herrschen  dunkel- 
farbige  Quarz  -  Glimmerschiefer,  gegen  Nordwesten  folgen  die 
Marnioreinlagerungen,  mit  denen  sich  auch  helle  Quarzite  ein- 
stellen.  Der  Marmor  ist  meist  unrein  und  sehr  glimmerreich, 
so  daB  er  nicht  verwendbar  ist,  aber  bereits  in  der  Hohe  des 
untersten  Bruches  liegt  in  solchen  Marmoren  eine  etwa  20  Meter 
machtige  rein  ere  Marmormasse,  die  weiter  unten  am  Gebange 
ganz  zu  fehlen  scheint.  Beim  Bau  des  FahrstraBchens  sind  an 
mehreren  Stellen  gate  Aufschltisse  geschaffen  worden.  Zu  unterst, 
wo  es  durch  eine  parkahnliche  Anlage  hindurch  ftihrt,  sieht 
man  dunkle,  glimmerige  Schiefer,  z.  T.  von  hornfelsartigem  Ha- 
bitus, in  seigerer  Stellung  anstehen.  Sie  schlieBen  drei  Marmor- 
banke  und  zwei  Gneislager  in  konkordanter  Aufeinanderfolge  ein. 
Der  Marmor  ist  sehr  glimmerreich.  Der  Gneis  ist  dunnplattig 
und  wenig  machtig.  Im  Schiefer  fallen  kleine  Linsen  von 
Quarz  und  Feldspat  auf.  Langs  des  Zickzack-FuBweges, 
welcher  die  langen  mittleren  Kehren  abktirzt,  sieht  man 
ahnliche  Profile,  nur  werden  die  Gneiseinlagen  mach tiger,  und 
die  stark  gefaltelten  Schiefer  sind  nicht  nur  von  Quarzknauern, 
sondern  auch  von  Linsen  und  Streifen  von  Feldspat  und  Quarz 
erftillt.  Auch  im  Marmor,  gleich  unterhalb  des  Marmorbruches, 
sitzt  ein  4  Meter  breiter  pegmatitischer  Gang  mit  groBen  Feld- 
spaten,  Quarz,  Glimmer-  und  Hornblende  auf. 

Schon  hieraus  geht  hervor,  daB  die  Gneise  und  Granit- 
gange  jtinger  sein  mtissen  als  der  Marmor  und  die  Schiefer, 
in  die  sie  erst  nachtraglich  injiziert  worden  sind.  Am  tiber- 
zeugendsten  aber  wirkt  der  AufschluB  an  der  groBten  der 
StraBenkehren,  die  am  weitesten  nach  Stiden  vorspringt  und 
etwa  auf  halber  Hohe  zwischen  dem  Talboden  und  dem 
Marmorbruch  liegt.  Hier  fehlen  die  Marmorlager  und  herrschen 
quarzige  und  glimmerige  Schiefer.  In  diesen  liegen  mit  deut- 
licher  Diskordanz  und  in  durchgreifender  Lagerung  zwei  Gneis- 
gange,  wie  dies  in  beistehender  Figur  wiedergegeben  ist.  Da 
ist  ein  Zweifel  nicht  mehr  moglich.  Es  sind  wirkliche  Eruptiv- 
gange,  und  jeder  Versuch,  sie  als  mechanisch  eingepreBte  iiltere 
Gneis-Schuppen  oder  -Schollen  zu  erklaren,  erscheint  hier  vollig 
aussichtslos.  In  ahnlicher  Weise  sollten  wir  auch  im  Simplon- 
gebiet  Gneisgange  in  den  mesozoischen  Schichten  zu  finden 
erwarten,  und  bei  Eisten  sowie  am  Wege  zum  GiacomopaB 
haben  wir  ja  auch  etwas  derartiges  kennen  gelernt.  Nur 
reicht    der  AufschluB    dort  nicht  tief  genug    in    den  Boden 


141 


hinein.  Ehe  die  FahrstraBe  bei  Candoglia  gebaut  worden  war, 
konnte  man  von  dern  jetzt  so  deutlichen  Gneisgang  wahrschein- 
licli  auch  nur  selir  wenig  sehen. 

B.  Lindemann  hat  schon  1904  auf  Grund  mikroskopischer 
Untersuchung  diesen  Marmor  fiir  einen  durcb  Kontaktmeta- 
rnorphose  umgewandelteu  Kalkstein  erklart,  wennschon  er  das 
bewirkende  Tiefengestein  nicbt  nacbweisen  konnte.  Eine  weit 
eingehendere  Beschreibung  bat  Tacconi  neuerdings  gegeben 
(Bd.  50  der  Atti  della  soc.  ital.  di  scienze  nat.  Milano  S.  55 — 88), 
die  mir  leider  zur  Zeit  meines  Besuches  Ton  Candoglia  nicbt 
bekannt  war,  die  aber  mit  meinen  Beobachtungen  in  gutem 
Einklang  steht.  Er  hat  festgestellt,  daB  ein  aus  Feldspat,  Quarz, 


Gneisgange  im  Scliiefer  oberhalb  Candoglia  im  Ossola  Tale. 
Rechts  iiber  den  Weg  kleine  Quelle. 

Muscovit,  Turrnalin,  Apatit  und  Granat  zusammengesetzter 
pegmatitischer  Gang  stets  im  Kontakt  mit  dem  Hauptmarmor- 
lager  auftritt  und  auch  kleine  Apophysen  in  denselben  entsendet. 
Aul3erdem  sah  er  noch  andere,  quarzarmere  pegmatitische  Gange, 
zu  denen  der  Yon  mir  beobachtete  und  oben  erwahnte  gehoren 
diirfte,  darin  auftreten,  die  yorwiegend  aus  Feldspat  (Mikroklin), 
wenig  Quarz,  aber  Yiel  Pyroxen,  Hornblende  und  aufierdem  aus 
Turrnalin,  Klinozoisit,  Apatit  und  Titanit  zusammengesetzt 
sind.  Am  Kontact  mit  dem  Marmor  miscben  sich  haufig  diese 
Bestandteile  mit  denen  des  Marmors,  so  daB  eine  scharfe  Grenze 
zwischen  beiden  Gesteinen  nicht  besteht. 

Im  Marmor  fand  er  als  Einsprenglinge  zwischen  den  Calcit- 
krystallen  Qnarzkorner  mit  Flussigkeitseinschlussen,  Phlogopit, 
Pyroxen,  Amphibol,  Epidot,  Skapolith,  Titanit,  Apatit,  Kupfer- 
kies,  Pyrit,  Magnetkies  und  Magneteisen.  In  der  Nahe  der 
Pegmatitgange  stellen  sich  Feldspat,  Granat  und  OliYin  ein. 
Dort  haufen  sich  auch  auf  Kosten  des  Calcites  die  anderen 
erwahnten  Mineralien,  besonders  die  Amphibole,  Pyroxene  und 
aus  umgewandeltem  Olivin  herYOrgegangener  Serpentin,  und  die 
Sulfide  konzentrieren  sich  zu  Schniiren  und  Knollen.    Unter  dem 


142 


Mikroskop  erkannte  Tacconi,  daB  gerade  in  diesen  Kontakt- 
zonen  zwischen  Marnior  und  Pegmatit  oder  Gneis  die  Mineralien 
starke  mechanische  Deform ationen  erhalten  haben.  Er  zielit 
daraus  den  SchluB,  dafi  die  regionale  oder  Dynainometaniorphose, 
selbst  wenn  man  sie  mit  der  thermodynainischen  Metamorphose 
zusammennimmt,  nicht  ausreicht,  um  die  yon  ihm  beobachteten 
Tatsachen  zu  erklaren,  und  dafi  jedenfalls  auch  Kontakt- 
metamorphose  wirksam  gewesen  sein  niuB.  Was  aber  auf 
Rechnung  der  einen  oder  der  anderen  Art  Yon  Metamorphose 
zu  stellen  sei,  gibt  er  nicht  an  und  auch  die  you  mir  beschriebenen 
Gneisgange  in  der  Nahe  des  Marmorlagers  erwahnt  er  nicht. 
Wenn  man  aber  das  Vorhandensein  einer  Kontaktmetamorphose 
zugibt,  und  es  scheint  mir  dies  unbedingt  notwendig  zu  sein, 
•dann  wird  man  ihr  ohne  Zweifel  die  Marmorisierung  des  Kalk- 
steines  und  die  Ausscheidung  der  meisten  Silikatmineralien, 
•der  Quarze  und  Erze  zuschreiben  miissen,  und  fiir  die  Dyna- 
mometamorphose  bleiben  dann  hauptsachlich  nur  noch  die 
mechanischen  Storungen  tibrig,  die  sich  damit  zugleich  als  ein 
spaterer  Vorgang  dokumentieren.  Das  stimmt  aber  Yollkommen 
iibereinmit  demErgebnis,  zu  dem  ich  im  Simplongebiet  gekommen 
bin,  daJ3  die  Injektion  der  Gneise  Yor  der  alpinen  Faltung  ein- 
^etreten  ist  und  daB  letztere  den  Marmor  als  solchen  schon 
Yorgefunden  hat. 

II.  Die  Tektonik  des  Simplongebietes. 

Die  Ergebnisse  des  Yorausgehenden  Teiles  lassen  ohne 
weiteres  vermuten,  daB  mit  der  stratigraphischen  Grundlage, 
^uf  der  sich  wahrend  der  Durchfiihrung  des  Simplontunnels  die 
neue  tektonische  Auffassung  herausgebildet  hat,  auch  letztere 
selbst  hinfallig  geworden  ist. 

Die  postliasischen  Gneise  konnen  nicht  mehr  als  die  archa- 
ischen  Kerne  groBer  liegender  Faltendecken  in  Anspruch  ge- 
nommen  werden,  und  noch  Yiel  weniger  konnen  sie  als  Beweise 
flir  die  Existenz  dieser  Falten  dienen.  Es  ist  notwendig,  die 
ganze  Tektonik  umzuarbeiten  und  alle  geologischen  Profile 
unizuzeichnen.  Das  konnte  nun  als  eine  leichte  Arbeit  erscheinen, 
bei  der  nichts  weiter  zu  tun  ware,  als  in  die  alten  Profile  die 
neuen  stratigraphischen  Werte  einzusetzen.  Aber  leider  sind  die 
neuen  Werte  nicht  von  gleicher  Bestimmtheit  wie  die  alten. 
Das  geht  aus  einer  kurzen  Rekapitulation  derselben  hervor. 
Wir  haben  erkannt,  daB  unter  den  Sedimentgesteinen  die 
Berisalschiefer  die  tiefste  Stellung  einnehmen.  Sie  sind  min- 
destens  palaozoisch,  doch  ist  ein  archaisches  Alter  nicht  yoII- 
.standig  ausgeschlossen.    Die  Bacenoschiefer  hingegen  sind  ganz 


143 


unsicher,  unci  es  ist  ebensowohl  moglich,  dafi  sie  deni  Mesozoicum 
wie  dem  Palaozoicurn  angehoren.  Alle  sonstigen  Sedimente 
durfen  zwar  mit  groBter  Wahrscheinlichkeit  ins  Mesozoicum 
gestellt  werden,  und  ein  Teil  derselben  gehort  sicher  zum  Lias, 
ein  anderer  Teil  hochstwahrscheinlich  zur  Trias,  aber  von 
groBen  Teilen  ist  es  ganz  ungewiB,  ob  sie  der  einen  oder 
anderen  dieser  zwei  Perioden  oder  vielleicht  auch  keiner  von 
beiden  angehoren.  Sie  miissen,  solange  diese  UngewiBheit 
besteht,  in  den  Profilen  stets  rnit  Fragezeichen  erscheinen  und 
lassen  in  vielen  Fallen  erne  sichere  Beantwortung  der  tektonischen 
Fragen  nicht  zu.  Sie  machen  eindeutige  Profile  zur  Unmoglich- 
keit.  Aus  deren  Yieldeutigkeit  kann  man  jedoch  dem  Geologen 
keinen  Vorwurf  machen,  denn  ultra  posse  nemo  obligatur.  Die 
Erkenntnis,  daB  die  meisten  Gneise  und  die  Grunschiefer 
Intrusivgesteine  sind,  raubt  diesen  ebenfalls  einen  guten  Teil 
ihres  stratigraphischen  Wertes,   den  sie  bisher  gehabt  haben. 

Gleichwohl  bleibt  von  dieser  weitgehenden  Umpragung 
der  Werte  eine  tektonische  Tatsache  von  seltener  GroBartigkeit 
unberiihrt,  deren  Feststellung  wir  den  unermiidlichen  Arbeiten, 
inbesondere  von  Pkeiswerk,  Schardt,  Schmidt  und  Stella  ver- 
danken.  Es  ist  dies  die  Uberlagerung  des  gesamten  Komplexes 
mesozoischer  Gesteine  durch  die  alteren  Berisalschiefer ;  auf  sie 
miissen  wir  deshalb  zunachst  unser  Augenmerk  richten.  Doch 
sei  es  gestattet  einiges  liber  die  vou  mir  angewendete  tektonische 
Terminologie  voraus  zu  schicken. 

l.  Zur  tektonischen  Terminologie. 

Faltungen  von  groBer  Ausdehnung  und  sehr  verwickelter 
Gestalt  spielen  im  Simplongebiet  eine  bedeutende  Rolle.  Es 
erscheint  deshalb  notwendig,  bei  ihrer  Beschreibung  fur  die 
einzelnen  Faltenteile  eine  Nomenklatur  zur  Anwendung  zu 
bringen,  iiber  deren  Bedeutung  ein  Zweifel  nicht  bestehen 
kann.  Unzweideutig  in  dieser  Beziehung  sind  die  Worte 
Falte,  Mulde,  Sattel  oder  Gcwolbe,  Fliigel  oder  Flanke 
(das  Wort  ,,Schenkel"  gebrauche  ich  nicht  gern,  weil  ihm  der 
Begriff  der  flachenhaften  Ausdehnung  abgeht),  Mulden-  und 
G-ewolb  ekern,  G ewolb esche itel  oder  -first,  Mulden- 
boden  (erscheint  mir  besser  als  „Muldenbiegungu  oder  gar 
^,Muldenscheitel"),  Mulden-  und  Sattelachse.  (ziehe  ich  dem 
Wort  „Linie"  vor,  weil  es  zugleich  dem  Begriffe  der  Schichten- 
•drehung  Ausdruck  verleiht),  Achsenflache  (in  der  die  Achsen 
samtlicher  verbogenen  Schichten  eines  Mulden-  oder  Gewolbe- 
kernes  liegen  und  die  nnr  in  seltensten  Fallen  eine  Ebene  sein, 
und  weshalb  Achsenebene  nicht   als   ein  Synonym  angesehen 


144 


werclen  kann),  stehende,  schiefe  oder  geneigte,  iiber- 
gekippte,liegende  und  iiberstiirzte  oder  t  auch  en  de  Falten, 
Mulden  und  Sattel,  Mittelfliigel,  der  zwischen  einer  Mulde 
und  einem  Sattel  liegt,  isoklinale  imd  antiklinale  Mulden, 
Sattel  oder  Falten. 

AuJBerdem  hat  man  zwischen  offenen  und  geschlossenen 
Falten  zu  unterscheiden.  Isoklinale  koinmen  nur  bei  ge- 
schlossenen Falten  yor,  cloch  konnen  letztere  auch  antiklinal 
sein.  Das  Wesentliche  der  geschlossenen  Falten  besteht  darin, 
dafi  die  urspriingliche  Oberflache  der  Schichtmasse  durch  die 
spatere  Faltung  in  den  Mulden  aufeinanderzuliegen  kam. 
In  solchen  Muldenkernen  bildet  diese  Oberflache  die  Trennungs- 
fliiche  zwischen  den  beiden  Muldenflugeln,  und  ich  will  sie 
deshalb  die  M  edianfl ache  oder  kurzweg  die  Mediane  nennen. 
Sie  liegt  stets  in  der  Fortsetzung  der  Muldenachsenflache,  und 
ihre  Gestalt  ist  abhangig  sowohl  von  der  urspriinglichen  Ober- 
flache als  auch  von  den  tektonischen  Bewegungen  bei  der  Faltung. 
Man  kann  deswegen  auch  nicht  erwarten,  daB  die  Mulden- 
medianflachen  stets  genau  in  der  Mitte  derMuldenkerne  liegen, 
da  ja  die  beiderseitigen  Muldenfliigel  primar  verschieden  machtig 
gewesen  sein  konnen.  Aufierdem  werden  sie  nur  selten  Ebenen 
sein,  sondern  meistens  einen  mehr  oder  minder  unregelmafiigen 
Verlauf  haben. 

Eine  besondere  Beachtung  verdienen  die  Faltungen  der 
Falten,  worunter  ich  jedoch  nicht  jene  feine  Faltelung  und 
.Knitterung  der  Schichten  verstehe,  die  besonders  in  schieferigen 
Gesteinen  im  Simplongebiet  die  Regel  ist,  sondern  die  grofieren 
Faltungen  sowohl  der  Faltenfliigel  in  ihrer  Fallrichtung  als 
auch  der  Faltenachsen  in  ihrem  Streichen.  Sie  konnen  schon 
ursprunglich  bei  der  Hauptfaltung  oder  erst  nachtraglich  ent- 
standen  sein  infolge  eines  zweiten  Faltungsprozesses,  einer 
Nachfaltung,  durch  die  die  alteren  Falten  noohmals  zu 
Mulden  und  Satteln  zusammengeschoben  worden  sind.  Im 
ersteren  Falle  sind  es  sogen.  Neben-  oder  Spezialfalten, 
und  man  spricht  von  Mulden  satteln,  wenn  sich  kleine  Sattel 
innerhalb  einer  grofieren  Mulde,  von  Sattelmulden,  wenn 
sich  kleinere  Mulden  auf  einem  grofieren  Sattel  herausgebildet 
haben.  Ftir  den  zweiten  Fall  fehlt  uns  eine  gute  Bezeichnung. 
Man  spricht  wohl  von  gefalteten  oder  wiedergefalteten  Falten,. 
aber  fur  die  einzelnen  Erscheinungsformen  sollt-e  es  Be- 
zeichnungen  geben,  die  sofort  den  eigenartigen  Sachverhalt 
erkennen  lassen.  Dies  gilt  besonders  ftir  Faltungen  schon 
vorhandener  liegender  Falten.  Es  konnen  da  Gewolbe  oder 
Mulden    entstehen,    die    nach    dem   gekriimmten   Yerlauf  der 


Erklarungen  zu  Tafel  I. 

Hippopotamus  hipponensis  Gaudry. 

Fig.  1.    Linker  oberer  I  2,  a  von  auBen,  b  von  vorn,  e  Querschnitt  in 
Mitte  der  Hohe. 

Fig.  2.    Linker  oberer  C,  a  von  innen,  b  Querschnitt  in  Mitte  der 
Hohe. 

Fig.  3.  Reenter  oberer  P  3,  a  von  unten,  b  von  auBen. 
Fig.  4.  Reenter  oberer  P  4,  a  von  unten,  b  von  innen. 
Fig.  5.    Reenter  oberer  M  2  von  unten. 

Die  Originale  zu  Tafel  I — III  stammen  bis  auf  das  zu  Fig.  1 
Taf.  Ill  samtlich  vom  Garet  el  Muluk  und  befinden  sich  bis  auf  dieses 
in  der  palaontologischen  Staatssammlung  in^Miinchen.  AUe  Figuren 
sind  in  natiirlicher  GruBe  ohne  Spiegel  gezeichnet. 


Zeitschr.  d.  Deutsch.  Geol.  Ges.  1914. 


Tafel  L 


2b 


A.  Birkmaier  gez. 


Lichtdruck  von  Albert  Frisch,  Berlin  W. 


Erlauterungen  zu  Tafel  II. 

Hippopotamus  hippo nensis  Gaudry. 

Fig.  1.    Unterer  I  1,  a  seitlich,  b  Querschnitt  unter  der  Mitte. 
Fig.  2.    Rechter  unterer  I  2,  a  von  auBen,  b  Querschnitt  unterhalb 
des  Schmelzes. 

Fig.  3.    Linker  unterer  C,  a  von  aufien,  b  Querschnitt  in  Mitte  der 
Hohe. 

Fig.  4.    Rechter  unterer  P  4,  a  von  inuen,  b  von  oben. 


Zeitschr.  d.  Deutsch.  Geol.  Ges.  1014. 


Tafel  II. 


Lichtdruck  von  Albert  Frisch,  Berlin  W. 


Erlanterungen  zu  Tafel  III. 

Hippopotamus  hipponensis  Gaudry. 

Fig.  1.    Rechter  unterer  P  2  von  innen.    Original  zu  Stromer  1905,  ' 

Taf.  20,  Fig.  5  vom  Profil  C,  im  Senckenberg-Museum. 
Fig.  2.    Rechter  unterer  M  2,  a  von  oben,  b  von  auBen. 
Fig.  3.    Rechter  oberer  D  M  3,  a  von  unten,  b  von  innen. 
Fig.  4.    Linker  oberer  DM4  von  unten. 

Fig.  5.    Linker  unterer  D  C,  hinten  abgekaute  Spitze,  a  von  auBen, 

b  Querschnitt  unten  an  ihr. 
Fig.  6.    Rechter  unterer  DM2  von  innen. 

Fig.  7.    Rechter  unterer  DM3,  wenig  abgekaut,  a  von  innen,  b  von  j 
oben. 

Fig.  8.  Rechter  unterer  DM3,  maBig  abgekaut,  von  oben. 
Fig.  9.  Rechter  unterer  DM3,  stark  abgekaut,  von  oben. 
Fig.  10.  Linker  unterer  DM4,  sehr  stark  abgekaut,  von  oben. 


Zeitschr.  d.  Deutsch.  Geol.  Ges.  1914. 


Tafel  III. 


A.  Birkmaier  gez. 


Lichtdruck  von  Albert  Frisch,  Berlin  W. 


Zeitschirft  der  Deutschen  Geologischen  ( 


Taf.  IV 


Zeitschr.  d.  Deutsi 


Taf.  V. 


Zeitschrift 

der 

Deutschen  Geologischen  Gesellschaft. 

(Abhandlungen  und  Monatsberichte.) 


A.  Abhandlungen. 


2.  Heft.  66.  Band.  1914. 

April  bis  Juni  1914. 
(Hierzu  Tafel  YI-XXI). 

Berlin  1914. 

Verlag  von  Ferdinand  Enke, 
Stuttgart. 


INHALT. 

Aufsatze: 

4.  ECK,  OTTO:    Die   Cephalopoden  der  Schweinfurth- 

schen  Sammlung'  aus  der  Oberen  Kreide  Ag-yptens. 
(Hierzu  Tafel  IX  bis  XIX  und  20  Textfig-uren)    .    .  179 

5.  LOTZE,  K.:    Beitrage  zur  Geologie  des  Aarmassivs 

(Untersuchungen  iiber  Erstfelder  Gneise  und  Innert- 
kirchener  Granit).  (Hierzu  Tafel  XX  bis  XXI  und 
Textfiguren)  217 


Deutsche  Geologische  Gesellschaft. 


Vorstand  fur  das  Jahr  1914 

Vorsitzender:  Herr  Wahnschaffe*]*  Schriftfiihrer :  Herr  Bartling 

Stellvertretende  Vor-  {     „    Bornhardt  „  Hennig 

sitzende:  {     „    Krusch  „  Janensch 

Schatzmeister:  „    Michael  „  Weissermel 

Archivar:  „  Schneider 

Beirat  fiir  das  Jahr  1914 

Die  Herren;  FRECH-Breslau,  FRICKE-Bremen,  MADSEN-Kopenhagen, 
OEBBECKE-Munchen,  RoTHPLETZ-Muncheu,  SALOMON-Heidelberg. 

 <§>  

Mitteilungen  der  Redaktion. 

Im  Interesse  des  regelmaCigen  Erscheinens  der  Abhandlungen  und  Monats- 
berichte  wird  urn  umgehende  Erlediguug  aller  Korrekturen  gebeten. 

Die  Manuskripte  sind  druckfertig  einzuliefern.  T)ie  Kosten  fiir 
Korrekturen,  Zusatze  und  Anderungen  m  der  1.  oder  2.  Korrektur  werden 
von  der  Gesellschaft  niir  in  der  Ho  he  von  6  Mark  pro  Druckbogen  getragen;  alle 
Mehrkosten  fallen  dem  Autor  zur  Last. 

Der  Autor  erhalt  in  alien  Fallen  eine  Fatmenkorrektur  und  Bach  Umbrechen 
des  betreffenden  Bogens  eine  Revisionskorrektur.  Eine  dritte  Korrektur  kann 
nur  in  ganz  besonderen  Ausnahmefallen  geliefert  werden.  Fiir  eine  solche  hat 
der  Autor  die  Kosten  stets  ganz  zu  iibernehmen. 

Im  Manuskript  sind  zu  bezeichnen: 
Uberschriften  (halbfett)  doppelt  unterstrichen, 
Lateinische  Fossilnamen  (kursiv!)  durch  Schlangenlinie, 
Autornamen  (Majuskeln)  rot  unterstrichen, 
Wichtige  Dinge  (gesperrt)  schwarz  unterstrichen. 

 ®  

Bei  Zusendungen  an  die  Gesellschaft  wollen  die  Mitglieder 
folgende  Adressen  benutzen: 

1.  Manuskripte  zumAbdruck  in  der  Zeitschrift,  Korrekturen  sowie  darauf 
beziiglichen  Schriftwechsel  Herrn  Konigl.  Geologen,  Privatdozenten 
Dr.  Bartling, 

2.  Einsendungen  an  die  Bucherei  sowie  Reklamationen  nicht  eingegangener 
Hefte,  Anmeldung  neuer  Mitglieder,  Anzeigen  von  Adressenanderungen 
Herrn  Sammlungskustos  Dr.  Schneider, 

beide  zu  Berlin  N  4,  Invalidenstr.  44. 

3.  Anmeldung  von  Vortragen  fiir  die  Sitzungen  Herrn  Professor  Dr. 
Janensch,  Berlin  N.4,  Invalidenstr.  43. 

4.  Sonstige  Korrespondenzen  an  Herrn  Geh.  Oberbergrat  Bornhardt, 
Charlottenburg,  Dernburg-Str.  49  oder  Herrn  Professor  Dr.  Krusch, 
Berlin  N4,  Invalidenstr.  44. 

5.  Die  Beitrage  sind  an  Herrn  Professor  Dr.  Rich.  Michael,  Charlotten- 
burg, Kaiserdamm  74,  Postscheckkonto  Berlin  NW  7,  Konto  Nr.  16  071 
oder  an  die  Deutsche  Bank,  Depositenkasse  Q,  fur  das  Konto  „Deutsche 
Geologische  Gesellschaft  E.  V.u  porto-  und  bestellgeldfrei  einzuzahlen. 


145 


Gesteinsbanke  als-  solche  sofort  zu  erkennen  sind  und 
dennoch  von  den  gewohnlichen  normalen  Schichtgewolben  und 
-mulden  sich  sehr  wesentlich  unterscheiden.  Bei  diesen  liegen 
jeweils  die  altesten  Schichten  (1  der  Figur)  im  Gewolbekern, 
die  jiingeren  (2)  im  Muldenkern.  Jeder  Fliigel  besteht  aus  einer 
einmaligen  Aufeinanderfolge  der  altersverschiedenen  Schichten, 
und  wo  bei  liegenden  Falten  drei  Fliigel  tibereinanderliegen, 
ist  die  Reihenfolge  der  Schichten  nur  im  Mittelfliigel  eine  zur 
Altersfolge  verkehrte.  Anders  ist  das  bei  den  Mulden  und 
Satteln    einer    nochmals    gefalteten    liegenden    Falte.  Hier 


Fig.  25. 

Einfache  Uberfaltung  mit  liegendem  Gewolbe. 
Uberfaltung  mit  Nachfaltung. 


besteht  jeder  Mulden-  und  jeder  Gewolbeflugel  aus  einer  drei- 
maligen  "Wiederholung  der  ganzen  Schichtserie.  Die  oberste 
und  unterste  haben  normale,  die  mittlere  yerkehrte  Altersfolge. 
Ist  yon  solchen  Mulden  und  Satteln  zufallig  nur  die  obere 
oder  untere  Schichtserie  der  Beobachtung  zuganglich,  dann 
erscheinen  sie  wie  einfache  und  normale  Mulden  und  Sattel. 
Ist  aber  nur  die  mittlere  Serie  zu  sehen,  dann  kann  man  unter 
vollstandiger  Yerkennnng  des  wirklichen  Sachverhaltes  yer- 
fuhrt  werden,  entweder  an  der  Richtigkeit  der  Altersbestimmung 
zu  zweifeln  und  die  jtirigsten  fiir  die  altesten  Schichten  zu 
halten,  oder  anzunehmen,  daB  infolge  einer  Drehung  um  180° 
die  Mulden  aus  Satteln  und  die  Sattel  aus  Mulden  hervor- 
gegangen  seien. 

Fiir  solche  in  Wirklichkeit  jedoch  aus  Einmuldungen  und 
Aufwolbungen  entstandenen  Mulden  und  Sattel  ist  eine  be- 
sondere  Bezeichnung  erforderlich.  Da  es  sich  hierbei  um  die 
tektonischen  Formen  einer  zyveiten  oder  Nachfaltung  handelt, 

Zeitschr.  d.  D.  Geol.  Ges.  1914.  10 


146 


so  werde  ich  sie  als  Nachmulden  und  Nachsattel  oder 
Nachgewolbe  bezeichnen.  In  dem  gesetzlich  sanktionierten 
„Nacherben"  haben  wir  im  Deutschen  ein  Analogon  fiir  diese 
Wortbilduug.  Wiirde  das  Wort  after  im  englischen  Sinne 
noch  bei  uns  gebrauchlich  sein,  dann  konnte  man  auch  die 
Bezeichnung  Aftermulde  und  Aftersattel  wahlen,  was  noch. 
den  besonderen  Yorteil  der  Anwendbarkeit  im  Englischen 
hatte  (afterfold,  aftertrough  etc.). 

2.  Die  Berisaliiberfaltung. 

Soweit  als  die  Berisalschiefer  auf  der  Simplonkarte  in  die 
Erscheinung  treten,  liegen  sie  auf  den  jiingeren  mesozoischen 
Sedimenten  und  deren  G-neis-Intrusionen.  Ihre  Verbreitung  ist 
auf  zwei  voneinander  getrennte  Bezirke  beschrankt.  Yon 
diesen  habe  ich  den  ostlichen  nicht  untersucht  und  ich  weiB 
nicht,  inwieweit  eine  Identitat  der  im  Osten  des  Antigoriotales 
eingezeichneten  Berisalschiefer  mit  denjenigen  Yon  Berisai 
besteht.  Nach  dem  Kartenbild  erscheinen  sie  als  Ausstrich 
eines  nach  NW  ubergekippten  Doppelgewolbes,  das  von  meso- 
zoischen Schiefern  auf  der  NW-Seite  unter-  und  auf  der  SO-Seite 
iiberlagert  ist.  Der  Berisalkern  tritt  unter  diesem  Mantel  im 
SW  beim  Mte.  Larone  im  Isornotal  hervor  und  erstreckt  sich 
in  nordostlicher  Bichtung  bis  zur  Marchenspitz  und  dem  Dorfe 
Bosco  im  gleichnamigen  Tale,  wo  er  unter  die  jiingeren  Schichten 
wieder  untertaucht. 

Tektonisch  ganz  unabhangig  davon  ist  der  Berisalschiefer 
im  Siiden  und  Westen  der  Simplonkarte.  Er  taucht  im  Osten 
yon  Domo  d'Ossola  (aufierhalb  der  Karte)  auf  und  zieht  sich 
yon  da  in  nordwestlicher  Bichtung  iiber  Zwischenbergen  bis 
zum  Simplonpafi  mit  Yorherrschend  siidwestlichem  Einfallen 
seiner  Schichten  und  stets  auf  den  jiingeren  mesozoischen  Ge- 
steinen  und  Schichten  ruhend.  Yom  PaB  aus  greift  er  iiber 
diese  in  Form  einer  schmalen,  im  Maximum  bis  4  km  breiten 
und  iiber  15  km  langen  Zunge  in  nordostlicher  Bichtung  hin- 
iiber  und  erreicht  damit  den  nordlichsten  Punkt  seiner  Ver- 
breitung am  Cherbadung.  Seine  Nordgrenze  lauft  YOn  diesem 
Berge  in  westsiidwestlicher  Bichtung  iiber  Berisai,  SchieJ3horn, 
Nanzliicke  und  Yisperterbinnen  an  die  Westgrenze  der  Karte, 
wo  sie  sich  dann  auf  den  Sudgehangen  des  Bhonetales  weiter 
bis  Sion  fortsetzt.  Diese  Uberfaltung  —  denn  als  eine  solche 
hiuB  sie  nach  den  Feststellungen  im  stratigraphischen  Teile 
gelten  —  hat  sicher  eine  Weite  von  20  km.  Die  mesozoischen 
Schichten,  die  clementsprechend  auch  iiber  diesem  liegenden 
Berisalgewolbe   zu   erwarten   sind,    erscheinen   mit  Ausnahme 


147 


einiger  kleiner,  abgelegener  Pimkte  auf  der  Simplonkarte 
nicht,  sondern  stellen  sich  erst  erheblich  weiter  im  Siiden  und 
Siidwesten  ein.  Mit  dem  Gewolbe  von  Bosco  hingegen  hat 
diese  Berisalfalte  keinen  Zusammenhang  imd  kann  ihn  auch 
nicht  haben.  Wenn  sich  also  durch  spatere  Untersuchungen 
herausstellen  sollte,  dafi  bei  Bosco  die  echten  Berisalschiefer 
gar  nicht  vorkommen  und  dafi  dort  gar  kein  liegendes  Gewolbe, 
sondern  eine  Mulde  existiert,  was  aus  den  nachfolgenden 
Erorterungen  als  nicht  unwahrscheinlich  hervorgehen  wird,  so 
wird  damit  die  Existenz  der  Berisaliiberfaltung  in  keiner  Weise 
betroffen. 

Die  Lagerung  und  Yerbreitung  der  Berisalschiefer,  welche 
uns  zur  Annahme  einer  so  gewaltigen  Uberfaltung  zwingt,  steht, 
abgesehen  von  gewissen  Einzelheiteu,  aufier  allem  Zweifel.  Sie 
ist  so  augenfallig,  dafi  schon  1865  Gehlacii  auf  seiner  Karte  sie 
mit  einer  verbliiffenden  Genauigkeit  eingetragen  hat.  Er  be- 
zeichnete  die  Berisalschiefer  als  Helvetanphyllite  und  Gneise 
(Casannaschiefer  z.  T.),  hielt  sie  aber  fiir  junger  als  die  darunter- 
liegenden  Gneise,  so  dafi  ihm  diese  Uberlagerung  als  etwas  sehr 
Natiirliches  erschien.  Heute,  wo  es  infolge  der  genauen  geologischen 
Kartierung  und  der  Aufschliisse,  die  der  Simplontunnel  gebracht 
hat,  nachgewiesen  ist,  dafi  die  Berisalschiefer  zwar  wohl  iiber 
jenen  Gneisen,  unmittelbar  jecloch  zunachst  iiber  mesozoischen 
Kalkgesteinen  liegen,  dafi  somit  diese  Uberlagerung  eine  abnormale 
ist,  mufi  sie  durch  grofie  tektonische  Bewegungen  erklart  werden, 
und  es  konnen  dabei  nur  Uberschiebung  'oder  Uberfaltung  in 
Betracht  komnien.  Nirgends  aber,  wo  ich  die  Berisalschiefer 
unmittelbar  auf  den  Kalkschiefern  liegend  beobachten  konnte  — 
und  es  bietet  sich  zu  solchen  Beobachtungen,  besonders  in  der 
Umgebung  des  Simplonpasses,  guteGelegenheit  —  waren  Anzeichen 
einer  Uberschiebungsflache  oder  Mylonitbildungen  zu  bemerken. 
Uberfaltung  ist  somit  beim  gegenwartigen  Stand  uuserer  Kennt- 
nisse  allein  imstande,  die  Uberlagerung  zu  erkliiren.  Die  Kalk- 
sedimente  und  Gneise  entsprechen  danach  dem  liegenden  Flligel 
dies  gewaltigen  Gewolbes  unci  zugleich  dem  hangenden  Fliigel 
•einer  Mulde,  die  unter  dem  Gewolbe  liegt. 

Zu  dieser  liegenden  Mulde  sind  alle  die  Gesteine  zu  rechnen, 
die  unter  den  Berisalschiefern  im  Norden  und  Osten  heryor- 
kommen,  und  es  steht  zu  erwarten,  dafi  in  ihr  die  verschiedenen 
stratigraphischen  Gliecler  zweimal  iibereinander  auftreten,  zu 
oberst  in  verkehrter,  zu  unterst  in  normaler  Lagerung,  und  dafi 
zu  allerunterst  audi  die  Berisalschiefer  wiedererscheinen  werden, 
falls  die  Erosion  tief  genug  heruntergearbeitet  hat. 

Wenn  wir  nun  von  Westen  nach  Osten  etwa  in  der  Richtung 

10* 


148 


Simplon-Hospiz — Cairascatal  das  Gebiet  durchwandern,  dann 
ergibt  sich  folgende  Reihenfolge  von  oben  nach  unten: 

1.  Berisalschiefer, 

2.  Kalkgestein, 

3.  Leonegneis, 

4.  Kalkgestein, 

5.  Valgrandegneis, 

6.  Kalkgestein, 

5.  Lebendungneis, 
4.  Kalkgestein, 
3.  Antigoriogneis, 
2.  Kalkgestein. 

Die  liegenden  Berisalschiefer  sind  also  wirklich  nicht  auf- 
geschlossen,  sonst  aber  entspricht  die  Schichtfolge  genan  der 
einer  liegenden  Mulde,  denn  wir  sind  ja  berechtigt,  den  Leone- 
mit  dem  Antigoriogneis  zn  identifizieren.  Die  Muldenmediane 
liegt  im  Kalkgestein  6. 

3.  Die  Formazza-Uberfaltung. 

Der  liegende  Fliigel  der  Berisalfalte  zeigt  besonders 
da,  wo  der  hangende  Fliigel  fehlt,  bedeutende  Yerbiegungen, 
die  ich  als  die  Formazza-Uberfaltung  bezeichne,  weil  sie  zu 
beiden  Seiten  dieses  Tales  am  deutiichsten  entwickelt  ist.  Es 
liegen  dort  sicher  zwei  Falten  ubereinander.  Die  untere  beginnt 
im  SW  am  Teggiolo  und  zieht  mit  ihrem  Stirnrand  in  nord- 
ostlicher  Richtung  iiber  Goglio  im  Deverotal  und  den  Busin- 
See  nach  Oberfrutt  im  Formazzatal.  Die  zweite  beginnt  erst 
im  Osten  yon  Formazza  nnd  zieht  ins  Basodino-Massiv  hiniiber. 
Soweit  die  Aufschliisse  reichen,  zeigen  sich  die  Berisalschiefer 
nirgends  in  diesen  Falten. 

Wahrend  es  bei  der  Berisaluberfaltung  ungewiB  ist,  ob  sie 
mehr  nach  Norden  oder  mehr  nach  NO  gerichtet  war,  lassen 
die  Formazzafalten  eine  nordwestliche  Faltungsbewegnng  sehr 
deutlich  erkennen,  und  es  ist  diese  Diskordanz  der  Bewegungs- 
richtungen  eine  Erscheinung  von  grower  tektonischer  Bedeutung^ 

4.  Die  Bedrettofaltung. 

Die  engen  stehenden  Falten  bei  Brig,  die  zwischen  dem 
Gneis  des  Aarmassives  und  der  Berisalfalte  eingezwangt  sind, 
streichen  in  ostnordostlicher  Richtung  iiber  Binn  und  den 
NufenenpaB  ins  BedrettotaL  Nicht  nur  durch  ihre  Streichrich- 
tung,  sondern  auch  durch  ihre  Form  unterscheiden  sie  sich  sehr 
auffallig  von  den  liegenden  Formazzafalten  und  der  Berisalfalte. 


149 


Mit  ersteren  treffen  sie  am  GiacomopaB  zusammen,  wahrend 
sie  bei  Brig,  in  nordsiidlicher  Richtung  gemessen,  schon  einen 
Abstand  von  11  km  von  ihnen  haben. 

Diese  drei  Faltungseinheiten  lassen  sich  trotz  der  be- 
stehenden  stratigraphischen  Schwierigkeiten  ziemlich  genau 
feststellen,  und  sobald  man  auf  der  geol.  Simplonkarte  die 
Yeranderungen  vornimmt,  zu  welchen  uns  die  Stratigraphie 
zwingt,  dann  wird  man  auch  aus  ihr  ohne  weiteres  die  drei 
Faltungsziige  herauslesen.  Viel  schwieriger  jedoch  ist  es,  die 
zeitlichen  und  ursachlichen  Beziehungen  zu  erkennnen,  die 
zwischen  ihnen  bestehen.  Da  ist  es  notwendig,  durch  ein 
minutioses  Studium  der  Einzelheiten  die  Anhaltspunkte  zur 
Entzifferung  der  tektonischen  Yorgeschichte  zu  gewinnen.  Ein 
uniibertreffliches  Hilfsmittel  dazu  hat  der  Simplon-Durchstich 
geliefert,    dem    wir  uns   deshalb   zunachst  zuwenden  wollen. 

5.  Der  Simplontunnel. 

Die  geologischen  Aufschliisse  in  diesem  Tunnel  haben  fiir 
die  Auffassung  des  Gebirgsbaues  in  diesem  Gebiete  eine  wahre 
Revolution  gebracht.  Sie  sind  von  solch  grundlegender  Be- 
deuturig  geworden,  daB  sie  auch  hier  eine  besondere  Besprechung 
erfordern.  Was  wir  dariiber  wissen,  verdanken  wir  in  erster 
Linie  den  31  Rapports  trimestriels  au  Conseil  federal  Suisse 
sur  l'etat  des  travaux  du  percement  du  Simplon,  vom 
31.  Dezember  1898  bis  zum  30.  Juni  1906,  in  denen  Schakdt 
die  jeweils  durchfahrenen  Gesteine  und  ihre  Schichtlage  in 
besonderen  Kapiteln  beschrieben  hat.  Der  besondere  Wert, 
den  diese  Berichte  haben,  liegt  darin,  daB  sie  den  Tatbestand 
genau  verzeichnen,  soweit  er  damals  bemerkenswert  erschien, 
und  dafi  bei  der  Auswahl  der  Mitteilungen  nicht  theoretische 
Gesichtspunkte  mafigebend  waren,  sondern  in  erster  Linie  die 
praktisch  wichtigen.  Diese  Unbefangenheit  der  Darstellung  ist 
fiir  uns  von  groBtem  Wert  und  laJt  gern  iiber  das  Fehlen 
genauerer  petrographischer  Untersuchungen  hinwTegsehen,  die 
erst  nach  langerer  Studienzeit  zu  geben  moglich  war, 
und  die  ja  auch  in  Aussicht  gestellt  sind1).  Weitere  Beitrage 
hat  Schardt   1903,  in  Note   sur  le  profil  geologique   et  la 


J)  Die  interessante  Arbeit  von  H.  Preisaverk:  „Die  metamorphen 
Triasgesteine  im  Simplon  Tunnel",  erschienen  in  den  Verh.  der  naturf. 
Ges.  Basel  1913,  ist  mir  vom  Verfasser  leider  erst  zu  einer  Zeit  zuge- 
schickt  worden,  als  das  Manuskript  schon  abgeschlossen  war.  Die 
darin  festgestellte  Mineralfuhrung  der  „triassischen"  Gesteine  steht  mit 
meiner  Auffassung  in  bestem  Einklang. 


150 


tectonique  du  Massif  du  Siinplon,  und  C.  Schmidt  geliefert, 
der  auch  fur  einzelne  Tunnelstreckeu  Profilzeichnungen  gegeben 
hat  (Fiihrer  zu  den  Exkursionen  der  D.  G.  G.  1907,  S.  56 
bis  63).  Seine  Aufsatze  in  den  Eclogae  (1907)  und  in  den 
Erlauterungen  zur  Simplonkarte  (1908)  enthalten  allerdings 
nur  recht  sunimarische  Angaben  iiber  die  Tunnelaufschliisse,  und 
das  im  Marz  1905  yon  C.  Schmidt  u.  H.  Preiswerk  ent- 
worfene  (Eclogae  a.  a.  0.,  Taf.  8)  Profil  1  :  50  000  gibt  die- 
selben  ziemlich  schematisch  und  mit  starker  theoretischer 
Farbung  wieder.  Ich  kann  es  deshalb  unserer  Besprecbung 
hier  ebensowenig  zugrunde  legen  wie  die  yielen  anderen 
seitber  yeroffentlichten  Profile  yon  Schardt,  Schmidt,  Stella 
u.  a.,  deren  MaBstab  1:  150  000  oder  noch  kleiner  ist. 

Icb  babe  nacb  den  ScHARDTscben  Angaben  ein  Tunnelprofil 
1:10  000  gezeicbnet  und  micb  dabei  nur  an  die  Rapports 
trimestriels  gehalten.  Dann  erst  habe  icb  dasselbe  in  das 
Simplonoberflachenprofil  eingesetzt,  das  ich  yorher  genau  in 
der  Pichtung  der  Tunnelacbse  durcb  das  Gebirge  gelegt  hatte. 
Auf  diese  "Weise  erbielt  icb  zwei  raumlicb  yoneinander  ge- 
trennte  auf  tatsachliche  Beobacbtungen  gestiitzte  Profile,  die 
icb  dann  in  Fig.  1,  Taf.  I  mit  punktierten  Konstruktions- 
linien  yerbunden  babe.  Dadurcb  soil  scbarfer  als  dies  bisber 
gescbab,  zwiscben  Tatsacben  und  Vermutungen  unterscbieden 
werden,  was  nacb  den  Ergebnissen  des  stratigrapbiscben  Teiles 
unbedingt  erforderlicb  erscbeint. 

Wenn  wir  uns  nun  dem  Tunnelprofile  zuwenden,  so  fallt 
es  auf,  daB  yom  Nordportal  weg  die  Scbicbten  alle  ganz  steilr 
meist  sogar  yertikal  stehen,  gegen  SO  bin  sicb  langsam  urn- 
legen,  so  daB  sie  ein  nordwestliches  Einfallen  erbalten,  dann 
iminer  flacher  werdend,  bei  Km.  6  (yom  Sudportal)  sogar 
yollstandig  borizontale  Lagerung  annebmen  und  weiterbin  bis- 
zum  Sudportal  in  eine  Neigung  nacb  SO  iibergeben.  Im 
ganzen  also,  wenn  wir  yon  raumlicb  begrenzten  Storungenr 
die  bernacb  zu  besprecben  sind,  abseben,  bietet  sicb  uns  das 
Bild  eines  flacb  gespannten  weiten  Gewolbes  dar,  dessen 
nordlicher  Fliigel  jedocb  steiler  als  der  siidlicbe  aufgericbtet 
ist  und  zuletzt  sogar  in  yertikale  Stellung  iibergebt.  Sobald 
wir  aber  die  petrographiscbe  Bescbaffenheit  und  den  strati- 
grapbiscben Wert  der  einzelnen  Schicbten  ins  Auge  fasseDy 
yerscbwindet  dieses  einfacbe  Bild  sofort,  und  es  bait  scbwer,  in 
dem  Wirrsal  der  Erscbeinuugen  GesetzmaBigkeiten  ausfindig; 
zu  macben. 


151 


6.  Das  Tunnelprofil. 

Yom  Nordportal  weg  durchfuhr  man: 

I  677  m  Glanzschiefer,  nur  teilweise  kalkhaltig, 
meist  von  Quarz-  und  Calcitadern  durchsetzt, 
erst  40°  nach  SO  fallend,  langsam  sich  steiler 
stellend  bis  85°  und  zuletzt  sogar  steil  nach 
NW  geneigt. 

II  38  m  grauer  und  weifler  Anhydrit  und  Gips 
mit  Dolomiteinlagen,  zu  beiden  Seiten  yon 
weiBem  sericitischen  Schiefer  eingescklossen 
(km  0,677—0,715). 
Ill  521m  Glanzschiefer  wie  oben  95  m,  60 — 65° 
nach  SO  fallend,  10  m  Zerknitterungszone, 
2J  m  vertikale  Stellung,  59  m  steiles  Einfallen, 
nach  NW  bis  zu  25°  sich  verflachend  und 
dann  wieder  bis  75°  NW-Neigung  steigend, 
74  m  Zerknitterungszone  mit  Verwerfungen, 
39  m  Neigung  yon  75 — 85°  nach  SO,  17  m 
Zerknitterungszone,  83  m  Neigung  nach  SO 
mit  75 — 90°,  11  m  Zerknitterungszone  mit 
viel  Gleitflachen,  86  m  Schiefer,  horizontal, 
allmahlich  Neigung  mit  25 — 35°  nach  SO 
annehmend,  26  m  mit  Neigung  yon  70°  SO 

IT    294  m  Anhydrit,  Gips  und  Dolomiteinlagen. 

156  m  Anhydrit,  Gips  und  Dolomit  mit  wieder- 
holten  sattelformigen  Aufbiegungen,  2  m  griin- 
lichgrauer  Schiefer,  2  m  Anhydrit,  4  m 
Schiefer,  23  m  Anhydrit,  1  m  weiBer  pyrit- 
reicher  Schiefer,  23  m  Anhydrit,  58  m  grauer 
Kalkschiefer  mit  wenig  Quarzadern,  aber 
starken  bizarren  Faltelungen,  durchaus  yom 
Ansehen  der  normalen  Glanzschiefer,  28  m 
Anhydrit.    (km  1,236—1,530.) 

Y  1467  m  Glanzschiefer,  dem  vorausgegangenen  ganz 
ahnlich  und  zunachst  stark  gefaltelt,  dann 
vertikal  gestellt  mit  75 — 85°  Neigung  nach 
SO,  seltener  NW,  doch  kommen  auch  Ver- 
biegungen  mit  bis  zu  1  m  Krummungsradius 
vor,  mit  kleinen  Diskordanzen  der  Schichten 
verkntipft.  Eine  Zunahme  der  kieseligen 
Kalkeinlagerungen  tritt  ein  und  zugleich 
groBere  Krystallinitat. 


152 


VI  153  hi  gleiche  Gesteinsarten,  aber  plotzlich  mit 
20 — 25°  SO  Neigung  und  mehrfach  mit  yerti- 
kalen  Schichten  abwechselnd.  (km  2,997  bis 
3,150.) 

VII  420  m  gleiche  Gesteinsarten,  Neigung  nach  SO 
mit  75—85°,  dann  bei  km  3,432  Neigung 
70—80°  NNW  und  Streichen  (statt  N  40°  0) 
N  55—75  0.  Von  km  3,500—3,565  yertikale 
Stellung  und  dann  wieder  Neigung  nach  SO 
bis  km  3,570. 

VIII  261  m  Glanzschiefer,  kalkhaltig  und  weich,  wellig 
gebogen,  bei  km  3,595  fast  horizontal,  dann 
steiler  bis  vertikal,  aber  mit  zickzackformigen 
Verbiegungen  zwischen  km  3,695  und  3,735, 
ganz  miirb  mit  viel  Gleitnachen,  yon  km  3,710 
nach  SO  fallend. 

IX  34  m  Glanzschiefer  mit  Einlagerungen  yon  2  —  3 
m  dicken  krystallinen  Kalkbanken.  Neigung 
nach  NW  mit  80—85°  bis  km  3,865. 
X  46  m  Dolomit  und  glimmerreicherSchiefer, Neigung 
NW  80—85°.  Bei  km  3,900  ein  Gneisband, 
1  m  stark,  yon  Gleitnachen  begrenzt,  diskordant 
im  Schiefer.  Die  Gesteinsfolge  ist  26  m 
Dolomit,  12  m  Schiefer  mit  Gneisgang,  2  m 
Dolomit,  zu  unterst  Gleitflache  gegen  den 

XI  80  m  Gneis  (Eistengneis)  zwischen  km  3,911  und 
3,991. 

XII  91  m  Dolomit  59  m,  korniger  grauer  Kalk  3  m, 
glimmerreicher  Schiefer  22  m,  weifler  Dolomit 
5  m,  schwarzer  Glimmerschiefer  1,5  m.  Viel 
Verbiegungen  der  Schichten.  Deutliche  Dis- 
kordanzen. 

XIII  329  m  Gantergneis   mit  vielen  bis  x/2  m  breiten 

Aplitgangen  zwischen  km  4^081  und  4,410. 

XIV  400  m  kieseliger  Kalk,  Cipollin  und  sericiti- 

scher  Glimmerschiefer  in  Wechsellagerung 
mit  quarzitischen  Lagen  und  Kalkschiefer 
mit  Granaten  und  Hornblende.  Neigung  NW 
mit  70—75°. 

XV  100  m  Grunschieferzone  mit  grauem  kalkhaltigen 
Granatglimmerschiefer  zwischen  km  4,810  und 
4,910. 


153 


XVI  90  m  Granatgliminerschiefer  mit  einigen  weiBen 
Marmorbanken,  Neigung  NW  mit  50 — 70° 
bis  km  5,000. 

XVII  2247  m  Gneis,  Glimmerschief er,  Chlorit-Horn- 
blendeschief er  und  Quarzit  in  vielfacher 
Wechsellagerung  und  meist  ganz  kalkfrei, 
Neigung  nacli  NW  mit  50°  nimmt  allmahlich 
ab  bis  20°,  bei  km  6,885  beinahe  horizontal. 
Zwischen  5,000  und  5,355  sind  die  granat- 
fiihrenden  Schiefer  stark  von  Gneislagen 
durchsetzt.  Zwischen  km  5,990  und  6,075 
ausschlieClich  Augengneis,  bis  km  7,247. 

XVIII  5  m  Kalkschiefer,  zuerst  chloritisch  und  granat- 
fuhrend,  dann  kalkreich  und  mit  Einlagerung 
von  5 — 10  cm  starken  glirnmerfuhrenden 
Kalkbiinken. 

XIX  893  m  Leone-Gneis,  zuerst  aplitisch  (6  bis  7  m), 
dann  glimmerig  und  schichtig  wie  der  Ganter- 
gneis,  ist  durchweg  etwas  kalkhaltig,  mit 
Gangen  von  Quarz,  Calcit  und  violettem  An- 
hydrit.  Von  km  7,800  an  im  glimmerreichen 
Gneis  viel  rotlichgelbe  Granaten.  Neigung 
NW  mit  20—30°.  Zwischen  km  7,965  und 
8,005  mit  schwacher  horizontaler  Wellung, 
dann  bis  zu  50°  nach  NW,  bei  km  8,085 
20  m  weit  nach  SO  geneigt,  dann  wieder 
nach  NW.    Endet  bei  km  8,145. 

XX  442  m  Schiefer  verschiedener  Art,  mit  Neigung 
von  35°  nach  NW  beginnend,  bis  20°  ab- 
nehmend,  bei  km  8,550  fast  horizontal.  Bei 
km  8,567  eine  Verwerfung  und  danach  Neigung 
45 — 50°  nach  NW.  Es  folgen  nacheinander: 
10m  weiBe  quarzitischeKalkbanke,  in  glimmer- 
reichen Marmor  tibergehend,  30  m  Kalk- 
glimmerschiefer,  1  m  Quarzitbank,  104  m 
quarzfiihrender  mehr  oder  weniger  kalkreicher 
Glimmerschiefer,  stellenweise  mit  Granaten, 
276  m  silbergraue  bis  griinlichgraue  weiche 
Schiefer  'mit  eingesprengten  Biotitblattern, 
hinter  der  Verwerfung  7  m  weifier  kalkhaltiger 
Qarzit,  6  m  Glimmerschiefer,  7  m  Quarzit  bis 
km  8,587. 


154 


XXI  181  m  Gneis,  teils  hell,  teils  dunkel  und  glimmer- 
reicli,  lokal  mit  groBen  Granaten.  Er  ist 
stark  mit  Gleitflachen  und  Yerbiegungen 
durchsetzt,  besonders  bei  km  8,600,  8,745 
und  8,768.  Die  Spalte  bei  km  8,745  ist  mit 
kaolinisiertem  Gneisgrus  gefullt. 
XXII  163  m  Gl  immerschief er  wie  Yorher,  aber  stark 
zerknittert  und  zu  einer  Spiegel-Breccie  zer- 
driickt,  die  Spiegel  durch  Bewegungen  Yon 
SO  nach  NW  herYorgerufen.  Die  Richtung 
der  HauptgleitfLachen  ist  wenig  schief  zur 
Schieferung.  Zwischen  km  8,855  und  8,8870 
sind  die  Schiefer  nach  SO  geneigt,  andere 
stehen  Yertikal.    Von  km  8,768  bis  8,931. 

XXIII  291  m  Yalgrande-Gneis.  Zuerst  58  m  Gneis  und 
Glimmerschiefer  vermischt,  mit  Nestern  Yon 
Granat  und  stets  etwas  kalkhaltig.  Dann 
granatfiihrender,  glimmerreicher  Gneis  Yon 
km  9,100  an  mit  Hornblendenadeln  und 
glimmerschieferartigen  Varietaten.  Bei  km 
9,000  Neigung  mit  30°  nach  SO,  dann  nach 
NW  bis  zur  Gleitflache  bei  km  9,080,  die 
30°  nach  SO  geneigt  ist,  darauf  Neigung  im 
Gneis  nach  SO  und  you  km  9,200  an  mit 
35°  nach  NW.    Bei  km  9,260  Kontakt  mit 

XXIY    420  m  Glimmerschiefer,  42°  nach  NW  geneigt. 

Der  blaugraue  sericitische  Schiefer  schlieBt 
einzelne  gneisartige  Lagen  ein.  Bei  9,375  km 
Quarzitschief er  und  Glimmerschiefer,  bei 
9,399  km  dolomitischer  Cipollin  mit 
einigen  Anhydriteinlagerungen,  die  an  Menge 
zunehmen  bis  km  9,627,  dann  Kieselkalk, 
Dolomit  und  grauer  Kalkglimmerschiefer  bei 
km  9,680.  Neigung  nach  NW  mit  30—50°. 
XX Y  939  m  grauer  Kieselkalk  und  heller  korniger 
Marmor,  fallt  zuerst  25°  NW  und  verflacht 
bei  km  9,110  (Yom  Siidportal)  auf  10°.  Einige 
groBe  Spalten  mit  Gleitflachen  stehen  in  Be- 
ziehung  zu  den  Tunnelquellen. 

Die  Grenzflache  bei  km  9,110  ist  nach 
Schardt  eine  Yerwerfung;  in  Galerie  I  ist 
sie  mit  83°  nach  NW,  in  Galerie  II  aber' mit 
35°  nach  SW  geneigt.  Er  nennt  sie  deshalb 
une  surface  gauche.  Jenseits  dieser  Flache  folgt 


155 


XX VI  2005  m  Kalkglimmerschiefer  mit  einzelnen  Gra- 
naten,  der  aber  90  m  weit  von  Gleitflachen 
ganz  durchsetzt  und  besonders  nahe  der 
„Verwerfung"  formlich  zerhackt  (hachure)  ist. 

Dann  geht  er  in  normalen,  grauen,  granat- 
fiihrenden  Kalkglimmerschiefer  iiber,  der  zu- 
erst  mit  10 — 20°  nach  SO  einfallt,  an  einer 
Stelle  sogar  zwischen  km  8,820 — 8,830  hori- 
zontal liegt.  Er  ist  yon  sich  kreuzenden 
Gleitflachen  durchsetzt  bis  zu  der  SW 
streichenden  vertikalen  Verwerfungsspalte  bei 
km  8,691,  jenseits  welcher  die  Schiefer  zuerst 
horizontal  liegen  und  dann  10 — 25°  nach  NW 
einfallen.  Es  stellen  sich  im  Schiefer  teils 
helle  Kalkbankchen,  teils  quarzitische  Ein- 
lagerungen  ein.  Oft  ist  der  Schiefer  durch 
Biotitknotchen  gesprenkelt.  Bei  km  7,115 
folgt 

XXVII  280  m  weiBer  Marmor,  oft  mit  viel  Biotit,  Phlogo- 
pit  (?)  und  griinlich  gelbem  Sericit,  zwischen 
km  7,110 — 7,115  ist  er  grau  nnd  quarzfuhrend, 
zwischen  km  6,831  und  km  6,862  wird  er 
ein  kalkreicher,  korniger,  Biotit  und  Muscovit 
fiihrender  Gb'mmerschiefer.  Neigung  nach 
NW  mit  15  +  20°. 

XXVIII  1504  m  Glimmer reicher,  schichtiger  Gneis  mit 
sehr  viel  Linsen  von  kornigem  (Antigoriogneis 
iihnlichem)  Gneis,  die  nach  Schakdt  keine 
Gerolle  sein  konnen.  Auch  in  den  aplitischen 
Gneisbandern  kommen  solche  Linsen  oft  mit 
zonarer  Struktur  vor.  Oft  sind  die  Linsen 
auch  basischer  Natur.  Die  ersten  660  m  fallt 
der  Gneis  mit  25 — 10°  nach  NW  ein,  auf 
205  m  liegt  er  horizontal,  auf  375  m  ist  er 
mit  5 — 6°  nach  NW  geneigt,  auf  330  m  wieder 
horizontal,  und  auf  weitere  34  m  fallt  er  mit 
10°  nach  SO.    Dariiber  folgt  bei  km  5,326 

XXIX  385  m  K  alks  chief  er  mit  viel  Quarz- und  Calcitadern 
und  hie  nnd  da  mit  Einlagerungen  von 
kornigen  Kalkbanken.  Er  ist  stark  zerknittert, 
aber  wellig  horizontal  gelagert,  mit  schwacher 
Neigung  nach  SO,  die  kurz  vor  km  4,940 
steil  wird. 


156 


XXX  330  m  Es  folgt  dariiber  zuerst  eine  Marmorbank 
und  dann  wellig  verbogene  Kalkglimmer- 
schiefer  und  Anhydrit,  spater  auch  mit 
Doloiniteinlagen,  die  roit  15 — 35°  nach  SO 
einfallen,  dann  sich  aberwieder  ganz  verfiachen, 
bis  km  4,610.  Unvermittelt  folgt  in  steiler 
Stellung  mit  Neigung  von  70 — 75°  nach  SO 
XXXI  150  m  glimmeriger  Kalks chief er  mit  Anhydrit- 
einlagerungen  (Carl  Schmidt  gibt  bei  km 
4,560  einen  grofieren  Graniteinschlufi  an,  der 
vielleicht  dem  an  der  Poststratfe  bei  Eisten 
analog  sein  diirfte,  Schardt  hat  ihn  nicht 
erwiihnt),  der  starke  Faltungen  zeigt,  so  dai3 
bei  km  4,460  nordwestliches  und  siidostliches 
Einfallen  wiederholt  mit  horizontaler  Lagerung 
abwechseln.  Jenseits  einer  Gleitflache 
XXXII  41  m  feinschiefriger  Kalkglimmerschiefer  ohne 
Anhydrit  und  Dolomit,  aber  mit  zerbrochenen 
Banken  von Kalk  und  Cipollin.  Er  ist  stark  zer- 
driickt  und  verbogen,  bildet  vielleicht  zwei  Ge- 
wolbe.  Eine  Verwerfung  bei  km 4,420  streicht 
N  50°  O  nnd  fallt  80°  SO  (siehe  Schardt:  „Note 
sur  le  profil"  1903,  Taf.  II).    Jenseits  folgt 

XXXIII  95  m  weifler  und  grauer  glimmerreicher  Marmor, 

diskordant  zu  den  nordlich  anstoflenden 
Schiefern.  Er  fallt  35 — 40°  SO,  ist  aber  an 
der  Verwerfung  gestort  und  fallt  sogar  gegen 
sie  ein.    Dariiber  liegt  bei  km  4,325 

XXXIV  4325  m  Antigoriogneis,  bis  zum  Siidportal  zuerst 

40°  nach  SO  geneigt,  dann  in  horizontal 
wellige  Lagerung  iibergehend  und  zuletzt 
8—10°  SO  fallend.  Er  schliefit  viele  Glimmer- 
schieferpartien  von  bis  zu  20  m  Breite  ein, 
wird  von  zahlreichen  Aplitgangen  durchsetzt 
und  zeigt  auf  den  Bankungsflachen  sehr  oft 
Gleitspuren.  Bei  km  3,855  ist  er  von  einer 
vertikalen  Yerwerfungsspalte  durchsetzt,  die 
N  36°  W  streicht  und  auf  der  heiBe  Quellen 
aufsteigen  und  kalte  in  die  Tiefe  sinken. 
Nach  Schardt  betragt  ihre  horizontale  Yer- 
schiebung  bis  10  m,  ihre  vertikale  5  m,  d.  h. 
der  ostliche  Gebirgsteil  ist  von  Sud  nach 
Nord  auf  10  m  unter  einem  Winkel  von  30° 
in  die  Hohe  geschoben  worden. 


157 


Die  Deutung,  welche  Schardt  der  Anhydritzone  IV  gegeben 
hat,  erscheint  wohl  begriindet.  Die  starken  Verbiegungen  in 
der  156  m  breiten  Hauptmasse  stehen  mit  der  Vorstellung 
eines  Gewolbes  in  Einklang,  und  die  58  m  breite  Zone  ver- 
knitterter  Glanzscbiefer  1  aI3t  sich  als  eine  kleine  Sattelmulde 
versteben.  Die  nur 38m  breite  Anhydritzone II zeigthingegen keiner- 
lei  Spuren  gewolbeartiger  Unibiegungen  nnd  konnte  deshalb  auch 
als  eine  einfache  Einlagerung  in  den  Kalkschiefern  aufgefaBt 
werden.  Dahingegen  ist  es  sebr  wahrscheinlich,  daB  die  zwei 
Gipslager  bei  der  Massa  (Fig. 4)  auBerhalb  des  Tunnels  ini  Norden 
des  Nordportales  jenseits  der  Rhone  der  Zone  IV  entsprechen  und 
denNordfliigel  einerMulde  bilden,  in  derenKern  die  Glanzschiefer 
I  und  III  mitsamt  dem  Anhydrit  II  liegen.  In  diesem  Mulden- 
kern  hat  man  nirgends  auch  nur  die  geringsten  Spuren  einer 
muldenformigen  Schichtumbiegung  beobachtet,  aber  man  wird 
annehmen  diirfen,  daB  dieselbe  in  groBerer  Tiefe  unterhalb  der 
Tunnelsohle  vor  sich  geht,  und  die  4  m  breite  Zerknitterungszone 
in  Glanzschieferzone  III  deutet  vielleicht  eine  Muldenmediane 
an.  Ob  der  Muldenkern  ganz  aus  Triasschichten  besteht,  oder 
ob  ein  innerster  Teil  schon  zum  Lias  gehort,  laBt  sich  nicht  ent- 
scheiden.  Wenn  der  Anhydrit  II  kein  Gewolbe,  sondern  eine 
Einlagerung  sein  sollte,  wird  auch  der  groBteTeil  derSchiefernoch 
in  die  Trias  zu  stellen  sein,  etwa  als  Rat.  Die  Glanzschiefer  der 
Zone  V  bilden  den  sudostlichen  Fliigel  des  Anhydritgewolbes  IV 
und  haben  zuniichst  auch  die  gleiche  petrographische  Beschaffen- 
heit  wie  die  Schiefer  I  und  III.  Weiterhin  aber  veriindern  sie 
sich  etwas  durch  Aufnahme  kieseliger  Kalkbanke.  Sie  ent- 
sprechen wahrscheinlich  einem  hoheren  stratigraphischen  Ho- 
rizont,  der  in  den  Bedrettomulden  nicht  mit  eingefaltet  ist,  und 
man  konnte  allenfalls  mit  ihnen  den  Lias  anfangen  lassen. 
Diese  ganze  Serie  hat  die  betrachliche  Machtigkeit  von  im 
Maximum  vielleicht  1000  m;  denn  wegen  der  Faltelungen  und  der 
schiefen  Neigung  der  Schichten  und  der  zahllosen  Quarzgange 
bedarf  die  entsprechende  Tunnellange  einer  starken  Reduktion, 
urn  als  MaB  der  Machtigkeit  zu  dienen.  Die  Zone  VI  besteht 
aus  den  gleichen  Gesteinsarten,  aber  statt  der  regelmafiigen 
Steilstellung  mit  75 — 85°  Neigung  gegen  SO,  tritt  hier  plotzlich 
flache  Neigung  von  20 — 25°  abwechselnd  mit  steiler  Stellung  ein, 
und  erst  in  Zone  VII  stellt  sich  wieder  die  alte  Ordnung  ein. 
Diese  153  m  breite  Storungszone  VI  macht  es  wahrscheinlich, 
daB  wir  uns  in  der  Mediane  der  groBen  liegenden  Berisalmulde 
beiinden,  wo  die  urspriingiiche  Oberflache  der  Gesteine  der  Zone  V 
mit  derjenigen  der  Zone  VII  infolge  der  Uberfaltung  in  Be- 
ruhrung  kam,  wobei  die  obersten  Lagen  beider  durch  die  ge- 


158 


waltige  Massenbewegung  starke  Zerriittung  erlitten.  Anhlich 
wie  in  Zone  V  folgt  auf  Zone  YII  die  Zone  VIII  mit  feinen 
Glanzschiefern,  wie  solche  das  GewoTbe  IV  urnhullen.  In  dieser 
Zone  VIII  herrschen  starke  Verbiegungen  vor  und  Storungen 
auf  Gleitflachen.  Sie  erklaren  sich  wohl  damit,  dafi  bei  der 
grofiartigen  Uberfaltung  diese  weicheren  Gesteine  yon  der  Last 
der  dariiber  liegenden  Massen  schwer  zu  leiden  hatten,  wahrend 
da,  wo  in  Zone  IX  sich  wieder  feste  bis  zu  3  m  dicke  Kalk- 
banke  einstellen,  die  Schichten  ihre  regelmaBige  Anordnung 
mit  steiler  Neigung  nach  NW  behalten  haben,  ebenso  wie  dies 
in  der  Dolomitzone  X,  die  der  Trias  zugezahlt  werden  darf, 
der  Fall  ist. 

Die  Tatsache,  dafi  die  in  Zone  VI  liegende  Medianflache 
der  Mulde  jedenfalls  eine  sehr  steile  Stellung  bat,  erschwert 
die  Erkenntnis,  daB  es  sich  dabei  um  eine  urspriinglich  liegende, 
durch  Uberfaltung  gegen  Norden  entstandene  Mulde  handelt, 
die  erst  durch  die  Nachfaltung  gerade  an  dieser  Stelle  steil 
aufgerichtet  worden  ist.  Die  Beweise  hierfiir  linden  wir  aber 
auf  der  Siidseite  des  Tunnels. 

Die  diinne  Gneislage  in  Zone  X  liegt  diskordant  in  den 
Triasschichten  und  muB  deshalb  als  Gang  gedeutet  werden. 
Auch  der  Eistengneis  zeigt  sowohl  zu  seinen  hangenden  als 
auch  zu  den  liegenden  Triasschichten  unverkennbare  Diskor- 
danzen,  und  das  gilt  auch  fur  den  Gantergneis  der  Zone  XIII. 
In  der  folgenden  Zone  XIV  fehlen  Dolomit-  und  Anhydritein- 
lagerungen,  wie  es  scheint,  yollstandig,  aber  zugleich  ist  derGe- 
steinscharakter  yon  dem  der  Zonen  VII — IX  sehr  verschieden. 
Es  liegt  deshalb  kein  Grund  yor,  diese  Gesteine  fur  etwas 
anderes  zu  halten,  als  was  sie  erscheinen,  namlich  als  das 
Liegende  der  dolomitfiihrenden  Trias.  Das  gilt  auch  fur  die 
Zone  XV  mit  den  yielen  Griinschiefereinlagerungen  und  fur 
Zone  XVI,  in  der  die  Kalkgesteine  zwar  bereits  stark  zuriick- 
treten,  aber  in  Form  weifier  Marmorbanke  doch  noch  yor- 
kommen.  Die  Gesamtmachtigkeit  dieser  untertriasischen 
Schichten  der  Zonen  XIV — XVI  kann  auf  400  m  geschatzt 
werden,  die  der  dolomitischen  Trias  auf  iiber  100  m. 

Der  tibergang  zur  Zone  der  Berisalschiefer  macht  sich 
durch  keinerlei  Diskordanz  bemerkbar.  Es  stellen  sich  erst 
feinkornige,  granathaltige,  helle  Gneise  ein  in  granatfiihrenden 
und  granatlreien  Glimmerschiefern,  dann  graue  Gneise  mit  Aplit- 
ziigen,  mehrere  Amphibolitlagen ,  die  stets  noch  etwas  Kalk 
enthalten.  Nach  733  m  erst  kommt  ein  kalkfreier  Glimmer- 
schiefer,  der  yon  Gneisen  ganz  durchschwarmt  ist,  so  dafi  es 
schwer  halt,  beide  auseinander  zu  halten,  aber  ein  besonders 


159 


machtiger  Gneiszug  ist  zwischen  Km  5,999  und  (3,075  durch- 
fahren  worden.  AuBerdem  stellen  sich  auch  viele  Amphibolit- 
gesteine  ein.  Der  Umstand,  daB  zwischen  den  Berisalschiefern 
und  den  Kalkschichten  der  Trias  keine  Diskordanz  und  keiner- 
lei  Grundkonglomerat  in  der  Trias  zu  bemerken  ist,  liifit  dar- 
auf  schlieBen,  daB  zwischen  die  Ablagerung  beider  Forniationen 
kein  groBer  Zeitabschnitt  fiel,  daB  somit  diese  Berisalschiefer 
•vielleicht  als  jungpalaeozoisch  angesehen  werden  diirfen. 

Diese  Schichten  fallen  alle  nach  NW,  aber  anfangs  erheb- 
lich  steiler  als  spater,  woraus  geschlossen  werden  darf,  das 
sie  die  Form  einer  nach  SO  geoffheten  iibergekippten  Mulde 
haben,  die  aber  abnormal  ist,  weil  die  jiingeren  Kalkschichten 
am  Hangendfliigel  iiber  und  am  Liegendfliigel  unter  den  alteren 
Berisalschiefern  liegen.  Wir  haben  hier  somit  eine  offenbare 
N  a  c  h  m  u  1  d  e . 

Die  nuu  folgende  Zone  XVIII  hat  den  Xappisten  groBe 
Schwierigkeiten  bereitet.  Sie  liegt  nach  ilmen  zwischen  Berisal- 
und  Leonegneis  und  mi'iBte  somit  als  Mulde  zweimal  die  ganze 
Kalkschieferformation  in  sich  einschlieBen,  obwohl  ihre  Miich- 
tigkeit  nur  wenige  Meter  betriigt.  Trotzdem  also  eine  unge- 
heure  Ausquetschung  stattgefunden  haben  soli,  kann  man 
doch  den  Gesteinen  davon  gar  nichts  ansehen.  Der  Bericht 
Schaiidts  geht  dariiber  hinweg  mit  den  Worten:  „La  zone  de 
schiste  calcaire,  traversee  entre  7,247 — 7,252,  se  compose  d'abord 
de  schiste  chloriteux  granatifere  avec  quelques  feuillets  cal- 
caires;  puis  de  schiste  gris  tres  calcarifere;  enfin  de  deux  lits 
de  calcaire  grenu  micace  de  0,05  a  0,1  m  d'epaisseur,  separes 
par  du  schiste  calcaire  broye."  Da  aber  der  folgende  Leone- 
gneis fiir  uns  nur  eine  Intrusion  in  den  Kalkschichten  bedeutet, 
so  sind  diese  5  m  nichts  anderes  als  die  untersten  Lagen  der 
„Unteren  Trias ut.  Die  hoheren  Schichten  folgen  nach  dem  un- 
fahr  500  m  machtigen  Leonegneis  und  bestehen  (Zone  XX)  aus 
kalkreichen,  oft  quarzhaltigen  Glimmerschiefern,  glimmerreichen 
Marmor-.  und  Quarzitbanken  von  etwas  iiber  200  m  Machtigkeit. 
Dann  folgt  nochmals  ein  ungefahr  100  m  machtiges  Gneislager 
und  danach  wieder  granatfiihrende  Kalkglimmerschiefer  wie  in 
Zone  XX. 

Nach  ihrer  petrographischen  Beschaifenheit  sind  alle  Kalk- 
gesteine  der  Zonen  XVIII,  XK  und  XXII  mit  den  untertria- 
sischeu  Gesteinen  der  Zonen  XIV — XVI  in  Parallele  zu  stellen. 

In  Zone  XXII  sind  die  Schiefer  stark  yerdruckt  und  von 
Gleitflachen  durchsetzt,  die  mit  den  nach  NW  geneigten  Schicht- 
lagen  einen  Winkel  bilden.  Plotzlich  nehmen  die  Schichten 
eine  Neigung  nach  SO  an,  stellen  sich  stellen weise  auch  senk- 


160 


recht.  Der  nun  folgende  Valgrandegneis,  der  mit  Glimmer- 
schiefer  wechsellagert,  hat  anfangs  ebenfalls  SO-Neigung,  und 
erst  bei  Km  9,200  stellt  sich  definitiv  Einfallen  mit  35°  nach 
NW  ein.  Wir  haben  somit  eine  ungefahr  400  m  breite  Zer- 
riittungszone  durchschritten,  in  der  der  Wechsel  der  Schichtnei- 
gung  yon  Gleitflachen  begleitet  ist.  Die  Hauptverwerfungsflachen 
liegen  in  der  Schieferzone  und  an  der  Grerjze  zwischen  dieser 
und  dem  Valgrandegneis  und  scheinen  nach  den  leider  un- 
bestimmten  Angaben  in  den  Rapports  nach  NW  geneigt  zu  sein. 
Ich  nehme  an,  daB  sie  steiler  stehen  als  die  nach  NW  geneigten 
Schiefer. 

Unter  den  Gneis  einfallend  hat  man  weiterhin  (Zone  XXIV) 
Glimmer-  und  Quarzitschiefer  mit  dolomitischem  Cippolin,  An- 
kydritlager  und  Kieselkalke  mit  Dolomit,  die  der  Trias  zuzu- 
rechnen  und  im  ganzen  etwa  200  m  machlig  sind.  Dann  erst 
kommen  wieder  (Zone  XXV)  die  clolomit-  und  gipsfreien  grauen 
Kieselkalke  und  Marmorbanke  mit  einer  Machtigkeit  yon  min- 
destens  400  m. 

Im  Suden  der  Berisalschiefer  und  unter  ihnen  liegend  haben 
wir  somit  eine  Kalkformation  mit  drei  Gneiseinlagerungen.  In 
den  „untertriasischen"  Schichten  liegen  die  zwei  Leonegneis- 
massen,  die  petrographisch  mit  dem  Ganter-  und  Eistengneis 
im  Norden  der  Berisalschiefer  groBe  Ahnlichkeit  haben. 

Die  mitteltriasische  Dolomit-  und  Anhydritzone  liegt  un- 
mittelbar  unter  dem  Valgrandegneis.  Aber  das  Profil  ist  hier 
durch  die  Verwerfung  in  der  Zone  XXII  gestort  und  der  Val- 
grandegneis dadurch  in  das  Niyeau  der  untertriasischen  Schichten 
gebracht  worden.  Vielleicht  ist  es  diesem  Umstande  zuzu- 
schreiben,  daB  die  untertriasischen  Schichten,  welche  im  Norden 
400  m  machtig  sind,  hier  im  Siiden  nur  in  einer  Machtigkeit 
yon  etwa  250  m  (wenn  wir  dabei  yon  den  Gneiseinlagerungen 
absehen)  aufgeschlossen  sind.  Die  mitteltriasischen  Schichten 
hingegen  haben  beiderseits  dieselbe  Machtigkeit  yon  rund  100  m. 
Daraus  ergibt  sich  dann  fur  die  Verwerfung  in  XXII,  dafi  die 
Gebirgsmasse  im  NW  derselben  tiefer  liegt  als  im  SO,  und 
zwar  um  etwa  200  m. 

Die  Grenzflache  bei  Km  9,110  (S.  P.)  hat  nicht  die  Gestalt 
einer  normalen  Verwerfung,  sie  ist  windschief,  und  zwar  so  stark, 
daB  sie  in  der  einenJTunnelgalerie  mit  83°  nach  NW,  in  der 
anderen  mit  35°  nach  SW  einfallt.  Ich  betrachte  sie  als  die 
Muldenmediane,  welche  in  dieser  liegenden  Mulde  den  hangenden 
yon  dem  liegenden  Flugel  trennt.  Es  ist  dieselbe  Mediane, 
die  wir  im  Norden  bei  Km  3  bereits  kennen  gelernt  haben. 
Hier  tritt  sie  aber  umso  deutlicher  hervor,  weil  im  SO  die 


161 


Kalkschiefer  des  liegenden  Fliigels  (Zone  XXVI)  petrographisch 
sich  von  denen  desHangendfliigels  nnterscheiden.  Stratigraphisch 
nehmen  sie  auch  eine  hohere  Stelle  em.  Die  starke  Zerruttung 
der  Gesteine  auf  eine  Erstreckung  von  10  m  steht  mit  dieser  Auf- 
fassung  in  bester  Ubereinstimmung.  Die  meist  granatfuhrenden 
Kalkglirnmerschiefer  des  liegenden  Fliigels  zeichnen  sich  durch 
ihre  schwache  Neigung  nach  NW  aus.  Weiter  im  Liegenden 
(Zone  XXVII)  stellen  sich  darin  weiBe  glimmerreiche  Marmore 
ein,  und  dann  folgt(Zone  XXVIII)  nach  Schmidt  und  Pbeiswerk 
Lebendungneis.  Schakdt  hat  ihn,  als  er  von  Siiden  her  erst  ein  Suck 
weit  erschlossen  worden  war,  in  den  Rapports  als  ein  umge- 
wandeltes  urspriinglich  sedimentaresKongloinerat  gedeutet,spater 
aber  kam  er  zu  der  Uberzeugung,  dafl  er  ein  echtes  Erstarrungsge- 
stein  mit  linsenformigen  Segregationen  sei.  Auf  alle  Falle  hat  er 
nach  dieser  Beschreibung  petrographisch  mit  dem  Lebendun- 
gneis die  groflte  Ahnlichkeit.  Er  liegt  sehr  flach,  spater  sogar 
ganz  horizontal  und  schieBt  zuletzt  rasch  umbiegend  mit  bis 
10°  nach  SO  ein.  Infolgedessen  gelangt  der  Tunnel  von  neuem  in 
Kalkschiefer  (Zone  XXIX),  den  man  geneigt  sein  konnte  mit  dem 
im  Norden  des  Lebendungneises  zu  identifizieren.  Er  hat  aber 
eine  andere  petrographische  Beschaffenheit  und  wird  auBerdem 
weiterhin  von  einer  machtigen  „mitteltriasischenc:  Zone  von  An- 
hydrit  und  Dolorniten  iiberlagert,  was  beweist,  daB  die  Schichten 
hier  verkehrt.  am  Nordrand  des  Lebendungneises  aber  normal 
liegen.  Das  ist  aber  nur  moglicb,  wenn  der  Gneis  eine  Mulde 
bildet,  deren  unterer  Fliigel  sehr  flach  liegt,  wahrend  der 
obere  steil  in  die  Hohe  steigt,  wie  ich  das  imTunnelprofil  ange- 
deutet  habe.  Der  Tunnel  hat  zufiillig  nur  den  unteren  Fliigel 
der  ganzen  Lange  nach  durchfahren.  Diese  Vermutung  wird 
auch  durch  die  weiteren  Tunnelaufschlusse  durchaus  nur  be- 
statigt.  Die  Anhydrit-Zone  XXX  mit  ihren  imter  15 — 35a 
nach  SO  einfallenden  Schichten  endet  plotzlich  bei  Km  4,610 
an  einer  Verwerfung,  hinter  der  glimmerige  Kalkschiefer  mit  nur 
wenig  Anhydriteinlagerungen  in  steiler  Stellung  und  stark  zu- 
sammengefaltet  angetroffen  wurden  (Zone  XXXI),  und  dann 
kommt  wieder  eine  Verwerfung,  die  N  50°  0  streicht  und  mit  80° 
nach  SO  einfallt.  Sie  trennt  die  Schiefer  von  dem  weiflen 
Marmor,  (Zone  XXXIII),  cler  nach  SO  geneigt  ist  und  unter  den 
Antigoriogneis  einschie!3t.  Aufdiesen  zweiHauptverwerfungen  sind 
die  Massen  im  Siiden  jeweils  ein  Stuck  in  die  Tiefe  gesunken. 
Da  aber  Lebendungneis  iiberall,  wo  normale  Schichtenfolge  im 
Simplongebiet  herrscht,  uber  dem  Antigoriogneis  liegt,  so  ist 
damit  bewiesen,  daB  hier  zwischen  Km  5,300  und  4,0  die  Ge- 
steine alle  iiberstiirzt  sind.    Umgekehrt  jedoch  liegen  sie  uber 

Zeitschr.  d.  D.  Geol.  Ges.  1914.  11 


162 


der  Tuunellinie  an  der  Tagesoberflache  am  Teggiolo  in  normal er 
Folge,  und  daraus  ergibt  sich,  daB  der  Antigoriagneis  hier 
einen  liegenden  Sattel  bilden  ruuB,  dessen  First  zwischen  Valle 
und  dem  Tunnel  etwa  in  1200  m  Meereshohe  zu  suchen  ware. 

Ruck-warts  schreitend  haben  wir  also  von  Slid  nach  Nord 
zuerst  die  liegende  Teggiolofalte,  dann  die  groBe  ebenfalls  lie- 
gende  Berisalmulde,  deren  hangender  Fliigel  jedoch  durch  Nacli- 
faltung  die  Form  einer  nach  Siiden  geoffneten  isoklinalen  Mulde 
angenommen  hat.  Und  zuletzt  kommt  die  stehende  Bedrettofalte. 
Dieser  groBartige  Faltenwurf  ist  nachtraglich  durch  zwei  Verwer- 
fungen  betroffen  und  das  Ganze  durch  dieselben  in  drei  Schollen 
zerlegt  worden.  Wenn  wir  die  Lage  der  mittleren  Scholle  als 
Fixpunkt  nehmen,  dann  sind  die  beiden  anderen  in  die  Tiefe 
gesunken,  jede  ungefahr  um  200  m. 

7.  Verbindung  des  Tunnel-  mit  dem  Oberflachenprofil. 

Taf.  VI,  Fig.  1. 

Die  geologischen  Beobachtungen,  die  man  an  der  Ober- 
flache  des  Simplongebietes  jederzeit  zu  machen  G-elegenheit 
ha  t,  lassen  sich  mit  denjenigen,  welche  wahrend  des  Tunnel - 
durchstich.es  gemacht  worden  sind,  yerhaltnismaBig  leicht  in 
Einklang  bringen. 

Schon  seit  langer  Zeit  hat  man  erkannt,  daB  im  Rhonetal 
stehende  Falten  existieren,  und  nur  iiber  die  Anzahl  derselben 
bestehen  Meinungsverschiedenheiten.  B.  Studer  machte  den 
Anfang  mit  einer  einzigen  Mulde,  und  zuletzt  haben  Stella  3, 
Schmidt  und  Preiswerk  4,  Schardt  sogar  6  stehende  Gewolbe 
in  diese  Mulde  hineingelegt.  Mit  Sicherheit  laBt  sich  jedoch 
nur  eines  —  das  Rie  der-Gewo  lb  e  (Zone  IV)  —  nachweisen. 
Ein  zweites —  das  Thermen-Gewolbe  —  ist  etwas  zweifel- 
haft,  doch  entbehrt  es  nicht  einer  gewissen  Wahrscheinlichkeit. 
Die  auf  der  Karte  eingetragenen  Gipsziige  beweisen,  daB  diese 
Falten  N  60°  O  streichen  und  mit  denen  des  Nufenenpasses 
und  Bedrettotales  zusammen  hangen,  so  daB  ich  sie  auf  Taf.  VI, 
Fig.  1  geradezu  als  B  edrettof  alten  bezeichnet  habe.  Der 
Sudniigel  des  Riedergewolbes  bildet  den  Ubergang  zur  groBen 
liegenden  Berisalfalte  und  setzt  sich  als  liegender  Fliigel  der 
Berisalmulde  weiter  nach  Siiden  fort.  Er  taucht,  zuniichst  nach 
Slid  fallend,  tief  unter,  biegt  sich  dann  aber  wahrscheinlich 
um  und  steigt  wieder  in  die  Hohe,  so  daB  er  es  sein  kaun, 
der  auf  der  Tunnel-Siidseite  zwischeu  Km  9  und  5  angetroffen 
wurde.  In  dem  unzuganglichen  Teil  der  Saltineschlucht  ist 
sein  Kontakt  mit  dem  hangenden  Muldenniigel  zu  vermuten, 
der  im  Tunnel  bei  Km  3  wirklich  durchfahren  wurde.  Auf 


163 


der  Hohe  des  Glieshornes  und  des  Klenenhornes  fallen  die 
Kalkschiefer  des  hangenden  Fliigels  nach  SO  em,  im  Tunnel 
stehen  sie  fast  seiger  mit  Neigung  nach  NW,  sie  beschreiben 
also  in  der  Fallrichtung  eine  nach  N  geoffnete  Kurve,  deren 
nach  Stid  gekehrter  Scheitel  sich  bei  Eisten  in  der  ausge- 
sprochenen  Neigung  der  Schichten  nach  NW  verrrat.  Noch 
viel  deutlicher  tritt  diese  Erscheinung  im  Westen  der  Saltine 
zwischen  Glieshorn  und  SchieBhorn  hervor.  Aus  der  Tiefe  bei 
Grund  steigen  die  Schichten  mit  NW  Einfallen  zum  SchieBhorn 
empor,  richten  sich  dort  bis  zu  vertikaler  Stellung  auf,  biegen 
dann  nach  NW  um  und  legen  sich  mit  flachem  Siideinfallen 
iiber  das  Faulhorn  nordwarts  bis  zum  Glishorn  hin.  Auf 
dem  Profil  (Fig.  1,  Taf.  YI)  habe  ich  dieses  Lagerungsverhaltnis, 
clurch  Luftlinien  angedeutet. 

Der  Hangendniigel  der  Berisalmulde  unterscheidet  sich  in 
seiner  Zusammeasetzung  sehr  wesentlich  von  dem  Liegendflugel. 
An  sich  ist  dies  nicht  merkwurdig,  denn  sie  sind  ja  nicht  wie 
die  Fliigel  derBriger  Bedretto-Falten  ortsnahe  Gebilde.  Die  Teile, 
welche  sich  gegenwartig  in  der  Muldenmediane  bei  Km  3 
beriihren,  lagen  vor  der  Faltung  mindestens  50  km  weit  aus- 
einander,  und  es  ware  geradezu  wunderbar,  wenn  sich  die 
gleichalterigen  Ablagerungen  in  solcher  Entfernung  genau  in 
derselben  Facies  entwickelt  hatten.  Der  Hauptunterschied 
liegt  in  der  Trias",  wo  der  Anhydrit  gegeniiber  dem  Dolomit 
und  Marmor  sehr  stark  zuriicktritt.  Wo  der  Hangendfliigel 
zwischen  Km  9  und  10  durchfahren  wurde,  enthalt  er  zwar 
reichlich  Anhydrit,  doch  wiegt  der  Dolomit  stark  yor,  und  wo 
dieser  Fliigel  rings  um  den  Monte-Leone-Stock  zutage  tritt,  ist 
er  durch  seine  Armut  an  Anhydrit  ausgezeichnet  gegeniiber 
dem  liegenden  Fliigel,  der  zwischen  Km  4  und  5  auf  der  Siid- 
halfte  des  Tunnels  angetroffen  wurde.  Und  wo  er  im  Cairascatal 
zutage  kommt,  schlieBt  er  ebenfalls  sehr  reiche  Anhydritlager 
ein.  Auffallig  sind  auch  die  Graniteinlagerungen,  die  im 
Hangendmigel  bei  Eisten  in  der  ,,Mittel  -  Trias"  liegen 
ebenso  wie  bei  Alpe  Veglia  und  am  Lago  d'Avino.  Sie  sind 
aber  nicht  horizontbestandig,  denn  im  Tunnel  bei  Km  9  liegen 
sie  unter  der  ,,Mittel-Trias".  DaB  sie  im  Rieder-Sattel  nicht 
vorkommen,  konnte  yielleicht  so  gedeutet  werden,  daB  sie  dort  zu 
tief  liegen  und  deshalb  von  der  Tunnelsohle  nicht  erreicht  werden 
konnten,  aber  es  ist  doch  bemerkenswert,  daB  sie  auch  nordlich 
der  Rhone  in  der  Gipszone  ganzlich  fehlen  und  der  Gneis  des 
Aarmassives  erst  in  ihrem  Liegenden  zum  Yorschein  kommt, 
ganz  in  ahnlicher  Weise,  wie  dies  bei  Km  4  der  Tunnelsiid- 
hiilfte    der  Fall  ist,    wo   der  Antigoriogneis   ebenfalls  unter, 

11* 


164 


beziehungsweise  infolge  der  Uberkippung  iiber  der  Mitteltrias- 
liegt  und  der  Lebedungneis]  erst  erheblich  ini  Hangenden 
sich  einstellt.  Letzterer  scheint  gegen  Norden  iiberhanpt  ein 
Ende .  zu  nehmen,  denn  er  ist  im  Liegendfliigel  bei  Brig 
nirgends  niehr  angetroffen  worden. 

Die  untertriasischen  Schichten  des  Hangendfliigels  zwischen 
Gantertal  und  Berisal  zeicbnen  sicb  durcb  ihre  bedeutende 
Machtigkeit  aus  und  durch  die  im  Tunnel  festgestellte  Ein- 
scbaltung  von  Griins  chief  ern,  die  aucb  bei  der  Stein  en- Alp  zu- 
tage  ausstreicben.  Sie  scbeinen  jedoch  nur  eine  lokal  be- 
schrankte  Yerbreitung  'zu  baben,  denn  zwischen  Km  7  und  9, 
wo  die  untertriasischen  Schichten  dieses  Fliigels  wieder  ange- 
troffen wurden,  fehlen  sie  ganz  und  statt  dessen  liegen  hier 
zwei  Gneislager  darin,  zu  unterst  der  machtige  Leone-Gneis 
und  zu  oberst  ein  ahnlicher,  aber  minder  machtiger  Gneis. 
Wahrscheinlich  sind  diese  die  Fortsetzung  desGanter-  und  Eisten- 
Gneises  gegen  Siiden,  die  aber  hier  nicht  mehr  in  der  Mittel- 
Trias  eingeschaltet,  also  auch  nicht  horizontbestandig  sind. 
Die  Diskordanz,  welche  zwischen  den  Schiefern  und  dem 
Ganter-  und  Eistengneis  existiert,  und  auf  die  schon  Schakdt 
in  den  Rapports  hingewiesen  hat,  steht  damit  in  yollem  Einklang* 
und  gibt  uns  auch  die  Erklarung,  weshalb  die  Kalkschiefer 
zwischen  dem  Monte-Leone-Gneis  und  den  Berisalschiefern  bei 
km  7,250  nur  eine  Machtigkeit  von  5  m  haben.  Man  braucht 
da  nicht  Ausquetschung  zu  Hilfe  zu  nehmen,  gegen  die  die 
Beschaffenheit  der  Schiefer  durchaus  spricht. 

Die  Machtigkeit  der  Gneiseinlagerungen  nimmt  gegen 
Siiden  erheblich  zu,  und  auBerdem  stellt  sich  in  hoheren 
Horizonten  auch  noch  der  Valgrandegneis  ein.  Er  hat  an 
vielen  Stellen  zwar  ganz  das  Aussehen  echten  Monte-Leon e- 
Gneises,  zeichnet  sich  aber  dadurch  von  ihm  aus,  dafl  er  in 
viel  hoherem  Mafie  stark  umgewandelte  Schieferpartien  in  sich 
einschlieBt,  die  aber  ihren  urspriinglichen  Kalkgehalt  z.  T.  noch 
erhalten  haben,  wahrend  diejenigen  im  Leonegneis  nichts  mehr 
davon  zeigen.  Sie  liegen  meist  annahernd  parallel  zur  Banderung: 
des  Gneises  und  haben  zu  der  irrigen  Auffassung  des  Val-. 
grandegneises  als  Paragneis  Yeranlassung  gegeben. 

Diese  Gneise  streichen  an  den  ostlichen  und  siidlichen 
Steilgehangen  des  Leonemassives  aus,  senken  sich  von  da 
gegen  SW  herab  bis  ins  Doveriatal  und  steigen  jenseits  des- 
selben  wieder  in  die  Hohe  um  das  Seehorn  herum  nach 
Zwischenbergen  und  weiter  in  ostlicher  Richtung  uber  die 
Rovalekette  bis  Crevola  im  Ossolatal.  Man  hat  deshalb  an- 
genommen,  daB  sie  auch  von  den  Siidostgehangen  des  Monte- 


165 


Leone  in  flach  gewolbteni  einfachen  Bogen  daliin  hiniiber- 
gespannt  waren,  und  daB  nur  die  spatere  Erosion  die  unmittelbare 
Yerbindung  unterbrochen  habe.  In  auffallenclem  Widerspruch 
dazu  steht  jedoch  das  merkwiirdige  liegende  Gewolbe  des 
Monte-Leone-Gipfels,  das  den  Tektonikern  eine  harte  Nufl  zu 
knacken  aufgegeben  hat,  weil  es  ini  Gegensatz  zu  alien  anderen 
Falten  seinen  Scheitel  nach  Siiden  kehrt.  C.  Schmidt  erklart 
dies  als  eine  Riickfaltung  und  stellt  in  den  Erlauterungen  zur 
Simplonkarte  (S.  32 — 36)  den  Yorgang  so  dar:  Das  Leonegneis- 
gewolbe  ,,brandet"  rnit  seiner  Stirn  an  der  Bedrettomulde 
etnpor  und  bohrt  sich  ebenso  wie  das  dariiberliegende  Berisal- 
gewolbe „nordwarts  in  die  Tiefe",  wobei  sich  sein  ,,aus  der 
Tiefe  aufgestiilpter"  Scheitel  ,,bifurkiert"  zur  Ganter-  und 
Eisten-Antiklinale.  Zugleich  erfahren  dabei  beide  Gewolbe 
iin  Siiden  am  Monte  Leone  eine  Riickfaltung.  Wie  aus  dem 
schernatischen  Profil  S.  32  hervorgeht,  nimrnt  er  an,  da6  die 
yon  Siiden  her  aufsteigenden  liegenden  Falten  in  der  Breite 
des  Monte  Leone  ,  eine  tiefe  tektonische  Mulde  erreichten,  in 
die  sie  mit  beschleunigter  Bewegung  bis  zum  Muldentiefsten 
herabglitten  und  am  jenseitigen  Gehange  eine  Strecke  weit 
emporbrandeten.  Dabei  erlitten  sie  einen  RiickstoB,  der  die 
Riickfaltung  am  Monte  Leone  erzeugte.  Dieser  Yorstellung 
kann  man  sicherlich  eine  gewisse  dramatische  Anschaulichkeit 
nicht  absprechen,  aber  ich  bezweifle,  daB  die  tektonischen  Be- 
wegungen  durch  den  Yergleich  mit  der  Brandung  des  Meeres 
gegen  sein  Ufer  an  Klarheit  gewinnen.  Erklart  werden  sie 
dadurch  sicherlich  nicht. 

Das  Yerdienst,  das  Berisalgewolbe  im  Monte-Leone-Gipfel 
nachgewiesen  zu  haben,  kommt  aber  jedenfalls  Schmidt  und 
Preiswerk  zu.  Der  hangende  Leonegneis  hangt  ohne  Zweifel 
mit  dem  unteren  Leonegneis  zusammen  und  kann  nur  durch 
eine  sattelformige  Umbiegung  des  ietzteren  in  seine  jetzige 
Lage  gekommen  sein.  Uber  seine  Fortsetzung,  die  der  Erosion 
ganzlich  zum  Opfer  gefallen  ist,  konnen  wir  nur  Yermutungen  aus- 
sprechen.  Die  wahrscheinlichste  ist  die,  Avelche  Schmidt  bereits 
ausgesprochen  hat,  dafi  dieser  GneiB  auf  dem  KaltwasserpaS 
sich  auf  sich  selbst  zuriickgelegt  hat,  so  daG  die  am  Siid- 
gehange  des  Wasenhornes  in  die  Berisalschichten  eingefalteten 
Kalkschiefer  das  Scharnier  dieser  Embiegung  anzeigen. 

Das  groJ3e  liegende  Berisalgewolbe  hat  also  eine  sehr  ver- 
wickelte  Gestalt.  Seine  Medianflache  ist  keine  Ebene,  sondern 
ganz  gewaltig  yerbogen.  Yon  der  Stirn  weg  ist  sie  zunachst 
zu  einer  tiefen  nach  Siiden  geoffneten  schragen  Mulde  verbogen, 
der  siidliche  Muldenast  yernacht  sich  bis   zum  Monte  Leone 


166 


unrl  biegt  sich  yon  da  sattelformig  nach  Norden  zuriick,  um 
dann  you  neuem  muldenformig  nach  Siiden  unizuwenden. 
Diese  Yerbiegungen  miissen  jiinger  als  das  ganze  Gewolbe  und 
Folge  einer  Nachfaltung  sein,  und  wir  bezeichnen  deshalb  deren 
Mulden  und  Gewolbe  als  Nachmulden  und  Nachgewolbe. 

Wir  kehren  nun  zu  dem  liegenden  Fliigel  der  Berisal- 
mulde zuriick,  den  wir  bei  Km  3  (N)  bereits  kennen  gelernt 
haben.  Er  wurde  auf  der  Siidhalfte  des  Tunnels  Yon  Km  9 
ab  durchfahren,  und  sein  Beginn  machte  sich  durcb  eine  eigen- 
artige  windschiefe  Trennungsflacbe  und  eine  starke  Zerriittung 
einer  obersten  Scbichten  bemerkar.  Die  Gesteine  haben  eine 
andere  Ausbildung  als  diejenigen  des  hangenden  Fliigels,  der 
unmittelbar  dariiber  liegt.  Seine  Schichten  fallen  nach  nach 
NW  ein  und  liegen  bei  Km  6,830  (S)  direkt  auf  dem  Lebendun- 
gneis.  Eine  ungefahr  100  m  machtige  breite  Kontaktzone 
zeichnet  sich  jedoch  durch  hohe  Krystallinitat  aus,  und  die 
Kalksteine  sind  in  Marmor  mit  Biotit  und  Phlogopit  umge- 
wandelt.  Die  LagerungsYerhaltnisse  des  Lebendungneises  habe 
ich  bereits  erortert  und  die  Wahrscheinlichkeit,  daB  er  dem 
liegenden  Fliigel  einer  Separat-Mulde  angehort,  im  Siiden  aber 
als  deren  hangender  Fliigel  aufsteigt  und  sich  mit  dem  gleichen 
Gneis  Yerbindet,  der  bei  Alpe  Nembro  zutage  ausstreicht.  Hinter 
diesem  Gneifi  folgt  in  Yerkehrter  Lagerung  erst  Schiefer,  dann 
die  anhydritreiche  Mittel-Trias,  deren  Schichten  alle  nach  SO 
seinfallen  unter  den  Antigoriogneis,  der  dariiber  am  Siidgehange 
des  Teggiolo  mit  entgegengesetztem  Einfallen  nach  NW  ansteht, 
aber  ebenfalls  wie  im  Tunnel  unmittelbar  Yon  Marmorbanken 
begrenzt  wird.  Er  bildet  somit  anscheinend  ein  liegendes  Ge- 
wolbe, dessen  Scheitel  ungefahr  in  der  Mitte  zwischen  der 
Tunnelsohle  und  der  Alpe  Yalle  liegen  wird. 

Merkwiirdig  1st  die  LagerungSYerschiedenheit,  die  sich  hier 
zwischen  den  beiden  Fliigeln  der  Berisalmulde  bemerkbar 
macht.  Der  hangende  Fliigel  steigt  Yon  der  Tunnelsohle 
langsam  und  jedenfalls  nur  schwach  gekriimmt  zur  Hohe  des 
Yalgrande  auf,  wahrend  der  liegende  stark  Yerbogen  ist  zu 
einer  Mulde  und  einem  Sattel.  An  der  Medianflache  der 
Berisalmulde  miissen  demnach  die  Schichten  in  diskordanter 
Lagerung  aneinanderstoBen.  Leider  habe  ich  keine  Gelegenheit 
gefunden,  die  Medianflache  an  den  Steilwanden  des  Pizzo 
Forato  zu  studieren.  Sie  sind  dort  auch  nur  schwer  zuganglich, 
aber  unterhalb  Cropalla  bemerkte  ich  eine  deutliche  Diskordanz 
zwischen  verschiedenartig  ausgebildeten  Schiefern,  you  denen 
die  einen  zum  hangenden,  die  anderen  zum  liegenden  Fliigel 
gehoren  diirften  (siehe  S.  126). 


167 


8.  Die  Verwerfungen  im  Tunnel. 

Wenn  man  die  Rapports  daraufhin  ansieht,  so  fallt  es 
auf,  wie  darin  immer  und  immer  wieder  Gleitfliichen  imd  Ver- 
werfungen notiert  sind.  Diese  rein  mechanischen  Storungen 
steigerten  sich  an  manchen  Stellen  in  solcher  Weise,  dafi  das 
Gebirge  ganz  zerriittet  war  und  nur  noch  eine  sehr  geringe 
Standfestigkeit  hatte.  Viele  der  Gleitfliichen  verlaufen  auf  den 
Bankungskliiften  und  zeigen  uns  an,  dafi  bei  der  Faltung  Yer- 
schiebungen  zwischen  den  einzelnen  Scbieferlagen  und  Gesteins- 
banken  eingetreten  sind.  Wie  groB  ihr  Ausniafl  war,  lieB 
sicli  nicht  feststellen,  aber  es  darf  angeDOmmen  werden,  daB, 
wenn  sie  audi  nur  geringfugig  waren,  ihre  Summierung  doch 
bedeutende  Yerschiebuugen  heryorbriDgen  konnte.  Der  Umstand, 
dafi  nicht  nur  im  Tunnel,  sondern  auch  an  der  Tagesoberflache 
so  oft  Quarz  und  Kalkspatgiinge  angetroffen  werden,  die  wie 
abgebrochen  und  zerhackt  in  den  Gesteinen  liegen,  findet  in 
solchen  Yerschiebungen,  die  nicht  nur  auf  den  Schichtflachen, 
sondern  auch  auf  quer  durchsetzenden  Kliiften  vor  sich  gingen, 
seine  Erklarung.  Sicher  waren  die  meisten  dieser  Giinge  schon 
Yorhanden,  ehe  jene  Yerschiebungen  eingetreten  sind,  und  da 
letztere  zum  Teil  wenigstens  mit  dem  FaltuugsprozeB  in  Ver- 
bindnng  standen,  so  miissen  jene  Giinge  alter  als  die  alpine 
Faltung  sein. 

Kleine  Gneis-  oder  Granitplatten  und  -brocken  stecken  oft 
wie  Einschlusse  in  den  Sedimentgesteinen.  Sie  sind  aber  nicht 
abgerollt  und  konnen  deshalb  kein  Geschiebe  sein.  Meist  sind 
sie  eckig  und  kantig.  Es  mogen  Apophysen  der  grofien  Gneis- 
Intrusionsmassen  sein,  die  xlurch  jene  Yerschiebungen  wahrend 
der  Faltung  yon  dem  Wurzelstock  abgetrennt  und  abgeschoben 
worden  sind. 

Neben  diesen  fiir  die  Tektonik  immerhin  geringfiigigen  Yer- 
schiebungen sind  auch  solche  von  bedeutenderem  Ausmafi  zu 
yerzeichnen.  Es  sind  Yerwerf ungen,  die  sich  besonders  an 
zwei  Stellen  im  Tunnel  scharen,  wo  zugleich  die  Nebengesteine 
die  Spuren  starker  mechanischer  Zertriimmerung  zeigen.  Die 
eine  Stelle  liegt  vor  Km  9  (N),  die  andere  zwischen  Km  4  und  5 
(S).  Bei  letzterer  ist  eine  der  Yerwerfungsspalten  yon  Schardt 
gemessen  worden,  sie  streicht  N  50°  0  und  fallt  80°  SO. 
Durch  sie  ist  Marmor  in  das  Niveau  weicher  Schiefer  ver- 
worfen  worden.  Yerlangert  man  sie  nach  oben,  so  kommt  sie 
bei  Yalle  am  Fui3  der  Steihvande  des  Pizzo  Forato  zutage. 
Die  Schuttbedeckung  erschwert  es,  sie  dort  zu  erkennen,  doch 
halte  ich  es  wohl  fiir  moglich,  daB  eine  eingehende  Unter- 
suchung  ihre  Spuren  nachweisen  kann. 


168 


Von  der  ancleren  Verwerfungszone  liegen  genauere  Messungen 
im  Tunnel  leider  nicht  vor.  Aber  ganz  unabhangig  davon  —  denn 
ich  kannte  damals  die  Rapports  noch  nicht  —  babe  ich  am 
NordfuB  des  Hiibschhornes  und  beim  Rossetto  unweit  Yeglia 
eine  Yerwerfung  festgestellt,  die  darauf  schlieBen  laBt,  daB  das 
Oebirge  imNorden  derselben  um  ein  betrachtliches  abgesunken  ist. 

9.  Die  Verwerfung  bei  Rossetto. 

Tafel  VII,  Figur  2. 
Wenn  man  von  der  Punta  Amoinciei  nach  Norden  absteigt, 
so  durchschreitet  man  zunachst  die  Berisalscliiefer  jenes  merk- 
wiirdigen  Nachgewolbes  und  gelangt  durch  eine  darunterliegende 
mur  sehr  scbmale  Kalkzone  in  den  darunterliegenden  Leone- 
gneis,  der  sich  bis  an  den  Auronabach  herabzieht,  an  dessen 
rechtem  Ufer  er  einen  grofien  Felsbuckel  aufbaut.  Auf  dem 
linken  Ufer  gerade  gegeniiber  erhebt  sich  ebenfalls  ein  Fels- 
hiigel,  und  man  erwartet,  daB  er  ebenso  aus  diesem  Gneis 
bestehe.  Statt  dessen  sind  es  Berisalscliiefer,  die  bei  ungestcirfcer 
Lagerung  erheblich  hoher  oben  und  iiber  dem  Gneis  zu  erwarten 
waren.  Die  Sprunghohe  der  Vorwerfung  muB  wenigstens  100  m, 
vielleicht  auch  noch  mehr  betrageD. 

10.  Die  Verwerfung  am  NordfuD  des  Hiibschhornes. 

Tafel  V,  Figur  1  und  Tafel  VLI  Figur  5. 
DaB  die  mesozoischen  Kalkgesteine  am  Siidgehange  des 
Wasenhornes  in  die  Berisalschiefer  eingefaltet  sind  in  Form 
einer  nach  S  beziehungsweise  SSO  geoffneten  Doppelmulde,  ist 
ebenso  unverkennbar  wie  die  Tatsache,  daB  dieser  Kalkzug  sich 
yon  da  ohne  Unterbrechung  unterhalb  des  Kaltwassergletschers 
nach  dem  SimplonpaB  heriiberzieht,  erst  gegen  WSW,  dann,  von 
Hospiz  an  umbiegend,  gegen  Siiclen.  Ebenso  sicher  ist,  daB  in 
dem  Kern  dieser  Doppelmulde  nur  Kalkgesteine  eingeschlossen 
sind,  daB  aber  da,  wo  letztere  vom  Hospiz  aus  nach  Siiden 
umbiegen,  die  Kalkgesteine  nur  noch  die  Rolle  eines  Hangend- 
und  Liegendfliigels  spiel  en,  zwischen  denen  als  Muldenkern  der 
Leonegneis  liegt.  Die  Folge  davon  ist,  daB  ein  Profil,  von  W 
nach  0  iiber  das  Hiibschhorn  gelegt,  eine  nach  Osten  geoffnete 
und  iibergekippte  Mulde  mit  machtigem  Gneiskern  anzuzeigen 
scheint  (Taf.  VII  Figur  1),  wahrend  ein  Profil  annahernd  recht- 
winklig  dazu  ein  ganz  anderes  Bilcl  gibt  (Figur  5).  Man  erkennt 
daraus  sofort,  daB  cler  Leonegneiskern  des  Hiibschhornes  fur  die 
Wasenhorn-SimplonpaB-Kalkmulde  zu  hoch  liegt.  Wenn  man  vom 
Norden  her  die  Steilwand  des  Hiibschhornes  betrachtet  (siehe 
Schmidt  und  Preiswerk,  Geol.  Fuhrer,  Taf.  VI),  so  begreift  man, 


169 


dafi  die  Kalkschiefer  im  Yordergrund  sehr  steil  nach  Norden 
einfallen  miifiten,  um  sich  in  der  Luft  auf  den  Leonegneis  legen 
und  iiber  die  Spitze  des  Hiibschhornes  heraufschwingen  zu 
kimnen.  Eine  solche  Annahme  wird  aber  durch  leicht 
beobachtbare  Tatsachen  widerlegt.  Auf  deni  flach  ansteigenden 
Gelande  zwischen  der  PoststraBe  und  den  Nordwanden  des 
Hiibschhornes  sieht  man  die  Kalkschiefer  allerorten  weit 
schwacher,  im  Maximum  nur  bis  zu  30°  ansteigender  Neigung 
gegen  NW  einfallen.  Ihr  Kontakt  mit  dem  Gneis  ist  zwar 
durch  Gehangeschutt  verdeckt,  aber  wenn  man  die  Schiefer  in 
ihrer  Fallrichtung  nach  oben  sich  fortsetzen  laBt,  miiBten  sie  an 
den  Gneis  anstoBen  und  es  ergibt  sich  aus  Figur  5  eine  Verwerfung 
yon  mindestens  150  m  seigerer  Sprunghohe,  durch  die  der 
Kalkschiefer  in  das  Niveau  des  Gneises  herabgesunken  ist.  An 
den  Steilgehangen  gegen  den  Kaltwassergletscher  hingegen  er- 
scheint  es  so,  als  ob  die  Kalkschiefer,  die  dort  deutlich  sichtbar 
unter  dem  Leonegneis  auftauchen,  sich  gegen  NW  ohne  Unter- 
brechung  bis  zur  alten  Galerie  an  der  PoststraBe  herabzogen. 
Da  sie  dort  aber  unter  den  Berisalschiefer  einschieBen,  also 
nicht  mehr,  wie  weiter  oben,  normal  unter  dem  Leonegneis, 
sondern  in  verkehrter  Lagerung  unter  dem  alteren  Berisal- 
schiefer liegen,  so  sind  wir  vor  eine  tektonische  Unmoglichkeit 
gestellt,  solange  wir  an  der  Einheit  dieses  Kalkzuges  festhalten 
wollen.  Viele  steile  Kluftflachen  setzen  durch  die  Kalkwande 
und  scheinen  die  Verwerfung  anzudeuten,  deren  genaue  Fest- 
legung  dort  wohl  nicht  schwer  fallen  konnte.  Diese  beiden 
Verwerfungen,  am  Hiibschhorn  und  bei  Rossetto,  liegen  auf  der- 
selben  Verwerfungsspalte  und  sind  sicher  j linger  als  die  Gebirgs- 
faltung.  Sie  haben  auf  die  Gestaltung  des  Gebirgsbaues  nur 
geringen  EinfluB  ausgeiibt,  aber  fur  die  Arbeiten  im  Tunnel 
waren  sie  und  die  Verwerfung  auf  der  Siidhalfte  des  Tunnels 
mit  sehr  unangenehmen  Begleiterscheinungen  verkniipft. 

n.  Die  Formazzafalten. 

Die  Teggiolofalte,  die  wir  im  Simplontunnel  bereits  kennen 
gelernt  haben,  steht  zur  Berisalfalte  in  einem  eigentiimlichen 
Gegensatz.  An  ihr  nimmt  nur  der  liegende  Fliigel  der  Berisal- 
mulde  teil,  wahrend  deren  hangender  Fliigel,  soweit  er  im  Tunnel 
erhalten  ist,  davon  ziemlich  unberiihrt  geblieben  zu  sein  scheint. 

a)  Die  Formazzafalti  am  Teggiolo. 
Tafel  V,  Figur  1.    Tafel  VI,  Figur  3  u.  4.    Tafel  VII,  Figur  4. 
Das  liegende  Gewolbe  der  Teggiolofalte  laBt  sich  nach  NO 
ohne  Unterbrechung  durch  das  ganze  Gebiet  der  Simplonkarte 


170 


Terfolgen  bis  iiber  das  Formazzatal  hinaus.  Der  Kern  desselben 
besteht  aus  dem  Antigoriogneis. 

Zwischen  Kra  1,875  und  2,030  (S)  hat  der  Tunnel  wahr- 
scheinlich  die  Gewolbe-Mediane  durchfahren.  In  teils  sohliger, 
teils  schwachwelliger  Lagerung  traf  man  auf  ein  glimmerreiches 
Gestein,  das  im  Dach  und  in  der  Sohle  yon  ecbtern  Antigorio- 
gneis eingeschlossen  war.  Schardt  bezeichnet  es  als  einen 
schieferigen,  glimmerigen  Gneis  mit  unzahligen  Gleitflacben,  als 
„une  zone  d:ecrasement  et  de  lamination".  Wenn  man  annimmt, 
da!3  diese  Medianflache  gegen  NO  bis  zum  Cairascatal,  also  auf 
eine  Strecke  von  iiber  2l/2  km,  um  nur  200  ni  ansteigt,  dann  kommt 
man  gerade  an  die  Stelle,  wo  siidlich  you  Croso  die  Straccioni- 
Quelle  entspringt  und  unter  dem  machtigen  Gneisstock  des 
Teggiolo  die  Kalkschiefer  und  Rauhwacke  zum  Yorsckein  kommen. 
Es  erscheint  mir  deshalb  wahrscheinlich,  da!3  die  Yarzoschiefer 
dem  Kern  des  Teggiologewolbes  angehdren,  daJ3  aber  dieser 
Schieferkern  gegen  SW  an  Macktigkeit  abnimmt  und  im  Tunnel 
nur  noch  angedeutet  ist.  Schardt  und  Schmidt  haben,  von 
der  Yoraussetzung  ausgehend,  dai3  die  Yarzoschiefer  j linger  als 
der  Gneis  seien,  angenommen,  daB  sie  dem  liegenden  Fliigel 
des  Gewolbes  angehoren,  und  zeichnen  die  Profile  so,  als  ob 
dieser  Schiefer  unter  dem  Gneis  im  oberen  Teil  des  Cairasca- 
tales  bei  Xembro  wieder  zum  Yorschein  kame,  sich  dort  aufbiege 
und  den  Teggiologipfel  krone,  und  als  ob  auch  die  Marmore, 
die  bei  Km  4  (S)  im  Tunnel  unter  den  Gneis  einschiei3en,  mit 
der  Rauhwacke  bei  der  Straccioni-Quelle  in  direktem  Zusammen- 
hang  stiinden.  Das  ware  aber  nur  moglich,  wenn  die  letzteren 
mit  mindestens  15°  nach  NW  und  gleichzeitig  mit  15°  nach 
SW  einfielen  (siehe  Schardt,  Profil  Tafel  III  und  IY  in  „Note 
sur  le  Massif  du  Simplon  1903".)  Dies  steht  aber  mit  den  im 
Tunnel  beobacbteten  Fallrichtungen  durchaus  im  Widerspruch; 
denn  das  Streichen  wurde  dort  yon  Schardt  selbst  fast  durchweg 
als  ein  nordostliches  und  die  Neigung,  wo  nicht  Horizontalitat 
herrschte,  als  nach  SO  gerichtet  bestimmt. 

Sicher  ist,  das  die  Kalkgesteine,  die  am  Gipfel  des  Cistella 
und  Teggiolo  im  Hangenden  des  Antigoriogneises  anstehen,  sich 
nur  ganz  wenig  gegen  SW  senken,  und  es  ware  doch  sehr 
merkwiirdig,  wenn  die  Yarzoschiefer  unter  dem  Gneis  nicht 
auch  eine  ahnliche  Neigung  hatten. 

b)  Die  Formazzafalte  bei  Crodo  und  im  Deverotale. 
Tafel  VIII,  Figur  4  und  5. 
Gerade  so  wie  am  Teggiolo  sieht  man  auch  im  Deverotal 
den  Antigoriogneis,  der  mit  sehr  flacher  Lagerung  die  Gehange 


171 


des  Cistella-  und  des  Fornostockes  aufbaut,  bei  Goglio  sich 
umbiegen  und  gegen  NW  rasch  unter  die  Talsohle  uutertauchen ; 
dariiber  legt  sich  Kalkschiefer  und  dann  Lebendungneis.  Es 
ist  dasselbe  tektonische  Bild  wie  am  Teggiolo,  und  oben  auf 
der  Hohe  des  Forno  und  der  Cistella  liegen  dieselben  Gesteine 
in  fast  sohliger  Lagerung  auf  dem  Gneis.  Unter  letzterem 
kommen  im  Deverotal  und  bei  Crodo  die  Bacenoschiefer  hervor, 
ebenfalls  in  horizontaler  oder  doch  nur  sehr  schwach  geneigter 
Lagerung.  Man  hat  sie  als  den  Liegendfliigel  des  Antigorio- 
gewolbes  gedeutet,  und  das  erscbeint  auch  sehr  wahrscheinlich, 
wenn  man  die  Eintragungen  auf  der  Simplonkarte  bei  Goglio 
ansieht.  Bei  Cngnesco  biegt  auf  der  Karte  der  Marmorzug, 
der  *bei  Ausone  iiber  dem  Gneis  liegt,  um  und  legt  sich  unter 
denselben.  Yon  da  bis  zum  Bacenoschiefer  sind  nur  800  m 
verschuttet,  aber  beide  passen  so  gut  zueinander,  daB  ein  Zu- 
sammenhang  sehr  wahrscheinlich  erscheint.  In  Wirklichkeit 
sieht  man  aber  von  diesem  Marin  or  nichts.  Das  ganze  Gehange 
ist  von  Schutt  uberdeckt,  und  die  Schiefer,  die  hundert  und 
mehr  Meter  oberhalb  Cugnesco  anstehen,  fallen  alle  nach  NO 
ein.  Der  aufschlufilose  Zwischenraum  betragt  also  nicht  800, 
sondern  1400  in,  und  das  ist  fur  den  Gneis  mehr  als  genug 
Raum,  um  zwischen  beiden  Schieferarten  in  die  Tiefe  einzu- 
schieflen,  umzubiegen  und  unter  den  Bacenoschiefern  gegen  SO 
sich  fortzusetzen,  bis  er  bei  Yerampio  in  dem  tiefen  Antigorio- 
tal  wieder  als  Yerampiogneis  zum  Yorschein  kommt  (Fig.  5). 
Legt  man  ein  Profil  yon  Mte.  Foro  zur  Cistella  in  Richtung 
ONO — WSW  (Fig.  -4),  so  erkennt  man  leicht,  dafl,  wenn  meine 
Auffassung  der  Yarzoschiefer  richtig  ist,  es  auch  die  der  Bazeno- 
schiefer  sein  mul3. 

Zugleich  ergibt  sich  daraus,  dai3  die  Kalkschiefer  und 
oberen  Gneise  am  Gipfel  des  Pizzo  quattro  Pilastri  und  iiber- 
haupt  der  ganzen  Isornokette,  wie  schon  im  stratigraphischen 
Teil  als  moglich  hiugestellt  wurde,  den  Gipfel-Schichten  des 
Mte.  Forno  und  Cistella  entsprechen,  also  nicht  den  Berisal- 
schiefern  angehoren. 

c)  Die  Forwazzafalte  im  Formazzatal. 
Tafel  VIII,  Figur  3. 
Die  Bacenoschiefer  im  Kern  des  liegenden  Gewolbes  yer- 
schwinden  schon  unweit  Premio  im  oberen  Antigoriotal  unter 
dem  Talboden,  und  herauf  bis  Tuffald  ist  das  Tal  ausschliefllich 
im  Antigoriogneis  des  hangenden  Gewolbefliigels  eingeschnitten, 
aber  hoch  oben  an  beiden  Talgehangen  liegen  die  Kalkschiefer 
und  dariiber  der  Lebendungneis  darauf.    Dann  aber  zwischen 


172 


Tuffald  und  Zumsteg  steigt  der  Antigoriogneis  an  beiden  Ge- 
hangen  ziemlich  rasch  in  die  Hohe,  und  machtiger  Kalkschiefer, 
Quarzit  und  Dolomit  koinmen  unter  ihm  zum  Vorschein  und 
umtmllen  den  Gneis  arn  Lebendunbach  bei  Unter-Bach  und 
jenseits  oberhalb  der  Tamieralp  auf  seiner  Nordseite  nach  Art 
eines  liegenden  Gewolbefirstes.  Damit  endigt  zugleich  die 
Yerbreitung  des  Antigoriogneises  im  Formazzatal  gegen  Norden, 
und  diese  Enden  entsprechen  genau  dem  Teggiolo-  und  Forno- 
Stirnrand.  Der  Lebendungneis,  der  im  Westen  nur  eine  geringe 
Machtigkeit  hat,  gegen  Nordosten  hin  aber  nordlich  des 
Mte.  Forno  schon  erheblich  anschwillt,  erreicht  im  Formazzatal 
Machtigkeiten  bis  zu  800  und  1000  m,  besonders  am  Mte.  Giove 
und  dem  Gloggstafelberg.  Hier  schliefit  er  aucli  groBere 
Schiefermassen  in  Form  langgezogener  Linsen  ein.  Zugleich 
jedoch  schwellen  die  Schiefer,  welche  zwischen  ihm  und  dem 
Antigoriogneis  liegen,  auBergewohnlich  stark  an,  und  das  mag- 
die  Ursache  sein,  weshalb  der  Lebendungneis  sich  nicht  ebenso 
wie  der  Antigoriogneis  stirnforraig  umbiegt  zu  einem  nach  Siiden 
einfallenden  liegenden  Fliigel.  Er  zieht  sich  vielmehr,  nur 
langsam  nach  Norden  sinkend,  am  Gehange  herunter  und  fallt 
erst  bei  den  Tosafallen  steil  in  die  Tiefe.  Es  hat  den  An- 
schein,  als  ob  er  ein  dem  Teggiologewolbe  im  Norden  vor- 
liegendes  zweites  Gewolbe  bilde,  das  ich  vorlaufig  das  Tosa- 
gewolbe  nennen  will.  IJber  dem  Lebendungneis  liegen  die 
Giacomoschiefer,  und  dieses  Lagerungsverhaltnis  spricht  daftir, 
daB  letztere  im  System  der  Glanzschiefer  eine  verhiiltnismaBig 
hohe  Stellung  einnehmen  und  moglicherweise  deren  jiingstes 
Glied  sind  (siehe  S.  117). 

d)  Die  Formazzafalten  im  Ba&odino-Massiv. 
Tafel  Vlir,  Figur  1  und  2. 
Die  Faltungen,  welche  bis  zum  Formazzatal  verhaltnismaBig 
einfach  und  ziemlich  klar  sind,  nehmen  nun  hochst  verwickelte 
Formen  an.  Da  ich  nur  zwei  Tage  auf  ihr  Studium  verwenden 
konnte  und  dabei  im  einzelnen  manches  anders  gefunden  habe, 
als  es  die  Karte  angibt,  so  bin  ich  iiber  einiges  im  unklaren 
geblieben.  Doch  glaube  ich  mit  der  Annahme  nicht  fehl  zu 
gehen,  daB  hier  das  Teggiologewolbe  sich  starker  entwickelt 
hat  und  viel  weiter  nach  Norden  iibergreift,  bis  zum  Marchhorn. 
Unter  den  Steilvvanden,  die  das  Basodino-Massiv  gegen  Westen 
begrenzen  und  aus  Gneis  besteheu,  liegen  Kalkschiefer,  in  denen 
der  Kastelsee  eiugebettet  ist,  und  die  sudwarts  in  einzeluen 
Partien  noch  erhalten  sind  bis  zum  Talihom.  Diese  Schiefer 
liegen  auf  demselben  Gneis,  der  sie  auch  tiberlagcrt,  und  dieser 


173 


Kegende  Gneisfliigel  entspricht  genau  denrjenigen,  der  im  Tunnel 
(S)  zwischen  Km  5  und  7  durchfahren  worden  ist.  Wahrend 
aber  dort  der  hangende  Lebendungneisfliigel  sich  rasch  in  die 
Hohe  biegt  und  wahrscheinlich  bei  Valle  zur  Tagesoberflache 
heraufkoinmt,  ist  dieser  Fliigel  am  Basodino  flach  gelagert  und 
biegt  sich  erst  am  Marchhorn  in  die  Hohe.  Dort  liegt  also 
die  Stirn  des  Teggiolo-Gewolbes.  Der  liegende  Fliigel  hingegen, 
dessen  Fortsetzung  gegen  Norden  im  Tunnel  unbekannt  ist, 
biegt  sich  einerseits  beim  Tosa-Wasserfall  rasch  herab  und 
bildet  das  tiefere  Tosagewolbe,  anderseits  aber  springt  er  mit 
seiner  oberen  Seite  noch  bis  „Im  Moos"  nach  Norden  yor  und 
spitzt  sich  dort  aus. 

12.  Die  Beziehung  der  Formazzafaltung  zur  Berisalfaltung. 

Die  Formazzafaltung  ist  am  bedeutendsten  im  NO,  die 
Berisalfalte  im  SW  des  Gebietes  entwickelt.  Erstere  streicht 
deutlich  von  SW  nach  NO,  letztere  von  W  nach  0,  vielleicht 
sogar  von  NW  nach  SO.  Sie  bilden  somit  jedenfalls  einen 
recht  grofien  Winkel  miteinarider.  Im  SW  liegt  die  Teggiolo- 
falte  teilweise  unter  dem  Berisalgewolbe  und  war  friiher  wahr- 
scheinlich  ganz  von  ihm  bedeckt.  Wie  weit  letzteres  vor 
seiner  Zerstorung  durch  Erosion  sich  im  Gebiete  des  Simplon 
nach  NO  ausgedehnt  hat,  lafit  sich  nicht  mehr  mit  Sicher- 
heit  nachweisen,  aber  es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  daB  das 
Gebiet  des  Cairasca-,  DeYero-  und  Antigoriotales  einstmals  you 
ihm  ganz  bedeckt  war.  Dahingegen  scheint  es  sich  bis  zum 
Basodino-Massiv  nicht  erstreckt  zu  haben,  und  darin  liegt  wohl 
der  Grund,  weshalb  gerade  dort  die  Formazzafalten  sich  unge- 
hemmter  zu  weitausgreifenden  Deckfalten  entwickeln  konnten. 

Es  hat  den  Anschein,  als  ob  die  Berisalfaltung  friiher 
einsetzte  als  die  Formazzafaltung  und  das  grotfe  Berisalgewolbe 
sich  schon  auf  seinem  Vorlande  ausgebreitet  hatte,  als  die 
Formazzafaltung  den  liegenden  Fliigel  der  Berisalmulde  in  Be- 
wegung  setzte  und  damit  zugleich  das  Berisalgewolbe  zu  seiner 
so  merkwiirdigen  Nachfaltung  am  Monte  Leone  zwang.  Unter 
der  Last  dieser  zu  bewaltigenden  Masse  wurde  die  Formazza- 
faltung wahrscheinlich  in  ihrer  freien  Entwickelung  gehemmt, 
die  sie  erst  weiter  im  Osten,  bis  wohin  die  Berisaldecke  nicht 
reichte,  erlangt  hat. 

13.  Die  Bedrettofalten, 

Im  Gegensatz  zu  den  liegenden  Falten  des  Berisal-  und 
Formazzasystems  stehen*  die  Bedrettofalten  nicht  nur  deshalb, 
weil  es  stehende  Falten  sind,  sondern  auch  weil  sie  ein  anderes 


174 


Streichen  haben.  Ich  habe  sie  nur  bei  Brig  eingehender 
studiert,  aber  aus  der  geologischen  Karte  entnirnnit  man  leicht, 
dafi  sie  sich  bis  ins  Bedrettotal  fortsetzen  mit  ostnordostlicheni 
Streichen.  Die  Schubbewegung,  welche  sie  erzeugt  hat,  muB 
also  eine  andere  Bichtung  gehabt  haben  als  bei  den  anderen 
Falten.  Ob  ihre  Entstehung  zeitlich  mit  der  der  stidlichen 
Deckfalten  zusammenfiel  oder  ihr  erst  nachfolgte,  laflt  sich  zur- 
zeit  kauni  feststellen.  Dahingegen  ist  es  sehr  wahrscheinlich, 
dan,  als  die  Deckfalten  ihre  nordlichste  Ausdehnung  er- 
reichten,  die  Bedrettofaltuug  schon  eingesetzt  hatte,  der 
weiteren  Ausdehnung  der  Deckfalten  hemmend  entgegen- 
trat  und  bestrebt  war,  letztere  selbst  in  ihrem  Sinne  mitzu- 
falten.  Auf  diese  Weise  entstand  die  Nachfaltung  des 
Berisalgewolbes,  welche  der  Stirn  dieses  Gewolbes  die  merk- 
■wtirdige  Muldenform  Yerlieh,  die  durch  den  Tunneldurch- 
stich  klargelegt  worden  ist.  Die .  steile  Aufrichtung  des  Stirn- 
randes  der  Berisalfalte  Ton  Yisp  bis  zum  Ofenhorn  ist  das 
Produkt  der  Bedrettofaltuug.  Sie  teilt  deshalb  auch  mit  dieser 
das  ostnordostliche  Streichen.  Die  muldenformige  Einsenkung, 
die  die  Berisalfalte  dadurch  erfuhr,  ist  die  Ursache,  weshalb 
gerade  dieser  Teil  derselben  noch  so  vollstandig  erha,lten  und 
Tor  der  Zerstorung  durch  Erosion  besser  bewahrt  worden  ist 
sis  die  siidlicheren  Teile. 

Inwieweit  dieser  Kampf  zwischen  den  Yerschiedenen 
Faltungsrichtungen  auch  spater  im  Osten  am  Stirnrand  der 
Formazzafalten  seine  Spuren  zuriickgelassen  hat,  kann  ich  nicht 
beurteilen,  da  ich  diese  Strecke  nicht  besucht  habe. 

14.  Das  Verhaltnis  der  alpinen  Falten  zu  den  Gneisen. 

Die  Ansicht  Studers,  daB  die  Gneise  sehr  jung  und  erst 
wahrend  der  alpinen  Faltung,  teils  durch  sie  YeranlaBt,  teils 
dieselbe  beeinflussend,  in  die  Sedimentgesteine  eingedrungen 
seieu,  ist  in  neuerer  Zeit  wieder  lebhaft  Yon  Yerschiedeuen 
Seiten  aufgegriffen  und  weiter  ausgebaut  worden. 

Schon  im  ersten  Teile  dieser  Arbeit  (S.  121 — 3  36)  habe 
ich  dem  Alter  der  Simplon-Gneise  ein  besonderes  K#pitel 
gewidmet.  Ich  kam  dabei  zu  dem  Ergebnis,  daB  sie  junger 
als  der  Lias  und  alter  als  die  alpine  Faltung  sind. 

Jetzt,  nachdem  ich  gezeigt  habe,  weshalb  die  bisher 
herrschenden  Yorstellungen  fiber  den  alpinen  Faltenbau  im 
-Simplongebiet  aufgegeben  und  durch  andere  ersetzt  werden 
miissen,  denen  aber  wegen  der  stratigraphischen  Unsicherheiten 
noch  keine  festgepragten  Formen  gegeben  werden  kounen,  er- 
.scheint  es  notwendig,  nochmals  an  die  Altersfrage  der  Gneise 


175 


heranzutreten,  um  zu  erwagen,  ob  die  Formen  der  Gneismassen 
nicht  dock  vielleicht  fiir  eine  Intrusion  wahrend  oder  nach  der 
Faltung  sprechen. 

So  wie  Klemm  (Sitzber.  PreuB.Akad.  d.  Wiss.  XII,  S.  5,  1907) 
meint,  daB  die  tadellose  Erhaltung  der  so  sproden  Tremolite 
auch  in  den  am  starksten  gefalteten  Dolomitschichten  bei  Campo- 
luugo  spiitere  Gebirgsbewegung  absolut  ausschliefie,  konnte 
man  auch  im  Simplongebiet  in  diesem  Sinne  die  Tatsache  an- 
fi'ihren,  daB  mancherorts  Aplitgange  auf  Erstreckungen  von 
mehreren  Metern  schnurgerade  durch  den  Gneis  setzen  (z.  B. 
im  Verampiogneis  an  der  PoststraBe  Crodo-Baceno,  im 
Diveriatal  oberhalb  Iselle  und  im  Antigoriotal  bei  Foppiano) 
und  somit  keine  Anzeichen  einer  spiiteren  Verbiegung  zeigen,  von 
der  die  Sedimentgesteine  hier  doch  allgemein  betroffen  sind. 
Diesem  Argumente  kann  ich  jedoch  kein  allzugrofies  Gewicht 
beimessen,  weil  gerade  an  diesen  Orten,  wie  das  auch  die 
Profile  lehren,  die  Sedimentgesteine  nur  van  einer  ganz  grofi- 
ziigigen  Faltung  erfaBt  worden  sind  und  kleiner  Faltungen 
oder  Faltelungen  entbehren.  Dahingegen  ist  es  eine  unbestreit- 
bare  Tatsache,  dafl  an  sehr  vielen  Orten  die  Gneise  die  deutlichsten 
Anzeichen  einer  nachtraglichen  sehr  starken  mechanischen  Be- 
anspruchung  zur  Schau  tragen;  im  Simplontunnel  wurden  sie 
in  Menge  beobachtet  und  von  Schardt  in  den  Rapports  be- 
schrieben.  Es  sind  Gleitflachen,  Ruschelzonen  und  Zer- 
triimmerungen,  die  sich  erst  nach  der  Yerfestigung  des  Gneises 
gebildet  haben  und  jedenfalls  beweisen,  da6  nach  der  Intrusion 
noch  erhebliche  tektonische  Bewegungen  stattgefunden  haben. 

Wo  groBere  Gneismassen  in  den  Schiefern  und  Kalksteinen 
eingelagert  sind,  sind  die  mulden-  und  sattelformigen  Yer- 
biegungen  gewohnlich  weitgespannt  und  der  Kriimmungsradius 
ist  ein  sehr  groBer.  Enge  Faltungen  kommen  fast  nur  da  vor, 
■wo  die  Gneise  fehlen.  Das  hangt  wohl  damit  zusammen,  daB  die 
Gneise  den  Yerbiegungen  einen  groBeren  Widerstand  entgegen- 
gesetzthaben.  Nur  an  einigen  Stellen  erfolgte,wie  die  Profile  zeigen, 
die  Umbiegung  unter  spitzeren  Winkeln.  Es  ware  wichtig, 
durch  mikroskopische  Untersuchungen  festzustellen,  ob  dort  in 
den  Gneisen  vielleicht  starkere  mechanische  Zertriimmerung 
herrscht  als  anderwarts  oder  nicht.  Man  konnte  daraus  An- 
haltspunkte  gewinnen,  ob  die  Gneise  erst  nach  oder  schon 
wahrend  ihrer  Intrusion  diese  Lagerungsform  angenommen  haben. 
Es  ist  aber  auch  so  schon  recht  unwahrscheinlich,  daB  z.  B. 
die  Lebendungneisintrusion  bereits  primar  eine  so  gewundene 
Form  angenommen  habe,  wie  sie  im  Profil  durch  das  Basodino- 
massiv  erscheint. 


176 


Das  liegende  untere  Antigoriogewolbe  des  Teggiolo,  des- 
oberen  Deyero-  und  des  Forniazzatales  liefte  sich  bei  Annahine 
des  alpinen  Alters  der  Gneise  als  das  nordliche  Ende  eines 
grofien  Lakkolithen  deuten,  der  von  Siiden  her  in  die  Kalk- 
sediniente  eindrang.  Ich  habe  diese  Moglichkeit  langere  Zeit 
in  Erwagung  gezogen  und  in  diesem  Sinne  Profile  zu  zeichnen 
versucht.  Ich  bin  dabei  aber  stets  mit  beobachteten  Tat- 
sachen  in  Widerspruch  geraten  und  habe  deshalb  diese  Profile 
verworfen.  Aber  es  nmft  zugegeben  werden,  daft  auch  fiir  die 
Deutung  dieser  Stellen  als  liegendes  Gewolbe  das  Beobachtungs- 
material  nicht  vollstandig  ausreicht.  Am  Teggiolo  liegt 
zwischen  den  Aufschlussen  iiber  Tag  imd  denen  im  Tunnel 
eine  1000  in  dicke  Zone,  yon  der  wir  nichts  wissen,  und  die 
uns  niancherlei  TJberraschungen  bringen  konnte  (siehe  Taf.  VI, 
Fig.  1).  Das  gilt  in  noch  hoherem  Mafie  fiir  das  liegende 
Antigoriogewolbe  im  Deverotal  (Taf.  VIII,  Pig.  5),  woselbst  die 
unterirdische  Yerbindung  des  Antigorio-  mit  dem  Verampiogneis 
ganz  hypothetiseh  ist. 

Eine  der  groftten  Schwierigkeiten  fiir  die  Annahme  eines 
alpinen  Alters  der  Gneise  liegt  in  der  Berisaluberfaltung.  Die 
Hauptgneismassen  liegeu  unter  dem  Berisalgewolbe  im  Mulden- 
kern  urid  dazu  noch  groBtenteils  im  inversen  MuldenfliigeL 
Man  konnte  sich  mit  der  Annahme  zu  helfen  such  en,  daii 
gerade  durch  das  Eindringen  des  plastischen,  noch  nicht  er- 
starrten  Gneismagmas  die  gleitende  Bewegung  der  Berisal- 
schiefer  begiinstigt  wurde.  Denn  sie  schwammen  gewissermafien 
auf  einer  beweglichen  Unterlage,  die  ihnen  den  Marsch  nach 
Norden  erleichterte.  Aber  im  Widerspruch  dazu  steht,  daft 
die  Gneise  alle  Faltungen  der  Schiefer  mitmachten,  sogar  die 
seltsame  Nachfaltung  am  Monte  Leone.  Ware  der  Gneis 
wirklich  wahrend  der  Paltung  der  festen  Sedimentgesteine 
noch  nicht  verfestigt  gewesen,  dann  miiJ3te  doch  diese  Ver- 
schiedenartigkeit  des  physikalischen  Zustandes  in  der  heutigen 
Gestalt  der  Gneismassen  und  in  ihrem  Yerhaltnis  zu  den  sie 
umgebenden  Sedimentgesteinen  einen  deutlichen  Ausdruck  ge- 
funden  haben.  Die  auffallige  RegelmaBigkeit,  mit  der  die 
Kalksedimente  unter  dem  Berisalschiefer  wiederholt  mit  Gneisen 
wechsellagern  und  gemeiSisam  mit  ihnen  in  Falten  gelegt 
sind,  scheint  mir  einem  erst  wahrend  des  Faltungsvorganges 
erfolgten  Eindringen  der  granitischen  Massen  nicht  zu  ent- 
sprechen. 

Fiir  den  Vorgang  gleichzeitiger  Gebirgsfaltung  und  mag- 
matischer  Intrusion  fehlt  uns  allerdings  jede  Erfahrung,  so  daft 
es  gewagt  erscheint,  daruber  ein  Urteil  abzugeben,  welche  Ge- 


177 


stalt  in  solchem  Falle  die  Gesteinsmassen  annehrnen  miissen 
oder  konnen,  und  dies  umsomebr,  als  es  noch  ganz  zweifelhaft 
ist,  ob  ein  solcher  Fall  iiberhaupt  im  Bereicb  pbysikalischer 
Moglichkeit  liegt. 

15.  Die  Beziehung  der  drei  Faltungs-Systeme  zueinander. 

Fiir  die  scbier  unentwirrbaren  tektonischen  Yerwickelungen 
des  Simplongebietes  scheint  rnir  die  Annahme  der  oben  be- 
schriebenea  drei  verschiedenartigen  tektonischen  Bewegungen 
eine  einigermafien  befriedigende  Erklarung  zu  geben.  Als  ich 
vor  6  Jahren  mit  dem  Studiuin  dieser  Gegend  begann,  versuchte 
ich  es  natiirlich  zuniichst  mit  der  Annahme  einer  einheitlichen 
tektonischen  Bewegung,  wie  sie  damals  allgeniein  iiblich  war. 
Yier  Jahre  miihte  ich  mich  umsonst  ab.  Es  gelang  nicht,  eine 
mit  alien  mir  bekannten  Tatsachen  in  Einklang  stehende  Yor- 
stellung  yom  Gebirgsbau  zu  gewinnen,  und  auf  rein  induktivem 
Wege  bin  ich  allmahlich  zur  Erkenntnis  jener  drei  Faltungs- 
vorgange  gelangt. 

Ich  habe  versucht,  in  einer  Reihe  von  Profilen  dieser 
meiner  Auffassung  bildlichen  Ausdruck  zu  geben.  Die  Un- 
sicherheit  der  Stratigraphie  jedoch  und  mehrere  andere  Um- 
stande,  unter  denen  ich  besonders  die  Unmoglichkeit  hervor- 
heben  mochte,  meinem  Untersuchungsgebiet  eine  weitere 
Ausdehnung  zu  geben,  bringen  es  mit  sich,  daB  in  alien  diesen 
Profilen  Stellen  vorkommen,  die  mehrdeutig  sind.  Die  Deutung, 
die  mir  am  wahrscheinlichsten  schien.  habe  ich  gewahlt,  ohne 
jedoch  mir  zu  Yerhehlen,  daB  weitere  Untersuchungen  yielleicht 
einer  anderen  Deutung  eine  groBere  Wahrscheinlichkeit  geben 
konnen. 

Die  drei  Faltungssysteme  haben,  wenn  sie  als  solche 
wirklich  bestehen,  jedenfalls  eine  weit  iiber  das  Simplongebiet 
hinausreichende  Yerbreitung  und  fiir  den  Bau  der  Alpen  eine 
grofie  Bedeutung.  Es  wird  notwendig  sein,  zu  prufen,  ob  sie 
auch  in  den  benachbarten  Gebieten  konstant  bleiben,  ob  sich 
ihre  Zahl  gleich  bleibt,  und  in  welchem  kausalen  Zusammenhang 
sie  zueinander  stehen. 

Die  Yerschiedenheit  der  Massenbewegungen,  durch  die  sich 
die  drei  Systeme  im  Simplongebiet  zu  unterscheiden  scheinen, 
kann  entweder  ihre  Ursache  in  yerschiedenartig  gerichteten 
Schubkraften  haben  oder  darin,  daB  dieselbe  Schubkraft  durch 
Yerschiedenartigkeiten  in  dem  Aufbau  des  sich  faltenden 
Krustenteiles  zum  Wechsel  im  Faltenwurf  gezwungen  war.  Es 
ware  ganz  begreiflich,  wenn  die  Einschaltung  der  Gneismassen 
in  den  Sedimenten  durch  ihre  Machtigkeit  an  den  einen  und 

Zeitschr.  d.  D.  Geol.  Ges.  1914.  12 


178 


ihr  zum  Teil  vollstandiges  Fehlen  an  den  anderen  Stellen 
Ablenkungen  der  Faltungsrichtungen  hervorgerufen  hatten. 
Ebensogut  ware  es  aber  auch  moglich,  daB  die  Schubkraft 
selbst,  wahrend  der  vielleicht  sehr  langen  Faltungszeit,  ihre 
Richtung  aus  Ursachen  verandert  hatte,  die  auBerhalb  des 
Simplongebietes  liegen. 

Wenn  man  die  Punkte,  welche  einigermaBen  aufgeklart 
sind,  mit  denjenigen,  welche  noch  ganz  dunkel  sind,  in  der 
nachfolgenden  Weise  zusammenstellt,  dann  ergibt  sich,  wieviel 
hier  noch  zu  tun  ist. 

1.  Die  Gneise  sind  jiinger  als  die  sie  umgebenden  Sedimente 
und  erst  nachtraglich  in  dieselben  eingedrungen,  sie  waren  es 
aber  schon,  als  die  groBe  Gebirgsfaltung  eintrat. 

2.  UngewiB  hingegen  bleibt,  wann  diese  Faltung  einge- 
treten,  wann  die  Sedimentbildung  aufgehort  hat,  und  wann  in 
dem  dazwischen  liegenden  Zeitraum  die  Gneisintrusion  sich 
ereignet  hat. 

3.  Die  Alpenfaltung  hat  zur  Herausbildung  dreier  Falten- 
systeme  gefiihrt,  von  denen  das  Berisalsystem  den  Anfang 
machte,  das  Formazza-  und  das  Bedrettosystem  wahrscheinlich 
erst  spater  nochfolgten,  aber  so,  daB  alle  drei  noch  eine  Zeit- 
lang  zusammen  in  Tatigkeit  waren. 

4.  UngewiB  hingegen  bleibt,  wie  lange  diese  Faltungen 
gedauert  haben,  zu  welchem  Zeitpunkt  sie  einsetzten,  und  ob 
Ruhepausen  dazwischenlagen,  die  vielleicht  von  Erosions- 
vorgangen  begleitet  waren. 

5.  Erst  nach  der  Faltung  haben  auf  Verwerfungsspalten 
Schollenbewegungen  stattgefunden,  deren  relative  Yerschie- 
bungen  im  Verhaltnis  zur  Gebirgshohe  nur  gering  waren. 

6.  UngewiB  aber  ist,  ob  dieselben  nur  eine  lokale  Be- 
deutung  haben,  oder  ob  sie  mit  der  vertikalen  Heraushebung 
des  ganzen  Gebirges  und  der  Hebung  der  pliocanen  marinen 
Schichten  am  Siidrand  der  Alpen  in  Verbindung  standen. 


Manuskript  eingegangen  im  Juli  1913.] 


179 


4.  Die  Cephalopoden  der  Schweinfurthschen 
Sammlung  aus  der  Oberen  Kreide  Agyptens. 

Von  Herrn  Otto  Eck  in  Berlin. 

Hierzu  Tafel  IX  bis  XX  und  20  Textfigureu. 

Yorbemerkung.  Das  von  Schweinfurth  in  den  Jahren 
1877  bis  1886  an  verschiedenen  Punkten  Agyptens  gesammelte 
Material  wurde  zum  groBten  Teil  dem  palaontologischen  Institut 
der  Universitat  Berlin  iiberwiesen,  wahrend  ein  kleinerer  Teil 
nach  Stuttgart  und  Miinchen  gelangte. 

Die  Bearbeitung  des  in  Berlin  befindlichen  Materials  wurde 
durch  eine  Reihe  von  Umstanden  verzogert.  Im  Sonimer  1908 
iibertrug  mir  Herr  Geheimrat  Prof.  Dr.  Branca  die  Bearbeitung 
der  Cephalopoden.  Ich  gestatte  mir,  an  dieser  Stelle  meinem 
hochverehrten  Lehrer  fur  die  Ubertragung  dieser  hochinter- 
essanten  Aufgabe  meinen  verbindlichsten  Dank  auszusprechen. 

Zu  besonderem  Danke  bin  ich  auch  Herrn  Prof.  Blancken- 
horn  fiir  Uberlassung  und  Erlauterung  einer  Originalkarte 
Schweinfurths  sowie  fiir  mancherlei  miindliche  Ratschlage 
verpflichtet.  Herr  Prof.  Dr.  Yabe  aus  Tokio  hatte  die  Liebens- 
wiirdigkeit,  mir  die  neuesten  Abbildungen  seines  Werkes  iiber 
die   Hokkaido-Kreide    zum   Yergleich    zuganglich   zu  machen. 

Das  Palaontologische  Institut  der  Universitat  Miinchen  und 
das  Konigliche  Naturalienkabinett  in  Stuttgart  sandten  mir  in 
dankenswerter  Weise  bereitwilligst  die  dort  befindlichen  Cepha- 
lopoden   der    Schweinfurth  schen    Sammlung   zum  Yergleich. 

Literatnr. 

Blanckenhorn,  M.:  Beitrage  zur  Geologie  Syriens.  Die  Entwicklung 
des  Kreidesystems  in  Mittel-  und  Nord-Syrien.    Cassel  1890. 

Blanford,  H.  F.,  et  F.  Stoliczka:  The  fossil  Cephalopoda  of  the 
Cretaceous  Rocks  of  Southern  India.  Mem.  Geol.  Surv.  of  India 
(Paiaeontologia  indica).    Calcutta  1861—65.    (Cret.  S.  India.) 

v.  Buch,  L.:  Uber  Ceratiten.    K.  Akad.  d.  Wiss.,  Berlin  1849. 

Choffat,  P.:  Recueil  d'etudes  paleontologiques  sur  la  faune  cretacique 
du  Portugal  —  Especes  nouvelles  ou  peu  connues.  —  I.  Cepha- 
lopodes.  —  II.  Les  Ammonees  du  Bellasien,  des  couches  a  Neolobites 
Vibrayeanus,  du  Turonien  et  du  Senonien.  Section  des  Tr.  Geol. 
du  Portugal.    Lisbonne  1886-1898.    (Faune  cret.  Portugal.) 

12* 


180 


Coquand,  H.:  Notice  sur  les  richesses  paleontologiques  de  la  Province 
de  Constantine.  Journ.  de  Conch.,  vol.  Ill,  1852,  S.  418—438, 
Taf.  XIII  et  XIV. 

—  Description  geologique  de  la  Province  de  Constantine.  Mem. 
S.  G.  F.  (2),  vol.V,  1,  1854.    (Descr.  Prov.  Const.) 

—  Geologie  et  Paleontologie  de  la  region  Sud  de  la  Province  de 
Constantine,  avec  atlas  de  35  pi.  Marseille  1862.  (Geol.  Pal. 
S.  Const.) 

Fourtau,  R. :    Contribution  a  l'etude  de  la  faune  cretacique  d'Egypte. 

Bull.    Institut  Egyptien,  vol.  IV,  S.  231-347,  L.  Caire  1904. 
Hyatt,  A.:  Pseudoceratites  of  the  Cretaceous.    U.  S.  G.  S.  Monographs, 

vol.  XLIV.  Washington  1903. 
Jimbo,  K. :   Beitrage  zur  Kenntnis  der  Fauna  der  Kreideformation  von 

Hokkaido.    Pal.  Abh.,  Bd.  VI.  3.    Jena  1894. 
v.  Koenen  :  Uber  Fossilien  der  Unteren  Kreide  am  Ufer  des  Mungo  in 

Kamerun.    Abh.  K.  Ges.  Wiss.  zu  Gottingen,  N.  F.  I.   Berlin  1897. 

—  Nachtrag  zu:  Uber  Fossilien  der  Unteren  Kreide  am  Ufer  des 
Mungo  in  Kamerun.    Ebenda.    Berlin  1898. 

Kossmat,  F.:    Untersuchungen  uber  die  siidindische  Kreideformation. 

Beitr.  z.  Pal.  und  Geol.  Ost.-Ung.  und  des  Orients,  Bd.  IX,  XI, 

1895-98.    (Siidind.  Kreidef.) 
d'Orbigny:  Paleontologie  francaise.    Terrains  Cretaces,  vol.  I.,  Cepha- 

lopodes.    Paris  1840-1842.    (Pal.  fr.) 
— ■  Prodrome   de  Paleontologie   stratigraphique   universelle,   vol.  II. 

Paris  1850. 

Peron,  A.:  Description  des  Mollusques  fossiles  des  terrains  cretaces  de 
la  region  des  Hauts-Plateaux  de  la  Tunisie  recueillis  en  1885  et 
1886  par  M.  Philippe  Thomas.  Exploration  scientifique  de  la 
Tunisie.    Paris  1889-90.    (Moll.  foss.  Tun.) 

—  Les  Ammonites  du  Cretace  superieur  de  TAlgerie.  Mem.  S.  G.  F. 
Pal.  17,  1896.    (Amm.  Cret.  Algerie.) 

Pervinquiere,  L. :  Carte  Geologique  de  la  Tunisie.  Etudes  de  Paleon- 
tologie Tunisienne  I,  Cephalopodes  des  Terrains  Secondaires. 

Quaas,  A.:  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Fauna  der  obersten  Kreide- 
bildungen  in  der  libyschen  Wiiste  (Overwegischichten  und 
Blattertone).  —  Palaeontographica  30,  2,  1902,  S.  150—334, 
Taf.  XX-XXXIII  (4°). 

Solger,  F. :  Uber  die  Jugendentwickelung  von  Sphenodiscus  lenticvlariz 
Owen  und  seine  Beziehungen  zur  Gruppe  der  Tissotien.  Diese 
Zeitschr.  55,  1903,  S.  69-84,  Taf.  IV. 

—  Die  Fossilien  der  Mungokreide  in  Kamerun  und  ihre  geologische 
Bedeutung,  mit  besonderer  Beriicksichtigung  der  Ammoniten;  in 
Esch,  Solger,  Oppenheim,  Jaekel :  Beitrage  zur  Geologie  von 
Kamerun.    Stuttgart  1904.  (Kamerun.) 

Stoliczka,  F.  s.  Blanford. 

Wanner,  J. :  Fauna  der  obersten  WeiBen  Kreide  der  Libyschen  Wiiste. 
Palaeontographica  30,  2,  1901,  S.  91—150,  Taf.  XIII— XIX. 

Yabe,  H. :  Cretaceous  Cephalopoda  from  the  Hokkaido,  Part  1.  Journ. 
Coll.  Sc.  Univ.  Tokyo  XVIII,  1903.    Part  2.  ebenda  XX,  1904. 

Yokoyama,  M. :  Versteinerungen  aus  der  japanischen  Kreide.  Palae- 
ontographica 36,  1890,  S.  159-202,  Taf.  XVI1I-XXV. 

Siehe  ferner  meine  aus  der  Bearbeitung  des  Materials 
hervorgegangenen  kiirzeren  Mitteilungen: 


181 


IJber  die  Notwendigkeit  einer  Revision  des  Genus  Neolobites. 

Sitz.-Ber.Ges.  naturforsch.Freunde,  Berlin  1908,  S.  253—286. 

(Zus.  mit  Dr.  v.  Staff.) 
Bemerkungen  iiber  drei  neue  Ammoniten  aus  der  Oberen  agyp- 

tischen  Kreide.    Ebenda  1909,  S.  179—191. 
Yorlaufige  Mitteilung  iiber  die  Bearbeitung  der  Cephalopoden 

der  Sciiweinfurth  schen  Sammlung  und  iiber  die  Entwick- 

lung  des   Turons   in  Agypten  (Oberen  Kreide  Agyptens). 

Zeitschr.  Deutsch.  Geol.  Ges.  62,  1910,  S.  379—387. 

Der  Hauptteil  der  vorliegenden  Arbeit  erschien  ferner  ohne 
Abbilduugen  bereits  1910  als  Dissertation  bei  Ebeking,  Berlin. 

Aus  der  Sammlung  Schweinfurths  konnten  bestimmt  werden: 
Nmitiloidea. 

Genus  Nautilus  Breyn. 
N.  Mermeti  Coquand. 
N.  Mermeti  var.  Munieri  Choffat. 

Ammonoidea. 

Genus  Pachydiscus  Zittel. 
P.  cfr.  Menu  Forbes. 

Genus  Neolobites  Fischer  em.  Peron. 
N.  Fourtaui  Fourtau. 

N.  Fourtaui  Pervinquiere.  =  nov.  var.  Pervinquieri  Eck. 

N.  Peroni  Hyatt. 

N.  Sch weinfur tin  Eck  n.  sp. 

N.  Brancai  Eck  n.  sp. 

Genus  Hoplitoides  v.  Koenen. 
H.  ingens  v.  Koenex. 
H.  cfr.  mirabilis  Pervinq. 

Genus  Acanthoceras  Neumayr. 
A.  cfr.  Footeanum  Stol. 
A.  cfr.  Mantelli  Sow. 

A.  cfr.  meridionale  var.  africana  Pervinq. 

Genus  Fagesia  Pervinquiere. 
F.  Bomba  Eck  n.  sp. 
F.  cfr.  Thevestensis  Peron. 
F.  indet. 


182 


Genus  Vascoceras  Choffat. 

V.  cfr.  Amieirensis  Choffat. 
V.  Kossmati  Ceioffat. 
V.  Durandi  Thomas  et  Peron. 
V.  Barcoicensis  Choffat. 
Tr.  sp.  indet. 

Genus  Pseudotissotia  Peron. 
P.  segnis  Solger  und  var.  discoidalis  Pervinquiere. 

Genus  Tissotia  Douyille. 
T.  cfr.  Fourneli  Bayle. 
T.  cfr.  Tissoti  Bayle. 
T.  Schweinfurthi  Eck  n.  sp. 
T.  securiformis  Eck.  n.  sp. 
T.  Bobini  Thiolliere. 

Genus  Hemitissotia  Peron. 
Hemitissotia  sp.  indet. 

Faunistische  Bemerkungen. 

Die  agyptische  Fauna  zeichnet  sich,  wie  schon  frtiher  mit- 
geteilt  wurde1),  durch  einen  verhaltnismaJ3igen  E-eichtum  an 
Individuen  bei  Armut  an  Species  aus  und  zeigt  die  groJite 
Ahnlichkeit  mit  der  Fauna  Tunesiens  und  Portugals;  jedoch. 
kommen  auch  Anklange  an  die  Cephalopodenfauna  Indiens  vor 
(Acanthoceras  cfr.  Footeanum ;  Ac.  cfr.  Mantelli;  Ac.  meridionale). 

An  der  Hand  der  yorliegenden  Cephalopoden  laBt  sich 
mit  einer  einzigen  Ausnahme  keine  Stiitze  fur  die  Annahme 
einer  Faunenvermischung  an  der  Grenze  des  Turons  und 
Cenomans  finden  (cfr.  Blanckenhorn).  Nur  einmal  findet  sich 
ein  Neolobites  Schweinfurthi  in  der  Gesellschaft  von  turonischen 
Ammoniten,  wie  Acanthoceras  cfr.  Footeanum  und  Vascoceras. 

Palaontologischer  Teil. 

Genus  Nautilus  Breyn. 

Yon  der  Familie  der  Nautiliden  liegen  mir  nur  drei 
Exemplare  sowie  einige  Bruchstucke  vor.  Sie  stammen  aus 
dem  Westen  von  Gebel  om  el  Tennasseb  (Schicbt  der  grofien 
Exogyren)  und  aus  Wadi  Mor  Scliicbt  2. 


J)  Diese  Zeitschrift  1910,  S.  381.  (Monatsber.) 


183 


Nautilus  Mermeti  Coquand. 
Taf.  IX,  1. 

1862  Nautilus  Mermeti  Coquand:  Geol.  Pal.  Constantine,  S.  16G,  PI.  2, 
Fig.  1  und  2. 

1886  Nauti/us  Munieri  Choffat:  Faune  cret.  Portugal,  S.  1,  PI.  1,  2. 
1900  Blanckenhorn :  Neues  zur  Geologie  und  Pal.  Agyptens,  S.  36. 

1903  Nautilus  Mermeti  Coquand;  Pervinquiere,  Et.  Geol.  Tun.,   S.  66, 
77,  79. 

1904  Fourtau  :  Faune  cret.  d'Egypte,  S.  552. 

1907  Nautilus  Mermeti  Coquand:  Pervinquiere,  Pal.  Tun.,  S.  46. 


135 

69 

55  mm 

Dicke  der  Windung  .... 

.  56 

82 

r> 

Dicke  der  vorigen  Windung  . 

.  30 

15 

? 

1) 

Radius  der  Windung    .    .  . 

.  91 

45 

0 

n 

Radius  der  vorigen  Windung 

.  46 

20 

0 

•  5) 

Durchmesser  des  Nabels   .  . 

8 

5 

0 

n 

In  der  Literatur  herrscht  einige 

Unklarheit  uber  die  Stellung 

und  Yerwandtschaft  des  Nautilus  Mermeti  Coq.  Die  einzige 
mir  bekannte  photographisclie  (und  daher  einwandfreie)  Ab- 
bildung  gibt  Choffat  (a.  a.  O.  Taf.  1  und  2).  Er  benennt 
seinen  Nautilus  aber  Nautilus  Munieri  Choffat;  er  identifiziert 
ihn  also  nicht  mit  dem  Typ  Coquands.  Er  kommt  zu  dieser 
Trennung,  weil  in  der  Abbildung  Coquands  die  durch  Zeichnung 
hergestellt  wurde,  die  Schweifung  der  Septen  eine  andere  ist. 
Pervinquiere  hingegen  (a.  a.  0.,  S.  46)  vergleicht  die  Zeichnung 
Coquands  mit  den  in  der  Sammlung  der  Sorbonne  befindlichen 
Exemplaren  von  Nautilus  Mermeti  Coquand  und  kommt  zu  dem 
Sehlufl,  dafi  ein  Zeichenfehler  bei  Coquand  Choffat  die 
Identifizierung  der  portugiesischen  Spezies  mit  dem  echten 
Nautilus  Mermeti  Coquand  erschwert  babe.  Er  bait  den 
Nautilus  Munieri  Choffat  bocbstens  fur  eine  einfacbe  Varietat 
des  letzteren.  Icb  schlieBe  micb  Pervinquieres  Ansicbt  an 
und  benenne  zvvei  meiner  Stiicke,  die  sicb  Choffats  Typ 
n  ah  era:  Nautilus  Mermeti  Coquand  var.  Munieri  Choffat, 
Andere  Bruchstiicke:  Nautilus  Mermeti  Coquand. 

Nautilus  Mermeti  Coquand.  Yon  dieser  Spezies  liegen  mir 
nur  Bruchstiicke  yor,  die  gleichwohl  eine  genaue  Bestimmung 
erlauben.  Pervinquiere  gibt  als  bezeichnende  Eigenschaft  an, 
dafi  der  Querschnitt  eng  sei,  und  daJ5  die  Septen  einen  geringen 
Abstand  voneinander  besitzen.  Der  Sipho  liege  etwa  in  einem 
Fiinftel  der  Hohe  des  Septum s. 

Alle  diese  Merkmale,  besonders  die  geringere  Breite  des 
Querschnittes,  finden  sich  an  den  mir  vorliegenden  Bruchstiicken. 


184 


Nautilus  Mermeti  Coquand  var.  Munieri  Chofeat. 
Taf.  IX,  2-4. 

Zwei  vollig  erhaltene  Exemplare  aus  der  Schicht  der 
groBen  Exogyren  westl.  Gebel  om  el  Tennassib. 

Choffat  gibt  als  Unterschied  zwischen  Nautilus  Munieri 
und  Nautilus  Mermeti  an,  daJS  Nautilus  Munieri  unter  anderem 
eine  ovalere  Miindung  besitze  als  Nautilus  Mermeti.  Die 
anderen  Unterschiede,  die  er  anfiihrt,  daB  z.  B.  Nautilus  Mermeti 
eine  „ondulation  plus  reguliere,  quoique  plus  forte  que  chez 
Nautilus  triangularis"  besitze,  habe  ich  nicht  so  genau  feststellen 
konnen.  Die  mir  yorliegenden  Stticke  unterscheiden  sich  nur 
in  der  verschiedenen  Dicke  und  der  Form  des  Querschnittes. 
Alle  anderen  Merkmale  sind  zu  wenig  charakteristisch,  um 
als  Kennzeichen  zu  dienen.  Dazu  kommt,  daB  sich  Ubergange 
finden.  Ich  habe  die  Trennung  in  der  Weise  vorgenommen, 
daB  ich  die  beiden  Formen  mit  geblahteren  Flanken,  die 
zugleich  einen  ovaleren  Querschnitt  besitzen,  als  var.  Munieri 
Choffat  bezeichnete,  da  Choffat  ausdriicklich  unter  anderem 
angibt:  bouche  plutot  ovale  que  triangulaire.  Die  Bruchstiicke 
hingegen,  die  einen  engeren  Querschnitt  zeigen,  der  sich  der 
Dreiecksform  nahert,  habe  ich  gemafi  Pervinquieres  Angaben 
als  echten  Nautilus  Mermeti  bezeichnet. 

Ich  mochte  die  Aufmerksamkeit  auf  Nautilus  Mermeti 
Coquand  hinlenken,  damit  Untersuchungen  an  reichhaltigerem 
Material  feststellen,  ob  Nautilus  Mermeti,  Nautilus  Munieri  und 
Nautilus  Fittoni  Sharpe  nicht  in  Wirklichkeit  enger  zusammen- 
gehoren,  als  man  aus  den  bisherigen  Angaben  der  Literatur 
schlieBen  konnte.  Leider  wird  dem  bis  auf  lange  Zeit  hinaus 
die  verhaltnismaBig  groBe  Seltenheit  dieser  Spezies,  die  von 
alien  Autoren  betont  wird,  entgegenstehen. 

Ich  bemerke  ausdriicklich,  daB  ich  dieUnterscheidung  der  var. 
Munieri  Choffat  nur  mit  Vorbehalt  in  Anbetracht  des  geringen  mir 
zu  Yerfiigung  stehenden  Materials  mache.  Deswegen  fiige  ich 
einige  photographische  Aufnahmen  bei,  die  u.  a.  iiber  die  Lage 
des  Sipho,  des  Querschnittes,  des  Ruckens  usw.  Auskunft  geben. 

Nautilus  Mermeti  ist  ein  charakteristisches  Fossil  des 
Cenomans.  (Rotomagien.) 

Genus  Pachydiscus  Zittel. 

Pachydiscus  cfr.  Menu  Forbes. 

1845  Amm.  Menu  Forbes:  Trans.  Geol.  Soc.  London,  2.  Ser.,  vol.  VII, 

S.  Ill,  PI.  X,  Fig.  1. 
1865  Amm.  Menu  Stoliczka:  Cret.  South.  India,  vol.  1,  S.  103,  PI.  52, 

Fig.  3  und  4. 


185 


1898  Pachydiscus   Menu  Kossmat:    Beitrage  zur  Palaontologie  Oster 

reich-Ungarns,  Bd.  IX,  Heft  III,  S.  104. 
1907  Pachydiscus  Menu  Pervinquikre:  ~tt.  de  Pal.  Tun.,  S.  177.  178. 

Anzahl:  4  Fragmente. 
Fundort:  Wadi  Dhahel. 

Abmessungen: 


Durchmesser  des  Aminoniten  . 

.  88 

mm 

Radius  der  Windung  .... 

50 

ii 

Radius  der  vorigen  Windung 

? 

n 

Dicke  der  Windung  .    .    ,    .  . 

.  43 

55 

Dicke  der  vorigen  Windung  . 

? 

n 

Durchmesser  des  Nabels    .    .  . 

.  24 

55 

Yier  mir  vorliegende  Fragmente  weisen  den  typischen 
Habitus  des  Genus  Pachydiscus  Zittel  auf.  Leider  gestattet 
ihr  Erhaltungszustand  bei  keinem  Individuum  die  Lobenlinie 
auch  nur  teilweise  zu  erkennen.  Daher  konnten  sie  auch 
nicht  mit  Sicherheit  als  Pachydiscus  Menu  Foubes  angesprochen 
werden,  ein  Ammonit,  mit  welchem  sie  sonst  die  groflte 
Ahnlichkeit  haben. 

Der  Nabel  ist  weit.  Die  Umgange  umfassen  einander 
nicht  weit,  der  Querschnitt  entspricht  der  von  Stoliczka  (a.  a. 
0.  Tafel  52)  angegebenen  Zeichnung. 

Vom  Nabel  aus  ziehen  sich  wohlausgepragte  starke  Rippen 
uber  die  Flanken  und  den  Riicken  hinweg.  Zwischen  die 
Lucken  sind  schwachere  Rippen  in  anscheinend  wechselnder 
Anzahl  eingeschaltet,  die  ebenfalls  sich  uber  die  ganze  Auflen- 
seite  der  Schale  hinziehen.  Die  meisten  Fragmente  zeigen 
starke  Randknoten  wie  zuweilen  auch  starke  Nabelknoten. 

Genus  Sphenodiscus  Meek.  (-Libycoceras  Eastman). 

Sphenodiscus  Ismdelis  Zittel. 
(Taf.  X.) 

1883  Ammonites  {Buchiceras)  Ismaelis  Zittel:  Palaeontogr.  XXX,  1. 
1902  Libycoceras  Ismaeli  Zitt.    Quaas:  Palaeontogr.  XXX,  2,  Taf.  29, 
3—7  und  30,  1. 

1907  Libycoceras  Ismaeli  Pervinquiere:  Et.  Pal.  Tunis.    Ceph.  Terr.  sec. 

DieAbbildung  wurdenach  einer Platte  hcrgestellt,  auf  der  sich 
derVermerk  „Coll.  Schweinfurth,  Original  Stuttgart"  befand.  Erst 
durch  Nachforschungen  wahrend  der  Korrektur  stellte  sich  heraus, 
daB  es  sich  urn  das  beiQuAAS  nach  einer  Zeichnung  bereits  abgebildete 
Exemplar  der  Munchener  Sammlung  aus  der  Coll.  Zittel  handelt. 

Genus  Neolobites  Fischer. 

1840  Ammonites  Vibrayeanus  d'Orbigny:  Pal.  franc.  Terr,  cret.,  S.  322, 
Tafel  96. 


186 


1882  Neolobites  Vibrayeanus  d'Orb.  Fischer:  Manuel  de  Conchy]. 
1889/90  Neolobites  Vibrayeanus  d'Orb.  Peron:  Description  des  mollusques 

fossiles  de  la  Tunisie. 
1890  Neolobites  Vibrayeanus  d'Orb.  Docyiele:  Sur  la  classification  des 

Ceratites  de  la  craie.  Bull.  Soc.  Geol.  France,  3.  Serie,  Bd.  18. 
1898  Neolobites  Vibrayeanus  d'Orb.  Choffat:  Faune  cret.  du  Portugal, 

2.  Ser.,  Lissabon. 

1900  Neolobites  Vibrayeanus  d'Orb.  Blanckenhorn :  Z.  d.  Deutsch.  Geol. 
Ges.  Bd.  52. 

1903  Neolobites  Vibrayeanus  d'Orb.,  Neolobites  Vibrayeanus  Peroni, 
Neolobites  Vibrayeanus  Choffati  Hyatt:  Pseudocerat.  of  the  Creta- 
ceous.   Mon.  U.  S.  Geol.  Surv. 

1904  Neolobites  Peroni  Focrtau:  Contribution  a  Tetude  de  la  faune 
cretacique  d'Egypte. 

1907  Neolobites  Per 'o/u' Hyatt  =  Neolobites  Fourtaui  Peryinq.  Peryinquiere: 
Etudes  de  Paleontologie  Tunisienne.  Cephalopodes  des  terrains 
secondaires. 

1908  H.  v.  Staff  und  Otto  Eck:  Uber  die  Notwendigkeit  einer  Re- 
ason des  Genus  Neolobites.  Sitzber.  Ges.  Naturforsch.  Freunde. 
Berlin.    Nr.  9. 

Die  obigen  Angaben  umfassen  nur  einen  Teil  der  Literatur 
iiber  das  Genus  Neolobites.  Ich  verweise  auf  die  von  Herrn 
Dr.  y.  Staff  und  mir  verfaBte  Arbeit,  in  welcher  eine  umfang- 
reichere  Zusammenstellung  tder  Literatur  angegeben  ist.  Die 
wichtigsten  Autoren  sind  jedoch  unter  den  obengenannten  auf- 
gefuhrt. 

Schon  in  der  Benennung  der  einzelnen  Elemente  der  Sutur 
hat  in  der  Literatur  eine  groiJe  Verwirrung  eingesetzt,  indem 
die  Autoren  sich  z.  B.  nicht  iiber  die  Bedeutung  des  ersten 
Externsattels  einig  wurden. 

Ich  mochte  also,  um  MiBverstandnisse  zu  vermeiden,  auf 
die  friiher  gegebene  schematische  Darstellung  einer  Neolobiten- 
Lobenlinie  verweisen. 

Neolobites  Schweinfurthi  Eck. 
Taf.  XI,  1. 

1908  Neolobites  Schweinfurthi  Eck  n.  sp.  v.  Staff  und  Eck.  A.  a.  O. 
S.  284,  Fig.  13. 

Anzahl:    11  Stiicke. 

Fundort:   Wadi  Mor  (Schicht  2)  und  Wadi  Gebel  om  el 
Tennasseb  (10  Ex.) ;  Oase-Beharie  (CoII.Blanckenhorn). 

Abmessungen: 
Durchmesser  des  Ammoniten  . 
Radius  der  Windung.  .  .  . 
Radius  der  vorigen  Windung  . 
Dicke  der  Windung  .... 
Dicke  der  vorigen  Windung  . 
Durchmesser  des  Nabels.    .  . 


126 

68  mm 

81 

37 

0 

•>•> 

32 

0 

15 

14  „ 

5 

5  „ 

187 


In  denSitzungsberichtenderGesellschaftderNaturforschenden 
Freunde  konnte  ich  seinerzeit  nur  ein  Fragment  als  Ver- 
treter  der  neuen  Spezies  abbilderj,  da  unter  den  zehn  mir  vor- 
liegenden  Individuen  kein  einziges  vollig  erhalten  war.  Die 
Fragmente  zeigten  wohl  einwandfreie  Einzelheiten,  jedoch  waren 
die  wenigen  vollstandigen  Stiicke  verdriickt.  Durch  die  Liebens- 
wiirdigkeit  des  Herrn  Professors  Blaxckenhorn  wurde  mir 
ein  vollstandig  erhaltener  Neolobit  aus  der  Oase  Beharie  iiber- 
wiesen,  in  dem  ich  unschwer  einen  typischen,  vollstandig  er- 
haltenen  Neolobites  Schweinfurthi  erkannte.  Ich  nehme  die 
Abbildung  dieses  Cephalopoden  zum  Typ  des  Neolobites  Schwein- 
furthi und  bemerke,  dafi  er  die  von  mir  seinerzeit  an  Hand  der 
Fragmente  aufgestellte  Definition  vollstandig  bestatigt. 

N.  Schweinfurthi  zeichnet  sich  durch  folgende  Eigen- 
schaften  aus: 

1.  Der  Nabel  ist  sehr  eng.  Bei  zwei  Bruchstucken  betrug 
der  Durchmesser  des  Ammoniten  68  resp.  168  mm  und  der 
Durchmesser  des  Nabels  5  mm. 

2.  Er  ist  von  mittlerer  Dicke. 

3.  Die  Loben  sind  plump  und  von  wechselnder  Form. 

4.  Es  konnen  bis  zu  fiinf  Auxiliarsattel  auftreten. 

Die  Form  der  Loben  zeigt  einige  Ahnlichkeit  mit  der  von 
Choffat  (a.  a.  0.  PI.  V,  Fig,  2  b)  gegebenen  Abbildung;  bei 
alien  mir  vorliegenden  Exemplaren  zeigt  sich  dieselbe  eigen- 
artige  tropfenformige  Gestalt  der  Sattel,  die  zuweilen  nach 
oben  etwas  spitzer  werden  und  zum  Nabel  sich  neigen  konnen. 
Doch  beobachtet  man  solche  Neigung  nur  bei  den  bei  den 
Adventivloben  und  bei  dem  Lateralsattel.  Diese  Uberein- 
stimmung  ist  die  einzige,  die  diese  neue  Spezies  mit  Choffats 
Exemplar  aufweist,  und  dazu  nach  meiner  Ansicht  vielleicht 
nicht  die  wichtigste.  Da  ferner  das  Exemplar  Choffats  wegen 
seines  schlechten  Erhaltungszustandes  (vide  Hyatt,  Pervin- 
quiere)  sehr  wenig  einwandfreie  Details  gibt,  so  stehe  ich  nicht 
an,  obige  Neolobiten  wegen  sonstiger  grower  Unterschiede  einer 
neuen,  deutlich  verschiedenen  Spezies  zuzurechnen.  Am  Nabel 
sind  Andeutungen  von  radial  verlangerten  Knoten.  Der  Riicken 
ist  flach,  abgekantet  und  mit  zahlreichen,  zum  Teil  ziemlich 
dicken  Knoten  versehen.  Rippen  sind  an  den  vorliegenden 
Exemplaren  nicht  mehr  sichtbar;  sie  diirften,  wenn  uberhaupt 
vorhanden,  nicht  allzu  stark  gewesen  sein,  da  die  Steinkerne 
stellenweise  die  Einzelheiten  recht  gut  bewahrt  zu  haben  scheinen. 


188 


Neolobites  Brancai  Eck. 
Taf.  XII. 

1908  Neolobites  Brancai  Eck  n.  sp.,  a.  a.  0.  S.  276.,  Fig.  5. 

Anzahl  der  untersuchten  Exemplare:  1  Indiyiduum. 
Fundort:   Wadi  Abu  Rimf  II.  d. 

Abmessungen: 


Durchmesser  des  Ammoniten     .    .  150  mm 

Radius  der  Windung   98  „ 

Radius  der  vorigeu  Windung    .    .  32  „ 

Dicke  der  Windung   32  ,, 

Dicke  der  vorigen  Windung  ...  13  „ 

Weite  des  Nabels   8  „ 


Das  mir  vorliegende  Exemplar  ubertrifft  an  Grofie  die  bis- 
her  beschriebenen  Exemplare  mit  Ausnahme  der  yon  Peryin- 
quiere  abgebildeten  Bruchstiicke  und  eines  Exemplars  yon 
Choffat. 

Neolobites  Brancai  ist  hochmiindig,  flach,  scheiben- 
f  ormig. 

Die  Hohe  der  Windungen  nimmt  schnell  zu. 

An  den  Stellen,  an  denen  nocb  Schale  erbalten  geblieben 
ist,  sind  keine  oder  doch  nur  yerscbwindend  gering  ausge- 
pragte  Rippen  yorbanden.  An  einer  Stelle  (62  mm  Windungs- 
radius)  bemerkt  man,  dafi  etwa  in  25  mm  Abstand  parallel  mit 
der  Peripherie  eine  schwache,  schmale  Erhdhung  umlauft;  je- 
doch  ist  zu  wenig  davon  erbalten,  als  dafi  man  einen  sicberen 
Schlufi  iiber  ibren  weiteren  Verlauf  zieben  konnte.  Icb  wurde 
diesem  Dmstande  weiter  keine  Bedeutung  beilegen,  wenn  nicbt 
an  dem  im  folgenden  bescbriebenen  Stuck,  das  allerdings  einer 
anderen  Spezies  angebort,  an  derselben  Stelle  eine  umlaufende 
Knotenreibe  zu  seben  ware.  Der  Riicken  ist  sehr  scbmal, 
abgestutzt  und  mit  kleinen  in  der  Ricbtung  der  Peripherie  aus- 
gezogenen  Knoten  besetzt,  die  in  den  alteren  Windungen  deut- 
licb  und  grofier  Averden  und  in  den  Jugendwindungen  zu  fehlen 
scheinen.  Nabelknoten  fehlen;  nur  an  einer  Stelle  scheint  eine 
schwach  radial  ausgezogene  Erhobung  sicb  zu  finden,  die  auf 
nach  dem  Riicken  zu  in  Rippen  sich  fortsetzende  Nabelknoten 
deuten  konnte.  Dafi  derartige  Nabelknoten  yorkommen,  be- 
merkt bereits  Peryinquiere  yon  Neolobiten  einer  anderen 
Spezies;  icb  selbst  konnte  dieselbe  Erscbeinung  mehrfach 
beobachten.  Der  Nabel  ist  sebr  eng.  Die  Lobenlinie  ist  sanft 
bogenformig  nach  vorne  gescbwungen.  In  den  Jugendwindungen 
ist  diese  Kriimmung  starker.  Die  Lobenlinie  besteht  aus  einem 
■durch     einen     Sekundarzacken     zweigeteilten  Externlobus, 


189 


einem  durch  einen  Adyentivlobus  zweigeteilten  Externsattel, 
zwei  Lateralsattel  imd  Tier  (5  ?)  Auxiliarsatteln. 

Bei  zunehinenderu  Alter  nahert  sich  der  siphonale  Teil  des 
Externsattels  an  Hohe  dem  lateralen  Teil.  In  einigen  alteren 
Windungen  iibertrifft  er  ihn  an  Breite.  Die  Loben  sind  breit 
und  eingeschniirt  (pince),  so  daB  das  untere  Ende  tropfenformig 
erscheint.  Die  Auxiliarloben  nehmen  ziemlich  schnell  an  Hohe 
und  Breite  nach  dem  Nabel  bin  ab.  Loben  und  Sattel  beriihren 
sich  nirgends.  Die  Lange  der  Wohnkainnier  war  nicht  zu  be- 
stininien;  sie  betragt  aber  niindestens  130°. 

Zusammenfassung  der  Artm erkmale  des  N.  Brcmcai. 

1.  Gestalt:   Grofl,  nach,  scheibenforniig,  hochiniindig. 

2.  Berippung:   Sehr  schwach. 

3.  Auf  dem  schmalen  abgestutzten  R  lick  en  sehr  kleine  lang- 
gezogene  Knoten. 

4.  Lobenlinie  bogenformig  geschwimgen :   Sattel  und  Loben 
breit. 

5.  Vier  (fiinf?)  Auxiliarsattel. 

Xeolobites  Fourtaui  FoURTAU. 
Taf.  VI,  6. 

1903  Xeolobites  sp.  Pbrvinquiere :  Et.  geol.  Tun.  cent.,  S.  76. 
19U4  Neolobites  Peroni  Foirtau:  Contribution  a  TEtude  de  la  faune 
cret.  d'Egypte.  Bull,  de  lTnstitut  Egyptien,  S.  253,  Fig.  2. 

1907  Neolobites  Fourtaui  Pbrvinqdikre:  etudes  de  paleont.  Tunisienne, 
S.  209,  Tafel  VIII. 

1908  Neolobites  Fourtaui  Fodrtad  var.  PERMSQuitRi  v.  Staff  und  Eck: 
tiber  die  Notwendigkeit  einer  Revision  des  Genus  Neolobites. 
a.  a.  O.  S.  269. 

Anzahl:   3  Individuen,  einige  Fragmente  (unsicher). 
Fundort:   Wadi  Mor. 

Abmessungen : 
Durchmesser  des  Ammoniten 
Radius  der  Windung     .  . 
Radius  der  yorigen  Windung 
Dicke  der  Windung  .  . 
Dicke  der  yorigen  Windung 
Durchmesser  des  Nabels  . 

Nur  nach  langem  Zogern  und  genauestem  Yergleichen  der 
ScHWEiNFURTHschen  Neolobiten  habe  ich  mich  entschlossen,  die 
yon  Fourtau  und  Pervinquiere  unter  den  oben  erwahnten 
Benennungen  abgebildeten  Cephalopoden  als  zwei  yerschiedene 
Varietaten   zu  beschreiben  und   sie  nicht,  wie  Pervinquiere 


48 

19 

52 

mm 

35 

27 

32 

r> 

9 

11 

22 

n 

9 

11 

11 

ii 

? 

? 

5 

•n 

5 

8 

5 

55 

190 


will,  zu  yereinigen.  Ich  glaube  hierzu  umsomelir  in  der  Lage 
zu  sein,  als  mir  etwa  20  Indiyiduen  vorliegen,  von  denen  ein 
Teil  ganz  auffallend  dem  Typ  Fourtaus,  der  Rest  dagegen 
dem  Typ  Pervinquieres  nahe  kornmt.  Ich  will  an  dieser 
Stelle  gleich  bemerken,  da£,  wenn  auch  Neolobites  im  Cenoman 
leitend  ist,  sich  dennoch  einmal  ein  Neolobites  Schweinfurthi 
zusammen  mit  unterturonischen  Cephalopoden,  z.  B.  Pseudotisso- 
tia  segnis,  im  Wadi  Mor  yorfand.  Wenn  spater  auf  Grund 
reichhaltigerer  Funde  und  genauerer  Untersuchungen  die  Ho- 
rizonte  des  Cenomans  feiner  gegliedert  sind,  werden  moglicher- 
weise  die  beiden  abgetrennten  Yarietaten  verschiedene  Hori- 
zonte  anzeigen.    Zurzeit  laBt  sich.  an  Hand  der  mir  yorliegenden 


Fig.  1.  Fig.  2. 


Lobenlinie  von  Neolobites  Fourtaui  Fourt. 
Entstehung  des  Externsattels. 

Indiyiduen  eine  Reihe  von  Ubergangsformen  nachweisen. 
Trotzdem  glaube  ich  die  beiden  auJSersten  Glieder  als  ver- 
schiedene Yarietaten  bezeichnen  zu  niiissen. 

Ich  benenne,  wie  bereits  v.  Staff  vorschlug  (a.  a.  0.  S.  269), 
den  von  Fourtau  (a.  a.  0.  S.  253)  abgebildeten  Cephalopoden, 
Neolobites  Fourtaui  Fourtau,  den  von  Pervinquiere  (a.  a.O.S.209; 
abgebildeteten  Neolobites  Fourtaui  var.  Pervinquieri.  Drei 
recht  gut  erhaltene  Indiyiduen  der  ScnwEiNFURTHSchen  Sammlung 
schliefien  sich  der  von  Fourtau  gegebenen  Beschreibung  und 
Abbildung  an. 

Als  Hauptmerkmale  dieser  Yarietat  gegeniiber  der 
PERViNQUiERESchen  Yarietat  mochte  ich  folgende  Punkte  an- 
sehen: 

Der  Nabel  ist  enger. 

Der  Rucken  ist  schmaler. 

Die  Nabelknoten  sind  bedeutend  rnehr  entwickelt  als 
die  Randknoten;  letztere  konnen  z.  B.  kaum  entwickelt  sein, 
wenn  die  Nabelknoten  stark  hervortreten. 

Rippen-  und  Randknoten  sind  nur  sehr  schwach  entwickelt 
(an  meinem  Individuum  die  Rippen  uberhaupt  nicht).  Die 
Sutur  zeigt  die  von  Fourtau  angegebene  „anse  de  panier".  Irn 
allgemeinen  treten  nicht  mehr  als  fiinf  Elemente  auf  (bei  var. 


191 


Pervinquieri  bis  7).  End.li.ch  scheint  der  Neolobites  Fourtaui 
Fourtau  nicht  iiber  die  von  Fourtau  angegebene  GroBe  hin- 
auszukommen  (55  mm  Durchrnesser).  Die  mir  vorliegenden 
Individuen  bleiben  alle  hinter  dieser  GroBe  zuriick.  Die  Per- 
YiNQUiEREschen  Individuen  konnen  bis  135  mm  Durchmesser 
besitzen.  Ich  halte  letztere  in  anbetracht  der  recht  konstanten 
Unterscheidungsmerkmale  durchaus  nicht  etwa  fiir  Altersstadien 
des  Neolobites  Fourtaui  Fourtau  und  betone,  daB,  obwohl  mir 
IJbergangsformen  vorliegen,  sich  diese  beiden  einstweilen  als 
Varietaten  unterschiedenen  Formen  gut  auseinanderhalten 
lassen. 

Neolobites  Fourtaui  var.  Pervinquieri  n.  var. 
Anzahl:    16  Individuen. 

Fundort:  Wadi  Mor  und  westlich  Gebel  om  el  Tennessab. 
Als  typische  Merkmale  des  Neolobites  Fourtaui  var.  Pervin- 
quieri betrachte  ich,  verglichen  mit  Neolobites  Fourtaui  Fourtau: 

1.  Der  Nabel  ist  weiter. 

2.  Die  Riickenkante  ist  mit  groBen  Knoten  versehen  und  ver- 
haltnismaBig  weniger  tief  ausgekehlt  als  beim  Neolobites 
Fourtaui  Fourtau. 

3.  Die  Sutur,  besonders  E-ippen-  und  Randknoten,  ist  starker 
entwickelt. 

4.  Die  Lobenlinie  kann  mehr  Elemente  umfassen  (s.  oben). 

Diese  Unterschiede  mogen  auf  den  ersten  Blick  unbedeutend 
erscheinen,  so  daB  sie  die  Trennung  als  uberflussig  erscheinen 
lassen,  jedoch  laBt  sich  durch  den  Gesamteindruck  die  Trennung 
leicht  ermoglichen.  Zum  SchluB  mochte  ich  noch  darauf  hin- 
weisen,  daB  die  „courbure  generale  de  la  ligne  suturalew',  von 
der  Pervinquiere  spricht,  nach  den  mir  vorliegenden  Individuen 
zu  urteilenj  nicht  bei  Neolobites  Fourtaui  Fourtau  auftritt.  Bei 
diesem  konnte  ich  niemals  die  scharfe  Knickung  in  der  Sutur 
feststellen. 

Endlich  scheinen  bei  Neolobites  Fourtaui  Pervinquiere  ein 
bis  zwei  Auxiliarsattel  mehr  als  bei  Neolobites  Fourtaui  Fourtau 
auftreten  zu  konnen. 

Neolobites  Peroni  Hyatt 
var.  Yervinquieri  v.  Staff  und  Eck. 

Taf.  XI,  2-3. 

1889  Neolobites  Yibrayeanus  Peron:  Moll.  foss.  Tunisie,  S.  16.,  PI.  XVIII, 

Fig.  1-2.  , 
1903  Neolobites  Vibrayeanus  Pervinquikre:  Et.  G-eol.  Tun.  cent.,  S.  67. 
1903  Neolobites  Peroni  Hyatt:  Pseudoceratites,  S.  179. 


192 


1907  Neolobites  Peroni  Hyatt,  Pervinquihre:  Etudes  de  Pal.  Tun.,  S.  208, 
Taf.  8,  Fig.  la,  b. 

1908  Neolobites  Peroni  var.  Pervinquieri  v.  Staff  und  Eck    S.  279. 

Anzahl:  1  Individuum,  westlich  Gebel  om  el  Tennasseb. 
Abmessungen: 


Durchniesser  des  Annnoniten  .  . 

.  92 

mm 

Radius  der  Windung  

61 

11 

Radius  der  vorigen  Windung  .  . 

.  28 

11 

Dicke  der  Windung  

34 

11 

Dicke  der  yorigen  Windung   .  . 

.  15 

11 

Weite  des  Nabels  

7 

11 

Das  oben  genannte  Exemplar  stelle  icli  zu  Neolobites  Peroni 
Hyatt,  lege  aber  meiner  Beschreibung  nicht  die  yon  Peron 
(Illustration  des  invertebres  fossiles  de  la  Tunisie  PI.  XVIII, 
Fig.  1.  2)  gegebene  Abbildung  zugrunde,  sondern  halte  mich 
an  Pervinquieres  Abbildungen  und  Beschreibungen.  Das  Stuck 
ist  yon  geblahter  Form.  Der  Ruck  en  ist  kantig  abgeplattet; 
er  scheint  in  der  Mitte  leicht  eingesenkt  und  ist  an  beiden 
Seiten  mit  niedrigen,  im  Sinne  der  Peripherie  langgezogenen 
Knoten  bedeckt.  Diese  Knoten  werden  durch  das  Auftreten 
der  zahlreich  radial  yom  Nabel  zur  Peripherie  ausstrahlenden 
Rippen  gebildet.  Diese  Rippen  sind  deutlich  sichtbar  und 
ziemlich  breit.  Das  bis  zum  Ende  suturierte  Exemplar  weist 
ca.  35  Rippen  auf.  Am  Nabel  sind  etwa  funf  ziemlich  dicke 
Knoten  zu  beobachten,  deren  Grofie  mit  den  Knoten  an  Per- 
vinquieres Exemplar  iibereinstimmt,  jedoch  erheblich  hinter 
Perons  Zeichnung  zuruckbleibt.  Weil  gerade  an  dieser  Stelle 
die  Schale  erhalten  blieb,  konnen  keine  Entstellungen  durch 
Verwitterung  der  Nabelknoten  entstanden  sein. 

Die  Lobenlinie  besteht  aus  einem  durch  einen  Sekundar- 
zacken  zweigeteilten  Externlobus,  einem  durch  einen  Adventiv- 
lobus  zweigeteilten  Externsattel,  aus  zwei  Lateralsatteln  und 
drei  (vier  ?)  Auxiliarsatteln.  Die  „feinen  yom  Nabel  zum  Kiel" 
verlaufenden  Streifen,  yon  denen  Fortau  bei  Beschreibung  seines 
Neolobites  Fourtaui  spricht,  habe  ich  an  der  erhalten  en  Schale 
der  beiden  besprochenen  (allerdings  anderen  Spezies  zugehorigen) 
Neolobiten  nicht  bemerken  konnen.  Diese  Streifen  scheinen 
demnach  eine  Eigentumlichkeit  des  Neolobites  Fourtaui  zu  sein. 

Aus  dem  Gesagten  ergibt  sich,  dafi  der  yorliegende 
Neolobit  dem  Peroni  yon  Pervinquiere  sehr  nahesteht.  Der 
groflte  Unterschied  wiirde  darin  bestehen,  daB  eine  zweite  kon- 
zentrische  Knotenreihe  parallel  dem  Riicken  lauft.  Ich  halte 
jedoch    angesichts   der  sonstigen  groBen  Ubereinstimmung  mit 


193 


Seolobites  Peroni  diesen  Umstand  fur  nicht  schwerwiegend 
genug,  um  die  beiden  Formen  zu  trennen.  Lediglich  die 
stellenweise  erhaltene  Schale  des  ScHWEiNFURTHschen  Exemplars 
hat  die  Feststellung  der  zweiten  Knotenreihe  erlaubt,  wahrend 
Pervinquieres  Exemplar  etwas  abgewetzt  ist  imd  eventuell 
dieses  Merkmal  nicht  mehr  zeigen  kann.  Ubrigens  zeigt  Per- 
vinquieres Abbildung  Tafel  8  in  6  mm  Abstand  Yon  der 
Riickenkante  auf  der  Flanke  eine  Vorbiegimg,  die  auf  eine 
Akzentuierung  der  Rippen  an  dieser  Stelle  schlieflen  laBt. 

Genus  Hoplitoides.  Von  Koenen.  em.  Solger  und  Pervinquiere. 

1898  Von  Koenen:  Uber  Fossilien  der  Unteren  Kreide  am  Ufer  des 

Mungo  in  Kainerun.    Berlin  1898. 
1904  Solger:   Die  Fossilien   der  MiiDgokreide  in  Kamerun  und  ihre 

geologische   Bedeutung,   mit  besonderer  Bei  iicksichtigung  der 

Ammoniten.    Stuttgart  1904. 
1907  Pervinquiere:  Etudes  de  Paleontologie  TuDisienne. 

Als  Solger  im  Jahre  1904  mehrere  Ammoniten  der  Mungo- 
kreide  als  Hoplitoides  ingens  v.  Koenen  bestimmte,  machte  er 
bereits  auf  ihre  grofie  Ahnlichkeit  mit  dem  SpJienodiscus 
Bequieni  d'Orbigny  aufmerksam,  den  Peron  abbildet  (Ammo- 
nites du  Cret.  sup.  de  PAlgerie,  PI.  4,  Fig.  2,  3). 

Pervinoiiere  ging  weiter,  indem  er  mehrere  Ammoniten, 
die  er  urspriinglich  als  Sph en o discus  angesprochen  hatte,  nach 
eingehender  Priifung  dem  Genus  Hoplitoides  anschloB. 

Mehrere  mir  vorliegende  Cephalopoden  schlieBe  ich  eben- 
falls  dem  Genus  Hoplitoides  an,  indem  ich  die  erweiterte  Ge- 
nusdefinition  SoEtiERs  und  Pervinquieres  zugrunde  lege. 

An  dieser  Stelle  sei  es  gestattet  abzuschweifen  zur  Beant- 
wortung  der  Frage  nach  der  Ausdehnung  der  Kreide- 
meere. 

Pervinquieke  sagt  (a.  a.  0.  S.  223):  „I1  est  interessaut  de  rappeler 
que  le  type  provieiit  du  Cameroun.  C'est  la  uiie  nouvelle  preuve  de 
Fextension  de  la  mer  du  Cretace  superieur  sur  une  grande  partie  de 
PAfrique.  11  ne  parait  pas  douteux  que  cette  mer  s'etendait  dAlgerie 
et  de  Tunisie,  a  Bilma,  au  Damerghou,  au  Cameroun  et  de  la  au  Bresil, 
tous  ces  pays  presentant  sa  plus  graDde  affinite  quant  a  leurs  faunes 
du  Turonien  et  du  Senonien  inferieur.  J'ajoute,  enfin,  que  la  collection 
de  l'Ecole  des  Mines  renferme  un  fragment  de  Hoplitoides  provenant 
du  Sinai,  ce  qui  nous  indique  l'extension,  vers  l'Est,  de  la  meme  mer". 

Es  ist  yon  Interesse  zu  erfahren,  daB  Hoplitoides 
also  auch  in  Agypten  yorkommt. 

Die  bisher  bekannten  Fundorte  sind:  Kamerun  (Esch, 
Solger),  Tunis  (Peron,  Peryinquiere),  Agypten  (Schweinfurth), 
Sinai. 

ZeitBchr.  d.  D.  Geol.  Ges.  1914.  13 


194 


Eerner  konnte  ich  das  Vorkornmen  von  Yascoceras  und 
Fagesia  in  Agyten  feststellen.  Yascoceras  (Turon)  ist  bekannt 
in  Spanien,  Portugal,  Algier,  Tunis  und  Agypten. 

No  ch  weitermuB  sich  das  Meer  ausgebreitethaben, 
in  welchein  Fagesia  lebte.  Fagesia  ist  gefunden  in  Portu- 
gal, Algier,  Tunis,  Agypten,  Indien,  Japan,  Mexiko. 

Hoplitoides  in  gens  v.  Koexex  em.  Solger. 
Taf.  XIII,  2. 

1897  Sphenodiscus  Requieni  Peron:  Amm.  cret.  sup.  dAlgerie,    S.  34, 
PL  IV. 

1897  Neoptychites  ingens  v.  Koenex:  Fossilien  der  unteren  Mimgokreide. 
Tafel  II,  S.  12. 

1903  Sphenodiscus  indet.  Pervinqoiere  :  Et.  geol.  de  la  Tunisie  centrale, 
S.  115,  116,  117. 

1904  Hoplitoides  ingens  Solger:  Beitrage  zur  Geologie  von  Kamerun, 
Tafel  V,  S.  137-153. 

1907  Hoplitoides    ingens    Pebvinquiere:   Etudes    de    Pal.  Timisienne, 
PI.  IX,  S.  219. 

Anzahl:  4. 

Eundort:  Wadi  Abu  Rimf;  Unteres  Wadi  Tin;  Oberstes 

Wadi  Hauaschieh. 
Horizont:  Unterstes  Senon. 


Abmessungen: 


Eadius  der  Windung   .    .  . 

65 

32 

59 

18 

Hadius  der  vorigen  Windung 

30 

21 

38 

9 

Dicke  der  Windung 

32 

22 

32 

9 

Dicke  der  vorigen  Windung  . 

12 

10 

12 

4 

Durchniesser  des  Arnmoniten 

110 

59 

80 

30 

Durchmesser  des  Nabels  . 

14 

6 

5 

2 

Der  Erhaltungszustand  der  mir  vorliegenden  Hoplitoiden 
ist  nicht  besonders  giinstig,  wenngieich  er  geniigt,  urn  die  zur 
Bestimmung  notigen  Merkinale  festzustellen.  Die  Steinkerne 
sind  stellenweise  etwas  verwittert,  so  daB  die  oben  angegebenen 
Mafie  nicht  ganz  genau  sind.  Das  grofite  Individuum  ist  am 
meisten  verwittert,  so  dafi  ich  nicht  feststellen  kann,  ob  Knoten 
oder  Rippen  vorgelegen  haben.  Ein  kleineres  Individuum  von 
Wadi  Tin  zeigt  vom  Nabel  aus  sich  sichelformig  liber  die 
Flanken  bis  zuni  Kiel  erstreckende  RijDpen. 

Im  allgemeinen  verweise  ich  auf  die  ausfiihrlichen  Be- 
schreibungen  Solgers  und  PerVinquieres ,  da  der  Erhaltungs- 
zustand der  mir  vorliegenden  Individuen  leider  nicht  gestattet, 
neue  Beobachtungen  zu  machen. 


195 


Ich  habe  einige  Zeichnungen  von  Lobenlinien  beigefiigt, 
aus  denen  man  die  groBe  Yeranderlichkei  t,  die  das  Genus 
Hoplitoides  auszeichnet,  ersehen  mag. 

Solgek  wie  Pervinquiere  wiesen  bereits  darauf  hin; 
letzterer  fiihrt  als  eine  ziemlich  konstante  Eigentiimlichkeit  der 
Lobenlinie  den  Umstand  an,  dafi  der  erste  Laterallobus  eine 
besonders  weitgehende  Entwicklung  aufweise;  diese  Erscheinung 
kann  ich  durchaus  bestatigen. 

Die  vorliegenden  4  Hoplitoiden  schliefle  ich  eng  an  die 
von  Pervinquiere  als  Hoplitoides  ingens  beschriebenen  und 
abgebildeten  Ammoniten  an.  Wenn  auch  kleinere  Abweichungen 
vorliegen,  vermag  ich  keinen  bedeutenderen  Unterschied  fest- 


Fig.  3.  Fig.  4. 

Lobenlinie  von  Hoplitoides  ingens  v.  Koenen, 


Fig.  5. 
Naturl.  GroBe. 


zustellen  und  halte  beide  Formen  fiir  identisch.  Unterschiede 
finden  sich  hauptsachlich  in  der  Sutur. 

Da  die  Steinkerne  etwas  verwittert  sind,  laflt  sich  iiber 
die  Skulptur  nichts  feststellen. 

Hoplitoides  cfr.  mirabilis  PERVINQUIERE. 

1907  Per  vin  queue:  Etudes  de  Pal.  Tunisienne.    Tafel  X,  Fig.  3  a  b, 
S.  218. 

Anzahl:  1  Individuum. 
Fundort:  Unteres  Wadi  Tin. 
Horizont:  Unteres  Turon. 


Abmessungen: 
Radius  der  Windung  .  .  . 
Radius  der  vorigen  Windung 
Dicke  der  Windung  .  .  . 
Dicke  der  vorigen  Windung 
Durchmesser  des  Ammoniten 
Durchmesser  des  Nabels 


94 

51 

9 

28 
176 
15 


Ein  ziemlich  stark  verwittertes  Individuum  aus  dem 
unteren  Wadi  Tin  stelle  ich  vor  allem  wegen  der  eigentiim- 
lichen  Ausbildung  der  Sutur  in  die  Nahe  von  Hoplitoides  mira- 
bilis Pervinquiere. 

Diese  Spezies  ist  wegen   der   eigenartigen  sehr  plumpen 

13* 


196 


phylloiden  Ausbildung  ihrer  Suturelemente  leicht  erkenntlich. 
Wenn  das  mir  vorliegende  Individuum  ungliicklicherweise  nicht 
gerade  an  dem  Siphonallobus  stark  verwittert  und  durch  tief-, 
gehende  Spriinge  im  Steinkern  deformiert  ware,  vviirde  ich  die 
beiden  Formen  sogar  fur  identisch  erklaren  konnen. 

Leider  gestattet  der  Erhaltungszustand  auch  nicht,  eine 
Zeichnung  der  Sutur  beizufiigen. 

Der  Siphonalsattel  laBt  grofie  Ahnlichkeit  mit  der<  von 
Pervinquiere  abgebildeten  Lobenlinie  erkennen;  auch  der  Si- 
phonallobus zeigt  die  blattformigen  ziemlich  weit  in  die  Hohe 
ragenden  Zacken. 

Pervinquiere  gibt  als  Alter  des  Hoplitoides  mirabilis 
Unteres  Turon  an. 

Genus  Acanthoceras  Neumayr. 

Das  Genus  Acanthoceras  wurde  1875  yon  Neumayr  aufge- 
stellt,  jedoch  so  wenig  scharf  umgrenzt,  daB  ein  Teil  seiner 
damaligen  Angehorigen,  wie  Pervinquiere  sagt,  geradezu  als 
Typen  neuer  Genera  aufgestellt  wurden  (Mammites,  Douvillei- 
ceras,  Prionotropis  usw.). 

Pervinquiere  gibt  als  Typ  das  Acanthoceras  Rotomagense 
Defrance  an  und  halt  ungefahr  folgende  Eigenschaften  fiir  be- 
stimmend: 

Form  meist  dick,  ziemlich  dicker  Nabel,  auf  den  Flanken 
gerade  oder  leicht  geschwungene  Rippen,  die  einfach  oder 
zweifach  gegabelt  sein  konnen.  Diese  Rippen  ziehen  sich  ganz 
oder  nur  teilweise  iiber  die  Yentralseite  hin.  Stets  entspricht 
ein  Randknoten  einem  Nabelknoten,  wenn  auch  die  Anzahl 
schwanken  kann.  In  der  Mitte  kann  man  zuweilen  einen 
Knoten  beobachten,  doch  kann  dieser  entweder  ganz  fehlen 
oder  im  Alter  verschwinden.  Die  Sutur  umfaBt  nur  wenige 
Elemente.  Pervinquiere  bemerkt  selbst,  daB  schon  aus  der 
Genusbeschreibung  hervorgehe,  wie  eine  genaue  Umgrenzung 
durch  die  auBerordentliche  Yariabilitat  der  einzelnen  Spezies 
erschwert  werde. 

Acanthoceras  cfr.  Footeanum  Stol. 
Taf.  XVII,  1-2. 

1865    Ammonites  Footeanus  Stoliczka:  Southern  India,  S.  101,  Taf.  52f 
Fig.  1-2. 

1897  Acanthoceras  Footeanum  Kossmat:    Sudindische  Kreide,  S.  127. 

1898  Acanthoceras  Footeanum  Choffat:  Faune  cretacique  du  Portugal 
S.  66,  PI.  16. 

Fundort:  1  Ex.  vom  Wadi  Mor,  Schicht  I. 

Horizont:  Unteres  Turon:  Schicht  der  Pseudotissotia  segnis.. 


197 


Abmessungen. 


Durchmesser  des  Ainmoniten  .    .  125  mm 

Dicke  der  Windung  78  .. 

Dicke  der  vorigen  Windung    .    .      30  „ 

Radius  der  Windung  50  „ 

Radius  der  vorigen  Windung  .  20 
Durchmesser  des  Nabels     ...      45  „ 


Nur  ein  einziges  Individuum  aus  dem  reichaltigen  Material 
der  Sammlung  Sghweinfurths  gehort  dieser  Art  mit  groflter 
Wahrscheinlichkeit  an.  Mehrere  sehr  verwitterte  Fragmente 
die  ich  der  Sicherheit  halber  als  Ammon.  indet.  bezeichne, 
kbnnte  man  dem  Aufiern  nach  allenfalls  hierhin  stellen. 

Auch  das  obengenannte  Individuum  ist  ebeufalls  sehr 
stark  verwittert;  so  sind  z.  B.  die  Rippen  nur  noch  undeutlich 
zu  erkennen,  ebenso  die  Rand-  und  Nabelknoten.  Die  einzelnen 
Elemente  der  Sutur  sind  wenigstens  der  Zahl  nach  durch 
Praparieren  feststellbar  gewesen.  Immerhin  weist  der  Gesarnt- 
habitus  eine  so  auffallende  Ahnlichkeit  in  alien  Teilen  mit 
dem  Acanthoceras  Footeanum  auf,  daB  es  fur  mich  keinem  Zweifel 
unterliegt,  daB  es  sich  hier  um  einen  Angehorigen  derselben 
Spezies  handelt. 

Genus  Fagesia  Pervinquiere  1907. 

1907    Pervinquiere.     Etude  de  Paleontologie  Tunisienne.  I.    S.  319 
(Literatur). 

Fagesia  Bomba  Eck. 
Taf.  XVIII,  1  und  2. 

1909    Fagesia  homba  Eck,  Neue  Amm.  Ob.  Kr.  Agypt.    Sitzber.  Ges. 
Naturf.  Fr.  Berlin  Nr.  3,  S.  181,  Fig.  1—5. 
Fundort:  2  Individuen  von  Wadi  Mor,  Schicht  I. 
Horizont:  Unteres  Turon. 

Abmessungen : 


I 

II 

Durchmesser  des  Ammoniten  . 

.  170 

59  mm 

Dicke  der  Windung  .... 

.  162 

51 

r> 

Dicke  der  vorigen  Windung 

.  96 

27 

n 

Radius  der  Windung  .... 

.  103 

32 

n 

Radius  der  vorigen  Windung  . 

.  77 

10 

n 

Durchmesser  des  Nabels     .  . 

.  47 

11 

55 

Yon  den  vier  mir  vorliegenden  Fagesien,  von  Schweinfurth 
1877  bei  Wadi  Mor  (I)  und  Wadi  Abu  Rimf  (II)  gesammelt, 
unterscheiden  sich  zwei  Individuen  aus  Wadi  Mor  in  wichtigen 
Merkmalen  so  bedeutend  von  den  bisher  beschriebenen  Arten, 


198 


daB  icli  sie  einer  neuen  Spezies  zuweisen  muB;  ich  benenne 
sie  Fagesia  Bomba  m.  (Schweinfurth  hatte  sie  auf  seinen 
Etiketten  als  Ammonites  Bomba  bezeichnet). 

Fagesia  Bomba  ist  im  Alter  fast  vollig  kugelrund,  der  Nabel 
ist  ziemlich  tief  und  sehr  breit.  Die  Nabelwande  fallen  senkrecht 
ab,  die  Umgange  sind  ziemlich  umfassend,  niedrig,  abgerundet; 
nach  der  Miindung  zu  verbreitern  sie  sich  bedeutend.   Am  Nabel 


Fig.  6. 

Lobenlinie  von  Fagesia  bomba  n.  sp.  Wadi  Mor. 
Von  der  linken  Seite.    3/4  natiirl.  GroBe. 


sitzen  10  bis  12  Knoten,  die  in  der  Jugend  ziemlich  spitz  sind, 
im  Alter  rund  werden,  aber  nicht  yollig  yerscbwinden.  Yon 
den  Nabelknoten  laufen  Eippen  iiber  die  Tlanken,  die  im  Alter 
undeutlich,  aber  nicht  unsichtbar  werden.  Die  Lobenlinie  be- 
steht  aus  Tier  Satteln,  von  denen  ungefahr  drei  auf  der  Flanke 
und  der  vierte  auf  der  Nabehvand  Kegen.    Fig.  6. 

Diese  Merkmale  bedingen  besonders  in  ihrer  Gesamtheit  so 
bedeutende  Unterschiede  den  andern  bisher  beschriebenen 
Fagesien  gegeniiber  (z.  B.  Fagesia  superstes  Kossmat,  thevestensis 
Peron,  rudra  Stojliczka),  dafi  die  Aufstellung  einer  neuen  Spezies 
geboten  erschien.  Die  Unterschiede  habe  ich  in  meiner  fruheren 
Arbeit  dargelegt  (a.  a.  0.  S.  1S2— 184). 


199 


Fagesia  indet.  cfr.  Fagesia  Thevestensis  Pekon. 
Ein  Individuum  aus  dem  "Wadi  Abu  Rirnf. 

Abmessungen: 

Durchrnesser  134  mm 

Dicke  der  Windung     ...      91  „ 
Dicke  der  vorigen  Windung .       ?  „ 
Radius  der  Windung  ...      75  „ 
Radius  der  vorigen  Windung       ?  „ 
Durchrnesser  des  Nabels  .    .  28 
Der  schlechte  Erhaltungszustand  dieses  einzigen  Exemplares, 
aus  welchem  grofie  Stiicke  herausgebrochen  sind,  gestattet  leider 
keine  einwandfreie  Zuweisung  an  eine  der  bisher  beschriebenen 
Arten  und  keine  erschopfende  Beschreibung. 

Ich  habe  diesen  Ammoniten,  den  ich  nach  der  leidlich  er- 
haltenen  Lobenlinie  und  dem  ganzen  Habitus  unbedingt  zum 
Genus  Fagesia  recline,  in  die  Nahe  von  Fagesia  therestensis  ge- 
stellt.  Ich  bemerke  jedoch  ausdriicklich,  dati  der  schlechte  Er- 
haltungszustand mich  allein  bestimmt,  keine  neue  Spezies  auf- 
zustellen,  wozu  mich  die  nachstehend  aufgefuhrten  Unterschiede 
sonst  veranlatit  hatten. 

Der  Querschnitt  ahnelt  demjenigen  von  Fagesia  thevestensis 
(Pervinquiere  a.  a.  0.,  Fig.  6b).  Dagegenl  ist  der  Nabel  im 
Verhaltnis  bedeutend  enger.  Nabelknoten  sind  nicht  zu  erkennen, 
ebensowenig  Rippen.  Die  Nabelwande  fallen  senkrecht  und 
miiBig  tief  ab.    Die  Umgange  sind  ziemlich  nach. 

Diese  Unterschiede  weicheu  in  ihrer  Gesainthait  allerdings 
von  den  Merkmalen  der  bisher  beschriebenen  Spezies  betracht- 
lich  ab  und  lassen  die  Zuweisung  an  irgendeine  derselben 
untunlich  erscheinen.  Die  Lobenlinie  ist  jedoch  durchaus  die 
dem  Genus  Fagesia  eigentiimliche;  auch  andere  Merkmale 
sprechen  dafiir.  Das  Fehlen  der  Rippen  und  Nabelknoten  kann 
entweder  auf  schlechten  Erhaltungszustand  zuriickzufiihren  sein, 
oder  es  liegt  dieselbe  Erscheinung  wie  bei  Peroni  Pervinquiere 
vor,  die  ja  auch  diese  Kennzeichen  nur  in  geringem  MaBe  zeigt. 
Solange  kein  besseres  Material  vorliegt,  muH  die  Frage  nach 
der  Zugehorigkeit  dieses  Individuums  offen  bleiben. 

Fagesia  ?  indet. 
Einen  vollig  verkieselten  Steinkern  aus  Wadi  Mor  I  fiihre 
ich  an  dieser  Stelle  mit  A'orbehalt  an.  Die  Sutur  ist  nirgends- 
wo  erhalten.  Jedoch  stimmt  das  Aui3ere  mit  Fagesia  f  Fleuryi 
Pervinquiere  tiberein,  besonders  der  Querschnitt,  die  enge 
Nabelung  und  die  Form  der  Windung. 


200 


Genus  Vascoceras  Choffat. 

Die  ScHWEiNFURTHsche  Sammlung  enthalt  zahlreiche 
Individuen,  welche  deni  Genus  Vascoceras  Choffat  angehoren. 
Leider  ist  ihr  Erhaltungszustand  nicht  immer  gunstig,  da  viele 
Individuen  stark  verwittert  sind;  aus  diesem  Grunde  muBten 
mehrere  Steinkerne  als  Vascoceras  sp.  ind.  bezeichnet  werden. 

Die  Einteilung  des  Genus  Vascoceras  ist  hauptsachlich  von 
dem  AuBeren,  dem  Vorhandensein  oder  Fehlen  von  Knoten  und 
Hippen,  abhangig.  Der  teilweise  sehr  schlechte  Erhaltungszu- 
stand, der  wohl  die  Characteristika  des  Genus  erkennen  laBt, 
verbietet  die  Zuweisung  an  bestimmte  Spezies. 

Choffat,  der  das  Genus  Vascoceras  fiir  eine  Gruppe  zahlreich 
in  Portugal  vorkommender  Ammoniten  aufstellte,  unterschied  vier 
Untergruppen.  Pervinquiere  zog  diese  vier  Gruppen  in  drei  Unter- 
abteilungen  zusammen,  da  ibm  die  uberaus  groBe  Yeranderlich- 
keit  und  das  Yorkommen  von  Ubergangen  eine  Yereinfachung 
ratlich  erscheinen  lieB.  Auch  hierin  scbliefie  ich  mich  der 
Einteilung  Pervixquieres  an.  Obwohl  die  Yascoceratiden  dort, 
wo  sie  auftreten,  zahlreich  vorkommen,  ist  ihre  Yerbreitung 
anscheinend  ziemlich  beschrankt.  Pervinquiere  fiihrt  als  Fund- 
orte  an:  Portugal,  Spanien,  Algier,  Tunis,  Agypten,  Brasilien. 

Gattungsdiagnose  nach  Pervinquiere. 

(A.  a.  0.  S.  332). 

„Schale  mehr  oder  minder  gewolbt,  zuweilen  rundlich, 
Yentralseite  abgerundet,  in  der  Jugend  Rippen,  die  mit  Nabel- 
knoten  und  Randknoten  versehen  sind;  diese  Knoten  werden 
im  Alter  undeutlicher  (die  Nabelknoten  bleiben  langer  sichtbar) 
und  verschwinden,  auBer  bei  einer  Gruppe,  sogar  vollig.  Nie- 
mals  Knoten  auf  der  Yentralseite.  Die  Lobenlinie  enthalt  zwei 
breite  Sattel,  abgerundet,  wenig  zerschlitzt;  der  dritte  Sattel 
ist  kleiner.  Loben  breit  und  durch  kleine  ungeschlitzte  Sattel 
geteilt." 

Untergruppen  nach  Pervinquiere. 

A)  Forme  monotuberculee. 

Type:  Vascoceras  Gamai,  V.  Douvillei. 

B)  Forme  globuleuse. 

Type:  V.  Hartiiformis. 

C)  Forme  multituberculee. 

Type:  V.  subconciliatum. 


201 


Vascoceras  sp.  cfr.  Amieirensis  Choffat. 
1897  Choffat:  Faune  cret.  da  Portugal,  S.  61,  Taf.  12,  13,  21. 

Einige  Cephalopoden  axis  der  ScHWEiNFURTHschen  Sammlung 
weisen  die  unverkennbaren  Merkmale  des  Genus  Vascoceras 
auf,  jedoch  sind  sie  zum  Tell  so  stark  verwittert,  daB  es  sich 
nicht  entscheiden  laBt,  ob  sie  Rippen  und  Knoten  besessen 
haben,  oder  ob  die  Schale  glatt  war.  Auch  die  Lobenlinie  ist 
dementsprechend  entstellt.  Aus  diesen  Griinden  verzichtete  ich 
darauf,  derartige  Individuen  einer  der  bisher  beschriebenen 
Arten  zuzuweisen. 

Abme  ssungen: 


143 

137 

mm 

Radius  der  Windung  .    .  . 

83 

70 

33 

Radius  der  yorigen  Windung 

52 

47 

33 

Dicke  der  Windung    .    .  . 

? 

61 

33 

Dicke  der  vorigen  Windung 

? 

? 

33 

Durchmesser  des  Nabels 

40 

28 

33 

Die  als  Vascoceras  cfr.  Amieirensis  bescbriebenen  Ammoniten 
weisen  wohl  kleinere  Abweicbungen  voneinander  auf,1  dock 
zeigen  sie  in  der  Hauptsache  folgende  ubereinstimmende  Merk- 
male: Die  Schale  ist  ziemlieh  gewolbt,  und  ihre  Vorderansicht 
entspricht  im  allgemeinen  etwa  der  bei  Choffat  (Tafel  12, 
Fig.  lb)  beigefiigten  Abbildung;  Rippen  und  Knoten  sind  nicht 
sichtbar  und  scheinen,  wenn  iiberhaupt  vorhanden,  nur  schwach 
entwickelt  gewesen  zu  sein.  Der  Nabel  ist  ziemlieh  weit;  die 
Wande  des  Nabels  sind  an  der  Kante  abgerundet  und  fallen 
senkrecht  ab.  Die  Umgange  sind  ziemlieh  weit  umfassend  und 
entsprechen  in  der  Hohe  etwa  dem  Querschnitt  des  Vascoceras 
Amieirensis  Choffat. 

Die  Sutur  zeigt  drei  breite,  vollstandig  auf  der  Flanke 
entwickelte  Sattel,  die  nach  dem  Nabel  hin  regelmaBig  an 
Grofie  abnehmen.  Da  die  Individuen  mehr  oder  minder  durch 
Yerwitterung  gelitten  haben,  laBt  sich  nicht  entscheiden,  wie- 
weit  die  Zerschlitzung  der  Sattel  ging. 

Die  Lobenlinie,  die  Choffat  beigefiigt  hat,  (a.  a.  0.  Taf.  21, 
Fig.  17 — 21),  laBt  allerdings  erkennen,  daB  ein  kleiner  Teil 
des  zweiten  Lateralsattels  bereits  auf  der  Nabelwand  liegt. 
Bei  den  mir  vorliegenden  Individuen  liegt  der  zweite  Lateral- 
sattel  vollig  auf  der  Flanke;  in  Anbetracht  der  grofien  Yer- 
anderlichkeit  schreibe  ich  diesem  Zustand  keine  besondere  Be- 
deutung  zu,  sondern  halte  die  oben  beschriebenen  Ammoniten 
fur  eng  verwandt  mit  Vascoceras  Amieirensis  Choffat. 


202 


Vascoceras  Kossmati  Choffat. 

1897  Vascoceras  Kossmati  Choffat:    Faune  cret.  du  Portugal, 

S.  63.  Taf.  13,  14,  21. 

Abmessungen: 
Durchmesser  des  Ammoniten      58  mm 
Radius  der  Windung     ...    33  „ 
Radius  der  vorigen  Windung     21  „ 
Dicke  der  Windung  ....    55  „ 
Dicke  der  yorigen  Windung  .    32  „ 
Durchmesser  des  Nabels    .    .    12  .  „  -  .. 
Ein  Individuum,  bei  Wadi  Mor  I  gesammelt,  schlieflt  sich 

genau  der  von  Choffat  gegebenen  Beschreibung  des  Vascoceras 

Kossmati  an. 

Die  Schale  ist  kugelformig,  der  Nabel  ziemlich  klein  und 
auffallend  tief.  Die  Lobenlinie,  leider  etwas  verwittert,  zeigt 
zwei  breite  Sattel  auf  der  Flanke.  Ein  dritter  greift  schon  zum 
Teil  auf  die  Nabelwand  uber.  Die  Lobenlinie  entspricht  der 
von  Choffat  (a.  a.  0.  Tafel  21,  Fig.  26)  gegebenen  Abbildung, 
nicht  der  Abbildung  Nr.  27.  Letztere  zeigt  drei  Sattel  auf  der 
Flanke  und  den  Anfang  eines  vierten  Sattels.  Der  Querschnitt 
stent  ungefahr  in  der  Mitte  zwischen  den  Figuren  8  und  9 
(Choffat  a.  a.  0.  Tafel  13). 

Vascoceras  Durandi  Thomas  et  Peron. 

1889  Pachydiscus  Durandi  Thomas  et  Peron:  Moll.  foss.  Tunisie,  S.  27, 

PL  XVIII,  Fig.  5-8. 
1896  Id.  Peron:  Amm.  Cret.  sup.  Algerie,  S.  44,  PL  IV.  Fig.  1;  V,  1; 

XVII,  5. 

1898  Vascoceras  Dourillei  Choffat:  Faune  cret.  Portugal,  S.  59,  PL  X, 
Fig.  3,  6;  XI,  2-5;  XXI,  13-16. 

1903  Vase.  Durandi,  Pervinqoiere:  Et.  geol.  Tun.  cent,  S.  98,  99. 
1903  Vase.  cf.  DouviUei  Pervinqciere:  Ebenda  S.  99. 


Abmes  ssun  gen: 


Durchmesser  des  Ammoniten  . 

.  70 

mm 

37 

7> 

Radius  der  vorigen  Windung  . 

.  22 

n 

57 

r> 

Dicke  der  vorigen  Windung 

.  22 

7) 

Durchmesser  des  Nabels  .    .  . 

.  18 

n 

Anzahl :  1  Individuum. 
Fundort:  Wadi  Mor  I. 
Pervinquiere  hat,  gestiitzt  durch  reichhaltigeres  Material, 
im  J  ah  re  1907  den  Vascoceras  Dourillei  Choffat  mit  dem  1889 


203 


yon  Thomas  und  Peron  als  Pachydiscus  Durandi  beschriebenen 
Cephalopoden  yereinigt.  Choffat,  dem  die  grotfe  Ahnlichkeit 
keineswegs  entgangen  war,  hatte  sie  in  Anbetracht  des  schlechten 
Erhaltungszustandes  der  portugiesischen  Turon-Ammoniten  nicht 
damit  yereinigen  wollen.  Ich  schlieBe  mich  Pervinquieres 
Ausfiihrungen  an  und  bezeichne  den  im  Wadi  Mor  gefundenen 
Yascoceras  als  Durandi  Thomas  et  Peron. 

Der  im  allgemeinen  gut  erbaltene  Steinkern  zeigt  einen 
breiten,  ziemlicb  tiefen  Nabel.  Die  inneren  Unigange  sind  mit 
Knoten  yerseben,  die  am  letzten  Umgang  kaum  nocb  bemerk- 
bar  sind.  Ebenso  yerscbwinden  die  liber  die  Ventralseite  sich 
erstreckenden  Pippen  nach  der  ersten  Halfte  des  letzten  Um- 
ganges.  Die  Schale  wird  zum  SchluB  ganz  glatt.  Die  Umgange 
sind  nicht  hoch  und  ziemlicb  weit  umfassend.  An  der  Nabel- 
wand  sind  sie  abgerundet  und  biegen  sich  nicht  unyermittelt 
um.  Die  Umgange  nehmen  auffallig  schnell  an  Breite  zu.  Die 
Sutur  zeigt  anf  der  Flanke  zwei  breite  fast  gleichhohe  Sattel 
und  den  Anfang  eines  dritten  Sattels.  Der  mir  yorliegende 
Vascoceras  zeigt,  wenn  auch  kleine  Abweichungen  yorkommen, 
groBe  Ahnlichkeit  mit  der  yon  Choffat  auf  Taf.  11,  Pig.  4  und 
5  gegebenen  Abbildung.  Auch  die  auf  Taf.  21  beigefiigte 
Lobenlinie  schlieBt  sich  durchaus  derjenigen  des  mir  yorliegen- 
den  Indiyiduums  an. 

Vascoceras  Barcoicensis  Choffat. 
Taf.  XIV,  Fig.  1. 

1898  Vascoceras  Barcoicensis  Choffat:  Paune  cret.  du  Portugal,  S.;  67, 
PI.  XVII,  Fig.  1  a-c,  Taf.  XXII,  Fig.  35-36.  , 

1907  Vascoceras  cfr.  Barcoicensis  Choffat,  Pervinquiere  :  Etudes  de  pale- 
ont.  Tunisieune,  S.  335. 

Abmessungen: 


Durchmesser  des  Ammoniten  . 

.  92 

76 

mm 

? 

42 

55 

Radius  der  yorigen  Windung  . 

? 

26 

55 

Dicke  der  Windung  .... 

40 

48 

55 

Dicke  der  vorigen  Windung  . 

? 

22 

55 

? 

16 

55 

Ein  Bruchstiick  aus  den  yon  Schweinfurth  als  Schicht  der 
grofien  Exogyren  bezeichneten  Fundstellen  beim  Kloster  St.  Paul 
weist  die  charakteristischen  Merkmale  des  Barcoicensis  Choffat 
auf.  Wenngleich  das  Indiyiduum  durch  Verwitterung  gelitten 
hat  und  zum  Teil  zertriimmert  ist,  laflt  sich  dennoch  der 
Querschnitt  erkennen,  der  mit  der  yon  Choffat  Tafel  XVII, 


204 


Fig.  1  c  gegebenen  Abbildung  ubereinstimmt.  Rippen  und 
Knoten  sind  nicht  mehr  erhalten.  Dagegen  ist  em  grofies 
Stuck  der  Lobenlinie  erhalten  geblieben,  welches  sehr  wohl 
mit  Choffats  Figur  36  Taf.  XXII  ubereinstimmt. 

Ein  besser  erhaltenes  Individuum  laBt  noch  die  Andeutung 
von  schwachen  uber  die  Yentralseite  sich  hinziehenden  Rippen 
erkennen;  jedoch  ist  die  Sutur  in  diesem  Falle  unvollstandig 
erhalten. 

Genus  Pseudotissotia  Peron. 

1896  Peron:  Amm.  Cret.  sup.  Algerie,  S.  26. 

1903  Choffaticeras  Hyatt:  Pseudocerat.  of  the  Cretaceous,  S.  37. 

Pseudotissotia  segnis  Solger. 

Taf.  XIII,  Fig.  3—7;  Taf.  XIV,  Fig.  2-5  u.  8;  Taf.  XV,  Fig.  2; 
Taf.  XVI,  Fig.  1-3. 

1903  Pervinquikre  :  Pseudotissotia  indet.  Et.  geol.  Tun.  cent,  S.  99. 
1903  Solger:  liber  die  Jugendentwicklung  von  Sphenodiscus  lenticularis 

Owen  und  seine  Beziehungen  zur  Gruppe  der  Tissotien.  Diese 

Zeitschr.  55,  S.  ,77. 
1907  Pervinquiere:  Etudes  de  Paleontologie  Tunisienne.    S.  351,  Tafel 

1,  2,  3. 

Abmessungen: 


Durch- 

Dicke  der 

Radius  der 

Durch- 

messer  der 

Dicke  der 

Torigen 

Radius  der 

vorigen 

messser  d. 

Ammoniten 

Windung 

"Windung 

Windung 

Windung 

Nabels 

39 

12 

7 

22 

12 

7 

64 

17 

7 

39 

16 

6 

124 

44 

23 

73 

38 

20 

136 

54 

28 

78 

43 

30 

151 

52 

29 

86 

45 

34 

135 

52 

25 

75 

42 

20 

66 

18 

8 

40 

17 

4 

110 

33 

20 

61 

34 

17 

94 

37 

19 

53 

33 

13 

93 

29 

17 

55 

26 

13 

18  ' 

8,4 

3,7 

9 

5,5 

5,5 

22 

10,2 

5,3 

12,3 

7,5 

5 

4,6 

1,3 

0,7 

4,5 

2,8 

0,5 

8,1 

2,5 

1,1 

4,9 

2,8 

0,5 

9,3 

3 

1,6 

5,4 

2,9 

1,5 

10,5 

3,7 

2,2 

6,3 

3,7 

1,4 

8,2 

2,6 

1,4 

4,8 

2,6 

0,7 

Weil  Pervinquieke  bemerkt,  daJ3  die  Mafie  seiner  Pseudotissotia 
segnis  nicht  genau  mit  den  von  Solger  arigegebenen  MaBen 
iibereinstimmen,  habe  ich  die  Masse  von  einigen  Individuen  der 
Berliner  und  Miinchener  Sammlung  zum  Vergleich  beigefugt. 
Man  ersieht  aus  ihnen,  wie  grofien  Schwankuugen  dieselben  im 
Verhiiltnis  unterworfen  sind. 


205 


Schweinfurth  gebiihrt  das  Yerdienst,  diesen  interessanten 
Ammoniten  entdeckt  und  zahlreiche,  zum  Teil  ganz  trefflich 
erhaltene  Individuen  der  Wissenschaft  zugangig  gemacht  zu 
haben1).  Er  erkannte  schon  im  Jahre  1877,  dai3  er  erne  selbst- 
standige  Art  vor  sich  habe,  und  nannte  sie  Ammonites  Macro- 
diskus.  Unter  dieser  Bezeichnung  trug  er  sie  in  seine  Profile 
ein.  Es  entging  ihm  schon  damals  nicht,  dafi  diese  Spezies 
sehr  variabel  sein  konne;  deshalb  unterschied  er  eine  Yarietat 
mit  engerem  Nabel  und  engerem  Querschnitt,  dieselbe  Yarietat, 
die  Pervinquiere  als  Yariatio  discoidalis  1907  aufstellte  (var. 
discoideus  Schweinfurth).  Solger  beschrieb  1903  diesen  Am- 
moniten zum  ersten  Mai  genau  und  nannte  ihn  Pseudotissotia 
segnis 2). 

In  demselben  Jahr  fiihrte  Pervinquiere  eine  Pseudotissotia 
indet.  aus  Tunis  an,  die  er  spater  unter  Pseudotissotia  segnis 
Solger  beschrieb3). 

Das  Palaontologische  Institut  der  Universitat  Miinchen 
sandte  mir  bereitwilligst  die  von  Schweinfurth  dorthin  ge- 
schenkten  Individuen  von  Pseudotissotia  segnis^  ebenso  das  Kgl. 
Naturalienkabinett  in  Stuttgart. 

Auf  diese  Weise  stand  mir  ein  auBerst  reichhaltiges  Mate- 
rial zur  Yerfugung.  Ich  habe  mich  bemuht,  durch  Yergleichung 
von  zahlreichen  Individuen  Ubergangsformen  zwischen  extremen 
Ausbildungen  zu  finden.  Die  Yariationsbreite  ist  aufierordent- 
lich  grofi,  so  dafi  man  leicht  versucht  sein  konnte,  Angehorige 
dieser  Spezies,  die  man  an  Hand  eines  grofieren  Materials  un- 
zweifelhaft  als  solche  erkennen  konnte,  einer  neuen  Art  zuzu- 
teilen.  Aus  demselben  Grunde  habe  ich  es  auch  vermieden, 
auBer  der  von  Pervinquiere  aufgestellten  und  wohl  zu  unter- 
scheidenden  var.  discoidalis  etwa  noch  andere  Unterscheidungen 
zu  machen.  Der  schlechte  Erhaltungszustand  seiner  Stticke 
erlaubte  es  Pervinquiere  nicht,  Abbildungen  oder  Zeichnungen 
von  Lobenlinien  beizufiigen3). 

J)  In  einem  Berichte  iiber  eine  Reise,  die  Schweinfurth  1876  in 
Gesellschaft  mit  Dr.  Gussfeldt  in  die  Arabische  Wiiste  gemacht  hatte, 
schreibt  Schweinfurth: 

Die  das  Wadi  Mor  begrenzenden  Schichten  sind  durch 
einen  beispiello  sen  Reichtum  an  groBen,  wo  hlerhalten  en 
diskusformigen  Ammoniten  ausgezeichnet,  deren  Massen 
hauptsachlich  zum  Aufbau  dieser  SchichteD  beigetragen 
haben.  (Schweinfurth:  Reise  von  Dr.  Gussfeldt  und  Dr.  Schweinfurth' 
durch  die  Arabische  Wiiste  vom  Nil  bis  zum  Roten  Meer  1876.  Peter- 
manns  MitteiluDgen  Bd.  22,  1876,  S.  254.) 

2)  Solger:  1.  c.  S.,77. 

3)  Pervinquiere:  Et.  geol.  Tun.  cent.,  S.  99.  —  Et.  de  Paleont.  Tun.  I, 
S.  351. 


« 


206 


Beschreibung:  Im  Jugendstadium  beobachtet  man  eine 
wohlausgebildete  Skulptur.  Deutlich  abgesetzte  Rippen,  zuweilen 
sichelfdrmig  geschwungen,  yerlaufen  iiber  die  Flauke  und  endigen 
am  Kiel  in  ziemlich  dicke  breite  Knoten.  Diese  beiden  Knoten- 
reihen  tauschen,  wie  Pervinquiere  sagt,  2  Kiele  yor,  die  von 
■dem  dritten,  echten  Kiel  uberragt  werden.  Diese  Pseudokiele 
lassen  bis  etwa  90  mm  Durchmesser  des  Ammoniten  erkennen, 
dafi  sie  aus  einzelnen  Knoten  zusaminengesetzt  sind.  Dann  aber 
Yerschmelzen  sie  mit  dem  Hauptkiel  entweder  zu  einem  dicken 
tauformigen  KieJ,  der  deutlich  Yon  den  Flanken  durch  eine 
Auskehlung  abgesetzt  ist,  oder  die  einzelnen  Knoten  der  Pseudo- 
kiele Yerschmelzen  schon  friiher  miteinander  zu  einem  einheit- 
lichen  Kiel  und  begleiten  so  auf  beiden  Seiten  den  Hauptkiel. 

Die  Rippen  endigen  samtlich  in  einen  deutlich  en  Knoten 
an  der  Peripherie.  Zwischen  je  zwei  vom  Nabel  bis  zur  Peripherie 
durchlaufende  Rippen  ist  eine  Rippe  eingeschaltet,  die  mitten 
uuf  der  Flanke  entspringt.  Eine  deutliche  Berippung  konnte 
ich  bei  einem  Radius  Yon  3  mm  feststellen  (cfr.  Solger  a.  a.  0.  79). 

Die  dicken  Nabelknoten  Yerschwinden  eigentlich  niemals 
Yollstandig.  Wohl  Yerschwinden  im  hoheren  Alter  die  Rippen 
(etwa  von  95  mm  Durchmesser  an) ;  dafiir  ziehen  sich  unregel- 
maBige  dicke  Wiilste  nach  Art  von  Rippen  vom  Nabel  zum 
Kiel  hin. 

Ich  fand,  daB  bei  meinem  Material  die  Berippung  gerade 
bei  var.  discoidalis  langer  anhalt,  und  daB  die  Rippen  dunner 
und  feiner  sind,  als  wie  es  die  PERYixQuiEREschen  Stiicke 
anzeigen.  Das  groBe  Exemplar,  das  noch  deutliche  Berippung 
zeigt,  hat  etwa  95  mm  Durchmesser  und  gehort  der  var. 
discoidalis  an. 

Im  Altersstadium  schwillt  Pseudotissoiia  segnis  am  Nabel 
zuweilen  bedeutend  an.  Jedoch  ist  diese  Yeranderung  nicht  so 
groB  wie  diejenige  ini  Yerhaltnis  vom  Durchmesser  des  Ammoniten 
zum  Durchmesser  des  Nabels.  Dieses  schwankt  oft  betrachtlich, 
ersteres  bedeutend  weniger. 

Die  in  der  Jugend  und  im  mittlereu  Entwicklungsstadium 
sich  fast  rechtwinklig  zum  Nabel  umbiegenden  Flanken  biegen 
sich  im  Altersstadium  zuweilen  flacher  um,  so  daB  der  erste 
Auxiliarsattel,  der  sonst  noch  auf  der  Flanke  liegt,  schon  auf 
-der  Nabelwand  liegt.  Aus  demselben  Grunde  konnen  in  der 
^rsten  Halfte  des  letzten  Umganges  bis  zu  5,  in  der  letzten 
Halfte  etwa  3 — 4  Siittel  auf  der  Flanke  liegen. 

Eine  Yerengung  der  Schale  an  der  Mundung,  wie  sie 
Pervinquiere  vermutet,  habe  ich  auch  an  Exemplaren,  an  deneu 
ein  Teil  der  Wohnkammer  erhalten  war,  nicht  beobachten  konnen. 


207 


Var.  discoidalis  Pervinquiere. 
Taf.  XIV,  Fig.  7  und  Taf.  XV,  Fig.  1. 
Pervinquiere  stellte  1907  diese  Varietat  auf,  deren  typische 
Merkmale  er  folgendermafien  festlegt: 

Querschnitt  eng,  Nabel  eng,  Lobenlinie  abweichend. 
Die  Abtrennung  dieser  Varietat  ist  ohne  Zweifel  wohl- 
berechtigt  und  notwenig;  jedoch  miissen  nach  meinem  Erachten 
die  von  Pervinquiere  als  typisch  angegebenen  Merkmale  nur 


Fig.  7. 


Fig.  8. 


Fig.  9. 

Lobenlinien  vod  Pseudotissotia  segnis  var.  discoidalis. 

in  ihrer  G-esamtheit  und  nicht  etwa  einzeln  herangezogen  werden, 
da  es  mannigfache  Ubergange  gibt. 

Pervinquiere  gibt  ferner  an,  dafl  die  Schale  glatt  sei.  Ich 
fuge  dem  hinzu,  da6  sowohl  fast  glatte  als  auch  deutlich 
gerippte  Exemplare  (siehe  Abbildung)  vorkommen  konnen. 

Da  der  schlechte  Erhaltungszustand  seiner  Stiicke  Pervin- 
quiere keine  Abbildung  von  Loben  gestattete,  so  fuge  ich  eine 
solche  bei,  die  als  Typ  gelten  mag. 

Durchmesser  des  Ammoniten  .    .  92  mm 
Radius  der  Windung      ....  27  „ 
Dicke  der  Windung    .    .    .    .    .29  „ 
Nabelweite  11 


208 


Bemerkungen  zur  Lobenlinie  der  Pseudotissotia  segnis. 

Die  Nabelwande  sind  abgeschragt;  daher  liegen  auf  der 
Flanke  scheinbar  nur  drei  Sattel. 


Fig.  12.    3/4  natiirl.  GroBe. 


Fig.  13.    3/4  natiirl.  GroBe. 
Plumpe,  blattformige  Ausbildimg  der  Sattel  (infolge  Abwetzung). 

Der  Externsattel  ist  im  Yergleich  zu  den  anderen  Satteln 
niedriger  als  gewohnlich. 

Bei  Solgers  Original:  Man  beobaclitet  zuweilen  fiinf 
bis  fiinfeinhalb  Sattel  auf  der  Flanke.    Der  iiberzahlige  fiinfte 


209 


Sattel  scheint  durch  eine  tiefer  einschneidende  Zackung  des 
vierten  Sattel s  ausgebildet  zu  werden.  In  der  hierunter  ab- 
gebildeten  Figur  ist  der  yierte  Sattel  (d.  i.  der  erste  Auxiliar- 
sattel)  oben  leicht  eingesenkt;  in  der  mittleren  der  bei  Be- 
schreibung  der  yar.  discoidalis  wiedergegebenen  Abbildungen  ist 


Fig.  14. 

Lobenlinie  von  Pseudotissotia  seg/iis.    Natiirl.  GroBe. 


Fig.  15. 

Lobenlinie  einer  erwachsenen  Pseudotissotia  segnit 


natiirl.  GroBe. 


Fig.  16. 

Lobenlinie  einer  erwachsenen  Pseudotissotia  segnis  (von  einem  nicht  ab- 
gebildeten  Ex.).    x/2  natiirl.  GroBe. 

die  Einsenknng  des  ersten  Auxiliarsattels  so  vveit  gegangen,  daB 
sich  ein  zweiter  Auxiliarsattel  gebildet  hat.  Man  beobachtet 
diese  Erscheinung  besonders  bei  var.  discoidalis. 

Bei  Pseudotissotia  segnis:  Der  Externsattel  ist  hoher  als 
gewohnlich.  Der  erste  Lateralsattel  ist  breiter  im  Yerhaltnis  als 
der  entsprechende  Sattel  in  Solgers  Typ  und  plumper  gegliedert. 

Zeitschr.  d.  D.  Geol.  Ges.  1914.  14 


210 


Der  zweite  Lateralsattel  ist  in  den  beiden  Halften  geschlitzt; 
es  tritt  eine  Koniplizierung  der  Sutur  ein  (cfr.  Solgers  Typ). 

Die  Yeranderlicbkeit  der  Sutur,  sei  es  daB  sie  durcb  die 
ungleicb  weit  vorgescbrittene  Abwetzung  bervorgerufen  wird 
(wieweit  letztere  zu  Trugscbliissen  fiihren  kann,  glaube  icb 
bei  der  Beschreibung  des  Genus  Neolobites  genugend  betont  zu 
baben),  sei  es  daB  sie  durch  das  Auftreten  von  Sekundarzacken 
hervorgerufen  wird,  ist  in  der  Tat  so  bedeutend,  daB  es  mir 
notwendig  erscbeint,  moglicbst  viele  Zeicbnungen  beizufiigen. 
Icb  gebe  zu  den  Zeicbnungen  nur  kurze  Erlauterungen. 

Im  Gegensatz  zu  obiger  Erscbeinung  kann  die  Abwetzung 
eine  scbeinbare  Yereinfacbung  der  Sutur  bervorrufen.  Die 
gezackten  Spitzen  der  Sattel  werden  rund,  plump  blattabnlicb. 

Einige  Benierkungen  iiber  Enibry  onalkarnnier  und 
Jug  end  win  dun  gen. 

Es  gelang  im  ganzen  drei  Ernbryonalkaniniern  freizulegen; 
von  diesen  wurde  die  in  Fig.  17  abgebildete  unter  dem 
Mikroskop  in  60facber  YergroBerung  gezeicbnet.  Eine  zweite 
Kanimer  wurde  yon  der  Eirma  Leitz  (Wetzlar)  in  SOfacber 
YergroBerung  mikropbotograpbiscb  aufgenommen.  Letztere  Auf- 
nabme  eignet  sicb  nicbt  gerade  fiir  die  Reproduktion,  jedocb 
tat  sie  die  besten  Dienste  beim  Yergleicb  mit  der  Zeicbnung. 

Die  Lobenlinie  beginnt,  wie  scbon  Solger  bemerkte,  mit 
einer  ziemlich  angustisellaten  Sutur.  Hocbinteressant  ist  der 
Emstand,  daB  die  groBe  Asymmetrie  dieses  dekadenten  Ammo- 
niten  scbon  in  der  fiiibesten  Jugend  auftritt.  Im  ausgewacbsenen 
Stadium  beobacbtet  man  eine  asymmetriscbe  Ausbildung  der 
Loben  auf  der  recbten  und  der  linken  Halfte,  die  eigentlicb  docb 
Spiegelbilder  sein  sollten  (s.  Fig.  15  und  16).  Ferner  nimmt  der 
Sipbo  zuweilen  (aber  durcbaus  nicbt  immer)  eine  asymmetriscbe 
Lage  eio.  Alle  diese  Asymmetrien  konnte  icb,  wie  die  bei- 
gefiigten  Zeicbnungen  beweisen,  schon  in  den  Anfangswindungen 
feststellen.   (Fig.  17,  19.) 

Icb  mocbte  nicbt  verfeblen,  an  dieser  Stelle  auf  die 
interessante  Frage  binzuweisen,  die  scbon  friiber  yon  Branca 
aufgeworfen  wurde,  namlicb,  ob  individuelle  Yerscbiedenbeiten 
in  den  Jugendwindungen  zu  beobacbten  seien. 

Bei  dem  genauen  Studium  dieser  so  merkwiirdigen  Spezies 
glaubte  icb  mit  Sicherbeit  bei  der  mikroskopiscben  Untersucbung 
zweier  yerscbiedener  Embryonalkammern  eine  solcbe  gefunden 
zu  haben. 

Leider  wurde  jedocb  die  eine  Embryonalkammer  zerstiirt, 
bevor  sie  gezeicbnet  oder  photographiert  werden  kounte.  Die 


211 


zweite  Anfangssutur  habe  icb  in  Fig.  17  abgebildet.  Yon  einer 
dritten  ist  eine  Mikropbotograpbie  vorhanden,  die  sicb  leider 
nicht  zur  Wiedergabe  eignet.  Jedocb  kann  man  mit  geniigender 
Sicberbeit  erkennen,  daB  sie  yon  der  abgebildeten  anderen  Sutur 
abweicbt.  Es  mag  dahingestellt  bleiben,  ob  die  Moglicbkeit 
einer  individuellen  Yerschiedenbeit  damit  bewiesen  ist.  Icb 
personlicb  balte  sie  fur  in  der  Tat  bestebend.    Yielleicbt  ist 


Fig.  17. 

Anfangssutur  von  Pseudotissotia 
segnis.    Vergr.  ca.  60mal. 


Fig.  19. 

Querscbnitt  eines  anderen 
Individuums  mit  stark  seitlich  ver- 
schobenemSipho.  Vergr.  ca.  60mal. 


Fig.  18. 

Pseudotissotia  segnis.  Querschnitt 
vergroBert  (nat.  GroBe  =  0,8  mm). 
Sipho  normal  gelegen. 


Fig.  20. 

2  Querschnitte  von  Pseudotissotia 
segnis.    3/4  nat.  GroBe. 


dies  weniger  verwunderlicb,  wenn  man  bedenkt,  wie  ganz  auBer- 
•ordentlicb  gerade  diese  Spezies  in  alien  moglicben  Punkten 
variieren  kann. 

Icb  erinnere  an  Yeranderungen  in:  Querscbnitt,  Randknoten, 
Pseudokiele,  Komplikation  oder  Yereinfacbung  der  Sutur,  asym- 
metriscbe  Lage  des  Sipbo  im  senilen  Stadium  und  in  Jugend- 
windungen,  asymmetriscbe  Ausbildung  der  Loben  auf  ver- 
^cbiedenen  Seiten  u.  s.  w.  Es  muB  der  Zukunft  iiberlassen 
bleiben,  ob  sie  vielleicbt  Aufklarung  zu  bringen  vermag,  wie- 
weit  es  berecbtigt  ist,  an  diese  Erscbeinungen  biologiscbe  Riick- 
scbliisse  zu  kniipfen. 

Merkwiirdig  ist  es  immerbin,  daB  kurz  vor  dem  Aussterben 
des  so  macbtigen  und  bocbentwickelten  Ammonitenstammes  gleicb- 

14* 


212 


zeitig  mit  regelmaBigen  Formen  auch  solche  wie  die  yorliegende 
auftreten,  deren  auffallende,  in  den  inannigfachsten  Punkten 
hervortretende  Asymmetrie  wohl  als  Dekadenz  aufzufassen  ist7 
oder  wenn  z.  B.  gleichzeitig  nait  anderen  hochdifferenzierten 
Formen  die  Ceratitensutur  der  Tissotien  oder  gar  die  goniatitische 
Lobenlinie   eines  Neolobiten  (Flickia  Pervinqu.)  auftritt. 

Die  Zahl  der  untersuchten  Indiyiduen  betrug  etwa  sechzig. 

Pseudotissotia  segnis  Solger  ist  bisher  nur  in  Tunis,  in 
Agypten  und  nach  Blankenhorn  im  Ostjordanland  gefunden 
worden. 

Pervinquiere  gibt  ihr  Alter  als  unterturonisch  an. 

Schloenbachia  Quaasi  Fourtau  = 
Pseudotissotia  segnis  Solger. 
Taf.  XIIT,  Fig.  3—7;  Taf.  XIV,  Fig.  2-5  und  8. 

Im  Jahre  1904  beschrieb  R.  Fourtau  unter  dem  Namen 
Schloenbachia  Quaasi  yier  kleine  Ammoniten;  bei  der  Beschreibung 
gab  er  ausdriicklich  an,  daB  es  sich  nur  um  vier  kleine  Exemplare 
handele,  yon  den  en  das  grofite  etwa  zwanzig  Millimeter  groB  seL 
Pa  weder  Miindung  noch  Lobenlinie  erhalten  war,  wurde  ihm 
die  Bestimmung  schwer,  und  er  reihte  seinen  Fund  in  das  Genus 
Schlonbachia  ein. 

Etwa  ein  Dutzend  kleiner  Ammoniten  aus  der  Schwein- 
FURTH'schen  Sammlung,  bei  denen  sich  stufenweise  eine  Weiter- 
entwicklung  yon  kleinen  sichelformig  gerippten  Stucken  ohne 
Sutur  bis  zu  grofieren,  ebenfalls  siclielformig  gerippten  und 
mit  der  typischen  Sutur  der  Pseudotissotia  segnis  Solger  yer- 
sehenen  Stiicken  verfolgen  laBt,  bestimmen  mich.  zu  der  Annahme, 
dafi  es  sich  bei  Fourtau  um  Jugendformen  yon  Pseudo- 
tissotia segnis  Solger  handelt,  und  dafi  daher  Schloen- 
bachia Quaasi  gestrichen  werden  mui3. 

Fourtaus  Irrtum  ist  leicht  erklarlich,  cla  ihm  einmal  kein 
Yergleichsmaterial  zur  Yerfugung  stand  und  die .  Yeroffent- 
lichung  Solgers  liber  seine  neue  Spezies  erst  kurz  yorher  er- 
schienen  war.  In  dieser  Yeroffentlichung  betont  iibrigens  Solger 
(a.  a.  0.  S.  84),  claB  Pseudotissotia  segnis  gerade  durch  ihre 
Skulptur  groBe  Ahnlichkeit  mit  den  Schloenbachien  zeige,  wenn- 
gleich  die  Lobenlinie  durchaus  nicht  fiir  niihere  Yerwandtschaft 
spreche;  und  gerade  die  Lobenlinie  war  Fourtau  nicht  mehr 
erhalten. 

Fourtau  gibt  als  Merkmal  seiner  neuen  Species  unter 
anderm  an:  Nabel  ziemlich  eng,  am  Rande  abgerundet  und  nicht 
senkrecht.  Diese  Eigenschaft  kann  Pseudotissotia  segnis  ebenfalls 
besitzen,  wie  bereits  friiher  bemerkt  (siehe  Abbildungen).  Die 


213 


Flanken  sind  gerippt;  die  Rippen  gehen  von  Nabel  aus,  wo  sie 
eine  leichte  Anschwellung  hervorrufen.  Sie  sind  sichelformig 
geschwungen  und  teilen  sich  in  der  Mitte  gabelformig.  Genau 
dieselbe  Berippung,  welche  man  bei  der  jungen  und  erwachsenen 
Pseudotissotia  beobachtet!  Die  Aufienseite  ist  verjiingt;  der 
Kiel  ist  yorspringend,  aber  nicht  schneidend. 

Die  Abbildungen  zeigen  eine  Entwicklung  von  kleinen 
nicht  suturierten  Stiicken  bis  zu  solchen,  die  doppelt  so  groJ3 
sind  und  deutliche  Sutur  zeigen. 

Genus  Tissotia  Douville. 

Leider  ist  der  Erhaltungszustand  gerade  der  Cephalopoden 
von  Abu  Roash  nicht  derartig,  daB  man  immer  mit  Sicherheit 
einzelne  Spezies  von  benachbarten  auBerst  ahnlichen  Formen 
trennen  kann.  Die  meisten  Tissotien  der  Sammlung  Schwein- 
furth  sind,  wie  bereits  Dacque  (a.  a.  0.  S.  388)  bemerkt,  „ge- 
glattet,  meist  auf  der  einen  Seite  von  Wasser  zerfressen;  im 
Innern  hat  sich  der  geloste  Kalk  wieder  in  krystalliner  Form 
abgesetzt  und  die  Schale  vollig  verdrangt". 

Ahnliche   Bemerkungen   iiber  den   schlechten  Erhaltungs- 
zustand der  Tissotien  von  Abu  Roash  macht  Fourtau  (a.  a.  0.  • 
S.  251). 

Auch  die  mir  vorliegenden  Stiicke  von  Abu  Roash  befinden 
sich  keineswegs  in  einem  besseren  Zustand  und  konnten  z.  T. 
trotz  aller  Praparierversuche  nur  mit  Yorbehalt  einer  Spezies 
zugewiesen  werden.  Zu  diesen  auBeren  Schwierigkeiten  kommt 
noch  hinzu,  daB  hochstwahrscheinlich  manche  bisherige  gute 
Art  nur  den  Rang  einer  Yarietat  haben  wird,  wenn  spater  an 
Hand  eines  ausgedehnten  Yergleichsmaterials  eine  Revision 
dieses  Genus  stattfindet,  die  unumganglich  ist.  Unter  diesen 
Umstanden  wage  ich  nicht,  an  Hand  meines  ungeniigenden  Ma- 
terials in  dieser  Frage  Stellung  zu  nehmen. 

Blanckenhorn  und  Dacque  haben  bereits  das  Yorhandensein 
von  Tissotia  Tissoti  Bayle  in  Agypten  erwahnt.  Fourtau  (a.  a.  0. 
S.  251)  bezweifelt  ihre  Existenz  bei  Abu  Roash  und  glaubt  die 
meisten  dort  gefunclenen  Ammoniten  als  Tissotia  Ficheuri  be- 
zeichnen  zu  miissen.  Man  mufi  zugeben,  daB  die  Abbildung 
Dacques  nicht  gentigt,  wenn  es  sich  um  die  Unterscheidung 
von  Spezies  handelt,  die  so  geringe  Unterschiede  aufweisen, 
wie  beim  Genus  Tissotia',  ein  Umstand,  den  ebenfalls  Pervin- 
quiere  anfuhrt  (a.  a.  0.  S.  367).  Da  mir  die  Individuen,  die 
Dacque  und  Blanckenhorn  bestimmten,  nicht  alle  vorliegen, 
kann  ich  kein  Urteil  fallen,  ob  diese  Bestimmung  richtig  ist. 
An  Hand  der  mir  vorliegenden  Tissotien  komme  ich  zu  detn 


214 


SchluB,  daB  einige  mit  groBter  Wahrscheinlichkeit  der  Tissotia 
Fourneli  zuzurechnen  sind;  ein  anderes  Individuum  halte  ich 
mit  Bestinimtheit  fur  eine  Tissotia  Tissoti.  Tissotia  Ficheuri  habe 
ich  nicht  bestimmen  konnen;  obwohl  es  mir  gelang,  den  Extern- 
sattel  an  den  meisten  Individuen  freizulegen,  konnte  ich  niemals 
die  eigentuniliche  weitgehende  Zerschlitzung,  die  denselben  in 
zwei  ungleiche  an  der  Basis  eingeschnurte  Blatter  teilt  und  ihn 
dadurch  deutlich  yon  andern  Spezies  unterscheidet,  wahrnehmen. 
Ebensowenig  nahert  sich  der  Querschnitt  der  vorliegenden  In- 
dividuen, die  alle  stark  gewolbt  und  dick  sind,  demjenigen  von 
Tissotia  Ficheuri.  Wenn  FouRTAub  ehauptet:  „Sans  nier  l'existence 
de  Tissotia  Tissoti  a  Abu  Roash,  je  ne  puis  que  noter  ce  fait, 
c'est  que  je  suis  le  seul  a  y  avoir  trouve  Tissotia  Ficheuri  et  a 
ne  pas  avoir  recolte  Tissotia  Tissoti",  so  kann  ich  dem  nur  unter 
Verweisung  auf  die  obigen  Ausfiihrungen  entgegenhalten,  dafl  ich 
in  dem  ScHWEiNFUR'mschen  Materiale  meinerseits  keine  einzige 
Tissotia  Ficheuri  fand,  sondern  nur  Individuen,  die  mit  grofiter  Wahr- 
scheinlichkeit als  Tissotia  Tissoti  und  meist  als  Tissotia  cfr.  Fourneli 
anzusprechen  sind.  Es  werden  eben  bei  Abu  Roash  alle 
drei  Spezies  mit  zahlreichen  Ubergangen  vorkommen. 

Ussotia  cfr.  Fourneli  Bayle. 

1849  Ammonites  Fourneli Bayle:  R^chesse  min.  Algerie,  S.  360,  Taf.  XVII 
1862  Ceratites  Fourneli  Coquand:   Geol.  Pal.  CoDstantine,  S.  167. 
1889 — 1893  Buehiceras  Fourneli  Peron  et  Thomas:   Inv.  foss.  Tvmisie, 
S.  9,  Taf.  15. 

1890  Tissotia  Fourneli  Douville:  Bull.  soc.  geol.  France,  3.  ser.,  S.  232, 
Taf.  18. 

1893  Tissotia  Fourneli  Grossouvre:  Ammon.  craie  sup.,  S.  36,  Fig.  18. 
1897  Tissotia    Fourneli  Peron:    Ammon.   Cret.    sup.  Algerie,    S.  59, 

Taf.  X  und  XVII. 
1903  Tissotia  cfr.  Fourneli  Bayle  in  Dacque  :   a.  a.  0.  S.  388. 

1903  Metatissotia  Fourneli  Hyatt:  Pseudoceratites,  S.  45. 

1904  vide  Fourtau:  Etudes  de  ]a  faune  cret.  d'Egypt. 

1907  Tissotia  Fourneli  Pervinquiere  :  Etudes  de  pal.  Tun.,  S.  372,  Taf.  26. 
Anzahl:   6  Individuen. 
Fundort:   Abu  Roash. 

Abmessungen: 
Durchmesser  des  Ammoniten 
Radius  der  "Windung  . 
Radius  der  vorig*en  Windung 
Dicke  der  Windung 
Dicke  der  vorigen  Windung 
Durchmesser  des  Nabels  . 
6  von  Schweinfurth  an  verschiedenen  Punkten  des  Kreide- 
komplexes  von  Abu  Roash  gesammelte  Tissotien  sind  wegen  ihres 


124 

105  mm 

68 

60  „ 

43 

34  „ 

45 

65  „ 

40 

•} 

9  „ 

215 


verwitterten  Zustandes  nicht  mit  Sicherheit  einer  bestimmten 
Spezies  zuzuvveisen.  Jedoch  scheint  mir  nach  Vergleichung  mit 
den  Abbildimgen  der  obengenannten  Autoren,  da£)  sie  sich  un- 
bedingt  der  Tissotia  Fourneli  Bayle  eng  anschlieflen,  mit  welcher 
sie  entweder  identisch  sind  oder  von  welcher  sie  Yielleicht  eine 
Yarietat  darstellen.  Da  alle  Individuen  eine  sehr  gewolbte 
bauchige  Form  aufweisen,  sind  sie  Yielleicht  der  Yar.  crassa 
Pervinquieres  anzuschlieflen. 

Tissotia  Tissoti  Bayle  und  Tissotia  cfr.  Tissoti  Bayle. 

1878  Buchiceras  Tissoti  Bayle:  Explic.  carte  geol.  France.,  vol.  4,  Taf.  40. 
1891  Tissotia  lissoti  Douville:  Sur  la  Tissotia  Tissoti  B.  S.  G.  F.,  vol.  19, 
S.  501. 

1897  Tissotia    Tissoti   Peron:     Ammon.    cret.    sup.    Algerie,   S.  65, 
Taf.  12,  13,  18. 

1900  Blanckenhorn  :  Neues  zur  Geologie  und  Palaontologie  Agyptens. 

Zeitschr.  d.  D.  Geol.  Ges.  Bd.  52. 
1903  Tissotia  Tissoti  Bayle  Dacque:    Kreidekomplex  von  Abu  Roash. 

Palaeontogr.  Bd.  30,  S.  387. 
1907  Tissotia  Tissoti  Bayle  PERviNQuikRE:  Et.  de  pal.  Tun.,  S.  367,  Taf.  25 

Anzahl:   3  Individuen. 

Fundort:   Gegend  westlich  Gizeh. 

Ich  kann  in  Anbetracht  des  ungeniigenden  Materials  iiber 
Tissotia  Tissoti  keine  weiteren  Mitteilungen  machen  und  ver- 
weise  auf  meine  obigen  Ausfiihrungen  sovvie  auf  die  Abbildung 
bei  Dacque  (1903,  Taf.  XXXYI,  Fig.  8). 

Von  den  3  untersuchten  Stiicken  fiihre  ich  2  Individuen 
nur  mit  Zweifel  an  dieser  Stelle  an;  das  dritte  Individuum 
erscheint  mir  wegen  des  guterhaltenen  dreifachen  Kieles  und 
der  Lobenlinie  tatsachlich  eine  echte  Tissotia  Tissoti  zn  sein. 


Tissotia  SoJiwemfurthi  Eck. 

Taf.  XIX,  Fig.  1  u.  2. 

1909  Tissotia  Schwewfvrthi  n.  sp.  Eck,  Neue  Amm.  Ob.-Agypt.  Kr.- 
Sitzber.  Ges.  Natf.  Fr.  Berlin  Nr.  3,  S.  184,  Fig.  6-8. 

Fundort:  Wadi  Mor,  Schicht  I. 

Horizont:  Unteres    Turon,    Schicht    der'  Pseudotissotia 
segnis. 

Abmessungen: 


Durchmesser  des  Ammoniten  . 

.  163 

mm 

90 

•>•> 

Radius  der  vorigen  Windung  . 

.  52 

n 

78 

ii 

Dicke  der  vorigen  Windung 

.  38 

ii 

Durchmesser  des  Nabels 

.  45 

ii 

216 


Es  liegt  ein  vollstandig  erhaltener  Steinkern  rait  teilweise 
erhaltener  Schale  vor,  der  aus  dem  von  Schweinfurth  der  Uni- 
versitat  Munch  en  geschenkten  Teile  seiner  Sanimlung  stammt. 

Das  Gehause  ist  ziemlich  dick  und  gewolbt,  der  Nabel 
mittelmaBig  weit  mit  nicht  genau  senkrecht  abfallenden  Wanden. 
Yom  Nabelrand  ziehen  sich  undeutlich,  jedoch  immer  noch 
sichtbar,  plumpe  breite  Rippen  iiber  die  Flank  en.  Der  Kiel 
ist  abgerundet  und  wird  yon  zwei  deutlich  erkennbaren  Kielen 
auf  beiden  Seiten  begleitet.  Die  Wolbung  der  Flanken  wird 
weder  vor  noch  hinter  den  Seitenkielen  durch  irgendeine  Ein- 
senkung  unterbrochen.    Der  Sipho  liegt  symmetrisch. 

Die  Sutur  habe  ich  in  der  obengenannten  Arbeit  beschrieben. 

Uber  die  Beziehungen  und  Unterschiede  der  vorliegenden 
Art  habe  ich  mich  an  gleicher  Stelle  (S.  186 — 187)  geaufiert. 

Was  die  generische  Stellung  der  neuen  Art  betrifft,  so  be- 
merke  ich  ausdriicklich,  daJ3  ich  sie  mit  Yorbehalt  dem  Genus 
Tissotia  angliedere. 

Tissotia  securiformis  Eck. 
Taf.  XIX,  Fig.  3. 

1908  0.  Eck:  Bemerk.  iib.  drei  neue  Ammon,  aus  d.  ob.-agypt.  Kreide. 
Sitzber.  Ges  naturf.  Freunde. 

Diese  auf  ein  Bruchstiick  von  Wadi  Abu  Rinif  gegriindete 
Art  habe  ich  ausfuhrlich  bereits  friiher  beschrieben,  In  Taf.  XI, 
Fig.  3,  ist  noch  eimnal  die  Vorderansicht  abgebildet,  um  die 
asymetrische  Lage  des  Siphos  zu  zeigen.  Bemerkt  sei  noch,  daB 
das  Stuck  nicht  verdriickt  ist.    Alter:  vermutlich  Unterturon. 

Tissotia  Robini  Thiolliere.  (=  Tissotia  Eivaldi  v.  Buch.J 
Es  liegt  ein  Bruchstiick  vor,  welches  eine  grofie  Ahnlich- 
keit  mit  dem  als  Tissotia  Ewaldi  v.  Buch  bezeichneten  Ammo- 
niten  hat,  der  nach  Pervinquieres  Yorschlag  aus  Prioritatsruck- 
sichten  besser  Tissotia  Bobini  Thiolliere  genannt  wird,  mit 
welchem  er  sicher  identisch  ist.  Das  Stuck  stammt  vom 
Wadi  Ragaloh,  Schicht  G. 

Gattung  Hemitissotia  Peron. 

Hemitissotia  sp.  indet. 
Taf.  XIII,  Fig.  1;  Taf.  XVII,  Fig.  3  u.  4. 
Auf  Grund  der  Lobenlinie  stelle  ich  zu  Hemitissotia  ein 
vereinzeltes  Bruchstiick  aus  der  agyptischen  Wiiste,  dessen  art- 
liche  Zugehorigkeit  nicht  erkannt  werden  konnte. 


Manuskript  eingegangen  am  5.  Dezember  1911.] 


217 


5.  Beitrage  zur  Geologie  des  Aarmassivs. 

(Untersucliungeii  iiber  Erstfelder  Gneise  und  Innert- 
kirchener  Granit.) 

Von  Herrn  R.  Lotze  in  Stuttgart. 

(Hierzu  Taf.  XX-XXI  und  8  Textfiguren.) 

Einleitung. 

Die  vorliegende  Arbeit  ist  das  Pesultat  von  Beobachtungen, 
die  ich  in  den  Sommernionaten  der  Jahre  1910  und  1911 
anstellen  konnte.  Das  Untersacbungsgebiet  erstreckte  sicb 
auf  die  sogenannte  „nordliche  Gneiszone"  des  Aarmassivs 
zwischen  Hiifigletscher  (Maderaner  Tal)  und  Gauligletscber 
(Urbachtal).  Eine  reicblicbe  Sammlung  yon  Handstiicken,  so- 
wie  eine  groBere  Anzabl  yon  Diinnscbliffen  (ca.  170)  bildeten 
die  Grundlage  der  petrograpbiscben  Untersucbung,  die  in  der 
Hauptsacbe  im  mineralogiscb-geologiscben  Institut  der  Kgl. 
Technischen  Hochscbule  Stuttgart  ausgefuhrt  wurde.  Die  An- 
regung  zu  der  interessanten  und  lobnenden  Untersuchung  ver- 
•danke  icb  meinem  bocbyerebrten  Lebrer,  Herrn  Professor  Dr. 
Sauer.  Es  ist  mir  Bedurfnis,  ibm  fiir  seine  yielseitige  Unter- 
stiitzung  und  Anregung  bei  der  Ausfiibrung  der  Arbeit  meinen 
berzlicbsten  Dank  auszusprecben.  Besonders  bin  icb  ibm  fiir 
•die  Uberlassung  wertyollen  Untersucbungsmaterials  sowie  zabl- 
reicber  Diinnscbliffe  yon  seinen  eigenen  friiheren  Forscbungen 
im  Aarmassiy  zu  groBem  Dank  yerpnicbtet.  Die  beiden  an- 
gefiibrten  Gesteinsanalysen  wurden  yon  mir  im  Laboratorium 
fiir  Elektrocbemie  und  tecbniscbe  Cbemie  der  Kgl.  Tecbniscben 
Hocbscbule  Stuttgart  unter  freundlicber  Anleitung  yon  Herrn 
Professor  Dr.  Muller  ausgefiibrt.  Die  Arbeit  wurde  im  Winter- 
semester  1911/12  im  geologiscben  Institut  der  Uniyersitat 
Tubingen  yollendet.  Aucb  Herrn  Professor  Dr.  y.  Koken  f  bin 
ich  fiir  liebenswiirdige  Unterstiitzung  aufricbtigen  Dank  scbuldig. 

Da  sicb  im  Verlauf  der  Untersucbung  berausstellte,  daJ3 
die  „nordliche  Gneiszone"  keinen  einbeitlicben  Komplex  dar- 
stellt,  wie  dies  bis  jetzt  meist  angenommen  wurde,  da!3  sicb  in 
ibr  yielmebr  verschiedene  scbarf  begrenzte  Gesteinsgruppen 
unterscbeiden  lassen,  so  ergab  sicb  daraus  yon  selbst  die  Glie- 
derung  des  Stoffes,  die  bier  yorausgescbickt  sei. 


218 


Inhaltsverzeichnis. 

Seite 


Einleitung   217 

Inhaltsverzeichnis   218 

Literaturangabe   219 

Karten  .221 

A.  Die  Erstfelder  Gneise   221 

I.  Geschichtliches   221 

II.  Verbreitung  der  E.  Gn   222 

III.  Petrographische  Beschreibung  der  E.  Gn   223 

1.  Der  Erstfelder  Eruptivgneis   223 

Makroskopische  Beschreibung   223 

Mikroskopische  Beschreibung   223 

Varietaten   227 

Chemische  Zusammensetzung   229 

2.  Der  Erstfelder  Sedimentgneis   230 

Makroskopische  Beschreibung   231 

Mikroskopische  Beschreibung   231 

Chemische  Zusammensetzung   233 

Einlagerungen  vom  SustenpaB   234 

„    Riedtal   238 

Varietat  von  Silenen   239 

3.  Die  Mischgneise   240 

4.  Amphibolite   244 

5.  Abzweigungen  eines  granitischen  Magmas  ....  245 

IV.  Allgemeines  fiber  die  E.  Gn   246 

Parallele  mit  dem  Schwarzwalder  Gneismassiv    ....  246 

Genesis  der  E.  Gn   247 

V.  Die  Zone  der  Sericitgneise  und  ihre  Beziehungen  zu  den 

E.  Gn   254 

B.  Der  Innertkirchener  Granit   258 

I.  Geschichtliches   258 

II.  Verbreitung  des  I.  Gr   260 

III.  Petrographische  Beschreibung  des  I.  Gr   261 

Makroskopische  Beschreibung   261 

Mikroskopische  Beschreibung   262 

Vergleich  mit  anderen  Gesteinen   265 

Chemische  Zusammensetzung   267 

IV.  Scholleneinschlfisse  im  I.  Gr   268 

AuBere  Erscheinungsform   268 

Petrographische  Beschreibung   270 

Marmorlinsen  der  AuBeren  Unveid   271 

Marmore  vom  Lauternsee  usw   275 

Allgemeine  geologische  Bedeutung  _  .  276 

V.  Mechanische  Deformation  des  I.  Gr   277 

Makroskopische  Beschreibung   278 

Mikroskopische  Beschreibung    .   279 

C.  Das  Carbon  des  Wendenjochs   288 

D.  Die  Tektonik  des  Aarmassivs   295 

Zusaimnenfassung  der  Resultate   300 


219 


Literaturverzeichnis. 

1.  Baltzer:  Der  mechanische  Kontakt  von  Gneis  und  Kalk  im  Berner 

Oberland.    Beitrage  z.  geol.  Karte  der  Schweiz,  Lief.  20,  1880. 

2.  —  Das   Aarmassiv   (mittlerer   Teil)   nebst   einem   Abscbnitt  des 

Gottbardmassivs ,  enthalten  auf  Blatt  XII,  1888.  Beitrage  z. 
geol.  Karte  der  Scbweiz,  Lief.  24,  4.  Teil. 

3.  —  Die  granitischen  Intrusivmassen  des  Aarmassivs.    N.  J.  f.  Min., 

Beilage-Bd.  1903. 

4.  —  Geologiscber  Fiihrer  durcbs  Berner  Oberland.     Berlin  1905. 

5.  —  Die  intrusive  Granitzone  des  westl.  Aarmassivs.    Eclogae  geo- 

logicae  Helvetiae  XI,  Nr.  3,  Dez.  1910. 

6.  Becke:    Die  Eruptivgesteine  des  bobmiscben  Mittelgebirges  und 

der  amerikanischen  Andes.    Tsch.  m.  u.  p.  Mitt.  Bd.  22,  1903. 

7.  —  TJber  Mineralbestand  und  Struktur  der  krystalliniscben  Scbiefer(I). 

75.  Bd.  der  Denkscbriften  der  math.-naturw.  Klasse  der  Kais. 
Akad.  der  Wissenscbaften,  Wien  1903. 

8.  —  Zur  Pbysiographie  der  Gemengteile  der  kryst.  Scbiefer  (III). 

Derselbe  Band,  Wien  1906. 

9.  —  Bericbt  uber  geol.  und  petrogr.  Untersuchungen  am  Ostrand 

des  Hocbalmkerns.  Sitzungsber.  der  matb-naturw.  Klasse  der 
Kais.  Akad.  d.  W.,  Bd.  118,  Abt.  1,  2,  Wien  1909. 

10.  Berg:   Die  Entstebung  der  Ortbogneise.    Diese  Zeitscbr.  1910, 

Bd.  62,  Monatsbericbt  2. 

11.  Buxtorp-Truninger:  "Uber  die  Geologie  der  Doldenborn-Fisistock- 

gruppe  am  Westende  des  Aarmassivs.  Verbandlungen  der 
Naturforschenden  Gesellscbaft  Basel,  Bd.  20,  1910. 

12.  Chelius  u.  Klemm:  Erlauterungen  zur  geol.  Karte  des  GroBberzogtums 

Hessen,  IV.  Lief.:  Blatter  Zwingenberg  und  Bensbeim,  1896. 

13.  Escher:   tiber  pratriassiscbe  Faltuug  in  den  Westalpen  mit  be- 

sonderer  Beriicksicbtigung  des  Carbons  an  der  Nordseite  des 
Todi  (Bifertengratli).   Ziiricber  Dissertation,  1911  (Amsterdam). 

14.  Fellenberg:    Bescbreibung    desjenigen    Teils    von    Blatt  XVIII, 

der  zwischen  dessen  Nordrand,  dem  Siidabsturz  der  Blumlis- 
alpkette  und  der  Ebone  liegt.  Mit  petrogr.  Beitragen  von 
C.  Schmidt.    Beitrage  z.  geol.  Karte  d.  Scbw.,  Lief.  21,  1893. 

15.  Fischer:  tiber  einige  Intrusivgesteine  der  Scbieferzone  am  Nordrand 

des  zentralen  Granits  aus  der  Umgebung  der  Sustenborner. 
Tsch.  M.  u.  p.  Mitt.  Bd.  24,  1905. 

16.  Gabert:  Die  Gneise  des  Erzgebirges.    Diese  Zeitschr.  Bd.59,  1907. 

17.  Grubenmann:  Die  krystallinen  Scbiefer.    2.  Aufl.,  Berlin  1910. 

18.  Heim:  Untersucbungen  uber  den  Mecbanismus  der  Gebirgsbildung 

im  AnscbluB  an  die  Monograpbie  der  Windgallen-Todigruppe. 
Basel  1878. 

19.  —  Geologie  der  Hochalpen  zwiscben  EeuB  und  Rbein  (Text  zu 

Blatt  XIV),  mit  einem  Anbang  von  petrograpbiscben  Beitragen 
von  C.  Schmidt.  Beitrage  z.  geol.  Karte  d.  Scbw.,  Bd.  25,  1891. 

20.  Hugi:   Vorlaufige  Mitteilungcn  uber  Untersucbungen  in  der  nordl. 

Gneiszone  des  zentralen  Aarmassivs.   Eel.  geol.  Helv.  IX,  1906. 

21.  —  Exkursionsbericbt  der  Dtscb.  Geol.  Gesellscbaft  (mit  einer  An- 

merkung  von  C.  Schmidt).  Diese  Zeitscbr  1908,  Bd.  69,  S.  154  ff. 

22.  Klemm:  TJber  sogenannte  Gneise  und  metamorpbe  Schiefergesteine 

der  Tessiner  Alpen.  Sitzungsbericbte  der  Kgl.  Pr.  Akademie 
der  Wissenschaften  Berlin.  I:  1904,  II;  II:  1905,  I;  III:  1906,  I; 
IV:  1907,  I. 


220 


23.  Konigsberger:  Geologische  Beobachtungen  am  Pizzo  Forno.  N.  J.  f. 

Min.,  Beilage-Bd.  26,  1908. 

24.  —  Einige  Folgerungen  aus  geolog. Beobachtungen  imAare-,Gotthard- 

und.  Tessiner  Massiv.    Eel.  geol.  Helv.  X,  6,  Dez.  1909. 

25.  —  Erlauterungen  zur  geol.  und  mineralog.  Karte  des  ostl.  Aar- 

massivs  von  Dissentis  bis  zum  Spannort.  Freiburg  i.  B.  und 
Leipzig  1910. 

26.  —  Uber  Analogien  zwischen  der  ersten  Zone  der  Westalpen  und 

benachbarten  Massiven.    Geologische  Rundschau  Bd.  Ill,  1912. 

27.  —  Uber  Gneisbildung  und  Aufschnielzungszonen  der  Erdkruste  in 

Europa.    Geologische  Rundschau  Bd.  Ill,  1912. 

28.  —  Mosch:  Geologische  Beschreibung.  der  Kalkalpen  und  Schiefer- 

gebirge  zwischen  ReuB  und  Kiental.  Beitrage  z.  geol.  Karte  der 
Schweiz,  Lief.  24,  3. 

29.  Reinisch:  Druckprodukte  aus  Lausitzer  Biotitgranit.  Habilitations- 

schrift,  Leipzig  1902. 

30.  Rosenbusch:  Studien  im  Gneisgebirge  des  Schwarzwaldes.  a)  I.  Uber 

einige  kohlenstoffiihrende  Gneise  des  Schwarzwalds.  Mitt,  der 
bad.  Geol.  Landesanstalt  IV,  1,  1903;  b)  II.  Die  Kalksilikat- 
felse  im  Rench-  und  Kinziggebiet.  Ebendort  IV,  3,  1903;  V, 
1907. 

31.  —  Mikroskopische  Physiograp'hie   der   Mineralien   und  Gesteine. 

4.  AufL 

32.  —  Elemente  der  Gesteinslehre.    3.  AufL,  1909. 

33.  Rothpletz:  Die  Steinkohlenformation  und  deren  Flora  an  der  Ost- 

seite  des  Todi.    Abhandlungen  der  Schweiz.  Palaontologischen 
Gesellschaft,  Bd.  6,  Nr.  40,  1880. 
43.  Ruetschi:  Zur  Kenntnis  des  Rofnagesteins,  ein  Beitrag  zur  Gesteins- 
metamorphose.    Eel.  geol.  Helv.  Bd.  8,  1903. 

35.  Salomon  :    Gequetschte  Gesteine  des  Mortirolotals ,  N.  J.  f.  Min., 

Beilage-Bd.  11,  1897. 

36.  —  Neue  Beobachtungen    aus    den   Gebieten   des  Adamello  und 

St.  Gotthard.  Sitzungsber.  der  Kgl.  Pr.  Ak.  d.  W.  Berlin  1899,  I. 

37.  Sauer:    Erlauterungen  zu  Blatt  Gengenbach  der  geol.  Karte  des 

GroBherzogtums  Baden.  1894. 

38.  —  Geologische   Beobachtungen   im   Aarmassiv.  Sitzungsberichte 

der  Kgl.  Pr.  Ak.  d,  W.    Berlin  1900. 

39.  —  Uber   die   Erstfelder   Gneise   am   Nordrand   des  Aarmassivs. 

Bericht  liber  die  38.  Versammlung  des  Oberrhein.  Geol.  Vereins 
in  Konstanz,  1905. 

40.  Schmidt:   Geologisch-petrographische  Mitteilungen  iiber  einige  Por- 

phyre  der  Zentralalpen  und  die  in  Verbindung  mit  denselben 
aul'tretenden  Gesteine.    N.  J.  f.  M.,  Beilage-Bd.  4,  1886. 

41.  —  Geologic  des  Simplongebiets.    Eel.  geol.  Helv.  IX,  1907. 

42.  —  Bild  und  Bau  der  Schweizeralpen.    Basel  1907. 

Schmidt  siehe  audi  bei  Nr.  14,  19,  21. 

43.  Schwenkel:   Die  Eruptivgneise  des  Schwarzwaldes   und  ibre  Be- 

ziehungen  zum  Granit.    Tsch.  M.  u.  p.  Mitt.  Bd.  31,  1912. 

44.  Staub:   Geologische  Beschreibung  der  Gebirge  zwischen  Schiichen- 

tal  und  Maderanertal.  Beitrage  z.  geol.  Karte  d.  Schw.,  Neue 
Folge.  Lief.  32. 

45.  Sti'der  :  Geologie  der  Schweiz.  1853. 

46.  Thurach:  Uber  ein  Vorkommen  von  kornigem  Kalk  im  Harmers- 

bacher  Tal.  Mitteilungen  der  grofih.  bad.  Geol.  Landes- 
anstalt III,  1. 


221 


47.  Tobler:    Uber  die  Gliederung  der  mesozoischen  Sedimente  am 

Nordrand  des  Aarmassivs.  Verhdl.  d.  Naturf.  Ges.  in  Basel7 
Bd.  12,  1900. 

48.  Truninger:  Kontaktmetamorphe  Erscheinungen  im  westlichen  Teil 

des  Aarmassivs  (Gasterenmassiv).    Eel.  geol.  Helv.  XI,  4,  1911. 

49.  —  Geologisch-petrographische  Studien  am  Gasterenmassiv.  Mit- 

teiluDgen  der  Naturf.  Gesellschaft  Bern  1911. 

50.  Weber:    Tiber  den  Kalisyenit  des  Piz  Giuf.    Beitrage  zur  geol. 

Karte  der  Schw.,  N.  F.,  Lief.  14,  1904. 

51.  Wehrli:  Das  Dioritgebiet  von  Schlans  bis  Dissentis.    Beitrage  z. 

geol.  Karte  d.  Schweiz,  N.  F.,  Lief.  6,  1896.  _ 

52.  Weinschenk:  Beitrage  zur  Petrographie  der  ostlichen  Zentralalpen^ 

speziell  des  GroCvenedigerstocks.  Abhandlungen  der  math.- 
phys.  Kl.  der  Ak.  der  Wissensch.  Miinchen  Bd.  22,  Abt.  II,  1906. 

Geologische  und  topographische  Karten  des  Untersuchungs- 

gebiets. 

Geologische  Karte  der  Schweiz  1:100000  (Dufourkarte). 
Blatt  XIII :  Krystalliner  Teil  von  Baltzer. 
Blatt  XIV  :  von  Heim. 
K6n«5sberger:    Geologisch-mineralogische  Karte  des  ostl.  Aarmassivs 
von  Dissentis  bis  zum  Spannort.    Freiburg  i.  B.  und  Leipzig  1910. 
1:50000. 

Stacb:  Geologische  Karte  der  Gebirge  zwischen  Schachental  und  Ma- 
deranertal.  Beitrage  z.  geol.  Karte  der  Schweiz,  N.  F.,  Lief.  32r 
1911.  1:50000. 

Siegfriedatlas  1:50000.  Blatt  Altdorf,  Amsteg,  Engelberg,  Wassen, 
Meiringen,  Guttannen. 

A.  Die  Erstfelder  Gneise. 

I.  Geschichtliches. 

Eine  erste  kurze  Beschreibung  erfuhren  die  Erstfelder 
Gneise  1880  in  dem  "Werke  Baltzers  „Der  mechanische  Kontakt 
zwischen  Kalk  und  Gneis  iin  Berner  Oberland"  (Lit.  1).  Er 
halt  sie  fiir  identisch  mit  den  „Gneisen"  von  Innertkirchen. 
Heim  betont  1891  (Lit.  19,  S.  96)  die  „iiberaus  gleichformige 
Ausbildung"  des  Gneises  von  Erstfeld  und  erklart  das  Gestein 
fiir  einen  alten  Gneis,  der  wenig  oder  gar  keinen  nachtraglichen 
dynamometamorphen  Umwandlungen  unterlegen  sei.  „Aus  der 
groflen  Gleichartigkeit  und  klaren  Krystallisation  ist  zu  schliei3enT 
dafi  hier  ein  urspriinglicher  echter  Typus  vorliegt." 

Demgegeniiber  hebt  Sauer  1905  hervor  (Lit.  39),  daB  sich 
im  Erstfelder  Gebiet  deutlich  zwei  Typen  unterscheiden  lassen, 
ein  Eruptivgneis  (auf  den  Heims  Beschreibung  zutrifft)  und  ein 
Sedimentgneis.  Diese  beiden  Arten  von  Gesteinen  entsprechen 
nach  Sauer  einerseits  den  Schapbachgneisen,  andererseits  den 
Renchgneisen     des    Schwarzwaldes.      Die    auBere  habituelle 


222 


Ahnlichkeit  ist  nach  diesem  Autor  so  grofi,  daB  man  sich  im 
Erstfelder  Gneisgebiet  geradezu  in  den  Schwarzwald  Tersetzt 
fiihlen  muB. 

Auch  Konigsbekger  (Lit.  25)  stellte  bei  seinen  karto- 
graphischen  Aumabmen,  die  allerdings  nur  einen  kleinen  Teil 
der  Erstfelder  Gneise  einbeziehen,  eine  Zweiteilung  in  Ortho- 
gneise  und  Paragneise  fest  (1910). 

In  allerneuster  Zeit  (1911)  erfuhren  die  Erstfelder  Gneise 
schlieJ31ich  noch  von  Staub  eine  eingehendere  Beschreibung 
(Lit.  44).  Er  gelangt  zu  Anschauungen,  die  von  den  erwabnten 
stark  abweichen,  und  bait  die  Gesteine  vom  Typus  der  Schap- 
bachgneise  fiir  injizierte  Schiefer,  also  fur  Miscbgesteine. 

Es  wird  sich  ini  Verlauf  der  Abbandlung  Gelegenheit  geben, 
auf  diese  verschiedenartigen  Ansicbten  naber  einzugehen. 

II.  Yerbreitung  der  Erstfelder  Gneise. 

Gebt  man  yon  Fliielen  das  ReuBtal  aufwarts,  so  siebt  man 
zwiscben  Altdorf  und  Erstfeld  von  S  ber  eine  macbtige  Sediment- 
decke  unter  einem  vVinkel  von  ca.  25°  sich  ins  Tal  berabsenken. 
Unter  ibr  taucbt  ein  System  von  steilgestellten  Gneisen  empor, 
das  unter  dem  Namen  „Erstfelder  Gneise"  (E.  Gn.)  zu- 
sammengefast  werden  soil.  Als  einbeitlicbes  Cbarakteristikum 
dieser  Gesteine  kann  hocbstens  das  angegeben  werden,  dai3  es 
durcbweg  Biotitgneise  obne  nambafte  dynamiscbe  Beeinnussung 
sind.  Nacb  S  zu  geben  sie  allmablicb  in  scbiefrige  sericitiscbe  Ge- 
steine iiber,  die  scbon  von  Baltzer  als  „Zone  der  Sericitgneise" 
ausgescbieden  wurden.  Der  unveranderte  E.  Gn.  findet  sicb  baupt- 
sacblicb  unter  der  Sedimentdecke,  die  allerdings  zu  einem  grolien 
Teil  scbon  abgetragen  ist.  Grassen,  Kl.-Spannort,  Kronte  sind  auf 
der  W-Seite  des  ReuBtals  die  slidlicbsten  Erosionsrelikte  (vgl. 
Taf.  XXI,  Fig.  2).  Im  0  des  ReuBtals  ist  die  Sedimentdecke  voll- 
standiger  erbalten.  Im  ReuBtal  reicben  die  unveranderten  E.  Gn. 
ungefabr  bis  Amsteg.  Das  Erstfelder  Tal,  das  im  S  von  der 
steilenKalkmauer  der  ScbloBbergkette  begrenzt  wird,  liegt  ganz  in 
ibnen.  Im  oberen  Teile  des  Engelberger  Tales  sind  am  S-Ab- 
bang  zwiscben  Titlis  und  Spannortern  ebenfalls  nocb  die  E.  Gn. 
freigelegt.  Inscbialptal,  Gornerental,  Gorezmettlental  (Neben- 
tal  des  Maientals),  diese  alpeneinwarts  sicb  offnenden  Quertaler, 
liegen  in  ibrem  oberen  Teil  nocb  in  den  E.  Gn.  Die  Susten- 
straBe  fiibrt  von  Hinterfeldalp  (Maiental)  an  iiber  die  PaBbobe 
bis  zu  den  oberen  Kebren  von  Feldmoos  durch  E.  Gn.,  und 
es  scbeint,  daJ3  diese  Gneise  sicb  nun  als  scbmale  Zone  siid- 
licb  an  den  Innertkircbener  Granit  anlebnen.  Sie  biKlen 
die  Kette  des  Giglistocks;  im  Trifttal  oberbalb  Triftalp  treten 


223 


Gneise  auf,  die  denen  von  Erstfeld  gleichen.  An  der  Grimsel- 
straBe  wiirden  die  zwischen  Boden  und  Guttannen  auftretenden 
hellen  Gneise  ihnen  entsprechen.  Im  Urbachtal  treten  diese 
Gesteine  zwischen  Schrattern  und  Hohwang  bis  gegen  den 
Gauligletscher  hin  auf.  Doch  sind  die  Verhaltnisse  hier  noch 
weit  von  der  endgiiltigen  Klarung  entfernt;  die  betreffenden 
Gesteine  des  Grimselprofils  unterseheiden  sich  ziemlich  bedeutend 
von  denen  des  Erstfelder  Gebiets;  die  typischen  E.  Gn.  lassen 
sich  nur  bis  gegen  das  Trifttal  hin  verfolgen. 

III.  Petrographische  Beschreibung  des  Erstfelder  Gneiskoinplexes. 

Unter  den  Erstfelder  Gneisen  lassen  sich  unschwer  zwei 
Haupttypen  voneinander  unterseheiden.  Sie  sollen  mit  ihren 
Abanderungen  im  folgenden  als  Eruptivgneise  und  Sediment- 
gneise  beschrieben  werden.  An  dritter  Stelle  sind  Gesteine 
aufgefiihrt,  die  eruptives  und  sedimentares  Material  enthalten, 
also  Mischgneise  darstellen.  Sie  entsprechen  nur  zuni  kleinsten 
Teil  den  „Mischgneisen  Staubs.  —  Sowohl  in  Eruptivgneisen 
als  in  Sedimentgneisen  sind  Amphibolite  eingelagert.  — 
Schliefllich  finden  sich  im  Erstfelder  Gneisgebiet  noch  Gesteine, 
die  als  Abzweigungen  eines  in  der  Tiefe  befindlichen 
granitischen  Magmas  gedeutet  werden  miissen  und  die  an 
letzter  Stelle  beschrieben  werden  sollen. 

1.  Der  Erstfelder  Eruptivgneis. 

Dieses  Gestein  stellt  den  von  Heim  als  so  auBerordent- 
lich  konstant  bezeichneten  Typus  dar.  In  der  Tat  gleicht 
der  Gneis  der  nachsten  Umgebung  von  Erstfeld  voll- 
standig  dem  Gneis  vom  Arni  oder  vom  SustenpaB.  Es  sind 
kornig-schuppige  Biotitgneise  mit  gut  ausgebilde ter 
Lagentextur;  die  Biotitlagen  mit  glanzend  schwarzbraunem 
Biotit  in  groBen  Krystallen  halten  ziemlich  lange  aus,  die  rein 
weifien  Quarz-Feldspatlagen  besitzen  sehr  regelmafiige  und 
und  gieichbleibende  Machtigkeit.  Fast  alle  Gesteine  haben 
mittlere  Korngrol3e.  Trotz  der  ausgesprochenen  Paralleltextur 
erweist  sich  jedoch  das  Gestein  als  vollstandig  kompakt.  In 
manchen  Fallen  verschwindet  die  Lagenbildung,  die  Parallel- 
textur wird  undeutlich;  das  Gestein  erhalt  dadurch  sehr  granit- 
ahnlichen  Habitus. 

Im  mikroskopischen  Bild  dieser  Gneise  (TafelXX,  Fig.l) 
fallt  vor  allem  der  Biotit  in  die  Augen.  Er  besitzt  tief  dunkel- 
braune  Farbe  und  weist  starken  Pleochroismus  aut  (a  =  tief 
dunkelbraun,  c  =  hellgelb).  Urn  Einschliisse  von  Zirkon 
zeigt  er  kraftige  pleochroitische  Hofe.    Auch  schlieUt  er  haufig 


224 


gedrungene  Saulchen  von  Apatit  em.  Selten  gelingt  es,  em 
ganz  frisch.es  Gestein  mit  unyersehrten  Biotiten  zu  erlangen; 
meist  ist  der  Biotit  schon  in  der  Umwandlung  zu  Chlorit  be- 
griffen  oder  bereits  ganz  umgewandelt.  Diese  Chlo ritisierung 
ist  anscheinend  eine  Erscheinung  der  Yerwitterung.  Dai3  sie 
zienilich  rasch  erfolgen  nmi3,  beweist  ein  Handstiick,  das  in 
der  einen  Halfte  noch  unzersetzten  Biotit  zeigt,  in  der  anderen 
Halfte  schon  Yollstandig  chloritisiert  ist.  Der  IJbergang  yon 
unzersetzteni  Biotit  zu  Chlorit  ist  rasch,  aber  kontinuierlich. 
Bei  der  Chloritisierung  des  Biotits  bilden  sich  als  Nebenprodukte 
dunkle,  oft  titanhaltige  Erzausscheidungen.  Sehr  haufig  tritt 
neben  dem  Chlorit  noch  Muscoyit  als  Unrwandlungsprodukt 
auf;  auch  Epidotruineralien  konnten  beobachtet  werden. 

Wichtig  ist  yor  allem  die  strenge  Parallelordnung  der 
Glimmer.  Sie  bilden  haufig  zusammenhangende  Lagen  und 
stellen  so  gewisserma^en  das  Geriist  der  Gneisstruktur  dar: 
zwischen  ihnen  ordnet  sich  Quarz  und  Feldspat  an.  Kleinere 
Biotite  werden  auch  noch  yon  diesen  Mineralien  eingeschlossen. 
Ilmgekehrt  schlieBt  auch  der  Biotit  hie  und  da  kleine  Partien 
yon  Quarz,  seltener  yon  Feldspat  ein:  es  sind  Ausfiillungen 
yon  Hohlraumen,  die  bei  der  Bildung  der  Glimmer  zwischen 
den  einzelnen  Lamellen  erhalten  blieben.  —  Der  Biotit  kann 
mit  Yollkommener  Deutlichkeit  als  der  zuerst  gebildete  Be- 
standteil  des  Gesteins  erkannt  werden. 

Die  Peldspate  lehnen  sich  vielfach  an  die  schon  aus- 
krystallisierten  Biotite  an,  benutzen  sie  als  Krystallisations- 
basis.    Es  ist  Plagioklas  und  Orthoklas  Yorhanden. 

Der  Plagioklas  ist  an  der  Zyvillingsbildung  nach  dem 
Albitgesetz  kenntlich  und  yveist  fast  immer  geringere  Licht- 
brechung  als  der  Quarz  auf.  In  seltenen  Fallen  erreicht  er  dessen 
Lichtbrechung  oder  iibertrifft  sie  ein  wenig. 

Parallelstellung  w  >»  al5  z  >  7^ 
Kreuzstellung     w  ^  yx      s  >  a1 

Es  liegt  demnach  Oligoklasalbit  (imgefahr  you  der  Zu- 
sammensetzung  Ab8  Anj  —  Ab3  AnJ  yor.  Damit  stimmt  die 
Ausloschungsschiefe,  die  auf  Bliittchen  nach  M  im  Durchschnitt 
zu+120  gemessen  yvurde.  Auch  der  Kalkgehalt,  den  die  Ana- 
l)'se  ergibt,  deutet  auf  einen  kalkarmen  Plagioklas  bin. 
Plagioklas  besitzt  oft  deutlichen  Idiomorphismus  mit  bestimm- 
baren  Krystallfliichen.  Weniger  ist  dies  beim  Orthoklas  der 
Fall.  Diesem  fehlt  die  Zwillingsbildung;  dagegen  zeigt  er  sich 
nicht  selten  yon  Mikroperthitspindeln  durchzogen,  die  wohl 
als  Entmischungen   zu   deuten   sind.    Hie   und  da  linden  sich 


225 


am  Rande  des  Orthoklas  die  bekannten  myrmekitischen  Yer- 
wachsungen. 

Umwandlungserscheinungen  der  Feldspate  sind  haufig.  Es 
finden  sich  im  Feldspat  (bes.  im  Plagioklas)  kleine  Muscovit- 
schiippchen,  die  wie  ein  Schleier  den  Krystall  iiberziehen 
konnen.  AuBerdem  trifft  man  sehr  regelmaBig  Aggregate  yon 
rundlichen  bis  traubenformig  yerzweigten  schwarzlichen  Yer- 
witterungsprodukten.  Plagioklas  ist  durchweg  starker  ange- 
griffen  als  Orthoklas,  der  z.  T.  noch  yollstandig  frisch  er- 
scheint. 

Beide  Feldspate  zeigen  mit  groBer  RegelmaBigkeit  die 
„tropfenf6rmigen  Quarzeinschlusse,"  die  hie  und  da  die  Form 
yon  Dihexaedern  erkennen  lassen,  meist  aber  nur  unbestimmt 
rundliche  Gestalt  aufweisen. 

Der  Quarz  des  Gesteins  fiihrt  haufig  Fliissigkeitsein- 
schliisse.  Wo  er  in  groBeren  Dimensionen  auftritt,  bildet  er 
die  letzte  Ausfiillung:  er  weist  unregelmai3ige  TJmrisse  auf 
und  zeigt  besonders  auch  die  lappigen  pseudopodienartigen 
Fortsatze,  die  fiir  die  Quarze  in  den  Eruptiygneisen  des 
Schwarzwaldes  so  charakteristisch  sind.  AuJ3erdem  findet  sich 
Quarz  als  Ausfiillung  schmaler  Zwischenraume  zwischen  zwei 
Glimmerblattchen. 

Yon  Nebengemengteilen  des  Gesteins  sind  Apatit  und 
Zirkon  zu  erwahnen.  Apatit  tritt  sehr  haufig  auf  und 
erreicht  auch  recht  betrachtliche  Grofle  (bis  zu  0,6  mm  Durch- 
messer).  Zirkon  (z.  T.  Monacit  oder  Xenotim?)  ist  wie  der 
Apatit  fast  ausschlieBlich  an  Biotit  gebunden.  Ziemlich  selten 
sind  kleine  Koruer  yon  Gran  at.  Im  Glimmer  finden  sich 
regelmaBig  auch  Erzeinschliisse,  die  zum  groBten  Teil  .  aus 
Magnetit  bestehen. 

Einige  Erscheinungen  deuten  auf  Druckwirkungen  hin, 
denen  das  feste  Gestein  unterlag.  Die  Biotite  zeigen  manch- 
mal  leichte  Yerbiegungen;  auch  scherende  Bewegungen,  die 
die  Glimmer  in  der  Richtung  der  Lagen  auseinanderzerrten, 
machen  sich  in  geringem  MaBstab  geltend.  Quarz  zeigt  undu- 
lose  Ausloschung  und  ist  haufig  in  einzelne  Felder  zerfallen. 
Ob  diese  letztere  Erscheinung  zum  Teil  schon  primaren  Charakter 
besitzt,  muB  allerdings  dahingestellt  bleiben.  Fiir  alpine  Be- 
griffe  sind  die  mechanischen  Deformationen  des  normalen  Ge- 
steins sehr  gering.  Yon  einer  Entstehung  des  Gneises  aus 
einem  richtungslos  kornigen  Gestein  durch  bloBe  Druck- 
metamorphose  (ygl.  Lit.  10)  kann  keine  Rede  sein.  Was  aus 
einem  Granit  durch  Pressung  entsteht,  das  zeigen  in  schonster 
Weise    die    Sericitschiefer   der    GrimselstraBe,    die    aus  dem 

Zeitschr.  d.  D.  Geol.  Ges.  1914.  15 


226 


Innertkirchener  Granit  herYOrgehen.  Mit  derartigen  Gesteinen 
haben  die  beschriebenen  Gneise  strukturell  nicht  das  mindeste 
gemein. 

Ebenso  ist  eine  Entstehung  des  Gneises  durch  Krystalli- 
sationsschief erung  ausgeschlossen  (vgl.  hierzu  Lit.  7  und  17). 
Die  Struktur  des  groBglimmrigen  E.  Gn.  kann  nach  dem  Ge- 
sagten  nicht  als  krystalloblastisch  bezeichnet  werden.  Diese 
Strukturform  entsteht  ja  durch  gleicbzeitiges  Wachsen  aller 
Koniponenten,  wahrend  in  dem  vorliegenden  Gestein  sich 
deutlicbe  Anklange  an  reine  Eruptivstruktur  nacbweisen  lassen. 
Biotit  ist  (nacb  Zirkon  und  Apatit,  die  er  einschlieflt)  der 
zuerst  gebildete  Gemengteil.  Ibm  folgen  die  Feldspate,  yon 
denen  Plagioklas  zum  Teil  nocb  deutlicb  erkennbare  Krystall- 
fornien  aufweist.  Quarz  bildet  dagegen  die  Ausfiillung  der 
Zwischenraume  zwischen  den  iibrigen  Gemengteilen  (Vgl.  Taf.XX, 
Fig.  I)- 

Es  liegt  also  die  normale  Ausscbeidungsfolge  eines 
granitahnlich  en  Gesteins  yot,  die  nur  desbalb  nicht 
mit  Yollstandiger  Klarheit  zum  Ausdruck  kommt,  weil 
die  zuerst  gebildeten  Glimmerlagen  die  Auskry  stalli- 
sierung  der  iibrigen  Bestandteile  unter  einer  gewissen 
raumlichen  Beschrankung  erfolgen  liefien. 

Bei  der  Bildung  des  Gesteins  kann  es  sich  also  Yveder  um 
reine  Druckmetamorphose  (dagegen  spricht  das  Fehlen  mechani- 
scher  Deformationen)  noch  auch  um  Krystallisationsschieferung 
handeln  (die  Struktur  ist  nicht  krystalloblastisch).  Da  die 
Anzeichen  einer  Metamorphose  im  Gestein  fehlen,  so  mochte  ich 
den  grobglimmrigen  Erstfelder  Gneis  fur  ein  primar  parallel- 
struiertes  Erupti Ygestein  halten,  in  derselben  Weise,  wie 
dies  fur  den  Schapbachgneis  des  Schwarzwaldes  angenommen 
wird  (vgl.  Lit.  37,  43).  Auch  der  grobglimmrige  Erstfelder 
Gneis  ware  demnach  als  Eruptivgneis  (Ortho gneis)  zu 
bezeichnen1). 

DaJ3  richtungslos  kornige  granitische  oder  syenitische  Ge- 
steine  randlich  in  parallel  struierte  Gesteine  iibergehen  konnen, 
wurde  von  Sauer  am  Beispiel  des  Durbachits  gezeigt  (Lit.  37). 
Im    Gebiet    des    zentralen    Aaregranits    konnen    uberall  die 

})  Damit  fallt  das  Gestein  allerdings  nicht  mehr  unter  die  Defini- 
tion der  krystallinen  Schiefer  als  nietamorphe  Gesteine.  Trotzdem 
kann  der  Name  „ Gneis"  beibehalten  werden,  da  er.  ohne  auf  theoretische 
Ansichten  Riicksicht  zu  nehmen.  nur  die  Erseheinungsform  des  Gesteins, 
vor  allem  seine  Paralleltextur  bezeichnen  will.  Zu  einer  Aufteilun«>; 
der  „Gneise",  wie  sie  von  mancher  Seite  vorgeschlagen  wird,  ist  ge- 
genwartig,  wo  sich  die  verschiedensten  Anschauungen  iiber  die  Genese 
dieser  Gesteine  gegeniiberstehen,  noch  nicht  die  Zeit. 


227 


TJbergange  zwischen  richtungslosem  Granit  und  „Gneis"  nach- 
gewiesen  werden.  Worauf  die  Entstehung  der  Paralleltextur 
zuriickzufiihren  ist,  ist  eine  andere,  noch  ungeloste  Frage;  ich 
mochte  sie  mit  Sauer  und  Schwexkel  durch  eine  Art  FlieB- 
bewegung  im  Magma  erklaren  (ygl.  Lit.  43,  S.  171). 

Mit  dieser  Auffassung  der  grofiglimmrigen  E.  Gn.  lassen 
sich  yerschiedene  andere  Erscheinungen  gut  in  Einklang  bringen. 
Wahrend  bei  den  meisten  Gneisen  ebenflachige  Paralleltextur 
vorherrscht,  so  finden  sich  doch  auch  Gneise,  besonders  am 
linken  ReuBnfer  der  Gegend  yon  Erstfeld,  die  eine  schlierige 
Sonderung  der  Bestandteile  sowie  merkwiirdige  Biegungen, 
Faltelungen  und  Windungen  der  Lagen  aufweisen.  In  den 
Satteln  sammelt  sich  dann  haufig  eine  groBere  Quantitat  yon 
Quarz-Felclspatmasse  an.  Diese  Gneise  stimmen  nach  einer 
Mitteilung  you  Herrn  Dr.  Schwenkel  Yollstandig  mit  ge- 
Yvissen  Gneistypen  des  Schwarzwaldes  (z.  B.  des  Feldberge- 
biets)  iiberein.  Ich  mochte  sie  mit  ihm  als  Schlierengneise 
bezeichnen.  Unter  dem  Mikroskop  zeigt  sich  mit  aller  wiinschens- 
werten  Deutlichkeit,  dafl  diese  Faltungen  nicht  sekundar  im 
festen  Gestein  erzeugt  worden  sein  konnen.  Die  Biotite,  die 
die  Erscheinung  Yor  all  em  hervorbringen,  zeigen  keine  Spur 
mechanischer  Einwirkungen.  Es  miissen  also  diese  Schlieren- 
bildungen  und  Faltelungen  primar  im  Gneismagma  ent- 
standen  sein. 

Andere  Eigentiimlichkeiten  der  Eruptivgneise  zeigt  eine 
Wanderung  iiber  den  SustenpaB.  Nicht  selten  sieht  man  hier 
im  Gneis  helle  Adern  (6 — 10  cm  machtig),  die  in  die  Lagen 
der  Gneise  eindringen  und  hier  ein  linsenartiges  An-  und  Ab- 
schwellen  der  Quarz-Feldspatlagen  Yerursachen.  Oft  werden, 
anscheinend  durch  die  Stofikraft  dieser  eindringenden  Eruptiy- 
massen,  Biegungen  und  Stauchungen  der  Lagen  des  Gesteins 
Yerursacht.  Es  handelt  sich  um  Injektionen,  denn  es  findet 
ja  ein  Eindringen  nach  Yorgebildeten  Lagen  und  Schichtflachen 
statt.  Trotzdem  ist  das  ganze  Gestein  als  eruptiy  anzusprechen ; 
die  Injektionen  sind  in  Analogie  mit  Schwarzwalder  Vor- 
kommnissen  als  endogene  zu  erklaren. 

Das  heiBt:  Der  bereits  in  Erstarrung  begriffene  oder  schon 
erstarrte  Gneis  erhielt  hier  aus  der  Tiefe  neue  Nachschiibe, 
die  auf  Gangen  und  Adern  aufdrangen  und  you  hier  aus  den 
Flachen  geringsten  Zusammenhangs,  den  Glimmerflachen,  folgten. 
Auf  diese  Weise  ware  der  starke  Wechsel  in  der  Machtigkeit  der 
Quarz-Feldspatlagen  sowie  die  starke  Durch aderung  mancher 
Gneise  zu  erklaren. 

Auf  die  neueste  Theorie,  welche  die  groBglimmrigen  E.  Gn. 

15* 


228 


als  injizierte  Schiefer  zu  erklaren  yersucht,  d.  h.  als  ein  Misch- 
gestein,  das  dadurch  entstanden  ware,  daB  aplitische  Eruptiy- 
massen  auf  den  Schichtflachen  eines  Sediments  eindrangen, 
wird  spater  eingegangen  werden. 

Schwenkel  weist  fiir  die  Granulite  des  Schwarzwalder 
Gneismassivs  nach,  daB  sie  Spaltungsprodukte  des  Gneismagmas 
darstellen.  Hochstwahrscheinlich  sind  auch  die  yon  Staub  be- 
schriebenen  granatfiihrenden,  oft  parallel  struierten  Aplite  nichts 
anderes  als  Granulite,  also  yom  Magma  des  Eruptiygneises  ab- 
zuleiten.  AuBerdem  gelang  es  mir,  auf  dem  linken  ReuBufer 
oberlialb  Erstfeld  ein  Gestein  zu  finden,  das  nach  einer  Mit- 
teilung  yon  Herrn  Dr.  Schwenkel  sehr  stark  einem  sillimanit- 
fubrenden  Granulit  yon  Yorgelbach  gleicht.  AuBerlicb  zeigt 
sich  das  Gestein  sehr  fein  parallel  struiert,  weiB  mit  einem 
Stich  ins  Griinliche.  U.  d.  M.  yerrat  es  deutlich  den  eruptiyen 
Ursprung.  Idiomorphe,  im  Durchschnitt  fast  quadratische 
Plagioklase  fallen  auf.  Die  Quarze  weisen  rundliche  Eormen 
auf,  wie  sie  fiir  Granulite  charakteristisch  sind.  Dazwischen 
hindurch  ziehen  sich  streng  parallel  Strahnen  yon  Sillimanit. 
Dieser  scheint  zum  groBen  Teil  aus  Biotit  heryorgegangen  zu 
sein.  Mineralbestand  und  Struktur  erlauben  also,  das  Gestein 
als  Sil limanitgranulit  zu  bezeichnen. 

Alles  in  allem  genommen,  muB  die  Ahnlichkeit  der 
Erstfelder  Eruptiygneis e  mit  den  S  chapbachgneisen 
des  Schwarzwalds  jedem  Kenner  beider  Gebiete  auffallen.  Sie 
bezieht  sich  sowohl  auf  den  auBeren  Habitus  und  die  mikro- 
skopische  Struktur  des  normalen  Biotitgneises  als  auch  auf 
einzelne  untergeordnete  charakteristische  Varietaten,  die  beiden 
Gebieten  gemeinsam  sind. 

Auch  ein  Yergleich  der  chemischen  Zusammensetzung 
beider  Gesteine  zeigt  ihre  nahe  Verwandtschaft,  was  die  nach- 
folgenden  Analysen  dartun  sollen. 

Analyse  I:  Orthogneis,  normaler  Erstfelder  Eruptiygneis 
yom  Sustlital  (SiidostfuB  des  Wasenhorns);  zitiert  nach 
Konigsbekger  (Lit.  25).  Analytiker:  Sahlbom. 
Analyse  II :  Gneis  yon  Erstfeld  (Yarietat  ahnlich  dem 
Schapbachgneis);  zitiert  nach  Staub  (Lit. 44).  Aualytiker: 
Hezner. 

Analyse  III :  Glimmergneis  (Schapbachgneis),  Wildschapbach- 
tal;  zitiert  nach  Lit.  37.    Analytiker:  Dittrich. 

Analyse  IV:  Orthitgneis,  ebendort;  zitiert  nach  Rosenbusch 
(Lit.  32).    Aualytiker:  Dittrich. 


229 


Die  Analysen  wurden  auf  Molekularprozente  unigerechnet, 
daraus  die  Werte  fur  A,  C,  F,  T,  n  festgestellt;  schlieBlich 
wurden  noch  die  OsANNschen  Projektionswerte  a,  c,  f  berechnet 
(nach  dem  Yorgang  von  Becke  (Lit.  6)  und  Grubenmann 
(Lit.  17)  ohne  den  TonerdeuberschuB  als  Molekiil  (MgFe)Al204 
zu  c  zu  schlagen).  Der  TonerdeuberschuB  wurde  noch  extra 
auf  a  +  c  +  f  =  20  umgerechnet. 


Ge  wicktspro  zente. 

I  II  III  IV 

Si02                                    68,27  64,89  68,21  70,25 

TiO,                                     0,35  0,91  0,41  0,27 

P205                                     —  1,10  0,10  - 

A1203                                   15,08  14,69  12,22  14,47 

Fe,03                                    1,22  1,78  0,89  0,85 

FeO                                      3,25  3,85  2,88  2,30 

CaO                                      1,18  2,67  2,66  2,64 

MgO                                    1,19  1,85  1,65  1,93 

KoO                                     4,76  4,05  2,47  3,04 

Na,0                                      3,70  2,57  4,43  2,82 

Ghihverl.  ,                        .     1,88  1,87  0,84  0,95 

100,88  100,32 

Molekularprozente. 

Si02  +  TiO,                         75,61  73,7 

A1203                                    9,78  9,6 

FeO                                      4,00  4,7 

CaO                                      1,39  3,2 

MgO                                    1,96  3,1 

K20  •                 3,35  2,9 

NajjO                                    3,91  2,8 

10p  100,0  100,0  100,0 


99,76 


76,15 
7,99 
3,43 
3,17 
2,75 
1,76 
4,77 


99,52 


76,65 
9,26 
2,79 
3,07 
3,15 
2,11 
2,97 


Gruppen werte  (nach  Osann-Grubenmann). 

I  II  III  IV 


S   75,6  73,7  76,1  76,6 

A  .   7,0  5,7  6,5  5,1 

C   1,4  3,2  1,5  3,1 

F   6,0  7,8  7,9  5,9 

M  :  ....  0,0  0,0      .1,7  0,0 

T   1,4  0,7  —  1,1 

K   1,5  1,5  1,5  1,7 

n  .  .  .  .  •   5,6  5,2  7,3  5,8 


Projektionswerte  (nach  Osann). 


.  .  9,7 

7 

8,2 

7,2 

.  .  2,0 

4 

1,9 

4,4 

f  

,  8,3 

9 

9,9 

8,4 

-f  A1203  auf  a  +  c  +  f  =  20 

.  .  2,0 

1 

1,6 

230 


Die  chemische  Analyse  der  Erstfelder  Gneise  deckt  sicb 
mit  den  Befunden  der  mikroskopischen  Untersuchung:  es  sind 
Gesteine  yon  granitahnlicher  Zusammensetzung;  der  Kalkgehalt 
ist  maBig,  Natronfeldspat  uberwiegt  den  Kalifeldspat.  Der 
TonerdeuberschuB  ist  gering,  jedenfalls  nicht  hoher  als  bei 
einer  groBen  Anzahl  echt  granitischer  Gesteine   (ygl.  Konigs- 


berger,  Lit.  23).  Ein  Beweis  dafiir,  daB  in  dem  grobglimmrigen 
Erstfelder  Gneis  sedimentares  Material  enthalten  sein  miisse, 
laJ3t  sicb  mit  einem  so  geringen  TonerdeiiberschuB  nicht  fuliren. 
Mineralogiscb  ist  er  wohl  auf  den  reiclilich  vorbandenen  Biotit 
zuruckzufiihren.  Die  Analysen  sind  vielmebr  wobl  geeignet, 
die  Ansicbt  yon  der  rein  eruptiven  Natur  des  groBglinimrigen 
E.  Gn.  zu  stiitzen. 

Ein  Yergleicb  mit  den  Analysenvverten  der  beiden  Scbwarz- 
waldgneise  zeigt  obne  weiteres  die  nabe  Verwandtscbaft  beider 
Gesteine. 

2.   Der  Erstfelder  Sedimentgneis. 

Von  dem  grobscbuppigen  Erstfelder  Eruptiygneis  unter- 
scheidet  sicb  ein  anderer  Typus  recbt  scbarf;  er  gleicbt  den 
Rencligneisen  des  Schwarzwalds,  die  dort  als  S edimentgneise 


231 


erkannt  wurden.  Es  sind  sehr  feinkornige  Gneise  mit  kleinen 
Biotitblattchen.  Die  grofle  Menge  dieses  Minerals  yerleiht 
ihnen  dunkelbraunes  bis  schwarzliches  Aussehen.  Oft  ist  an 
diesen  sehr  gleichmaBig  zusammengesetzten  Gesteinen  nur 
schwer  eine  Paralleitextur  zu  erkennen;  zu  einer  Lagenbildung 
kommt  es  nicht.  Trotzdem  spaltet  doch  das  Gestein  hie  und 
da  ganz  vorziiglich.  Ein  AufschluB  im  typischen  feinkornigen 
Gneis  oberhalb  der  Krontehiitte  des  S.  A.  C.  im  „Grau"  zeigt 
geradezu  eine  Schichtung  des  Gneises.  Er  erscheint  aus  zahl- 
reichen  Bankchen  von  ca.  5 — 8  cm  Machtigkeit  aufgebaut.  Da 
noch  eine  Kliiftung  senkrecht  zur  Schichtflache  hinzukommt, 
so  entstehen  bei  der  Verwitterung  kleine  prismatische  Stiicke. 
Auch  sonst  wurde  in  den  feinkornigen  Gneisen  ziemlich  haufig 
ein  derartiges  Spalten  wahrgenommeu.  Unwillkiirlich  wird  man 
durch  diese  Erscheinung  an  Schichtflachen  eines  urspriinglichen 
Sediments  erinnert.  An  verschiedenen  Stellen  finden  sich  in  den 
feinkornigen  E.  Gn.  Einlagerungen  yon  Kalk  oder  Kalksilikat- 
fels,  was  den  Gedanken  an  sedimentare  Natur  verstarken  mul3. 

Ahnlich  wie  bei  den  Renchgneisen  des  Schwarzwalds  findet 
man  nur  selten  groBere  Blocke  dieses  Gesteins,  meist  nur 
kleinere  Bruchstiicke.  Infolge  der  ziemlich  weitgehenden 
Kliiftung  ist  hier  auch  die  Verwitterung  yiel  weiter  fort- 
geschritten  als  in  den  kompakteren  Eruptivgneisen. 

Der  Mineralbestand  der  feinkornigen  Gneise  ist  im 
allgemeinen  derselbe  wie  in  den  Eruptiygneisen.  Dagegen  er- 
geben  sich  in  der  Ausbildung  der  einzelnen  Gemengteile,  in  der 
Struktur,  scharf  unterscheidende  Merkmale  (vgl.  Taf.XX,  Fig. 2). 

U.  d.  M.  macht  sich  yor  allem  ein  groBer  Reichtum  an 
Biotit  bemerkbar.  Er  tritt  in  lauter  kleinen,  aber  meist 
streng  parallel  geordneten  Schiippchen  auf.  Nur  in  seltenen 
Fallen  finden  sich  Ansatze  zur  Lagenbildung,  meist  liegen  die 
Glimmerkrystallchen  isoliert  und  unregelmafiig  yerteilt.  Zum 
Teil  erweist  sich  der  Biotit  noch  als  frisch  und  kraftig  pleo- 
chroitisch;  in  andern  Fallen  hat  schon  die  Verwitterung  ein- 
gesetzt,  die  chloritische  und  muscoyitische  Substanzen  liefert 
und  in  alien  Stadien  verfolgt  werden  kann. 

In  zweiter  Linie  fallt  bei  vielen  Gesteinen  dieser  Art  ein 
betrachtlicher  Reichtum  an  Quarz  auf,  der  in  Gestalt  runcler 
oder  langlicher  Korner  mit  einfachen  Umrissen  erscheint. 
Pseudopodienartige  Verzweigungen,  wie  sie  fur  die  Quarze  der 
Eruptiygneise  charakteristisch  gefunden  wurden,  sind  ihm  fremd. 
Sehr  wechselnd  ist  das  Mengenverhaltnis  yon  Quarz  und  Felcl- 
spat;  meist  iiberwiegt  der  erstere. 


232 


An  Feldspat  ist  Orthoklas  und  saurer  Plagiokla s  vor- 
handen.  Nahere  Bestimmungen  sind  bei  der  Kleinheit  des 
Korns  und  der  meist  schlechten  Erhaltung  nicht  gut  moglich. 
Auch  das  Yerhaltnis  von  Orthoklas  und  Plagioklas  scheint 
starkem  "Wechsel  zu  unterliegen.  Sehr  haufig  ist  die  Bildung 
muscoYitischer  Substanzen  aus  Feldspat. 

Charakteristisch  fur  diese  Gneise  ist  nun  das  Auftreten 
von  Sillimanit,  der  sich  in  Yielen  Gesteinen  in  Gestalt 
glanzender  Strahnen  nachweisen  lieB.  Bezeichnend  ist  auch 
die  Anwesenheit  Yon  Graphit.  Er  bildet  Stabchen  und 
Blattchen  mit  den  eigentiinilich  faserigen  Umrissen.  Auch  die 
fur  Graphit  so  typischen  zerfaserten  und  aufgeblatterten 
Aggregate  kommen  YOr.  Gran  at  konnte  nur  in  wenigen  Gesteinen 
aufgefunden  werden;  dagegen  sind  Apatit  und  Zirkon  sehr 
haufige  akzessorische  Gemengteile.  An  Erzen  finden  sich  blut- 
rot  durchscheinender  Hamatit,  Magnetit,  seltner  auch  Pyrit. 

Der  Mineralbestand  ist  also,  mit  Ausnahme  des  sehr  be- 
zeichnenden  Yorkommens  Yon  Sillimanit  und  Graphit,  derselbe 
wie  im  EruptiYgneis.  Um  so  scharfer  sind  die  Unterschiede 
der  Struktur.  Zunachst  muB  auffallen,  daB  diese  Gesteine 
viel  feinkorniger  sind  als  die  EruptiYgneise.  Alle  Komponenten 
weisen  annahernd  gleiche  GroBe  auf  und  stoflen  in  einfachen 
Begrenzungslinien  zusammen.  Eigene  Krystallformen  werden 
dabei  nicht  gebildet.  Am  ehesten  ist  dies  noch  beim  Biotit 
der  Fall;  Quarz  und  Feldspat  bilden  dagegen  iiberall  rundliche 
oder  schwach  langliche  Formen.  Dabei  finden  noch  gegen- 
seitige  EinschlieBungen  der  Komponenten  statt,  die  wesentlich 
weiter  gehen  als  bei  den  EruptiYgneisen.  Sehr  haufig  um- 
schliefien  sich  Quarz  und  Feldspat;  oft  ist  auch  der  Biotit 
Yollstandig  in  eins  dieser  Mineralien  eingewachsen.  Besonders 
finden  sich  diese  Erscheinungen  an  vereinzelten  groBeren  Feld- 
spatkrystallen,  die  Yollstandig  durchspickt  erscheinen.  Nicht  selten 
kann  man  Feldspate  mit  Anwachsrandern  beobachten.  Alle  diese 
Tatsachen  deuten  auf  ein  gleichzeitiges  Wachsenaller Komponenten 
hin;  die  Struktur,  die  auf  diese  Weise  zustande  kommt,  ist  als 
krystalloblastisch  bzw.  granoblastisch  zu  bezeichaen.  Sie 
weist  deutliche  Anklange  an  Kontaktstruktur  (Siebstruktur)  auf. 

Das  Substrat,  das  diesen  Gneis  lieferte,  muB  sedimentarer 
Natur  gewesen  sein;  neben  der  auBeren  Erscheinungsform  und 
den  erwahnten  Kalkeinlagerungen  sprechen  Mineralbestand  und 
Struktur  der  Gesteine  dafiir.  Sillimanit  ist  ein  typischer 
Gemengteil  der  Sedimentgneise  des  Schwarzwalds,  Graphit 
deutet  auf  organische  Einschliisse  (vgl.  Rosenbusch,  Lit.  30,  I). 
Die  Struktur  der  Gesteine  zeigt  in    keiner  "Weise  Anklange  an 


233 


Eruptivstrukturen.  Yielmehr  machen  manche  Partien  u.  d.  M. 
direkt  den  Eindruck  eines  glimmerreichen  Sandsteines  (vgl. 
Taf.  XX,  Abb.  2).  Diese  feinkornigen  Gneise  miissen  demnach 
als  Sedimentgneise  aufgefaflt  werden. 

Die  chemische  Analyse  bestatigt  diese  Ansicht. 
Analyse  Y:  Feinkorniger  Biotitgneis  von  Silenen.  Analytiker: 
Verfasser. 

Analyse  VI:  Sericitgneis  (Sedimentgneis)  von  Amsteg;  zitiert 
nach  Staub  (Lit.  44).    Analytiker:  Hezner. 


Si02 
Ti02 
P205 

•SO, 


Gewichtsprozente. 

V  VI 
69,12 
0,67 


Molekularprozente. 


FeO  . 

MnO  . 

€aO  • 

MgO  . 

K20  . 

Ka?0  . 
Gliihverl 


16,46 
1,43 
2,71 

2,10 
0,71 
2,60 
3,14 
0,73 


61,20 
1,09 
0,33 
0,28 
16,19 
0,27 
6,64 
0,10 
1,36 
3,62 
3,51 
2,64 
3,22 


V 

VI 

Si02  +  Ti02 

.  76,81 

70,7 

Al2Oa    .  .  . 

.  10,68 

10,8 

FeO  .  .  .  . 

.  3,67 

6,6 

CaO  .  .  .  . 

.  2,48 

1,6 

MgO     .  .  . 

.  1.18 

4,9 

K20  .... 

.  1,83 

2,5 

NaaO    .  .  . 

.  3,35 

2,9 

100,0 

100,0 

99,67  100,45 


S   76,8 

A   5,2 

C   2,5 

F   4,8 


G-ruppenwerte. 
VI 

70,7 

5,4 

1,6 
16,8 


M  0,0 

T  3,0 

K  1,6 


VI 
0,0 
3,8 
1,3 


Gesteinsformeln  nach  Osann  : 


V: 
VI 


'76,8 
S70,5 


l4.5 


'14,6 


Die  beiden  Analysen  zeigen  ziemlich  bedeutende  Unter- 
schiede,  besonders  bei  Kalk,  Eisen  und  Magnesia.  Bei  um- 
gewandelten  Sedimenten  kann  dies  nicht  wundernehmen.  Fur 
sedimentare  Natur  der  Gesteine  spricht  vor  allem  der  betracht- 
liche  TonerdeiiberscbuB,  der  in  solcher  Hohe  bei  Eruptiv- 
gesteinen  nicht  gefunden  wird. 


Noch  starker  kommen  chemische  Differenzen  im  Aufbaa 
dieser  Gneise  durch  die  Einlagerungen  yon  Kalksilikat- 
felsen  und  kornigem  Kalk  zum  Ausdruck.    Sie  liefern  den 


234 


besten  und  augenfalligsten  Beweis  fiir  die  sedinientare  Natur 
des  feinkornigen  Gneises.  Rosenbusch  (Lit.  30,  II)  wies  zuerst 
auf  die  groBe  theoretische  Bedeutung  solcher  Einlagerungen 
hin  und  beschrieb  in  klassiseher  Weise  eine  Anzahl  von  Yor- 
kommnissen  des  Schwarzwalds  (Lit.  30,  II  und  III).  Besonders 
schone  und  petrographisch  interessante  Einlagerungen  im 
Sedimentgneis  des  Erstfelder  Gebiets  finden  sich  an  der  Susten- 
straBe  (Urner  Seite).  Dieses  Yorkommen  wird  zuerst  yon 
Sauer  (Lit.  38)  erwahnt,  der  tier  zum  erstenmal  in  den 
Schweizer  Alpen  Wollastonitgesteine  nachweisen  konnte.  Der 
Freundlichkeit  von  Herrn  Sauer  verdanke  ich  schones  Material 
yon  dieser  Lokalitat. 

Folgt  man  von  Earnigen  an  der  StraBe  aufwarts,  so  fiihrt 
der  Weg  vom  Gorezmettlental  an  durch  typische  Eruptivgneise 
bis  zur  dritten  Kehre  oberhalb  Sustenalp;  bier  steht  ein  merk- 
wiirdiges  weiBes  Gestein  mit  griinlichen  Flecken  und  Lagen  an. 
Bessere  Einblicke  in  die  Yerbandsverhaltnisse  gewahrt  der 
Anscbnitt  der  vierteu  Kehre ;  auch  die  fiinfte  Kehre  zeigt  noch- 
mals  das  weiBe  Gestein.  Kurz  darauf  tritt  man  jedoch  wieder 
in  den  Eruptivgneis  ein,  der  nun  bis  zum  Hotel  Stein  anhalt. 
Es  muB  hier  sofort  auffallen,  daB  an  dieser  Stelle  eine  Bildung 
vorliegt,  die  von  dem  sonst  herrschenden  Gneis  total  ver- 
schieden  ist.  Durch  tiefe  Yerwitterung  einzelner  Lagen  treten 
fast  senkrecht  gestellte  Banke  eines  weiBen  Gesteins  heraus. 
Zu  dem  massigen,  keine  Spur  von  Bankung  aufweisenden  Auf- 
bau  des  Eruptivgneises  bedeutet  dies  einen  uberaus  scharfen 
Gegensatz.  Das  weiBe  Gestein  laBt  sich  bei  naherer  Unter- 
suchung  als  ein  Kalksilikatfels  erkennen,  der  bier  in  vielfacher 
Wechsellagerung  mit  einem  feinkornigen  Biotitgneis  auftritt. 
Dieser  stimmt  makroskopisch  und  mikroskopisch  mit  den  oben 
bescbriebenen  Sedimentgneisen  uberein  und  iiberwiegt  wolil  an 
Quantitat  die  Kalksilikatfelse.  Der  Eindruck,  den  man  ge- 
winnt,  ist  der,  daB  hier  eine  riesige  Scholle  von  Sediment- 
gneis mit  stark  kalkhaltigen  Einlagerungen  vom 
Eruptivgneis  eingehullt  ist.  Dieser  Eindruck  wird  da- 
durch  verstarkt,  daB  diese  Sedimentgneise  in  erheblicher  Ab- 
weichung  vom  sonst  iiblichen  alpinen  NO-Streichen  fast  genau 
nach  N  streichen.  In  der  Nahe  folgen  ihnen  darin  die  Eruptiv- 
gneise, um  in  einiger  Entfernung  jedoch  wieder  allmahlich  in 
die  gewohnliche  Richtung  einzubiegen.  Es  liegt  also  ein  An- 
schmiegen  des  Eruptivgneises  an  die  Scholle,  eine  Art  Um- 
flieBen  derselben  vor.  Yon  ihr  scheint  ein  richtunggebender 
EmfluB  auf  die  Paralleltextur  des  unihullenden  Gneises  aus- 
geiibt  worden  zu  sein.    Eine  den  Sedimentgneis  durchsetzende 


235 


pegmatitische  Ader,  hauptsachlich  aus  blaulichem  Feldspat 
(Orthoklas)  bestehend,  deutet  darauf  bin,  daB  Eruptivmassen 
in  geringem  Mafie  auch  ins  Innere  der  Scholle  eindrangen. 
Die  mechanische  Beeinflussung  des  Ganzen  durch  den  tertiaren 
Gebirgsdruck  ist  gering.  Sie  auBert  sich  in  N — 30°  0 
streichenden  sekundaren  Schieferungs-  und  Ablosungsflachen. 

Besonderes  Interesse  erregen  natiirlich  die  Kalksilikat- 
felse,  die  als  Einlagerungen  in  den  Sedimentgneisen  auftreten, 
und  ihre  petrographische  Beschaffenheit. 

Den  haufigsten  Typus  stellt  ein  weiBes  Gestein  dar, 
das  deutlich  parallel  geordnete  Lagen  eines  griinen  Minerals 
aufweist,  in  dem  man  unschwer  Augit  erkennt.  AuBerdem  ist 
in  allgemeiner  Yerbreitung  noch  ein  rotliches  Mineral  mit 
spitzrhombischen  Durchschnitten  zu  finden,  das  sich  dadurch 
als  Titanit  zu  erkennen  gibt.  Bei  der  Yerwitterung  treten  oft 
strahlig-faserige  Aggregate  heraus,  die  auf  die  Anwesenheit  von 
Wollastonit  hindeuten.  —  Wahrend  im  allgemeinen  eine  maBige 
KorngroBe  vorherrscht,  so  bilden  doch  einzelne  Yarietaten  recht 
groBe  Krystalle  aus.  Gewisse  Kalksilikatfelse  weisen  pracht- 
volle  griine  Augite  yon  4 — 5  cm  Lange  und  1  cm  Durchmesser 
auf,  die  das  charakteristische  Prisma  des  Augits  deutlich  er- 
kennen lassen.  Die  Titanitkrystalle  wachsen  in  diesem  Gestein 
bis  auf  y3  cm  GroBe. 

Bei  der  Untersuchung  im  Mikroskop  muB  zunachst  auf- 
fallen,  daB  der  groBte  Teil  des  Gesteins  yon  einem  Feldspat 
gebildet  wird,  der  geringere  Lichtbrechung  als  Canadabalsam 
besitzt  und  keine  Spur  yon  Zwillingslamellierung  aufweist. 
Es  liegt  also  offenbar  Orthoklas  vor.  Meist  treten  ja  in  der- 
artigen  Gesteinen  stark  kalkhaltige  Plagioklase  auf;  jedoch 
erwahnt  aach  Rosenbusch  das  Yorkommen  yon  Orthoklas  im 
Wollastonitfels  des  Bellenwald  (Lit.  30,  II,  S.  388).  Meist  ist 
der  Orthoklas  schon  etwas  getrubt,  hie  und  da  auch  schwach 
sericitisiert.  Der  Augit  erscheint  im  Dunnschliff  vollkommen 
farblos;  an  maximaler  Ausloschungsschiefe  wurde  38  —  39°  ge- 
messen;  es  handelt  sich  demnach  um  Diopsid,  worauf  schon 
der  makroskopische  Habitus  der  Krystalle  schlieBen  laBt.  All- 
gemein  yerbreitet  ist  eine  sehr  feine  und  scharfgezeichnete 
Zwillingsbildung  nach  (100).  Besonders  zeigen  dies  auch  die 
schonen  groBen  Augitindiyiduen.  Meist  findet  sich  der  Augit 
in  den  Feldspat  eingewachsen,  hie  und  da  in  skelettformigen 
Krystallen.  Im  allgemeinen  ist  er  noch  vollstandig  frisch;  an 
manchen  Stellen  kommt  eine  schwache  Serpentinisierung  vor.  — 
Sehr  haufig  ist  Titanit,  der  in  schon  idiomorphen  Krystallen 


236 


(Briefkuyertform)  im  Augit  oder  Feldspat  eingewachsen  auftritt. 
An  manchen  Krystallen  ist  ein  deutlicher  Pleochroismus  be- 
merkbar  (farblos  —  braunlichrot).  Die  iiberaus  gleichmaBige 
und  ziemlich  reichliche  Titanitfuhrung  ist  als  besonderes 
Charakteristikum  aller  Yarietaten  zu  bezeichnen.  Dasselbe 
betont  Rosenbusch  fiir  die  „Paraaugitgneise"  (Kalksilikatfelse) 
des  Schwarzwalds  (Lit.  30,  II,  S.  372).  Vgl.  auch  Sauer:  Erl. 
zu  Bl.  Gengenbach,  1894.  RegelmaBig  findet  sich  auch  Zoisit, 
der  an  seinen  stahlblauen  Interferenzfarben  leicht  zu  erkennen 
ist  und  meist  Aggregate  bildet.  Wollastonit  findet  sich  in 
dieser  Gesteinsvarietat  nur  in  geringen  Mengen;  er  tritt  in  radiar 
angeordneten  Biischeln  von  schlanken  Nadeln  auf.  Ob  der  in 
geringer  Menge  vorkommende  Kalkspat  als  direkt  aus  dem 
Sediment  stammend  zu  erklaren  ist,  oder  ob  in  ihm  Yerwitterungs- 
und  Infiltrationsprodukte  vorliegen,  ist  nicht  gut  zu  entscheiden. 
Apatit  in  Gestalt  kurzer  gedrungener  Saulchen  ist  regelmaBig 
vorhanden,  freier  Quarz  dagegen  selten.  Erze  konnten  nicht 
gefunden  werden.  Sie  fehlen  anscheinend,  wie  hier  gleich  ange- 
fiigt  werden  soli,  alien  Kalksilikatfelsen  des  Sustenpasses. 

Die  Gesteinsstruktur  ist  die  typischer  Kontaktgesteine: 
fast  alle  Bestandteile  schlieBen  sich  (soweit  die  GroBenverhalt- 
nisse  dies  erlauben)  gegenseitig  ein.  Das  Gestein,  aus  dem  dieser 
Kalksilikatfels  hervorging,  muB  ein  vorwiegend  toniges,  kali- 
reiches  Sediment  mit  maBigem  Kalkgehalt  gewesen  sein. 

Es  sei  gleich  hier  die  Beschreibung  eines  Kalksilikat- 
felses  vom  Opplital  (linkes  Nebental  der  ReuB  zwischen 
Amsteg  und  Erstfeld)  angefiigt,  der  makroskopisch  der  eben 
beschriebenen  Yarietat  vom  SustenpaB  aufierordentlich  gleicht. 
U.  d.  M.  zeigt  sich  eine  starke  Zunahme  des  Quarzes,  der  dem 
Feldspat  gleichkommt.  Neben  unverzwillingtem  Feldspat  tritt 
noch  ein  zwillingsgestreifter  saurer  Plagioklas  auf.  Im  ilbrigen 
gleicht  das  Gestein  vollstandig  dem  vom  SustenpaB. 

Andere  Gesteine  des  Sustenpasses  zeigen  nun  ein  Zunehmen 
der  Kalksilikate  auf  Kosten  des  Feldspates,  der  nach  und  nach 
vollstandig  verschwindet.  Diese  Gesteine  besitzen  weiBe  Farbe; 
nur  noch  wenige  lichtgrune  Flecken  lassen  Augit  darin  erkennen. 
Dagegen  sind  schon  makroskopisch  seidenglanzende  radiar- 
faserige  Aggregate  eines  weifien  Minerals  zu  erkennen.  Es 
handelt  sich  um  Wollastonit.  Die  mikroskopische  Unter- 
suchung  bestiitigt,  daB  hier  echte  Wollastonitfe lse  vorliegen. 
Schon  radiar  angeordnete  Biischel  schlanker  Wollastonitsaulchen 
beherrschen  das  ganze  Strukturbild.    Kalkspat  ist  in  diesem 


237 


Gestein  noch  in  schon  ausgebildeten,  zwillingslamellierten 
Krystallen  vorhanden  und  stellt  sicher  einen  primaren  Bestand- 
teil  dar.  Von  den  JBuscheln  des  Wollastonits  wird  er  kreuz 
und  quer  durchschossen,  und  man  bekommt  geradezu  den  Ein- 
druck,  als  wiirde  der  Kalkspat  von  dem  ihn  durchwachsenden 
Wollastonit  allmahlich  aufgezehrt.  Yom  Wollastonit  hebt  sich 
durch  starkere  Lichtbrechung  deutlich  der  Augit  ab.  Er  kommt 
nur  in  relativ  kleinen  Krystallen  yor,  liegt  haufig  innerhalb  der 
Wollastonitrosetten  und  weist  Zwillingslamellierung  nach  (100) 
auf.  Kleine  Korner  von  Titanit  und  Apatit  sind  sehr  zahlreich, 
Quarz  dagegen  selten. 

Das  Substrat,  das  diesem  Wollastonitfels  zugrunde  lag, 
muB,  im  Gegensatz  zum  vorigen  Gestein,  ein  kalkreiches,  ton- 
erdearmes  Sediment  gewesen  sein. 

Eine  weitere  Zunahme  des  Kalkes  zeigt  ein  Typus,  der  nun 
schon  als  silikatreicher  Marmor  bezeichnet  werden  kanm 
Dieses  Gestein  gleicht  auBerlich  dem  zuerst  beschriebenen:  weiBe 
Farbe  mit  griinliclien  Lagen.  Jedoch  erkennt  man  schon  mit 
der  Lupe  in  dem  weitfen  Mineral  zwillingslamellierten  Kalkspat. 
Eine  weitere  Eigentiimlichkeit,  die  schon  makroskopisch  in  die 
Erscheinung  tritt,  sind  schwarze,  iiberaus  lebhaft  glanzende 
Kornchen.  TJ.  d.  M.  zeigt  sich  das  Gestein  als  zum  groBten  Teil 
aus  Kalkspat  bestehend.  Es  scheint  einer  Pressung  unter- 
legen  zu  sein:  auf  Gleitflachen  erfolgten  leichte  Verschiebungen 
der  Krystalle;  zum  Teil  sind  die  Zwillingslamellen  stark  ver- 
bogen.  Im  Kalkspat  eingeschlossen  linden  sich  zerstreut  Korner 
von  Apatit  und  Quarz  sowie  Augit  krystalle  maBiger  Grofle; 
auch  kleine  idiomorphe  Krystallchen  von  Titanit  sind  weit 
verbreitet.  Vor  allem  aber  fallt  das  schon  makroskopisch 
erkennbare  schwarze  Mineral  auf,  das  sich  durch  semen  blenden- 
den  Glanz  und  seine  Unloslichkeit  in  HC1  als  Graphit  zu 
erkennen  gibt.  Teils  sind  es  rundliche  Korner  mit  Andeutung 
von  Krystallflachen,  teils  Stabchen  mit  zerfasertem  Rand. 

In  diesem  krystallinen  Kalk  finden  sich  nun  Lagen  von 
Silikaten,  die  eine  grofie  Anzahl  von  Mineralien  erkennen  lassem 
Haufig  sind  Zoisit,  schwach  pleochroitischer  grunlicher  Epidot 
und  Augit  (Diopsid).  AuBerdem  kommt  Orthoklas,  zonarer 
Vesuvian  und  Gran  at  vor.  Alle  diese  Mineralien  sind  aufs 
engste  miteinander  verwachsen.  Titanit,  Apatit  und  Graphit 
finden  sich  auch  hier  in  den  Silikatlagen.  Freier  Quarz 
ist  an  den  Grenzen  dieser  Lagen  gegen  den  Kalk  ziem- 
lich  haufig  und  drangt  sich  oft  noch  zwischen  die  einzelnen 
Krystalle  ein. 


238 


Nach  deni  Mineralbestand  zu  schliefien,  liegt  also  hier  ein 
kontaktmetamorphes  Kalkgestein  mit  geringeni  Tonerde-  und 
Kieselsauregehalt  vor. 

Reiner  (silikatfreier)  krystalliner  Kalk  konnte  nur  in  wenigen 
Stiicken  gefunden  werden,  die  zudem  jedenfalls  nur  sekundare 
Bildungen  darstellen. 

An  den  zuletzt  beschriebenen  Typus  Tom  SustenpaB  schliefien 
sich  nun  sehr  eng  Gesteine  an,  die  von  Herrn  Prof.  Sauer  im 
Schuttkegel  des  Riedbachs  bei  Erstfeld  gefunden  wurden.  In 
ihnen  nimmt  der  Kalkgehalt  noch  weiter  zu.  Die  innige 
Yerbindung  mit  G-neis  beweisen  Handstiicke,  die  zur  einen 
Halfte  aus  dem  feinkornigen  Sedimentgneis,  zur  andern  aus 
krystallinem  Kalk  bestehen.  Der  Gneis  zeigt  kleine,  parallel 
geordnete  Biotitschuppchen,  die  zum  grofiten  Teil  schon  der 
Chloritisierung  anheimgefallen  sind.  Gegen  den  Kalk  hin 
stellen  sich  einzelne  Graphitkorner,  Augit-  und  Kalkspat- 
krystallchen  im  Gneis  ein.  Die  Grenze  bildet  eine  helle 
glimmerfreie  Zone  von  ungefahr  ya  cm  Breite.  Der  krystalline 
Kalk,  der  nun  folgt,  bildet  gegen  den  Gneis  eine  Lage  von 
Kalksilikaten  aus.  Yor  allem  ist  es  Augit,  der  an  der  Bildung 
dieser  Grenzzone  beteiligt  ist;  daneben  findet  sich  Tit  an  it, 
Wollastonit,  Apatit  und  Granat.  Quarz  drangt  sich 
zwischen  die  Kalkspatkrystalle  ein.  Diese  weisen  groBe,  sehr 
schon  verzwillingte  Individuen  auf,  die  haufig  eine  schwache 
Druckwirkung  erkennen  lassen.  Der  krystalline  Kalk  fiihrt 
noch  vereinzelte  kleine  Augite  neben  sehr  reichlich  vorhandenem 
G  rap  hit.  Oft  zeigen  sich  die  Calcitkrystalle  von  staubformig 
verteiltem  Graphit  impragniert.  Die  Kalksilikate  sind  bei  diesem 
Gestein  also  hauptsachlich  auf  die  Grenze  gegen  den  Gneis 
beschrankt,  wo  bei  der  Metamorphose  vielleicht  ein  gegenseitiger 
Stoffaustausch  vor  sich  ging. 

Ein  anderes  krystallines  Kalkgestein  derselben  Lokalitat 
zeigt  in  der  Art  und  Weise  seiner  Yerwitterung  einen  Aufbau 
aus  chemisch  differenten  Lagen.  U.  d.  M.  zeigt  es  sich  zum 
grofiten  Teil  aus  grobkrystallinem  Kalk  spat  zusammengesetzt, 
in  dem  zerstreut  einzelne  Korner  von  Augit,  Granat,  Titanit 
und  Graphit  liegen.  Die  Lagen,  die  sich'bei  der  Yerwitterung 
als  widerstahdsfahiger  erweisen,  werden  von  Quarz  gebildet, 
der  zahlreiche  Krystalle  von  stahlblau  polarisierendem  Zoisit 
einschlieflt. 

In  anderen  krystallinen  Kalken  hnden  sich  statt  dessen 
einzelne  Lagen  von  Wollastonit  in  den  schon  mehrmals  er- 
wahnten  biischeligen  Aggregates 


239 


Die  petrographische  Untersuchung  der  Kalksilikatfelse  des 
Sustenpasses,  deiien  sich  die  Kalkeinlagerungen  des  Riedtals 
eng  anschlieBen,  bestatigt  also  die  zuerst  ausgesprochene  Ansicht, 
dafi  in  ihnen  umgewandelte  Sedimente  vorliegen.  Ihre 
enge  Verbindung  mit  dem  feinkornigen  Gneis  macht  es  sicher, 
daB  auch  er  ein  umgewandeltes  Sediment  darstellt.  Liegt  diesem 
in  der  Hauptsache  ein  grauwackenahnliches  Material  zugrunde, 
so  liegen  uns  in  den  Kalksilikatfelsen,  bezw.  kornigen  Kalken, 
tonig-kalkige  bis  kalkige  Z  wischenlagerungen  dieses 
Gesteins  vor. 

Dann  erlaubt  uns  aber  die  petrographische  Untersuchung, 
auch  die  Frage  nach  der  Art  und  Weise  der  Umwandlung  zu 
beantworten.  Der  Mineralbestand  der  Kalksilikatfelse  (Wollasto- 
nit,  Augit,  Vesuvian,  Zoisit,  Granat)  spricht  entschieden  fur 
Kontaktmetamorphose.  Damit  erhalten  wir  auch  eine  An- 
deutung,  wie  wir  uns  die  Entstehung  des  Sedimentgneises 
zu  denken  haben:  auch  er  diirfte  im  wesentlichen  unter  den 
Verhaltnissen  der  Kontaktmetamorphose  gebildet 
worden  sein. 

Zum  SchluB  sei  nochmals  auf  die  frapp  ante  Ahnlich- 
keit  der  Kalksilikatfelse  des  Sustenpasses  mit  den  ent- 
sprechenden  Einlagerungen  im  S  edimentgneis  des 
Schwarzwalds  hingewiesen.  Es  wiederholen  sich  in  beiden 
Gebieten  vollstandig  dieselben  Typen  mit  ihren  charakteristischen 
Einzelheiten  (vgl.  hierzu  Rosenbusch,  Lit.  30,  a  und  b,  und 
Thurach,  Lit.  46). 

Als  eine  Yarietat  des  Sedimentgneises  muB  hier 
endlich  noch  ein  merkwiirdiges  Gestein  beschrieben  werden,  das 
von  Sauer  bei  Silenen  gefunden  wurde.  Es  ist  ein  feinkorniger, 
graugrunlicher  Gneis,  der  makroskopisch  kaum  eine  Parallel- 
textur  erkennen  laBt.  Das  ungewohnliche  daran  sind  hell- 
blauliche  Flecken,  die  bis  1  cm  Durchmesser  aufweisen. 
Das  Mineral,  das  sie  bildet,  zeigt  gut  ausgebildete  spiegelnde 
Krystallflachen  und  gibt  sich  dadurch  als  F  elds  pat  zu  erkennen. 
Meist  sind  diese  Feldspate  yon  einer  etwas  dunkleren  Zone 
umgeben.  U.  d.  M.  zeigt  die  Hauptmasse  des  Gesteins  den 
Typus  eines  normalen  feinkornigen  Sedimentgneises  mit  Biotit, 
Feldspat  (meist  Plagioklas)  und  Quarz.  Merkwiirdig  ist  nun 
das  Auftreten  von  Turmalin,  der  sich  zahlreich  in  Gestalt 
kurzer  gedrungener  Saulchen  einstellt (Durchmesser  0,1 — 0,15mm, 
Lange  bis  0,5  mm).  Meist  fiigen  sich  diese  Saulchen  in  die 
Parallelitat  des  Gesteins  ein.    Der  Turmalin  ist  deutlich  pleo- 


240 


chroitisch  (a  =  farblos,  c  =  hellbraunn)  und  weist  nicht  selten 
Zonarstruktur  auf.  In  krystallographisch  begrenzten  Hohl- 
raumen  fiihrt  er  Flussigkeitseinschliisse.  Er  tritt  meist  mit 
Biotit  Yergesellschaftet  auf,  findet  sich  aber  auch  im  Quarz  und 
Feldspat  eingewachsen. 

Yon  diesem  Strukturbild  heben  sich  nun  deutlich  die 
groJ3en  Feldsp ataugen  ab.  Urn  sie  herum  findet  eine  An- 
reicherung  des  Biotits  statt.  Im  G-egensatz  zu  den  Feldspaten 
des  iibrigen  Gesteins  erweisen  sich  diese  groflen  Krystalle  als 
Orthoklas.  Haufig  sind  in  ihnen  runde  Einschliisse  von  Quarz, 
die  gegen  den  Rand  bin  an  Zahl  zunehmen;  hier  wird  auch 
Turmalin,  jedocb  kein  Biotit  eingeschlossen.  Neben  sparlicheni 
Sericit  bilden  sich  in  diesen  grofien  Orthoklaskrystallen  eigen- 
tiimliche  haarformige  Verwitterungsprodukte  die  zum  Teil  an 
Sillimanit  erinnern. 

Was  diese  merkwiirdigen  Gebilde  zu  bedeuten  haben,  ist 
unklar.  Jedenfalls  steht  das  Yorkommen  des  Turmalins  und 
der  Feldspataugen  in  einem  gewissen  Zusammenhang;  beides 
ist  vielleicht  durch  eine  pneumatolytische  Beeinflussung  des 
Gesteins  zu  erklaren.  Damit  wiirde  dieser  Gneis  zu  andern 
Gesteinen  iiberleiten,  die  sicher  eruptives  Material  aufgenommen 
haben,  also  Mischgneise  darstellen. 

3.  Die  Mischgneise. 

Meist  tritt  uns  der  Sedimentgneis  nicht  in  yollstandiger 
Reinheit  entgegen.  Yielfach  zeigt  er  sich  (in  sehr  wechselndem 
Mafie)  durch drnngen  Yon  eruptivem  Material,  so  daB  diese 
Gneise  als  „ Mischgneise-'  you  den  echten  Sedimentgneisen  ab- 
geschieden  Yverden  mtissen. 

Nicht  selten  finden  sich  im  Sedimentgneis  aplitische 
bezw.  gr anulitis ch e  Gange;  Yon  ihnen  aus  fiihren  Gangchen 
ins  Nebengestein,  die  sich  zuletzt  in  feine  Adern  auflosen. 
Eben  diese  feinen  letzten  Yerzweigungen  sind  ungemein 
charakteristisch  fur  weite  Gebiete.  Ihre  Ablosnng  Yon  groBeren 
Aplitmassen,  die  nicht  selten  noch  Bruchstiicke  des  benachbarten 
Gneises  einschliei3en,  konnte  nur  selten  beobachtet  werden;  nicht 
selten  erweisen  sich  die  feinen  Aderchen  bei  der  Yerwitterung 
als  Aviderstandsfahiger  und  treten  dann  plastisch  aus  dem  Gestein 
heraus.  Scheinbar  ohne  Regel  setzen  sie  quer  oder  schief  zur 
Schichtung  durch  den  Sedimentgneis  hindurch3  oft  in  eigentum- 
lich gebogenen und gewundenen Linien1).  Auf kurze  Strecken konnen 

')  Die  Erscheinungen  zeigen  die  groCte  Ahnlichkeit  mit  den  neuer- 
dings  von  Sederholm  beschriebenen  und  abgebildeten  ,.ptygmatisch 
geialteten  Aplitadern".    (N.  J.  f.  Min.,  Beilage-Bd.  36,  1913). 


241 


sie  auch  in  der  Schichtungsebene  verlaufen,  meist  weichen  sie  bald 
wieder  dayon  ab.  Hie  und  da  kommen  bauchige  Anschwellungen 
der  Adern  vor,  in  denen  sich  das  Eruptivmaterial  staut.  Dafl 
die  Schichtflachen   der  Gneise  nicht  in  viel  weitgehenderem 


Fig.  2. 

Sedimentgneis  mit  eruptiven  Adern.    Block  im  Riedbach  bei  Erstfeld. 
1]i  natiirl.  GroBe. 


Fig.  3. 

Sedimentgneis  mit  gewundener  aplitischer  Ader  quer  zur  Schichtung. 
Riedbach.    Natiirl.  GroBe. 

MaBe  benutzt  werden,  erklart  sicb  aus  ihrer  undeutlichen  Aus- 
bildung,  dem  Mangel  an  Lagentextur  (vgl.  das  mikroskopiscbe 
Strukturbild,  Tafel  I,  2).  Nur  an  wenigen  Stellen  bilden  sich. 
Injektionen  nacb  Schichtflachen.  In  diinnen  keilformigen  Lagen 
dringt  hier  die  Eruptivmasse  in  den  Sedimentgneis  ein,  urn 
jedoch  bald  ihre  StoBkraft  zu  yerlieren  und  blind  zu  endigen 
(vgl.  Fig.  4). 

Zeitschr.  d.  D.  Geol.  Ges.  1914.  16 


242 


XL  d.  M.  zeigen  diese  so  kaufigen  Eruptivadercken  uberall 
gleickartige  Zusammensetzung.  Ziemlich  grofie,  idiomorphe 
Feldspate  bilden  die  Hauptmasse.  Es  konimt  Ortkoklas  und 
sehr  feinlamellierter  Plagioklas  yor.  Am  Rand  der  Ortko- 
klase  finden  sich  zum  Teil  myrmekitiscke  Yerwachsungen. 
Biotit  scheint  dem  eindringenden  Eruptivmaterial  zu  feklen; 
wo  er  auftritt,  ist  er  nach  vielen  Beobacktungen  vom  Neben- 
gestein,  dem  Sedimentgneis,  losgerissen  und  in  das  Gangcken 
hinein  verfloBt  worden.  Die  Begrenzung  der  Adercken  ist 
manckmal  Yollkommen  sckarf,  in  andern  Fallen  findet  an  der 


Fig.  4. 

Sedimentgneis  mit  Injektionen.    Arni  bei  Amsteg.    1/2  natiiii.  GroBe. 

Beriikmngsnacke  eine  teilweise  Durckdringnng  von  Eruptiy- 
und  Sedimentmaterial  statt.  Diese  Yermisckungszone  iiber- 
sckreitet  jedock  kaum  die  Breite  von  1/2  cm.  Makroskopisck 
aufiert  sick  der  Vorgang  in  einem  allmaklicken  Yersckwinden 
der  Biotite  gegen  das  Gangcken  kin.  Hie  und  da  finden  sick 
an  Stellen,  wo  das  EruptiYmaterial  offenbar  Teile  des  Neben- 
gesteins  assimilieft  kat,  Krrstalle  Yon  Granat.  Anhaufungen 
yon  Biotit  gegen  die  Adercken  kin,  wie  sie  Staub  (Lit.  44,  S.  9) 
besckreibt,  konnten  nickt  gefunden  werden;  ebensowenig  zeigten 
die  Glimmer  in  der  Nackbarsckaft  der  Gangcken  eine  Anderung 
ikres  Erkaltungszustands. 

In  alien  derartigen  durckaderten  „Misckgneisen"  kann 
Eruptiv-  und  Sedimentmaterial  gut  auseinandergekalten  werden. 
In  anderen  Fallen  mackt  dies  Sckwierigkeiten.  Sckon  in  dem 
Handsti'ick,  das  in  Fig.  4  abgebildet  ist,  deutet  die  glimmer- 
reicke  Lage  inmitten  des  kellen  (eruptiven)  Teils  darauf  kin, 
dafl  kier  eine  Aufsckmelzung  und  Yollstandige  Lostrennung  Yon 
Sedimentmaterial  erfolgtist.  DieselbeErscbeinung  wiederkolt  sick 
in  einem  Gestein  vom  Faulenbackfall  (Erstfelder  Tal),  das 
neben  dunklen,  durckaus  sedimentgneisartigen  Partien  kellere 


243 


Lagen  zeigt,  die  sich  in  ausgezeickneter  Paralleltextur  in  glimmer- 
armere  und  -reichere  Bander  differenzieren.  U.  d.  M.  zeigen  sich 
sehr  wechselnde  Strukturverhaltnisse :  neben  ziemlich  reiner 
Eruptiystruktur  tritt  ein  intensives  gegeuseitiges  Sich-Durch- 
dringen  aller  Bestandteile  ein.  Sehr  haufig  sind  zerstiickelte 
Granaten.  Jedenfalls  handelt  es  sich  hier  urn  ein  Mischgestein, 
in  dem  durch  eine  eindringende  aplitische  Masse  Teile  des  Sedi- 
mentgneises  losgelost  und  mebr  oder  yveniger  yollstandig  assi- 


Fig.  5. 

Sedimentgneis  mit  pegmatitischen  Adern  (z.  T.  verworfen). 
Grau  (Erstf elder  Tal).    Y10  natiirl.  GroBe. 

miliert  wurden.  Die  streng  parallele  Anordnung  der  chemisch 
differenten  Partien  geschah  durch  die  Flieflbewegung  des  sich 
eindrangenden  Eruptiymaterials. 

Neben  den  Apliten  kommen  im  Gebiet  der  Sedimentgneise 
noch  pegmatiti  sche  Adern  in  Betracht,  die  besonders  im 
„Grau"  schon  zu  beobachten  sind.  —  Auch  sie  setzen  meist 
unbekummert  um  die  Schichtung  quer  durch  das  Gestein  hin- 
durch  mit  yereinzeltem  schwachem  seitlichem  Eindringen.  Sie 
bestehen  aus  grobkrystallinem,  blaulichem  Feldspat  (Orthoklas), 
kleinen  Nestern  yon  Biotit  und  wenig  Quarz.  Die  vom  Susten- 
paB  erwahnte  Ader  im  Sedimentgneis  der  Scholle  ist  identisch 
mit  den  Pegmatiten  des  Grau. 

Fragen  wir  schlieBlich  nach  der  Abstammung  dieser  Eruptiv- 
massen,  so  ist  es  das  nachstliegende,  sie  auf  den  Eruptivgneis 
zuriickzufuhren.  Das  Sedimentgneisgebiet  des  Grau  liegt  yoll- 
standig im  Eruptiygneis  eingeschlossen,  der  es  in  groBerem  und 

16* 


244 


i 


kleinerem  Maflstab  durchdringt  und  so  zum  Teil  Mischgneise 
aus  ihm  schafft.  Das  Auftreten  des  Pegmatits  in  der  Scholle 
am  Susten,  das  nur  auf  den  umhiillenden  Eruptivgneis  zuriick- 
gefuhrt  werden  kann,  bestatigt  diese  Ansicht. 

Ein  Vergleich  mit  den  Mischgneisen  des  S chwarzw aides- 
zeigt,  dafi  auch  hier  weitgehende  Ahnlichkeiten  bestehen.  (Vgl. 
hierzu  Schwenkel  (Lit.  43)  und  eine  in  nachster  Zeit  erscheinende 
Arbeit  yon  Haffner.) 

4.  Amphibolite. 

In  den  meisten  Gneisgebieten  finden  sich  als  Einlagerungen 
in  wechselnder  Anzahl  und  Machtigkeit  Gesteine  (eruptiver  pder 
sedimentarer  Entstehung),  deren  gemeinsamerCbarakter  ein  boher 
Gebalt  an  Hornblende  ist,  und  die  deshalb  als  Amphibolite  be- 
zeicbnet  werden.  Sie  feblen  auch  den  Erstf elder  Gneisen  nicht 
und  kommen  sowohl  in  den  Eruptivgneis  en  als  auch  in  den 
Sedimentgneisen  vor.  Es  seien  im  folgenden  zwei  Typen  be- 
schrieben. 

Der  erste  Tvjdus  stammt  aus  dem  Erstfelder  Tal  und  ist 
als  Plagioklasamphibolit  zu  bezeichnen.  Plagioklas  (von 
der  chemischen  Zusammensetzung  des  Oligoklas)  iibertrifft  die 
iibrigen  Mineralien  an  Quantitat.  Zwillingsbildung  nach  Albit- 
und  Periklingesetz  ist  allgemein  verbreitet;  selten  werden  von 
dem  Mineral  eigene  Krystallflachen  ausgebildet.  Haufig  finden 
sich  die  bekannten  rundlichen  Quarzkorner  im  Feldspat  ein- 
geschlossen;  sonst  kommt  wenig  freier  Quarz  vor.  Mit  dem 
Feldspat  eng  verbunden  ist  die  Hornblende.  Sie  ist  meist  in 
unvollkommenen  Krystallen  im  Feldspat  eingewachsen;  gewohn- 
lich  sind  nur  die  Krystallflachen  des  Prismas  ausgebildet.  Die 
Hornblende  ist  schwach  pleochroitisch  (a  =  schwach  gelblich, 
5  =  griinlich,  c  =  hellbraungriin)  und  weist  Ausloschungsschiefen 
bis  zu  12°  auf.  Biotit  findet  sich  haufig  in  krystallographischer 
Orientienmg  nach  denPrismenflachen  inHornblende eingewachsen. 
Meist  ist  er  schon  weitgehend  chloritisiert  und  durch  Aus- 
scheidungsprodukte  verunreinigt.  Apatit,  Zirkon  und  Eisen- 
erze  vervollstandigen  den  Mineralbestand  des  Gesteins. 

Scharf  davon  unterschieden  ist  ein  zweiter  Typus,  ein 
Gestein  von  Silenen,  das  aus  Sedimentgneisen  stammt.  Es  ist 
fast  schwarz,  sehr  dicht  und  kolossal  zahe.  Hornblende  und 
Biotit  sind  schon  makroskopisch  zu  erkennen.  U.  d.  M.  zeigt 
sich,  dal}  Hornblende  den  Hauptbestandteil  des  Gesteins  bildet. 
Sie  erscheint  jedoch  nicht  in  grofieren  zusammenhangenden 
Krystallen,  sondern  als  ein  Haufwerk  sehr  kleiner  Korner  und 
Prismen.    Der  Hornblende  kommt  an   Quantitat  der  Quarz 


245 


nicht  ganz  gleich.  Zwischen  beiden  Mineralien  bestehen  innige 
Yerwachsungen:  bald  scbeint  Hornblende  in  Quarz  eingewachsen, 
bald  Quarz  in  Hornblende,  die  Struktur  des  Gesteins  ist  also 
„  diablastisch".  Aufier  Hornblende  und  Quarz  kommt  noch 
Biotit  yor,  meist  in  Aggregaten  von  mehreren  Blattchen.  Er 
schlieBt  sparliche  Eisenerze  (Magnetit)  ein. 

Nach  dem  Mineralbestand  zu  schlieBen,  muB  das  Gestein 
sedimentaren  Ursprungs  sein;  nach  den  Hauptgemengteilen  ist 
■es  als  Quarzamphibolit  zu  benennen, 

5.  Abzweigungen  eines  granitischen  Magmas  im  Gebiet  der 
Erstfelder  Gneise. 

Zum  SchluB  sind  noch  Gesteine  aus  dem  Erstfelder  Gneis- 
gebiet  zu  erwahnen,  die  streng  genommen  nicht  in  den  Verband 
der  Gneise  gehoren;  sie  sind  junger  als  diese.  Hierher  zahlen 
der  von  Staub  zuerst  erwahnte  „Granitstock"  yon  Erstfeld, 
■der  yon  einem  Quarzporphyr  begleitet  ist,  sowie  gewisse  Yon 
.Sauer  im  Erstfelder  Tal  aufgefundene  basische  Ganggesteine 
(Minette,  Gangporphyrit,  Orthophyr).  Bei  dem  „Granitstock" 
.Staubs  handelt  es  sich  zweifellos  um  einen  Gang  Yon  Granit- 
porphyr,  der  auf  ein  in  der  Tiefe  Yerborgenes  granitisches 
Magma  hinweist.  Auch  die  Ganggesteine  Sauers  deuten  dar- 
auf  hin;  als  Ganggefolge  eines  EruptiYgneises  sind  solche  Ge- 
steine noch  nicht  bekannt  geworden. 

Durch  diese  Erscheinungen  ware  eine  weitere  Analogie 
zwischen  Schwarzwald  und  Erstfelder  Gneisgebiet  festgestellt. 
Auch  dort  wird  ja  das  Gneisgebirge  regelmaBig  Yon  Granit- 
porphyrgangen  durchbrochen,  die  meist  der  Yaristischen  Streich- 
richtung  SW — NO  folgen;  auch  Gange  basischer  Ganggesteine 
(Minette)  im  Gneis  sind  aus  dem  Schwarzwald  bekannt  ge- 
worden. 

Das  Granitmagma,  auf  welches  diese  Ganggesteine  als  mag- 
matische  Differenzierungen  zuriickzufiihren  sind,  ist  ohne  Zweifel 
das  des  Innertkirchener  Granits,  das  weiter  nach  W  an  die 
Oberflacbe  tritt. 

Es  sei  hier  noch  die  Beschreibung  einer  typischen  Minette 
aus  dem  Erstfelder  Tal  angefiigt,  die  you  Sauer  an  mehreren 
Stellen  im  Gehangeschutt  gefunden  wurde. 

Das  Gestein  ist  feinkornig  und  glimmerreich,  Yon  sehr 
dunkler  Farbung.  Die  Untersuchung  im  Dunnschliff  laBt  alle 
Eigentiimlichkeiten  erkennen,  die  fiir  dieses  lamprophyrische 
Ganggestein  so  charakteristisch  sind.  Den  Hauptbestandteil 
bildet  ein  langlich  leistenformiger  Feldspat,  der  haufig  Zwillings- 
bildung  nach  dem  Karlsbader  Gesetz  aufweist.   Jedenfalls  handelt 


246 


es  sich  um  Orthoklas.  —  Quarz  ist  sehr  selten.  Dem  Feld* 
spat  folgt  an  Menge  der  Biotit,  der  zurn  Teil  in  kleinen 
Schiippchen  zwischen  den  Feldspaten  liegt,  jedoch  auch  groBere 
Krystalle  aasbildet.  Diese  zeigen  in  schoner  Weise  die  charak- 
teristischen  Eigenschaften  des  Biotits  in  derartigen  Gesteinen: 
zonare  Struktur  (auBen  dunkler,  d.  h.  eisenreicher  als  innen) 
und  randliche  Zerlappung.  Mit  Biotit  zeigt  sich  oft  Pyrit 
Yerwachsen.  —  Recht  haufig  ist  ein  farbloser  Augit,  der  je- 
doch meist  schon  der  Zerstorung  anheimgef alien  und  nur  noch 
in  TJberresten  zu  sehen  ist.  Er  wandelt  sich  in  Chlorit  um, 
und  auch  der  reichlich  vorhandene  Kalkspat  muB  zum  Teil 
auf  Rechnung  des  Augits  gesetzt  werden.  Apatit  in  langen 
diinnen  Nadelchen  ist  sehr  haufig. 

Durch  die  beschriebenen  Eigenschaften  wird  das  Gestein  als- 
typische  Augit-Minette  charakterisiert,  d.  h.  als  basisches- 
Spaltungsprodukt  eines  granitischen  Magmas. 

IT.  Allgemeines  iiber  die  Erstfelder  Gneise. 

Schon  bei  der  Beschreibung  der  einzelnen  Gneistypen  wurde- 
auf  ihre  enge  Yerwandtschaft  mit  Schwarzwaldgesteinen 
hingewiesen.  Es  mogen  diese  Analogien  noch  einmal  im  Zu- 
sammenhang  dargestellt  werden. 

Der  groBglimmrige  Biotitgneis  des  Erstfelder  Gebiets  ent- 
spricht  dem  normalen  Schapbachgneis  des  Schwarzwalds.  Ge- 
banderte  und  gefaltelte  Varietaten  finden  ihr  Analogon  in  den 
„Schlierengneisen"  der  Feldberggegend  und  des  Kinzigtals.  Yon 
Granuliten  wurde  ein  Sillimanitgranulit  gefunden,  der  sein  Gegen- 
stiick  in  der  Kinziggegend  findet.  Die  feinkornigen  Sedimentgneise 
des  Erstfelder  Massivs  sind  den  Renchgneisen  des  Schwarzwalds 
gleichzustellen.  Auch  in  ihnen  finden  sich  Kalksilikateinlagerungen, 
die  denen  des  Schwarzwalds  auffallend  gleichen.  Neben  Eruptiv- 
und  Sedimentgneisen  treten  in  beiden  Gebieten  Mischgneise  auf. 
Die  Amphibolite  weisen  sehr  ahnlichen  Habitus  auf. 

Zusammenfassend  kann  gesagt  werden,  daB  die  IJberein- 
stimmung  des  Erstfel der  Gneiskomplexes  mit  dem  des 
Sch warz waldes  fur  den  Kenner  beider  Gebiete  eine  ganz  iiber- 
raschende  ist.  Nach  der  Aussage  von  Herrn  Dr.  Schwenkel 
konnte  man  bei  jedem  meiner  in  der  Erstfelder  Umgebung  ge- 
sammelten  Handstiicke  irgendeinen  Ort  im  Schwarzwalder 
Grundgebirge  nennen,  wo  derselbe  Typus  Torkommt.  Was  dies 
bedeutet,  yersteht  der,  der  schon  verschiedene  Gneismassive 
kennen  gelernt  hat.  Die  Typen  krystalliner  Schiefer,  wie  sie 
uns  etwa  der  Schwarzwald,  das  Erzgebirge,  der  Bohmisch-  Bay- 
risclie  Wald  oder  irgendein  alpines  Gneisgebiet  (z.  B.  der  Simplon)- 


247 


bieten,  sind  alle  unter  sich  yerscbieden;  fur  jedes  Gneisgebiet 
sind  gewisse  Gesteine  cbarakteristisch,  die  sich  in  einem  andern 
nicht  yorfinden.  Nie  ist  z.  B.  im  Scbwarzwald  ein  Gneis  nacb- 
gewiesen  worden,  der  etwa  an  den  Cordieritgneis  des  Bayrischen 
Waldes  erinnern  wiirde.  —  Daran  andert  auch  eine  gleiche  Ent- 
stehnng  zweier  Gesteine  nicbts.  Genetisch  ist  der  Eruptiygneis 
des  Scbwarzwalds  dem  Eruptiygneis  des  Erzgebirges  gleicb- 
zustellen:  es  sind  primar  parallel  struierte  Eruptivgesteine. 
Trotzdem  lassen  sie  sich  sehr  gut  unterscbeiden,  es  sind  yer- 
scbiedene  Typen.  Wenn  nun  eine  derartig  yollkommene  petro- 
grapbiscbe  Ubereinstimmung  aller,  nicbt  bloB  einzelner  Glieder 
bestebt  wie  zwiscben  Erstfeider  Gneisen  und  Schyyarzwald- 
gneisen,  so  ist  der  ScbluB  zwingend,  daB  es  sicb  bier  um  yer- 
scbiedene  Teile  eines  und  desselben  Gneismass,ivs 
bandeln  muU.  Konigsberger  (Lit.  25)  spricbt  die  Ansicbt  aus, 
der  Erstfeider  Ortbogneis  „entsprecbe  genetiscb  dem  Eruptiv- 
gneis  des  Scbwarzwalds,  des  Erzgebirges  und  anderen  Ortbo- 
gneisen".  Es  ist  auf  Grund  der  uberraschenden  Abnlicbkeit 
beider  Gneisgebiete  erlaubt,  weiter  zu  geben  und  zu  sagen:  Das 
Erstfeider  Gneismassiy  ist  mit  dem  des  Scbwarzwalds 
identiscb,  nacb  einer  Unterbrecbung  durcb  Sedimentbedeckung 
taucben  bier  bei  Erstfeld  wieder  ecbte  Scbwarzwalder  Gneise 
empor. 

Uber  die  Entstebung  des  Scbwarzwalder  Gneis- 
gebirges  bat  in  letzter  Zeit  nacb  Sauer  (Lit.  37)  und 
Rosenbusch  bauptsacblicb  Schwenkel  gearbeitet  (Lit.  43).  Nacb 
ibm  ware  der  Gang  der  geologiscben  Ereignisse  im  Scbwarz- 
wald  der  fol^nde:  Jedenfalls  in  pracambriscber  Zeit  dringt  ein 
Magma  (der  Scbapbacbgneis)  in  einen  Sedimentkomplex  ein, 
den  es  durcb  und  durcb  metamorphosiert  (Rencbgneis).  Rand- 
licb  findet  eine  intensiye  gegenseitige  Durcbdringung,  die  Bildung 
yon  Miscbgneisen,  statt.  Das  eruptiv  eindringende  Magma  er- 
starrt  mit  paralleler  Anordnung  seiner  Gemengteile,  was  auf 
eine  Art  yon  FlieJ3bewegung  im  Magma  zuruckzufubren  ist. 
Granulite  und  gewisse  Pegmatite  stellen  Spaltungsprodukte  des 
Gneismagmas  dar. 

Schwenkel  weist  auiterdem  ausfiihrlich  nacb,  daB  der 
mittelcarboniscbe  Granit  den  Gneis  bereits  so  yorfand,  wie 
er  uns  aucb  beute  nocb  yorliegt.  Yon  einer  Bildung  yon 
Injektionsgneisen  durcb  den  Granit  kann  demnacb  keine 
Rede  sein. 

Diese  Ans  cbauungen  mocbte  icb  auf  die  Erstfeider 
Gneise  iibertragen.    Leider  ist  es  bier  nicbt  in  demselben 


248 


Mafie  rnoglich,  genetische  Studien  zu  treiben  wie  im  Schwarzwald. 
Kunstliche  Aufschliisse,  die  frisches  Material  liefern  wiirden 
und  einen  Einblick  in  die  Natur  der  eruptiven  Vorgange  ge- 
wahren  konnteu,  wie  dies  bei  den  Steinbriichen  des  Schwarz- 
waldes  so  schon  der  Fall  ist  (vgl.  die  ungewohnlich  gunstigen  Auf- 
schliisse im Kinzigtal !),  fehlen  fast  vollstandig.  Was  iiber  die  geolo- 
gischen  Yerbandsverhaltnisse  der  einzelnen  Gneistypen  festgestellt 
werdenkonnte,  ist ungefahr  folgendes :  Eruptivgneis  nnd  Sedi- 
mentgneis  wechseln  miteinander  ab.  Zunachst  treten  beim 
Auftauchen  der  E.  Gn.  Eruptivgneise  auf;  dann  folgen  im  Profil 
des  ReuBtals  feinkornige  Sedimentgneise ,  die  aber  wieder  yon 
Eruptivgneisen  abgelost  werden.  So  konnten  z.  B.  bei  Bristen 
wieder  Eruj)tivgneise  yon  normal  em  Typus,  allerdings  durcli 
Gebirgsdruck  etwas  verandert,  gefunden  werden.  Auch  die 
Arbeiten  am  Stausee  auf  dem  Arni  lieferten  schones  Material 
yon  Eruptiygneisen.  Das  Erstfelder  Tal  liegt  der  Hauptsache 
nach  in  Eruptivgneisen ;  auch  der  Kronte  ist  aus  ihnen  auf- 
gebaut.  Dazwischen  liegen  die  typischen  Sedimentgneise  des 
Grau,  die  deutlich  Beeinflussung  durcli  eruptives  Material  zeigen. 
Am  SustenpaB  fanden  sich  die  beschriebenen  Kalksilikatlagen 
in  Sedimentgneis;  das  Ganze  schwimmt  als  riesige  Scholle  im 
Eruptiygneis.  Hier  wird  es  uns  auch  klar,  daB  es  in  erster 
Linie  der  Eruptiygneis  selber  war,  der  die  Sedimente  metamor- 
phosierte  und  je  nach  der  chemischen  Zusammensetzuug  des 
vorgefundenen  Materials  Sedimentgneise  oder  Kalksilikatfelse 
daraus  erzeugte. 

Diese  Beobachtungen  stimmen  mit  den  Verhaltnissen  des 
Schwarzwaldes  iiberein  und  lassen  esals  das  gegebene  erscheinen, 
die  angefiihrten  Anschauungen  iiber  die  Entstehung  des  Schwarz- 
walder  Gneismassiys  auch  auf  die  Erstfelder  Gneise  zu  iiber- 
tragen.    Nichts  spricht  dagegen. 

Dieselben  Ansichten  vertritt  im  allgemeinen  Konigsbergek 
(Lit.  25).  Auch  er  lafit  den  Orthogneis  eruptiy  in  eine  Sediment- 
masse,  die  „Sericitgneise",  eindringen  uud  konstatiert  zwischen 
beiden  Gesteinen  dasselbe  Yerhaltuis  wie  zwischen  Schapbach- 
und  Renchgneis.  Ich  mochte  dabei  nur  dem  widersprechen, 
daB  der  Eruptiygneis  in  die  „Sericitgneise"  eingedrungen  sei. 
Dieser  Typus  wurde  erst  durch  die  tertiare  Gebirgsbewegung 
geschaffen,  wie  spater  des  niiheren  ausgefiihrt  werden  soil.  — 
Eiir  das  Alter  des  Erstfelder  Orthogneises  mochte  Konigsbergek 
wie  fur  die  andern  Eruptivgneise  Mitteleuropas  Devon  oder 
Untercarbon  ansetzen.  (Eine  Begrundung  dieser  Ansicht  findet 
sich  in  Lit.  27.)   Eigentlich  kann  iiber  die  E.  Gn.  nur  das  aus- 


249 


gesagt  werden,  daB  sie  alter  als  das  Carbon  des  Wendenjochs 
sein  miissen,  in  dem  sie  als  Gerolle  auftreten.  Schwenkel 
macht  fiir  den  Schwarzwaldgneis  prac ambris  ch  es  Alter 
wahrscheinlich.  Da  die  E.  Gn.  den  Gneisen  des  Schwarzwaldes 
gleichzusetzen  sind,  ware  auch  fiir  sie  dieses  Alter  anzu- 
nehmen. 

Neuerdings  (1911)  erschien  nun  von  W.  Staub  eine  Be- 
schreibung  der  Erstfelder  Gneise,  die  zu  einer  ganz  andern 
Auffassung  des  Komplexes  kommt  (Lit.  44).  Auch  Staub  kon- 
statiert  zunachst  zweifellose  Sedimentgneise,  legt  nun  aber  be- 
sonderen  Wert  auf  die  granitischen  und  aplitischen  Gesteine 
der  Umgegend  von  Erstfeld  und  schreibt  ihnen,  bezw.  dem 
Magma,  dem  sie  entstammen,  die  Bildung  von  „Mischgneisen 
(Injektions-  und  Imbibitionsgneisen)"  zu.  Er  bescbreibt,  wie 
von  Pegmatitgangen  aus  Adern  in  das  Nebengestein  (den  Sedi- 
mentgneis)  eintreten,  und  versucbt  dann  nachzuweisen,  daB  auch 
die  groBglimmrigen  Gneise  („Yarietat  ahulich  dem  Schap- 
bachgneis")  Mischgesteine  sind,  daB  sie  durch  den  Granit,  bezw. 
Aplit,  injizierte  Schiefer  darstellen.  Der  „Sedimentgneisu 
hatte  dazu  das  Substrat  geliefert. 

Zunachst  diirfte  der  Beweis,  der  aus  der  chemischen  Ana- 
lyse gefiihrt  wird,  kaum  stichhalten.  Der  TonerdeiiberschuB 
(0,7  Molproz.)  ist  so  gering,  daB  er  nicht  als  beweisend  fiir  sedi- 
mentare  Beimischung  angesehen  werden  kann.  Echt  granitische 
Gesteine  konnen  noch  hoheren  TonerdeiiberschuB  aufweisen. 
DaB  fiir  ein  Eruptivgestein  der  Gehalt  an  Eisenoxyden  und 
Magnesia  (d.  h.  der  Biotitgehalt)  zu  hoch  sei,  ist  nicht  zu  be- 
griinden.  Eher  konnte  aus  der  Analyse  ein  Gegenbeweis  gefiihrt 
werden.  Es  lieJ3e  sich  zeigen,  daB  durch.  die  Mischung  eines 
aplitischen  Gesteins  mit  dem  Erstfelder  Sedimentgneis  (vgl. 
Analysen  Y  und  VI,  Seite  223)  kein  Gestein  von  der  chemischen 
Zusammensetzung  des  groBglimmrigen  Gneises  (vgl.  Analysen 
I  und  II,  Seite  229)  entstehen  kann;  vor  allem  konnte  es  keine 
derartig  konstante  Zusammensetzung  aufweisen. 

Bei  der  mikroskopischen  Beschreibung  der  betr.  Gneise 
betont  Staub:  „Unter  dem  Mikroskop  zeigen  alle  Diinnschliffe 
dieser  Mischgesteine  einen  sehr  ahnlichen  Habitus."  Dies  wi- 
derspricht  aber  ihrer  Natur;  denn  Mischgesteine,  wie  sie  von 
Staub  supponiert  werden,  miissen  stets  auBerordentlich  wech- 
selnde  Strukturbilder  aufweisen;  je  nach  dem  Uberwiegen  des 
sedimentaren  oder  des  eruptiven  Materials  werden  sich  ab- 
wechselnd  Sediment-  und  Eruptivstrukturen  erkennen  lassen, 
auBerdem   Durchdringungs-    und  Resorptionsvorgange.  Zeigt 


250 


ein  Gestein  iiberall  denselben  konstanten  Habitus,  so  spricht 
dies  entschieden  dagegen,   dafl  hier  ein  Mischgestein  vorliegt. 

TJm  die  Art  und  Weise  der  Entstehung  der  groB- 
glimmrigen  E.  Gr.  zu  erklaren,  fiihrt  Staub  folgende  Beobach- 
tungen  an:  Der  Sedimentgneis  enthalt  fur  gewdhnlich 
nur  Chlorit  statt  des  Biotites.  Wo  nun  dieser  Chlorit  mit 
einem  eruptiven  Aderchen  in  Beriihrung  tritt,  wird  er  durch 
Biotit  ersetzt,  der  Biotit  also  regeneriert.  Die  Glimmerlagen 
des  grobschuppigen  Gneises  wiirden  dann  auf  folgende  Weise 
gebildet:  „Das  Eindringen  der  maginatischen  Substanz  erfolgt 
von  Gangen  aus  in  paralleler  Anordnung  lagenweise;  die  sauren 
Adern  folgen  chloritreichen  Schieferungsflachen,  welche  sie  zu 
Biotitauskleidungsflachen  uniform  en. " 

Darauf  ist  zunachst  zu  erwidern,  da£S  der  Sedimentgneis 
uberhaupt  keine  „cliloritreiclie  Schieferungsflachen"  aufweist, 
langs  deren  der  magrnatischen  Substanz  das  Eindringen  so 
leicht  gefallen  ware  (vgi.  Taf.  XX,  Fig.  2).  Oft  ist  die  Parallel- 
textur  dieses  Gesteins  mit  bloBem  Auge  kaum  erkennbar.  Die 
sauren  Adern  folgen  nach  meinen  Beobachtungen  nur  in  seltenen 
Fallen  der  Paralleltextur  des  Gesteins ;  meist  setzen  sie  vielfach 
gekriimmt  und  gewunden  quer  durch. 

Dann  stehen  die  Ansichten  Staubs  iiber  Chlorit  und  seine 
Regeneration  zu  Biotit  auf  sehr  schwachen  FiiBen.  Er  schiebt 
die  Entstehung  des  in  den  Erstfelder  Sedimentgneisen  vorhan- 
denen  Chlorits  in  die  Zeit  vor  dem  Eindringen  des  injizierenden 
Magmas.  Die  Biotite  des  Sedimentgneises  (durch  welchen 
Yorgang  uud  wann  entstand  tibrigens  dieser  „Gneis",  den 
Staub  voraussetzt,  und  den  er  cloch  vvohl  kaum  fiir  ein 
primares  Gestein  halt,  aus  dem  Sediment?)  waren  alle  chlori- 
tisiert,  ehe  das  Magma  eindrang.  Wo  dieses  mit  den  Chloriten 
in  Beriihrung  kam,  machte  es  sie  wieder  zu  Biotiten;  wo  wir 
also  jetzt  noch  Biotit  im  E.  Gn.  linden,  beweist  er  das  Ein- 
dringen von  Eruptivmaterial!  Das  widerspricht  den  in  der 
Natur  zu  beobachtenden  Tatsachen  auf  Schritt  und  Tritt.  Schon 
die  Angabe,  daB  der  Biotit  sich  auf  die  Nachbarschaft  der  Aderchen 
beschranke  und  sich  hier  ansammle,  stimmt  weder  mit  der 
makroskopischen  noch  mit  der  mikroskopischen  Beobachtung 
iiberein.  In  verschiedenen  Dunnschliffen,  die  ich  von  derartigen 
Aderchen  im  Sedimentgneis  besitze,  lieB  sich  nirgends  weder 
eine  besondere  Anhaufung,  noch  eine  frischere  Erhaltung  der 
Biotite  gegen  das  Aderchen  hin  nachweisen.  Das  Yorkommen 
von  Chlorit  richtet  sich  vielmehr  nach  dem  allgemeinen  Er- 
haltungszustand  des  betrefFenden  Gesteins.  —  Die  ganze  Theo- 
rie  Status  fallt  mit  der  Tatsache,   daB   die  groBglimmrigen 


251 


Gneise,  die  ja  gleichartig  injizierte  Schiefer  darstellen  sollen, 
die  gleichen  Chloritisierungserscheinungen  aufweisen 
wie  die  Sedimentgneise.  Sie  sind  in  beiden  Gesteinen  in  alien 
Stadien  zu  beobachten;  yon  beiden  Gesteinen  kanti  man  aber 
auch  Stiicke  mit  frischem,  unzersetztem  Biotit  finden.  Dadurch 
charakterisiert  sich  die  Chloritisierung  als  eine  nachtrag- 
liche  gewohnliche  Umbildung  der  dunkeln  Glimmer. 
Sie  geht  ungemein  rasch  vor  sicb,  was  scbon  friiher  ausgefuhrt 
wurde  (vgl.  Seite  224).  DaB  die  meisten  aufgefundenen  Gesteine 
umgewandelte  Biotite  entbalten,  erklart  sich  aus  den  ungiinstigen 
Aufschliissen  und  der  Neigung  des  Gesteins  mit  seiner  seiger 
stebenden  Paralleltextur  zu  tiefgreifender  Yerwitterung. 

Ubrigens  sind  die  feinkornigen  Sedimentgneise  mit  unzer- 
setztem Biotit  nicbt  selten.  Sie  einfacb  als  „Imbibitionsgneise" 
zu  bezeicbnen,  geht  unter  keinen  Umstanden  an. 

Zur  Stiitze  seiner  Tbeorie  iiber  die  Bildung  der  Erstfelder 
Gneise  ziebt  nun  Staub  noch  Beobachtungen  beran  iiber  die 
von  Truninger  entdeckten  Scbolleneinschliisse  im  Gaste- 
rengranit  (Kanderfirn).  Hier  sind  im  Granit  riesige  eckige 
Schollen  (10 — 20  m  machtig,  bis  iiber  100  m  Umfang)  einge- 
schlossen,  die  in  einem  Netzwerk  von  Gangen  und  Adern  ein- 
gebettet  sind.  Truninger  scbildert  die  Verhaltnisse  folgender- 
maBen  (Lit.  49,  S.  49): 

„Die  Injektion  dieser  Scniefereinschliisse  mit  aplitischem 
Material  ist  an  den  Randern  der  Injektionsgneise  oft  bis 
gegen  deren  Mitte  zu  eine  so  intensive,  dafl  eine  vollstandige 
Aufblatterung  und  Zertriimmerung  des  ganzen  Schieferkomplexes 
in  einzelne  Scbollen  stattfand.  Die  aplitiscben  Intrusionen, 
soweit  es  sich  nicht  um  groflere  Gange  handelt,  die  richtungslos 
das  Gestein  durchsetzen,  erfolgen  mit  Vorliebe  in  die  Schieferungs- 
fugen  und  verleihen  dem  Gestein  ein  gebandertes,  durch  kno- 
tiges  Anschwellen  der  Aplitadern  oft  augengneisartiges  Aus- 
sehen." 

Staub  schreibt  (Lit.  44,  S.  18):  „Die  kantigen  Schollen, 
die  von  den  Gangen  und  Adern  umschlossen  und  zum  Teil 
auch  durchzogen  werden,  bestehen  aus  stark  gefalteltem,  ge- 
bandertem  und  gestreiftem  Biotitgneis  vom  unzweideutigen 
Typus  der  Erstfelder  Gneise." 

Es  entstanden  also  hier  nach  Staub  und  Truninger  durch 
aplitische  Injektionen  in  ein  Sedimentgestein  (die  Sediment- 
natur  wird  durch  kalkige  Einlagerungen  bewiesen)  Gesteine, 
die  den  grobschuppigen  E.  Gn.  gleichen;  damit  ware  nach  Staub 
fur  die  E.  Gn.  dieselbe  Bildung  durch  Injektion  anzunehmen. 


252 


Dieser  SchluB  ist  jedoch  iibereilt,  und  schon  die  sorg- 
faltigen  Beobachtungen  Truningers  geniigen,  um  seine  Unhalt- 
barkeit  nachzuweisen.  Zunachst  konnte  es  sich  beini  E.  Gn. 
nicht  um  ein  derartiges  Substrat  handeln,  wie  es  hier  in  den 
Schiefern  des  Kanderfirns  vorliegt;  Kalkeinlagerungen,  die  einen 
sicheren  SchluB  auf  Yorhandensein  sedimentaren  Materials  ge- 
statten  wiirden,  kommen  in  ihm  nicht  yor.  DaB  lokal  durch 
den  Mechanismus  einer  Injektion  Gesteine  entstehen  konnen, 
die  auBerlich  dem  grobglimmrigen  E.  Gn.  gleichen,  soil  nicht 
bestritten  werden.  (Jedoch  wiirde  gewiB  schon  die  mikro- 
skopische  Untersuchung  betrachtliche  Unterschiede  zutage 
fordern.)  —  Nun  findet  aber  bei  den  Schollen  eine  allseitige 
Zertriimmerung  statt,  die  randlich  am  starksten  ist.  Aplit- 
giinge,  die  yon  groBeren  wie  die  Aste  yon  eineni  Baum  ab- 
zweigen,  durchbrechen  richtungslos  mit  scharfer  Begrenzung  das 
sedimentare  Nebengestein.  Wo  dann  eine  Injektion  in  die 
Schichtfugen  erfolgt,  entstehen  knotige  Anschwellungen. 

Diesem  Yerhalten  widerspricht  aber  in  jedem  Punkt  die 
geradezu  langweilig  einformige  Ausbildung  des  Erstfelder  Gneises. 
Er  ermangelt  der  aplitischen  Zufuhrgange ;  die  Quarz-Feldspat- 
lagen  halten  bei  ihm  in  gleicher  Breite  so  lange  aus,  als  man 
sie  iiberhaupt  Yerfolgen  kann;  Queraste  Yon  Lagergangen,  wie 
sie  bei  der  Injektion  in  derartig  diinnen  Lagen  Yorkommen 
mufiten,  sind  nicht  Yorhanden ;  knotige  Anschwellungen  fehl en.  — 
Kurz,  gegeniiber  der  Vielgestaltigkeit  der  injizierten  Schollen 
Truningers,  die  in  der  Mitte  sogar  noch  Schieferhornfelse  zeigen 
(also  noch  nicht  einmal  zur  Yollstandigen  Yergneisung  gelangt 
sind),  herrscht  im  E.  Gn.  grofite  Einheitlichkeit. 

Yollends  weist  nun  aber  die  sog.  „  Inj  ektionszone  "  Staubs 
und  Truningers  keine  Spur  yon  Ahnlichkeit  mit  den  Erstfelder 
rInjektionsgneisen"  auf,  wie  man  nach  der  Bezeichnung  doch 
yermuten  sollte. 

„Aplite  treten  fastganz  zuriick;  nur  als  ganz  feine  Adern  ini- 
pragnieren  sie  das  Gestein  mit  aplitischem  Material.  Um  so 
zahlreicher  durchbrechen  dunkler  gefarbte  dioritische  Gange 
diese  Zone."  „Die  Injektionsgneise  dieser  Zone  zeigen  oft 
rasch  wechselnden  Habitus;  im  allgemeinen  sind  es  feinkornige, 
oft  hornfelsartig  dichte,  chlorit-  (biotit-)  reiche  Schiefer." 
(Lit.  49,  S.  51.). 

Diese  Gesteine  gleichen  aber  in  gar  keiner  Weise 
den  E.  Gn. 

Der  Begriff  „Injektion"  wird  hier  im  Sinne  einer  unregel- 
maBigen  Durchdringung  eines  Sediments  mit  Eruptiymaterial 
gebraucht,  wahrend  Staub  fiir  die  E.  Gn.   Injektion   als  das 


253 


„Eindringen  von  Magma  yorwiegend  in  parallelen  Lagen  auf 
Schichtfugen  "  definiert.    (Lit.  44,  S.  9,  Anm.  1.). 

Die  einzigen  Gesteine  aus  dem  von  Truninger  beschriebenen 
Gebiet,  die  dem  E.  Gn.  etwas  gleichen,  finden  sich  also  lokal 
in  abgelosten,  von  Eruptivmaterial  durchschossenen  Schiefer- 
paketen  der  „Assimilationszone."  Derartige  lokale  Injektionen 
sind  auch  von  anderwarts  schon  beschrieben  (vgl.  Erl.  zu  Bl. 
Hornberg  und  Schiltach,  S.  30,  31;  1897).  Von  solchen  lokalen 
Mischzonen  aus  auf  die  Genese  eines  groBen  Gneismassivs  zu 
schlieBen,  ist  ein  Ding  der  Unnioglichkeit.  Vielmehr  geht  aus 
den  Ausfiihrungen  Truningers  klar  hervor,  daB  es  dem 
Gaster engranit  in  keiner  Weise  gelang,  aus  den  vor- 
gefundenen  Sedimenten  Gneise  zu  erzeugen,  die  in 
konstanter  Ausbildung  aus  einem  regelmafiig  lagenformigen 
"Wechsel  von  grobschuppigem  Biotit  einerseits  und  einem  Ge- 
menge  von  Feldspat  und  Quarz  andererseits  bestehen; 

Der  schematische  Aufbau:  „Assimilationszone,  Injektions- 
zone"  fur  die  Erscheinungen  am  Kanderfirn  ist  geeignet,  irr- 
ttimliche  Yorstellungen  zu  erwecken,  die  dann  zu  bedenklichen 
Konsequenzen  fiihren,  wenn  man  diese  lokalen  Verbands- 
verhaltnisse  dazu  verwendet,  um  die  Entstehung  machtiger 
Gneismassive  zu  erklaren.  Dazu  kommt  noch  die  erst  recht 
hypothetische  Imbibitionszone  Staubs,  die  auf  einer  irrigen 
Interpretation  ganz  gewohnlicher  Yerwitterungsvorgange  be- 
ruht1). 

Auch  die  glatte  Ubertragung  der  In j  ektionshyp o- 
these  auf  dieselben  Gneise  des  S  chwarz walds  muB 
zuriickgewiesen  werden.  Staub  sagt:  „Ich  mocbte  nur  er- 
wahnen,  dafi  die  Annahme  eines  getrennten  Injektionsherdes 
fiir  den  Schwarzwald  und  fiir  die  nordliche  Gneiszone  wahr- 
scheinlicher  erscheint."  (Lit.  44,  S.  21.)  Schwenkel  (Lit.  43) 
weist  in  Ubereinstimmung  mit  der  schon  friiher  von  A.  Sauer 
ausgesprochenen  Auffassung  an  der  Hand  zahlreicher  sorg- 
faltiger  Beobachtungen  ausfiihrlich  nach,  daB  die  Schapbach- 
gneise  keine  injizierten  Schiefer  darstellen.  Der  Granit  schlieBt 
dort  Schollen  dieser  Gneise  ein;  sie  konnen  demnach  nicht 
unter  Mitwirkung  des  Granits  entstanden  sein. 

Dasselbe  gilt  fur  das  Yerhaltnis  der  E.  Gn.  zum  Innert- 
kirchener  Granit  (=Gasterengranit),  dem  Staub  die  Injektion 

l)  Die  Berufung*  Staubs  (Lit.  44,  S.  16)  auf  Konigsbergeb,  der  zu 
einem  „ahulichen  Resaltat"  gekommen  sei,  ist  nicht  statthaft.  Konigs- 
berger  erklart  den  grobschuppigen  Erstfelder  Gneis  fiir  einen  echten 
Orthogneis,  der  vermutlich  die  obere  Randfacies  eines  Granits  darstelle, 
Staub  dasselbe  Gestein  fiir  einen  injizierten  Schiefer. 


254 


zuscnreiben  mocbte.  Es  gelang  mir,  im  Gadmental  oberhalb 
Obermatt  einen  Block  aufzufinden,  der  beide  Gesteine  Yereint 
aufweist.  Der  Block  besteht  zur  einen  Halfte  aus  Innert- 
kircbener  Granit,  zur  anderen  Halfte  aus  groBglimmrigem  E.  Gn. 
Der  Gneis  wird  yom  Granit  eingeschlossen,  ist  also  alter  als 
dieser.  Letzterer  bildet  gegen  den  Gneis  die  charakteristiscbe 
pegmatitiscbe  Randfacies  aus,  wie  sie  besonders  bei  den 
Scholleneinscbliissen  der  auBeren  Urweid  in  scboner  Entwick- 
lung  zu  beobacbten  ist.  In  ibr  fanden  sicb  scbone  Turmalin- 
aggregate.  Der  Gneis  wird  Yon  der  Randfacies  des  Granits 
quer  abgeschnitten,  obne  daB  aucb  nur  die  Spur  eines  Ein- 
dringens  Yon  Magma  in  den  Gneis  zu  bemerken  ware.  Der 
Granit  traf  also  den  grobscbuppigen  E.  Gn.  bereits  so 
an,  wie  er  uns  beute  noch  Yorliegt. 

Damit  diirfte  zur  Geniige  die  Unbaltbarkeit  der  Injektions- 
theorie  fur  die  E.  Gn.  nachgewiesen  sein.  Dabei  will  icb  nicht 
in  Abrede  stellen,  daB  eine  lokale  Beeinnussung  Yon  Sediment- 
gneisen  durcb  eruptives  Material  stattfindet  und  dadurcb  Ge- 
steine  entsteben  konnen,  die  man  als  Miscbgneise  zu  bezeicbnen 
bat.  Derartige  Miscbgneise  stimmen  aber  durcbaus  nicbt  mit 
den  normalen  E.  Gn.  uberein,  ja  sie  weicben  in  alien  wesent- 
licben  Merkmalen,  wie  gezeigt  worden  ist,  Yon  diesen  ab. 
Eolglicb  ist  es  unzulassig,  die  grobschuppigen  Erstfelder  Gneise 
als  Injektions-  oder  Miscbgneise  zu  bezeicbnen. 

V.  Die  Zone  der  Sericitgneise  und  ihre  Beziehungen  zu  den 
Erstfelder  Gneisen. 

Im  Siiden  scblieBt  sicb  an  die  E.  Gn.  eine  Gesteinszone 
an,  die  bis  zum  zentralen  Granit  reicbt  und  als  Zone  der 
S ericitgneise  bezw.  -scbiefer  bezeicbnet  wird.  Damit  ist 
nur  der  auBere  Habitus  dieser  Gesteine  cbarakterisiert.  Sicber 
stecken  aber  ganz  Yerscbiedene  Gesteinstypen  in  dieser  Zone, 
worauf  schon  Schmidt  (Lit.  40)  und  Heim  (Lit.  19)  binwiesen. 
Es  diirfte  iiberaus  scbwierig  sein,  fiir  alle  diese  Sericitscbiefer 
und  -gneise  das  ursprunglicbe  Gestein  zu  ermitteln.  Durcb 
einen  einbeitlicben  Yorgang  baben  sie  alle  dasselbe  Geprage 
erbalten:  durch  den  tertiaren  Gebirgsdruck. 

Uberzeugend  laBt  sich  dies  an  den  Porpbyren  dieser  Zone 
beweisen.  Schmidt  stellte  zuerst  fest,  daB  die  Sericitscbiefer 
der  sog.  „Alpgnofer  Platten",  die  \on  Heim  (Lit.  18)  unter 
den  Sammelbegriff  „Yerrucano"  gestellt  worden  waren,  in 
Wirklicbkeit  niclits  anderes  sind  als  gepreBte  Quarz- 
porpbyre.    Sie  erwiesen  sicb  als  identiscb  mit  dem  Wind- 


255 


gallenporphyr,  der  an  Stellen,  wo  der  Druck  gering  war  (z.  B. 
im  Gewolbekern  der  Windgallenfalte),  als  solcher  noch  erhalten 
blieb,  dagegen  an  Stellen  starken  Gebirgsdrucks  zum  Sericit- 
schiefer  verarbeitet  wurde.  Auf  den  Porphyren  der  YVindgalle 
liegen  carbonische  Schiefer,  die  petrographisch  den  Schichten 
des  Ochsenstockli  (ob.  Westphalien  nach  Escher  und  Zeiller, 
Lit.  13)  entsprechen.  Dies  ist  auch  bei  den  Porphyren  des 
Bristenstocks  der  Fall,  die  deshalb  dem  Windgallenporphyr 
gleichgesetzt  werden  miissen,  trotzdem  sie  centralmassivisch 
gestellt  sind,  also  erne  Yollstandig  andere  Lagerung  einnehmen. 
Doch  wies  Schmidt  auch  schon  auf  die  groBe  petrographische 
Ahnlichkeit  dieser  Gesteine  mit  dem  Windgallenporphyr  hin. 
Ihr  Alter  ist  mit  grofler  Wahrscheinlichkeit  als  obercarbonisch 
anzunehmen  (vgl.  S.  292). 

Es  ist  ein  Yerdienst  Koxigsbergers,  diese  Porphyre  karto- 
graphiscli  ausgeschieden  und  ihre  Yerbreitung  verfolgt  zu  haben 
(Lit.  25,  sowie  Karte  des  ostlichen  Aarmassivs).  Yor  allem  ist 
der  Nachweis  von  Bedeutung,  dai3  diese  Porphyre  sowohl 
die  Lnterlage  des  Carbons  vom  Bristenstock  als  auch 
des  Jura  von  Farnigen  bilden.  Sie  sind  also  beim  ter- 
tiaren  Zusammenschub  in  das  Centralmassiv  einbezogen  worden 
und  haben  bei  diesem  Yorgang  ihre  TJmwandlung  zu  Sericit- 
schiefern  erlitten.  Damit  ist  aber  auch  festgestellt,  daB  die 
iibrigen  Gesteine  gleichfalls  durch  die  gebirgsbildenden  Yor- 
gange  mit  ihren  Begleiterscheinungen  die  Umpraguug  zu  Sericit- 
gneisen  erfuhren.  Es  ist  also  nicht  ganz  richtig,  wenn  Konigs- 
berger  den  Erstfelder  Orthogneis  in  die  „Sericitgneisew  ein- 
dringen  laBt.  Er  drang  in  Gesteine  ein,  die  jetzt  zum  Teil 
als  Sericitgueise  vorliegen,  es  aber  damals  noch  nicht  waren. 
Aufierdem  stecken  ja  in  den  Sericitgneisen  Gesteine,  die  sicher 
jiinger  sind  als  der  Orthogneis  (die  Porphyre). 

Den  besten  AufschluS  in  der  Zone  der  Sericitgneise  gibt  seit 
1911  die  neuerbaute  StraBe  yon  Amsteg  nach  Bristen. 
Es  sind  dunkle  Gesteine  mit  zahllosen  Putschflachen.  Die 
Handstiicke  brechen  leicht  nach  Flachen,  die  you  glanzenden 
Sericithauten  iiberzogen  sind.  Yielfach  ist  der  normale  Erst- 
felder Sediment gneis  in  dem  Gestein  noch  gut  zu  erkennen. 
U.  d.  M.  zeigen  sich  die  Glimmer  des  Gesteins  yollstandig 
■chloritisiert;  Quarze  und  Feldspate  weisen  Zerbrechungs- 
erscheinuugen  auf;  das  Ganze  ist  Yon  Sericit  in  parallelen 
Flasern  and  Strahnen  durchzogen.  Die  Biotite  sind  meist  in 
dieser  Richtung  auseinandergeschoben  und  in  die  Lange  gezerrt. 
Sonst  ist  das  Strukturbild  das  der  Erstfelder  Sedimentgneise. 

Ebenso   lassen   sich   geprefite   Eruptiygneise   an  der 


256 


Bristener  Strafie  zum  Teil  noch  als  solche  erkennen.  Makro 
skopisch  fallen  diese  Gesteine  durch  ihre  Sonderung  in  Glimmer- 
lagen  mit  grofien  Biotitkrystallen  und  Quarz-Feldspatlagen  auf. 
Ein  noch  recht  typischer  Eruptivgneis  konnte  bei  Bristen  am 
"Weg  nach  Frenschenberg  gefunden  werden.  U.  d.  M.  zeigt  sich 
das  normale  Strukturbild  dieser  Gneise  mit  dem  TJnterschiedr 
dafi  starke  Zerbrechungen  von  Quarz  und  Feldspat  zu  be- 
obachten  sind.  Hand  in  Hand  damit  gehen  sekundare  Um- 
setzungen.  Besonders  bemerkenswert  ist  die  weitgehende 
Umwandlung  des  Biotits  in  Epidotmineralien  (Epidot  und 
Zoisit). 

Die  Gotthardstrafi  e  zeigt  in  ihren  Aufschliissen  ober- 
halb  Amsteg  gleichfalls  veranderte  E.  Gn.  Zunachst  (oberhalb 
der  Briicke)  finden  sich  hier  typische  Sedimentgneise  mit 
weifien  Eruptivaderchen.  U.  d.  M.  zeigen  sich  die  Biotite  voll- 
kommen  frisch;  gegeniiber  andern  Sedimentgneisen  fallen 
hochstens  die  stark  undulosen  Quarze  auf.  Wenige  Schritte 
davon  steht  ein  Gestein  an,  dafi  sich  u.  d.  M.  als  durch  und 
durch  sericitisiert  erweist.  Die  Biotite  sind  in  chloritische  und 
muscovitische  Substanzen  umgewandelt  und  in  der  Schieferungs- 
richtung  auseinandergezerrt.  Feldspate  liefern  das  Material  zu 
den  das  ganze  Gestein  durchnasernden  Sericitziigen. 

Dieser  haufige  Wechsel,  der  ja  fiir  Gebiete  mit  starken 
Wirkuugen  des  Gebirgsdrucks  nicht  ungewohnlich  ist,  zeigt  sich 
auch  im  weiteren  Verlauf  des  Profils. 

Weiter  aufwarts  treten  Gesteine  auf,  die  wohl  auf  Eruptiv- 
gneis zuriickzufuhren  sind.  Doch  ist  oft  die  Entscheidung  nur 
schwer  zu  treffen,  denn  die  mechanische  Zertriimmerung  schafft 
in  den  Gesteinen  yollstandig  neue  Strukturen.  Im  allgemeinen 
gewinnt  man  den  Eindruck,  dafi  alle  Gesteine  der  Sericit- 
schieferzone  nordlich  des  Porphyrzugs  auf  E.  Gn.  beider  Typen 
sich  zuriickfiihren  lassen.  Auch  Gesteine  aus  dem  Maiental 
und  Gorezmettlental  bestatigen  diese  Ansicht. 

Diese  yerschiedenen  Gneise  reichen  an  der  Gotthardstrafie 
ungefahr  bis  zum  Schwandental,  wo  merkAYiirdige,  stark  ver- 
witterte  und  ungemein  diinnschiefernde  Sericitschiefer  anstehem 
Die  mikroskojDische  Untersuchung  schliefit  es  yollstandig  aus, 
dafi  diese  Gesteine  geprefite  Porphyre  darstellen,  als  welche  sie 
Staub  auf  seiner  Karte  bezeichnet:  es  ist  im  Diinnschliff  keine 
Spur  einer  Porphyrgrundmasse  zu  sehen;  dagegen  macht  sich 
ein  grofier  Biotitreichtum  bemerkbar.  (Umgekehrt  erkennt 
Staub  die  erst  100  m  weiter  oben  beim  Eisenbahntibergang  die 
Strafie  kreuzenden  Porphyre  nicht  als  solche  und  kartiert  sie 
als  „stark  geprefite  Sericitschiefer  und  schwarze  Tonschiefer". 


257 


Die  Karte  von  Konigsberger  gibt  an  dieser  Stelle  die  Yer- 
haltnisse  richtig  wieder.) 

Bei  Gelegenheit  der  Herstellung  eines  StraBeniiber- 
gangs  iiber  die  Gotthar db ahn  (ca.  100m  oberhalb  der 
Briicke  iiber  das  Schwandental)  wurden  nun  schone  Aufschiiisse 
in  einem  Gestein  geschaffen,  das  sich  als  Porphyr  zu  er- 
kennen  gibt.  Hier  quert  also  der  Porphyrzug  Bristenstock — 
Farnigen  das  ReuBtal.  Der  Porphyr  ist  zum  Teil  stark  ge- 
schiefert,  oft  fast  papierdiinn,  mit  sericitischen  Hauten  auf  den 
S chief erungsflachen.  Deutlich  heben  sich  indessen  noch,  be- 
sonders  in  weniger  gepreBten  Partien,  Einsprenglinge  yon 
Quarz  und  Feldspat  aus  der  Grundmasse  heraus.  Merkwiirdiger- 
weise  haben  sich  neben  vollstandig  geschiefertem  und  gepreBtem 
Gestein  Stellen  erhalten,  die  vom  Druck  ziemlich  yerschont 
blieben.  Es  ist  dies  eine  Erscheinung,  die  auch  anderwarts 
bei  dynamometamorphen  Einwirkungen  beobachtet  wird  und 
die  geeignet  ist,  die  Wiedererkennnung  der  Gesteine  zu  er- 
leichtern.  Spalten  mit  sekundaren  Mineralien  (Quarz  und 
Chlorit)  deuten  auf  regen  Losungsumsatz  nach  der  Schieferung, 

Das  mikro  skopisch  e  Bild  eines  gepreBten  Porphyrs 
ist  ungefahr  folgendes :  In  der  sehr  feinkrystallinen  Grundmasse 
ziehen  sich  breite  Bahnen  und  Strahnen  yon  Sericit  hindurch. 
An  Einsprenglingen  sind  Quarz  und  saurer  Plagioklas  zu  be- 
obachten.  Neben  der  eigentlichen  Grundmasse  kommt  Doch 
sogenannte  „unechte  Grundmasse"1)  vor:  in  der  eigentlichen 
Grundmasse  treten  oft  linsenformige  Partien  yon  Quarz  mit 
mittelgrofiem  Korn  auf,  die  sich  deutlich  abheben  und  ohne 
Zweifel  yon  zerpreBten  grofieren  Quarzeinsprenglingen  her- 
riihren.  —  Dasselbe  Bild  bieten  die  demselben  Zug  angehorenden 
Porphyre  des  Bristenstocks. 

Auf  die  Porphyre  folgen  nun  im  Profil  der  GotthardstraBe 
wieder  Sericitgesteine,  die  jedenfalls  yon  Gneisen  abzuleiten 
sind.  Noch  bei  der  Kapelle  yon  Gurtnellen  konute  ich  Gneise 
auffinden,  die  den  Erstfelder  Sedimentgneisen  iiberraschend 
glichen. 

Diese  Gesteine  werden  ca.  800  m  oberhalb  der  Briicke 
iiber  den  Fellitobel  vom  zentralen  Granit  (Aaregranit)  ab- 
gelost2).    Etwa  150  m  unterhalb  der  Granitgrenze  steht  etwas 

:)  Vgl.  Ruetschi;  Beitrage  zur  Kenntnis  des  Rofnagesteins  (Lit.  34). 

2)  Die  Grenze  des  zentralen  Granits  gegen  die  Zone  der  Sericitgneise 
ist  auf  der  Karte  von  Konigsberger  unrichtig  eingezeichnet.  Der  Zentral- 
granit  tritt  erst  ca.  800  m  oberhalb  der  Briicke  iiber  den  Fellitobel  an 
die  StraBe;  diese  ganze  Strecke  zahlt  also  noch  zar  Sericitgneiszone. 
Hier  muB  ich  der  Darstellung  von  Staub  zustimmen,  der  auch  gegen 
Gurtnellen  hin  nach  meinen  Beobachtungen  die  Grenze  richtig  angibt. 
Zeitschr.  d.  D.  Geol.  Ges.  1914.  17 


258 


versteckt  hinter  Banmen  ein  porphyrisches  Gestein  an,  das 
ohne  Zweifel  die  Yon  Konigsberger  beschriebene  por- 
phyrische  Randfacies  des  Aaregranits  darstellt.  Dieser 
Porphyr,  der  sehr  helle,  fast  weiBliche  Earbe  aufweist,  fiihrt 
Einsprenglinge  von  Quarz,  Plagioklas  und  Mikroklin.  Daneben 
kommen  ziemlich  zahlreiche  dunkelgriine  Biotitschuppchen  yor. 
Diese  besondere  Varietat  des  Biotits  sowie  der  Mikroklin  sind 
Mineralien,  die  fur  den  Zentralgranit  charakteristisch  sind  und 
nie  in  den  E.  Gn.  oder  den  Scgn.  gefunden  wurden.  Sie  sprechen 
m.  E.  fur  die  Abstammung  des  Porphyrs  Yom  Zentralgranit. 

Von  grofiter  Bedeutung  ware  es  nun,  zu  untersuchen,  ob 
beide  Porphyre  der  Gotthardstrafle  vom  gleichen  Magma  ab- 
stamrnen.  Konigsberger  behauptet  den  Zusammenhang  des 
Porphyrzugs  yom  Bristenstock  mit  dem  Zentralgranit  am  Tschar- 
(Lit.  24,  S.867).  Damit  ware  bewiesen,  daB  auch  der  Zentral- 
granit carbonisches  Alter  besitzt. 

Am  Aufbau  der  Sericitgneiszone  sind  also  hauptsachlich 
umgewandelte  Gneise  und  Porphyre  beteiligt.  Da  das  Besondere 
dieser  Gesteine  in  ihrer  mechanischen  Beeinnussung  zu  suchen 
ist,  die  ihnen  den  einheitlichen  Charakter  als  „Sericitgneise 
bezw.  -schiefer"  verlieh,  so  lafit  sicb  die  von  Sauer  (Lit.  38) 
gebrauchte  Bezeichnung  einer  Quetschzone1)  wohl  recbtfertigen. 

Es  ist  der  pragnante  Ausdruck  fiir  die  Tatsache,  daB 
zwiscben  dem  Zentralgranit,  der  nur  wenig  kataklastische 
Pbanomene  erkennen  lafit,  und  den  Erstfelder  Gneisen,  die 
fast  vollstandig  frei  von  Druckerscbeinungen  blieben,  eine  Zone 
liegt,  in  der  sich  die  mechanischen  Druckkrafte  in  groBartiger 
Weise  ausgelost  haben. 

B.  Der  Innertkirchener  Granit. 

I.  Geschichtliches. 

Das  Gestein  von  Innertkirchen  wurde  von  Studer  in  seiner 
Geologie  der  Schweiz  (1853)  zuni  erstenmal  in  den  Kreis  wissen- 

J)  Von  Klemm  (Lit.  22,  IV)  ist  der  Ausdruck  ^Quetschzone",  wie 
ihn  Sacer  auch  fiir  analoge  Gesteine  des  Grimselprofils  gebraucht, 
miBverstanden  worden.  Er  verstand  darunter  eine  Uberschiebungs- 
breccie.  Dieser  Irrtum  wurde  jedoch  inzwischen  schon  von  Escher 
(Lit.  13,  S.  70)  berichtigt.  Auch  Konigsberger  scheint  etwas  anderes 
als  Sauer  unter  der  „Quetschzone"  zu  verstehen,  niimlich  die  Myloniti- 
sierung  der  E.  Gn.  unter  der  Sedimentdecke  (Lit.  24,  S.  859).  Eine 
„Quetschzoneu  im  Sinne  Rosenucschs,  der  diese  Bezeichnung  einfiihrte, 
ist  eine  Zerpressungszone  im  Gesteinskorper.  die  sich  unter  hohem 
Druck  und  daher  ohne  Losung  des  Zusammenhangs  gebildet  hat. 


259 


schaftlicher  Betrachtung  gezogen.  Er  halt  es  fur  identisch 
mit  dem  Granit  des  Gasterentals  und  erklart  die  merkwiirdigeii 
Kontaktverhaltnisse  mit  dem  Hochgebirgskalk  damit,  daB  ein 
halbweiches,  nicht  sebr  beiBes  Granitmagma  den  Kalk  einge- 
wickelt  habe.  Es  wtirde  nacb  ibm  also  ein  primarer  Eruptiy- 
kontakt  zwiscben  krystallinem  Gestein  und  Sedimenten  yor- 
liegen.  Ersteres  bezeichnet  er  als  „Gneis"  oder  „unyoll- 
kommenen  Granit",  d.  b.  er  bait  es  fur  ein  parallel  struiertes 
Eruptiygestein. 

Weitere  Untersucbungen  iiber  die  bocbinteressante  Geologie 
jener  Gegend  fiibrte  Baltzer  aus.  Er  weist  in  seinem  1880 
erscbienenen  glanzenden  Werk  „Der  mecbaniscbe  Kontakt  yon 
Gneis  und  Kalk  im  Berner  Oberland"  (Lit.  1)  uberzeugend  nacb, 
daB  es  sicb  bei  den  komplizierten  Verhaltnissen  des  Kalkkeils 
an  der  Jungfrau,  den  Gneiskeilen  des  Gstelliborns,  dem  Pfaffen- 
kopfkeil  usw.  nicbt  um  Eruptiykontakt,  sondern  um  mechaniscbe 
Yerfaltung  und  Yerknetung  bandelt.  Den  „unvollkommenen 
Granit"  Studers  bezeicbnet  er  als  „ Gneis"  mit  primarer  Schich- 
tung,  zu  der  oft  nocb  sekundare  Scbieferung  binzutrete.  Da- 
durcb  konne  u.  IT.  die  eigentlicbe  Scbicbtung  yollstandig  yer- 
wiscbt  und  unkenntlicb  gemacbt  werden.  1888  gibt  dann 
Baltzer  (Lit.  2)  eine  genauere  petrograpbiscbe  Bescbreibung 
der  Gesteine  der  „nordlichen  Gneiszone"  und  unterscbeidet  bier 
zwei  Haupttypen  yon  Gneis:  1.  Muscoyit-  bezw.  Sericitgneis, 
2.  biotitfiibrende  Muscoyit-  und  Sericitgneise.  Die  Biotitgneise 
halt  er  fur  untergeordnete  Massen.  Baltzer  ist  sicb  der  ITnyoll- 
kommenbeit  dieser  Einteilung  wohlbewuBt;  er  betont  die  Kom- 
pliziertbeit  des  ganzen  Komplexes  und  erklart  sicb  fur  auBer 
stande,  irgend  etwas  iiber  die  Genese  der  „Gneise"  auszusagen. 
Er  redet  wobl  gelegentlicb  yon  „granitischer  Textur"  des  Innert- 
kircbener  Gneises,  ist  aber  doch  eber  geneigt,  ibn  fur  sedimentar 
zu  balten. 

Es  gelang  nun  zuerst  Sauer  (1893),  die  eruptiye  Natur  des 
Gesteins  durcb  die  Auffindung  fremder  Einscbliisse  im  „ Gneis" 
nacbzuweisen.  Spater  (1900,  Lit.  38)  fiibrt  er  aus,  daB  der 
Gneis  yon  Innertkircben  ein  ecbt  granitiscbes  Gestein 
darstellt,  das  jedocb  aucb  gneisabnlicben  Habitus  annebmen  kann: 
durcb  Druckscbieferung  werden  aus  dem  Granit  muscoyit-  und 
sericitfiibrende  Gneise  und  scblieBlicb  griinlicb  -  graue  Schiefer 
^rzeugt;  auBerdem  existieren  noch  untergeordnet  primar  parallel 
struierte  (also  gneisabnlicbe)  Abanderungen  des  granitiscben 
Gesteins. 

Hugi  bait  (1906,  Lit.  20)  an  der  eruptiyen  Entstebung  des 
^nordlicben  Gneises"   fest,   sucbt  nun   aber  im  Gegensatz  zu 

17* 


260 


Baltzer  und  Sauer  wieder  einen  eruptiven  Kontakt  von  „Gneis" 
und  Kalk  zu  beweisen,  ohne  daB  es  ihm  recht  gelange. 
Den  „nordlichen  Gneis"  erklart  er  fur  eine  Randzone  des  Zentral- 
granits. 

Neuerdings  wies  nun  schlieBlich  Truninger  (1911,  Lit.  48 
und  49)  nach,  daB  der  Gasterengranit  mit  dem  „  Gneis"  von 
Innertkirchen  identisch  sei;  er  gebraucht  von  neuem  die  schon 
youSauer  angewandteBezeichnung,,Innertkirchener  Granit". 

II.  Yerbreitung  des  Innertkirchen  er  Granits. 

Der  Innertkirchener  Granit  (I.Gr.)  findet  sich  am  besten 
gerade  bei  diesem  Ort  aufgeschlossen.  Besonders  die  Grimsel- 
straBe  und  die  neue  Steige  ins  Urbachtal  geben  in  ihren  An- 
schnitten  gute  Gelegenheit,  das  Gestein  zu  studieren.  In  ver- 
haltnismaBig  schmaler  Zone  folgt  der  Granit  der  wunderschon 
aufgeschlossenen  Grenze  gegen  die  Sedimente.  Er  bildet  gegen 
0  die  Sohle  des  Gadmentals  und  laBt  sich  bis  zum  Wen den - 
gletscher  verfolgen.  Die  gtinstigen  Schneeverhaltnisse  des 
Jahres  1911  gaben  niir  Gelegenheit,  den  I.Gr.  auch  noch  im 
Gebiet  des  Wendengletschers  selbst  nachzuweisen.  An  einer 
Stelle,  die  etwa  3  mm  links  des  W  von  „Wendenjoch"  der 
der  Siegfriedkarte  1  :  50000,  Blatt  Wassen,  liegt,  kamen  infolge 
starken  Eiickgangs  des  Schnees  Felsen  heraus,  die  nach  An- 
gabe  des  Fiihrers  noch  nie  sichtbar  gewesen  waren.  Sie  zeigten 
t)rpischen  I.Gr.  mit  Scholleneinschliissen.  AuBerdem  konnte  ich 
Stiicke  von  I.Gr.  in  den  Gerollen  des  Firnalpelibachs  bei 
Herrenriiti  im  Engelberger  Tal  feststellen.  Der  I.Gr.  muB  also 
auch  auf  der  ostlichen  Seite  des  Wendenjochs  anstehen.  Leider 
war  es  mir  infolge  schlechter  Witterung  nicht  moglich,  das  An- 
stehende  aufzusuchen.  Bei  Goldboden  steht  bereits  E.  Gn.  an, 
und  schon  im  Grassenbach  konnte  kein  I.Gr.  mehr  gefunden 
werden.  Der  I.Gr.  zieht  sich.  also  unter  Titlis  und 
Wendenjoch  in  nachster  Nahe  des  Wendenj ochcarbons 
durch,  um  auf  der  Ostseite  noch  auf  kleiner  Flache  hervor- 
zutreten,  dann  aber  von  den  E.  Gn.  abgelost  zu  werden.  Diese 
Verhaltnisse  sind  fur  die  Deutung  des  Wendenjochcarbons  iiber- 
aus  wichtig. 

Was  die  Breite  der  Zone  anbetrifft,  in  der  der  I.Gr.  zu- 
tage  tritt,  so  laBt  sich  deutlich  zeigen,  daB  sie  nach  0  zu 
schmaler  wird.  An  der  GrimselstraBe  erscheint  sie  am  breitesten 
(ca.  472  km);  sie  reicht  ungefiihr  bis  „Auf  der  Weid"  (ca. 
800  m  unterhalb  der  Bodenbriicke).  Im  Tal  des  Triftwassers 
befindet  man  sich  bis  kurz  unterhalb  Triftalp  im  I.Gr.  (Breite 
ca  ol/2  km).    Geht  man  von  Gadmen  die  SustenstraBe  aufwarts, 


261 


so  verlaBt  man  den  I.G.  nach  den  oberen  Kehren  yon  Feldmoos. 
Gegen  das  Wendenjoch  hin  wird  die  Zone  des  I.Gr.  immer 
schmaler;  erst  im  0  des  Wendenjochs  verschvvindet  er  ganz.  — 
Natiirlich  sagen  die  angefiihrten  Zahlen  nichts  iiber  die  tat- 
sachliche  Ausdehnung  des  I.Gr.,  der  ja  nach  N  zu  unter  der 
Sedimentdecke  verschwindet. 

Geht  man  von  Innertkirchen  aus  das  landschaftlich  wunder- 
schone  Urbachtal  aufwarts,  so  fiihrt  der  Weg  bis  oberhalb 
Schrattern  durch  I.Gr.  Am  Gstellihorn  wurde  er  hier  auf  die 
bekannte,  von  Baltzer  beschriebene  Weise  mit  dem  Sediment- 
mantel  verknetet.  Weiter  nach  W  reichen  meine  Beobachtungen 
nicht.  Da  Truninger  (Lit.  48  und  49)  die  Identitat  yon  Gasteren- 
granit,  „nordlichem  Gneis"  (von  der  Jungfrau  bis  zum  Dossen- 
horn)  und  I.Gr.  nachwies,  so  wurde  sich  also  dasselbe  Gestein 
bis  zum  Gasterental  Yerfolgen  lassen,  um  hier  unter  den  Kalk- 
massen  des  Balmhorns  zu  verschwinden. 

III.  Petrographische  Beschreibung  des  Innertkirchener  Grauits* 

Der  I.Gr.  stellt  in  seiner  typischen  Ausbildungsform  ein 
graues,  mittel-  bis  feinkorniges  granitisches  Gestein  dar.  Als 
Gemengteile  sind  ein  schwarzlich-  brauner  Glimmer,  weiBer 
Feldspat  und  fettglanzender  Quarz  schon  makroskopisch 
erkennbar.  Im  allgemeinen  herrscht  richtungslos  kornige 
Struktur  Yor;  hie  und  da  (besonders  iu  der  Nahe  von  Schollen- 
einschliissen)  findet  sich  aber  auch  eine  schwache  Paralleltextur 
des  Gesteins  ausgebildet:  die  sonst  regellos  orientierten  Glimmer- 
blattchen  ordnen  sich  in  einer  bestimmten  Bichtung  an;  Lagen- 
bildung  findet  hierbei  nicht  statt.  Es  handelt  sich  also  nur  um 
eine  lokal  auftretende  primar  parallel  struierte  Facies 
des  Granits. 

Haufiger  sind  andere  Gesteine,  die  einen  sehr  charakteri- 
stischen  blaugriinen  Farbenton  aufweisen.  Die  Ursache  dieser 
Farbung  ist  ein  dunkelgriines,  weiches  Mineral,  das  sich  als 
Pinit  zu  erkennen  gibt.  Er  tritt  oft  in  sehr  betrachtlicher  Menge 
auf  und  verleiht  dann  dem  Granit  jenes  bezeichnende  Aussehen. 
Hie  und  da  zeigt  der  Pinit  sechsseitige  Querschnitte  und  recht- 
eckige,  fast  quadratische  Langsschnitte.  Er  stellt  also  eine 
Pseudomorphose  nach  Cordierit  dar,  der  in  kurzen  sechs- 
seitigen  Prismen  krystallisiert.  Durch  unregelmafiiges,  bald 
gehauftes,  bald  sparliches  Auftreten  des  Pinits  erhalten  solche 
Gesteine  ein  recht  unruhiges  Aussehen;  manchmal  tritt  der  Pinit 
auch  zu  Anhaufungen  zusammen  und  verursacht  groBe  dunkel- 
griine  Flecken  in  dem  grauen  GesteiD. 

Das  reichliche  Yorkommen  von  Pinit  als  Pseudomorphose 


262 


nach  Cordierit  mufl  wohl  auf  die  Resorption  sedimentaren 
Materials  zuriickgefuhrt  werden.  Teuningee  stellte  dieselbe 
Erscheinung  am  Gasterengranit  fest. 

Durch  reichliche  Pyritfiihrung  zeichnen  sich  andere  Yarie- 
taten  des  LGr.  aus.  Ein  derartiges  G-estein  steht  z.  B.  an  der 
Urbachsteige  an.  Auch  ein  Granit  mit  dunklen,  fast  schwarzlichen 
Feldspaten  von  der  Mauer  im  Urbachtal  ist  noch  besonders  zu 
erwahnen. 

U.  d.  M.  zeigt  sich  dem  TTntersuchenden  das  typische  Bild 
eines  granitischen  Gesteins  mit  hypidiomorph  korniger 
Struktur  (vgl.  Taf.  XX,  Abb.  3).  Erst  jetzt  gewahrt  man  aber 
auch  die  Schwierigkeit,  ein  mechanisch  vollkommen  ungestortes 
Gestein  zu  bekommen.  Selbst  scheinbar  unyeranderte  Gesteine 
zeigen  im  mikroskopischen  Bild  doch  schon  ganz  erhebliche 
Pressungserscheinungen.  Die  folgende  Beschreibung  soil  sich 
auf  ein  relatiy  unverandertes  Gestein  beziehen,  auf  einen  Normal- 
typus,  wie  er  sich  etwa  an  der  Urbachsteige  dem  Untersuchenden 
darbietet. 

Der  zuerst  (nach  Zirkon,  den  Erzen  usw.)  ausgeschiedene 
Gemengteil  ist  uberall  der  ziemlich  reichlich  vorhandene  Bio  tit. 
Er  weist  manchmal  gute  Krystallformen  auf  und  besitzt  mittlere 
Grofie  (Durchmesser  1 — 11/2  mm).  In  frischem  Zustand  zeigt 
er  kraftigen  Pleochroismus  (a  =  hellgelb,  c  und  b  =  dunkel 
kastanienbraun).  Die  Kesultate  der  Analyse  sprechen  fiir  einen 
bedeutenden  Eisengehalt  des  Biotits.  DaB  das  Mineral  auch 
einen  betrachtlichen  Titangehalt  aufweist,  beweisen  (auBer  der 
Analyse)  seine  Zersetzungserscheinungen  (s.  u.).  Sehr  haufig 
zeigt  der  Biotit  leichte  Aufblatterungen  und  Knickungen,  die 
auf  eine  mechanische  Beeinflussung  des  Gesteins  hinweisen.  Nicht 
selten  schlieBt  der  Biotit  kurze,  gedrungene  Saulchen  Yon  Apatit 
als  allererste  Ausscheidungen  ein;  um  kleine,  hoch  lichtbrechende 
Krystalle,  die  wohl  zumeist  Zirkon  darstellen,  treten  pleo- 
chroitische  Hofe  you  grofiem  Durchmesser  und  recht  be- 
trachtlicher  Intensitat  auf. 

Selten  ist  der  Biotit  chemisch  intakt  geblieben;  meist  zeigt 
er  deutliche  Spuren  der  Umwandlung.  Diese  kann  sich  auf 
verschiedene  Art  und  Weise  vollziehen.  Am  haufigsten  ist  die 
Chloritisierung.  Bei  diesem  Yorgang  verliert  der  Biotit  seine 
tief  dunkelbraune  Farbe;  an  ihre  Stelle  tritt  ein  Gelbgriin,  die 
Polarisationsfarben  sinken,  und  allmahlich  wird  so  der  Biotit  in 
hellgriinen,  sehr  schwach  pleochroitischen  Chlorit  (Pennin)  Yer- 
wandelt.  Bei  +  Nic.  zeigt  dieses  Mineral  die  charakteristischen 
tintenblauen  Interferenzfarben.    Meist  zehrt  die  Chloritisierung, 


263 


allmahlich  von  auBen  nach  innen  fortschreitend,  den  Biotit  auf; 
hie  und  da  ergreift  sie  auch  einzelne  besondere  Lamellen,  auf 
denen  sie  ins  Innere  yordringt.  Bei  der  Chloritisierung  miissen 
sich  Substanzen  ausscheiden,  die  nicht  oder  nicht  ganz  in  das 
Chloritmolekul  eingehen  konnen.  Es  ist  dies  ein  Teil  des 
Eisenoxyds  sowie  Titanoxyd.  In  friihen  Stadien  der  Zersetzung 
des  Biotits  scbeidet  sich  zunachst  das  Titandioxyd  in  Form  des 
bekannten  Sagenitgeweb es  aus.  Bei  weitergehender  Zer- 
setzung scheint  das  Sagenitgewebe  nicht  mehr  bestandig  zu  sein. 
Es  yerschwindet,  und  an  seine  Stelle  treten  schmutzige  Erzaus- 
scheidungen.  Bei  auffallendem  Licht  zeigen  sie  fast  immer  den 
charakteristischen  weiJ31ichen  Glanz  und  verraten  sich  dadurch 
als  Titaneisen  mit  teilweiser  Umwandlung  zu  Titanit.  Die  Aus- 
scheidungen  bleiben  meistens  auf  den  ursprunglichen  Spaltflachen 
des  Biotits  und  lassen  so  im  Chlorit  noch  yollstandig  die  friihere 
Krystallstruktur  des  Biotits,  eventuelle  Deformation  en  usw.  er- 
kennen.  Es  wiirde  sich  also  um  regelrechte  Pseudomorphosen 
yon  Chlorit  nach  Biotit  handeln.  In  seltneren  Fallen  wandern  die 
Ausscheidungsprodukte  aus  dem  Krystall  aus  und  sammeln  sich 
in  der  Umgebung  an.  Es  entsteht  so  ein  vollstandig  homogener 
Chlorit,  der  durch  nichts  mehr  seine  Abstammung  von  Biotit  verrat. 

AuBer  der  Chloritisierung  yerfallt  der  Biotit  noch  der  Aus- 
bleichung  zu  mus co vitahnlich er  Substanz:  der  Pleo- 
chroismus  schwindet,  die  Eigenfarbe  sinkt  bis  Hellgelb,  schliefi- 
lich  sogar  bis  zurfarblosen  Durchsichtigkeit;  bei  +  Nic.  treten  die 
Interferenzfarben  des  Muscoyits  auf.  Oft  verbinden  sich  auch 
am  gleichen  Biotitkrystall  die  TJmwandlungen  zu  Chlorit  und  zu 
Muscovit.  Seltner  ist  die  Bildung  yon  Epi dotmineralien 
bei  der  Zersetzung  des  Biotits. 

Dem  Biotit  folgt  in  der  Reihenfolge  der  Ausscheidung  der 
Plagioklas.  Haufig  lehnt  er  sich  mit  einer  Krystallflache  an 
eine  bereits  ausgebildete  Flache  des  Biotits.  Meist  zeigt  er 
ausgezeichnetenldiomorphismus;  deutlich  sind  an  vielenSchnitten 
die  Flachen  P,  M,  x  zu  erkennen.  Mit  groBer  RegelmaBigkeit 
weist  der  Plagioklas  Zwillingsbildung  nach  dem  Albitgesetz  auf, 
selten  tritt  zu  diesem  das  Perikliiigesetz  hinzu.  Bei  Benutzung 
der  Beckeschen  Methode  zeigt  es  sich,  daB  der  Plagioklas  immer 
schwachere  Lichtbrechung  als  Quarz  besitzt.  Die  Ausloschungs- 
schiefe  ist  auf  Spaltblattchen  nach  M  ca.  -t-3°,  auf  P  im  Mittel 
+13°.  Es  liegt  also  ungefahr  Oligoklas- Albit  yor.  Damit 
steht  die  chemische  Analyse  des  Gesteins  in  Ubereinstimmung. 

Orthoklas,  der  sich  nach  dem  Plagioklas  ausscheidet, 
tritt  zwar  in  geringerer  Indiyiduenzahl  auf  als  dieser,  bildet 


264 


aber  viel  groBere  Kiystalle  aus  und  wird  wohl  an  absoluter 
Quantitat  den  Plagioklas  iiberwiegen.  Er  zeigt  keine  Zwillings- 
bildung;  Mikroklingitterung  wurde  nie  beobachtet.  Dagegen 
kommen  sehr  regelmiiBig  Mikroperthitbildungen  vor;  der  Ortho- 
klas  ist  oft  geradezu  durchflochten  you  hoher  lichtbrechenden 
Albitschniiren.  Recht  haufig  sind  Einschliisse  von  kleinen  Plagio- 
klas- und  Quarzkornern. 

Quarz  erweist  sich  deutlich  als  letzte  Ausscheidung.  Er 
fiihrt  reihenformig  angeordnete  Einschliisse,  die  zum  Teil  als 
Fliissigkeitseinschlusse  zu  erkennen  sind.  Meist  ist  schon  un- 
dulose  Ausloschung  oder  Zerfall  in  optisch  Yerschieden  orientierte 
Felder  eingetreten.  Uberall  verbreitet  sind  die  schon  erwahnten 
Einschliisse  rundlicher  Quarzkorner  im  Feldspat. 
Wahrend  sie  im  Plagioklas  noch  etwas  seltener  sind,  treten  sie 
im  Orthoklas  mit  grofler  RegelinaBigkeit  auf.  Es  sind  rundliche 
bis  langliche  Korner,  die  in  giinstigen  Fallen  die  Form  eines 
Dihexaeders  zeigen. 

Wahrend  der  Plagioklas  krystallisiert,  beginnt  auch  schon 
die  Ausscheidung  des  Quarzes;  kleine  Korner  dieses  Minerals 
konnen  infolgedessen  Yom  Plagioklas  eingeschlossen  werden. 
In  einem  spateren  Stadium,  wenn  die  Bildung  des  Plagioklas 
zu  Ende  ist,  der  Orthoklas  sich  aber  noch  ausscheidet,  geht 
auch  die  Krystallisation  des  Quarzes  schon  starker  Yor  sich; 
der  Orthoklas  wird  infolgedessen  mehr  Kornereinschliisse  Yon 
Quarz  aufzuweisen  haben  als  der  Plagioklas.  Mit  Hilfe  dieser 
Einschliisse  laBt  sich  also  gut  die  Krystallisationsfolge  des 
Gesteins  in  ihren  einzelnen  Phasen  feststellen. 

AuSer  diesen  Hauptgemengteilen  findet  sich  als  sehr  weit 
Yerbreiteter  Nebengemengteil  der  Pinit.  LT.  d.  M.  zeigt  sich, 
daB  wohl  kaum  je  etwas  Yon  der  urspriinglichen  Cordieritsub- 
stanz  iibrig  blieb.  Einschliisse  YOn  stark  zersetztem  Biotit  im 
Pinit  sind  haufig.  Bei  +  Nic.  laBt  sich  erkennen,  dafl  das 
Mineral  ein  feinfilziges  Aggregat  allerkieinster,  gleich  orientierter 
Muscovitschiippchen  darstellt.  Hie  und  da  treten  an  ihre  Stelle 
grobblattrige  Aggregate,  die  dann  (nach  Gakeiss)  eher  als 
Gigantolith  zu  bezeichnen  waren. 

Wo  Pinit  Yorkommt,  und  nur  in  diesen  Gesteinen,  stellt 
sich  meist  auch  Graphit  ein.  Es  sind  kleine  schwarze,  in- 
tensiv  gliinzende  Blattchen  und  Faserchen  mit  den  eigentlimlich 
zerfaserten  Umrissen.  Das  Auftreten  mit  Pinit  zusammen 
erklart  sich  ungezwungen  daraus,  daB  beide  Mineralieu  auf 
eine  Resorption  sedimentaren  Materials  durch  den  Granit  zu- 
riickzufiihren  sind. 

Ein   seltner   Gemengteil  ist  der  Turmalin.  Interessant 


265 


sind  die  verschiedenen  FarbeD  eines  Krystalls  in  einem  Gestein 
von  der  Urbachsteige.  Die  eine  Halfte  des  Turmalins  erwies 
sich  als  braun  (a  =  hellgelbbraun,  c  =  dunkler  braun),  die  andere 
Halfte  als  blau  (a  =  lichtblau,  fast  farblos,  c  =  hellblau).  Triibe 
Mischfarben  bilden  einen  kontinuierlichen  TJbergang  yon  braun 
zu  blau. 

Als  untergeordnete  Gemengteile  waren  Apatit,  Zirkon  und 
Erze  zu  erwahnen. 

Apatit  findet  sich  meist  als  EinschluB  im  Biotit.  Er 
bildet  kurze,  gedrungene  Siiulchen  yon  durchschnittlich  0,3  mm 
Lange;  es  kommen  jedoch  auch  groBe  Apatite  von  1  mm  Lange 
und  0,5  mm  Durchmesser  vor.  Zirkon  (Monacit  und  Xenotim?) 
tritt  in  scharf  begrenzten  Prismen  im  Biotit  auf  und  erzeugt 
hier  die  pleochroitischen  Hofe.  Erzausscheidungen  im  I.Gr. 
sind  selten.  Es  kann  eigentlich  nur  Pyrit  festgestellt  werden; 
er  ist  unregelmaBig  Yerbreitet,  kann  aber  dort,  yvo  er  auftritt 
(z.  B.  an  einer  Stelle  der  Urbachsteige)  recht  haufig  sein.  Hie 
und  da  laBt  sich  im  Schliff  beobachten,  wie  der  Pyrit  allmahlich 
von  Eisenoxyd  ersetzt  wird;  es  bilden  sich  schone  Pseudo- 
morphosen  you  blutrotem  Hamatit  nach  Pyrit. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  ergibt  also  mit  Yoller 
GewiBheit,  daJ3  der  „Gneis"  Yon  Innertkirchen  in  Wirklichkeit 
ein  typischerGranitit  mit  normaler  Ausscheidungsfolge 
ist  (vgl.  Taf.  XX,  Fig.  3). 

Dadurch  unterscheidet  sich  das  Gestein  scharf 
Yom  Erstfelder  Eruptivgneis,  der  infolge  ausgepragter 
Lagentextur  keine  reine  Eruptivstruktur  erkennen  laflt.  DaB 
es  zwei  verschiedene  Gesteine  sind,  beweist  schon  zur  Geniige 
die  Tatsache,  daB  der  I.Gr.  den  Erstfelder  Eruptivgneis  ein- 
schlieBen  kann  (vgl.  S.  254). 

Ebensowenig  hat  der  I.Gr.  mit  dem  Zentralgranit,  dem 
„Protogin",  etwas  zu  tun.  Mineralogisch  charakterisiert  den 
I.Gr.  das  Fehlen  von  Mikroklin  und  Epidot1),  dieser  im  Zen- 
tralgranit so  haufigen  Mineralien.  Sehr  bezeichnend  und  kon- 
stant  ist  der  Unterschied  in  der  Farbe  der  Biotite:  Wahrend 
der  I.Gr.  kastanienbraunen  Biotit  fuhrt,  besaBen  alle  von  mir 
untersuchten  Diinnschliffe  von  Zentralgranit  einen  dunkelbraun- 
griinen  Glimmer.  Pleochroitische  Hofe  um  Zirkoneinschltisse 
scheinen  im  Zentralgranit  zu  fehlen  oder  viel  schwacher  zu  sein. 
Strukturell  ist  der  Gegensatz  beider  Gesteine  noch  groBer.  Es 

])  Nur  ganz  untergeordnet  wurde  Epidot  als  Zersetzungsprodukt 
des  Biotits  sowie  als  sekundares  Spaltenmineral  beobachtet. 


266 


fehlen  dem  I.Gr.  jene  Eigentiimlichkeiten  des  Zentralgranits, 
die  jetzt  fast  ubereinstimmend  yon  den  meisten  Petro  graph  en 
als  das  Resultat  einer  „Protoklase"  (bezw.  „Piezokrystallisation") 
gedeutet  werden  (Becke,  Klemm,  Salomon,  Sauer,  Weinschenk, 
Weber).  Ersterer  ist  miter  vollstandig  normalen  Bedingungen 
erstarrt,  letzterer  unter  anormalen,  wie  sie  jedenfalls  durcb 
einen  gebirgsbildenden  Yorgang  geschaffen  wurden.  Geologisch 
lafit  sicb  nirgends  ein  Zusammenhang  von  I.Gr.  mit  dem  Zen- 
tralgranit  nachweisen;  die  Annahme,  der  I.Gr.  sei  eine  Randzone 
des  Zentralgranits  (Hugi,  Lit.  20,  S.  450),  kann  also  in  keiner 
Weise  als  erwiesen  betrachtet  werden. 

Dagegen  ist  nun  hocbst  wahrscheinlich  der  G aster  engranit 
mit  dem  von  Innertkircben  identisch,  worauf  zuerst  Truninger 
binwies  (Lit.  48  und  49).  Eine  Reihe  cbarakteristiscber  Eigen- 
tiimlichkeiten,  die  beiden  Gesteinen  gemeinsam  sind,  beweisen 
dies:  Pinitfiibrung,  Einscbliisse  yon  Scbollengesteinen  abnlicher 
Bescbaffenbeit,  gleicbe  ungestorte  Erstarrungsstruktur,  gieicbe 
mineraliscbe  und  cbemiscbe  Zusammensetzung.  Es  darf  desbalb 
wobl  vorgescblagen  werden,  diese  Gesteine  am  Nordrand  des 
Aarmassivs  unter  der  Bezeicbnung  „nordlicher  Granit"  zu- 
sammenzufassen. 

Sucben  wir  auBerbalb  der  Alpen  nacb  einem  Gestein,  das 
sicb  dem  „nordlichen  Granit"  Yergleicben  lieBe,  so  finden  wir 
als  nacbstliegendes  Yergleichsobjekt  die  Granite  des  Scbwarz- 
w aides.  DaB  bier  Zusammenhange  besteben  miissen,  spricbt 
scbon  Schmidt  1893  aus  (Lit.  14,  S.  48).  Er  scbreibt:  „Yor 
der  letzten  Hebung  der  Alpen  und  dem  Versinken  des  Yor- 
landes  lag  am  Nordrand  des  sicb  bebenden  Gebirges  ein  von 
der  mesozoiscben  Sedimentdecke  teilweise  entbloBtes  Grundge- 
birge,  die  Yerbinduug  von  den  Alpen  zum  Scbwarzwald  dar- 
stellend.  Der  Granit  von  Gasteren  ware  also  als  sudlicher, 
stebengebliebener  Teil  dieser  jungpalaozoiscben  Granitmasse  zu 
denken."  DaB  der  Gasterengranit  (bezw.  der  nordlicbe  Granit 
iiberhaupt)  „eugranitische  Struktur"  besitzt,  die  ibn  „scbarf 
von  den  Protoginen  trennt" ,  erklart  sicb  Schmidt  so,  daB  er 
jiinger  sei  als  der  Protogin  und  erst  nacb  der  postcarboniscben 
Faltung  aufgedrungen;  desbalb  sei  er  von  dieser  nicbt  mebr 
deformiert  worden.  Diese  Ansicbt  wird  sicb  beute  kaum  mebr 
halten  lassen.  Von  groBer  Bedeutung  ist  es  jedoch,  daB  also 
auch  Schmidt  auf  Grund  der  Strukturen  nordlicben  Granit 
und  Zentralgranit  voneinander  scbeidet  und  so  dazu 
kommt,  den  nordlicben  Granit  mit  den  Graniten  des 
Schwarzwaldes  zusamenzustellen. 


267 


Die   chemische  Zusammensetzung  der  in  Frage  ste- 
henden  Gesteine  ist  geeignet,  obige  Ausfiihrungen  zu  stiitzen. 
Analyse  I:  Innertkirchener  Granit,  Urbachsteige.  Analytiker: 
Verfasser. 

Analyse  II:  Gasterengranit  (zitiert  nach  Fellenberg,  Lit  14). 
Analyse  III:  Pinitfiihrender  Granitit  von  Durbach  (Schwarz- 
wald)  (zitiert  nach  Sauer,  Lit.  37)  Analytiker:  Sauer. 


/ 

/     ®  ®>\ 

/  3 

/  1 

<f        IF  \ 

/  yI 

Fig.  6. 


Gewichtsprozente. 


I 

II 

III 

Si02  

  66,70 

67,87 

67,70 

TiOa  

  0,81 

  16,62 

0,50 

A1203   

15,96 

16,08 

Fe303   

FeO  

  2,45 

  2,36 

1,651 
3,02/ 

5,26 

CaO  

  1,89 

1,73 

1,65 

MgO  

  0,89 

1,40 

0,95 

K20   

..'   4,40 

4,26 

5,78 

Na20  

•  .  2,98 

3,72 

3,22 

......  2,14 

0,80 

100,24 

100,41 

101,14 

268 


Molekularprozente. 


I  II  III 

SiO.  +  TiOo   74,83  74,25  74,42 

A1.A   10,87  10,34  10,34 

Feb     ,   4.22  4,15  4,31 

CaO   2,26  2,03  1,94 

MgO    1,48  2,28  1,55 

K20    3,12  2,98  4,03 

Na20    3,22  3,97  3,41 


Proj  ektionswerte  nach  Osann-Becke. 

I  II  III 
 '.  .  .     74,83         74,25  74,42 


a    8,9  9,0  9,7 

c'   3,1  2,6  2,6 

f    8,0  8,4  7,7 

n   5,08  5,7  4,6 


+  AL03  auf  a  +  c'  +  f  =  20  umgerechnet  3,2  1,78  1,3 

Die  XJbereinstimmung  der  chemischen  Zusammensetzung 
aller  drei  Gesteine  fallt  ohne  weiteres  in  die  Augen.  Es  sind 
normale  Granitite  mit  yorwiegendem  Alkalifeldspat,  ungefahr 
Typus  Katzenfels  (Osann,  Tsch.  M.  u.  p.  M.  Bd.  19,  1900). 
(Typenformel:   s74  a8-5  c3)5  f8.) 

Auffallend  ist  der  T onerdeiib ers chui3,  der  besonders  im 
I.Gr.  erne  bedeutende  Hohe  erreicht.  Er  ist  jedenfalls  durch 
die  Resorption  sedimentaren  Materials  yerursacht. 

IT.  Scholleneinschliisse  im  Iunertkirchener  Granit. 

Als  das  Gestein  von  Innertkirchen  noch  fiir  einen  sedimen- 
taren Gneis  gehalten  wurde,  da  lieferten  die  yon  Satjer  1893 
entdeckten  Scholleneinschliisse  zum  erstenmal  den  sicheren 
Beweis,  daB  man  es  mit  einem  eruptiyen  Gestein  zu  tun  habe. 

Derartige  Einschlusse,  die  zuerst  bei  der  Kirche  yon  Innert- 
kirchen  sowie  an  def  GrimselstraBe  gefunden  wurden,  stellen 
eine  im  I.Gr.  sehr  weit  yerbreitete,  regelmaBige  Erschei- 
nung  dar;  alle  besseren  Aufschliisse  weisen  sie  auf.  Am 
schonsten  und  lehrreichsten  ist  immer  noch  die  iiberhangende 
StraBenwand  bei  der  Aui3eren  Urweid;  schone  Schollenein- 
schliisse zeigen  auch  die  Urbachsteige,  der  neuere  Anschnitt 
der  GadmenstraBe  bei  Hopflauenen  und  besonders  die  glazial 
geschliffene  Eelsoberflache  am  Aufstieg  zum  Wendengletscher. 

Yon  den  kleineren  Schollen  unterscheiden  sich  die  be- 
kannten  Marmoreinlagerungen  im  I.Gr.  durch  groBere  Di- 
mensionen.  Jedoch  liiBt  sich  auch  fiir  sie  die  Schollennatur 
nachweisen.  Wenn  sie  die  groBten  Brocken  fremden  Materials 
im  I.Gr.  darstellen,  so  ist  die  Pinitfiihrung  das  letzte  Anzeichen 


269 


dafiir,  daB  hier  der  Granit  andere  Gesteine  in  sich  aufgenomnien 
hat.  In  diesem  Falle  ware  dann  vollstandige  Assimilation  ein- 
getreten.  Bezeichnender  Weise  scheint  die  Pinitfiihrung  in  der 
Nahe  von  deutlichen  Scholleneinschlussen  am  starksten  zu  sein. 

Den  instruktivsten  Einblick  in  diese  Einschliefiungsvorgange 
gewahrt  die  StraBenwand  an  der  AuBeren  TJrweid.  Wir 
sehen  hier  groBe,  bis  2  m  messende  Gesteinsbrocken  von  Gra- 
nit umhiillt.  Dieser  nimmt  gegen  die  Schollen  hin  gewohnlich 
eine  andere  Beschaffenheit  an :  Er  umsaumt  sie  in  saurer,  grob- 
krystalliner,  glimmerarmer  bis  -freier  Ausbildung.  Hie  und  da 
findet  sich  noch  etwas  Turmalin  in  dieser  Zone,  die  als  peg- 
matitische  Randfacies  des  Granits  bezeichnet  werden  kann. 
Die  groBen  Feldspate  weisen  meist  graue  bis  schwarzliche 
Farbung  auf.  .U.  d.  M.  zeigt  sich,  daB  sich  in  der  Hauptsache 
nur  saurer  Plagioklas  (Oligoklasalbit)  in  schon  idiomorphen 
Krystallen  und  Quarz  als  Ausfiillungsmasse  an  der  Zusammen- 
setzung  beteiligen.  Biotit  kommt  untergeordnet  in  kleineu 
Blattchen  vor. 

In  weiterer  Entfernung  von  den  Schollen  zeigt  der  Granit 
hie  und  da  noch  sehr  ungleichkornige  Ausbildung,  vor  allem 
grofie  idiomorphe  Feldspate,  die  dem  Gestein  granitpor- 
phyrischen  Habitus  verleihen. 

AuBerdem  laBt  sich  noch  oft  eine  Par allelordnun g  der 
Glimmer  nachweisen.  Die  Orientierung  der  Glimmerblattchen 
geht  parallel  zu  den  Grenzen  der  Scholle;  es  liegt  also  soge- 
nannte  „umlaufende  Paralleltextur "  vor.  Eigentliche  La- 
genbildung  findet  nicht  statt.  Diese  primare  Paralleltextur  ist 
wohl  am  besten  durch  FlieBbewegungen  zu  erklaren,  die  das 
Magma  um  die  Schollen  herum  ausfiihren  muBte. 

Alles  in  allem  weist  der  Granit  am  Schollenkontakt 
auBerst  unruhige  B e sch a ff enheit  in  chemischer  und  struk- 
tureller  Beziehung  auf. 

Die  Schollen  zeigen  in  der  Begrenzung  noch  sehr  gut 
ihre  Natur  als  Bruchstiicke  eines  durch  magmatische  Intru- 
sion zertrummerten  Gesteinskomplexes.  Die  Grenzen  gegen 
das  umhiillende  Magma  sind  nicht  immer  ganz  scharf  und  be- 
stimmt;  nicht  selten  findet  randliche  Resorption  und  YerfloBung 
von  Bestandteilen  der  Schollen  in  den  Granit  statt.  Haufig 
dringt  der  Granit  auch  in  die  Scholle  ein  und  durchadert  sie. 
Dieses  Eindringen  folgt  zum  Teil  den  Schichtflachen  und  kann 
sogar  eine  leichte  Aufblatterung  derselben  erzeugen;  ebenso 
haufig  setzen  aber  die  feinen  ap litis ch en  Aderchen  auch  quer 
durch.  Im  ganzen  scheinen  die  Yerhaltnisse  an  der  AuBeren 
Urweid  denen  am  Absturz  des  Kanderfirns  (Truninger,  Lit.  49} 


270 


recht  ahnlich  zu  sein,  nur  daB  dort  noch  groBere  und  besser  zu- 
sammenhangende  Schieferkomplexe  im  Granit  schwimmend  ge- 
funden  werden. 

Uber  die  urspriingliche  Natur  der  eingeschlossenen 
Gesteine  ist  bei  deren  hochmetamorpher  Natur  nur  sehr 
schwer  etwas  auszusagen.  Mit  Sicherheit  sind  einige  Gesteine 
des  Erstfelder  Gneismassivs  wiederzukennen.  Schon  fruher 
(S.  254)  ist  erwahnt  worden,  daB  an  einem  Block  bei  Obermatt 
die  EinschlieBung  yon  Erstfelder  Eruptivgneis  durch  I.Gr.  be- 
obachtet  wurde.  Die  Schollengesteine  im  Gebiet  des  Wenden- 
gletschers  zeigen  den  typischen  feinkornigen  Erstfelder  Sedi- 
mentgneis.  Die  mikroskopische  Untersuchung  laBt  unverandert 
Mineralbestand  und  Struktur  jener  Gesteine  (vgl.  Taf.  XX,  Fig.  2) 
erkennen.  Hier  muB  also  der  I.Gr.  in  die  E.  Gn.  eingedrun- 
gen  sein. 

Weiter  nach  W  zu  sind  es  andere  Gesteine,  die  der  Ein- 
scblieBung  durch  deD  I.Gr.  unterlagen.  Es  sind  Sedimente, 
die  erst  bei  der  Einschmelzung  ihre  metamorphe  Beschaffenheit 
angenommen  haben.  Es  ist  im  folgenden  keine  systematisch- 
petrographische  Beschreibung  dieser  Einschlusse  beabsichtigt, 
diese  Arbeit  ist  bereits  Yon  Herrn  Hugi  begonnen  worden 
(vgl.  Lit.  20);  es  sollen  nur  einzelne  interessante  Typen 
herausgehoben  werden. 

Nicht  selten  zeigen  die  Schollen  eine  deutliche  Differen- 
zierung  in  Lagen,  die  sich  durch  Yerschiedene  Farben  Yon- 
einander  unterscheiden.  Braune  Lagen  mit  Biotit,  griinliche 
mit  Augit,  rote  mit  Granat  und  schwarzliche  mit  Hornblende 
konnen  miteinander  abwechseln.  Sie  bringen  die  lagenweise 
wechselnde  chemische  Zusammensetzung  des  eingeschlossenen 
Gesteins  zur  Erscheinung. 

Ziemlich  haufig  sind  an  der  AuBeren  Urweid  Gesteine,  die 
sich  durch  einen  ungewohnlichen  Reichtum  an  Granat  und 
Biotit  auszeichnen.  Diese  Granatfelse  zeigen  u.  d.  M.  Quarz, 
Feldspat  und  sehr  Yiel  Biotit.  Das  ganze  ist  siebartig  durch- 
setzt  Yon  einer  Unmenge  kleiner  Kornchen  Yon  Granat,  die  als 
Einschlusse  in  alien  ubrigen  Gemengteilen  auftreten.  Andere 
Schollen  zeigen  groBere,  krystallographisch  gut  ausgebildete 
Krystalle  Yon  Granat.  Pyrit  tritt  fast  in  alien  Einschlussen  in 
groBerer  oder  kleinerer  Menge  auf. 

Ein  Gestein,  das  diesen  Einschlussen  Yon  der  Urweid  in 
Yielen  Puukten  gleicht  und  jedenfalls  auch  einen  derartigen 
ScholleneinschluB  reprasentiert,  wurde  an  der  Sustenstrafle  bei 


271 


den  Kehren  von  Feldnioos  aufgefunden.  Der  Unterscliied  gegen- 
uber  dem  Vorkommen  der  AuBeren  Urweid  ist  der,  daB  das 
Gestein  sehr  stark  mechanisch  deformiert  ist  (vgl.  S.  279).  In- 
folgedessen  weisen  fast  samtliche  Granatkrystalle  langliche  Uni- 
risse  auf,  die  dadurch  entstehen,  daB  einzelne  Teile  des  Krystalls, 
die  sich  nach  den  Spaltnachen  voneinander  gelost  haben,  auf 
diesen  Flachen  auseinandergeschoben  werden. 

Ein  sehr  biotitreicher  EinschluB  von  der  Urweid  fiihrt 
neben  viel  Pyrit  zahlreiche  kurze  Saulchen  und  Korner  von 
hellbraunem  Turmalin,  der  hie  und  da  Zonarstruktur  aufweist. 
Da  auch  der  I.  Gr.  gelegentlich  Turmalin  fiihrt,  so  darf  hier 
wohl  auf  Stoffzufuhr  auf  pneumatolytischem  Wege  aus  dem  um- 
schlieBenden  Magma  geschlossen  werden. 

Andere  Einschliisse  zeigen  durch  ihre  Mineralkombination 
Quarz-Feldspat-Biotit  und  die  Paralleltextur  gneisartigen 
Habitus.  Jedoch  weisen  nur  einzelne  Lagen  diese  Zusammen- 
setzung  auf;  in  raschem  Wechsel  konnen  sich  hornblende-  oder 
augitreiche  Lagen  anschlieBen.  (Diese  Gesteine  gleichen  den 
neben  der  Marmorlinse  II  anstehenden.)  Eine  Merkwiirdigkeit 
in  derartigen  Einschliissen  sind  stengelige  Einwachsungen  von 
Quarz  in  Hornblende;  Zoisit  und  Titanit  sind  haufige  Ge- 
mengteile. 

Yiele  Einschliisse  zeigen  einen  groBeren  Gehalt  an  Kalk, 
so  daB  sie  als  Kalksilikatfelse  bezeichnet  werden  konnen. 
So  fiihrt  ein  EinschluB  von  der  StraBenwand  bei  der  Wirtschaft 
zur  Inneren  Urweid  neben  primarem  Kalkspat  viel  Augit,  Granat, 
Zoisit  und  Titanit. 

Der  Eindruck,  den  man  von  der  Gesamtheit  der  beschriebenen 
Einschliisse  erhalt,  ist  der,  daB  es  sich  um  stark  durch 
Eruptivkontakt  metamorphosierte  Schollen  toniger  bis 
kalkiger  Sedimente  handelt.  Rein  kalkige  Einschliisse 
groBeren  Stils  sind  die  Marmorlinsen  der  GrimselstraBe, 
die  randlich  betrachtlichen  Silikatreichtum  besitzen.  Vielleicht 
lag  auch  manchen  Kalksilikatfelsen  ursprimglich  reiner  Kalk  zu- 
grunde,  aus  dem  aber  bei  der  Metamorphose  durch  Stoffzufuhr 
von  seiten  des  Granits  Kalksilikate  geschaffen  wurden. 

Geht  man  von  der  StraBenwand  mit  den  Scholleneinschliissen 
die  GrimselstraBe  aufwarts,  so  erreicht  man  nach  ca.  250  m  eine 
Stelle,  an  der  vor  offenbar  nicht  allzulanger  Zeit  gegraben 
wurde.  Sieht  man  naher  zu,  so  bemerkt  man,  daB  hier  eine 
schmale  Marmoreinlagerung  im  Granit  vorliegt  (I).  Ungefahr 
25  m  weiter,  an  der  nachsten  StraBenbiegung  bemerkt  man  eine 
zweite  leichte  Schiirfung,  bei  der  anscheinend  der  gewiinschte 


272 


Erfolg  ausblieb,  die  aber  wiederum  einen  schonen  Marmor  ent- 
bloBte  (II). 

Diese  Marmorvorkommen  im  Granit  werden  zuerst  Yon 
Baltzer  erwahnt.  Er  niochte  sie  in  Analogie  mit  andern  Yor- 
kommnissen  fur  abgetrennte,  durch  Druck  marmorisierte  Stiicke 
eines  Jurakalkkeils  halten,  ist  sich  aber  der  Schwierigkeit  dieser 
Auffassung  wohl  bewuBt.  Er  schreibt  (Lit.  I,  S.  59):  „Fiir  die 
isolierten  yon  mir  nachgewiesenen  Marmorbander  am  Schon- 
alphorn,  am  lauteren  See,  fiir  den  Marmor  bei  der  AuBeren 
Urweid,  welche  alle  ganz  in  Gneis  eingeschlossen  sind  und 
keinen  Ubergang  in  gewohnlichen  Kalk  zeigen,  mochte  ich  die 
Moglichkeit  anderer  Entstehung  nicht  absolut  in  Abrede  stellen. 
Es  laBt  sich  ein  strenger  Beweis  fiir  ihre  Bildung  nicht  fiihren, 
obwohl  die  LagerungSYerhaltnisse  die  Entstehung  durch  Um- 
wandlung  wahrscheinlich  machen."  Sauer  vertrat  dann  zuerst 
die  Ansicht,  daB  die  Marmorlinsen  der  AuBeren  Urweid  groBe, 
YOm  Granit  eingeschlossene  Schollen  darstellen,  die  deutlich 
die  Spuren  der  Kontaktmetamorphose  aufweisen  (Lit.  38). 
Hugi  schlieBt  sich  dieser  Auffassung  an  und  fiigt  auch  eine 
genauere  petrographische  Beschreibung  der  .Marmorlinsen  bei 
(Lit.  20). 

Daran  kniipft  nun  eine  KontroYerse  zwischen  Hugi 
und  Schmidt  an  (Lit.  41  und  21).  Schmidt  gibt  nur  fiir  die 
Schollen  an  der  StraBenwand  die  eruptive  EinschlieBung  zu, 
halt  aber  mit  Entschiedenheit  die  beiden  „Marmorlager"  fiir 
abgequetschte  Teile  des  Pfaffenkopfkeils.  Hugi  muB  demgegen- 
iiber  an  der  kontaktmetamorphen  Bildung  und  damit  an  der 
Schollennatur  des  Marmors  festhalten,  wobei  er  allerdings  zu- 
gibt,  daB  hieraus  kein  Beweis  fiir  postjurassisches  Alter  des 
Granits  gefiihrt  werden  diirfe,  da  es  sich  ja  auch  um  prame- 
sozoische  Kalke  handeln  konne.  Bei  dieser  Sachlage  wird  es 
wohl  der  Miihe  wert  sein,  etwas  zur  Klarung  beizutragen.  Es 
sei  daher  eine  kurze  Beschreibung  der  beiden  Marmor- 
linsen gegeben. 

Der  AufschluB  I  zeigt  rechts  die  Beriihrung  Yon  Kalk 
und  Granit.  Die  Spuren  mechanischer  Beeinflussung  sind  iiber- 
aus  deutlich;  sie  auBern  sich  in  einer  ausgezeichneten  Schieferung 
des  Kalkes.  Oben  hurt  der  Marmor  schon  ca.  4  m  iiber  dem 
StraBenniveau  auf;  unterhalb  der  StraBe  ist  er  noch  festzustellen, 
wiihrend  es  Hugi  nicht  gelang,  auch  jenseits  der  Aare  eine 
Fortsetzung  der  Linse  aufzufinden.  Das  Gestein  ist  zum  groBten 
Teil  ein  fettig  anzufiihlender,  griingefleckter,  geschieferter Marmor. 
Es  fand  Yerwendung  als  Ofenstein.  Die  Nahe  der  StraBe  machte 
es  unmoglich,  mit  dem  Graben  weiter  in  die  Tiefe  zu  gehen,  und 


273 


so  muBte  der  Abbau  bald  aufhoren.  Die  petrographische  Unter- 
suchung  laflt  in  dem  Gestein  einen  sehr  serpentinreichen  Marmor 
erkennen,  dessen  Entstehung  imbedingt  auf  Kontaktmetamorphose 
zuriickzufiihren  ist.  Da  merkwiirdige  rundliche  Verwachsungen 
von  Kalkspat  und  Serpentin  vorkommen,  so  pragte  Hugi  sogar 
den  Namen  „Eozoon  helveticum"  fiir  das  interessante  Vor- 
kommen. Daneben  findet  sich  noch  ein  grobkrystalliner  dunkler 
serpentinfreier  Marmor  Yor.  Bemerkenswert  ist,  dafi  das  Fallen 
der  Linse  Yiel  weniger  steil  ist  (ca.  50°  nach  SO),  als  es  fiir  die 
Schieferung  des  Granits  die  Regel  ist  (ca.  80°). 

Die  Marmorlinse  II  zeigt  etwas  kompliziertere  Verhalt- 
nisse.  Die  Schurfung  entbloflte  den  Marmor  ganz  gut,  der  sich 
nun  in  merkwiirdig  stotzigen  Formen  dem  Beschauer  darbietet. 
Das  Gestein  ist  hier  nicht  serpentinhaltig,  sondern  ziemlich  rein, 
nur  mit  Yereinzelten  Pyritkornern.  Die  Leute,  die  hier  nach 
„Giltstein"  suchten,  kamen  infolgedessen  nicht  auf  ihre  Rechnung. 
Rechts  und  links  des  Marmors  tritt  ein  dunkles,  hornfelsartiges 
Gestein  auf,  das  mit  einigen  Schollengesteinen  Yon  der  Strafien- 
wand  makroskopisch  und  mikroskopisch  Yollstandig  identisch 
ist.  Es  erscheint  gneisartig,  mit  lagenweise  wechselnder  Zu- 
sammensetzung.  Dimkle  biotitreiche  Lagen  wechseln  mit  griin- 
lichen  ab.  U.  d.  M.  zeigt  sich  die  Hauptmasse  des  Gesteins 
aus  rundlichen,  stark  sericitisierten,  nicht  zwillingsgestreiften 
Eeldspatkornern  gebildet,  zwischen  denen  Biotitblattchen  liegen. 
Quarz  fehlt  fast  ganz;  dagegen  sind  kleine  Korner  Yon  Titanit 
und  Rutilnadelchen  (z.  T.  in  schonen  knieformigen  Zwillingen) 
recht  haufig.  In  den  griinlichen  Lagen  kommen  einzelne  Korner 
eines  farblosen  Augits  Yor.  Es  handelt  sich  also  mit  hochster 
Wahrscheinlichkeit  um  ein  stark  metamorphosiertes  toniges 
Sediment,  das  die  Marmorlinse  begieitet. 

Rechts  und  links  Yon  diesem  Gestein  schlieBt  sich  dann 
der  I.  Gr.  an,  der  hier  ziemlich  unruhiges  Aussehen  aufweist, 
z.  T.  primare  Paralleltextur  erkennen  la,8t. 

Links  der  grofien  Marmorlinse  zeigen  sich  noch  zwei 
kleinere,  Yon  denen  die  obere  fast  ganz  zu  einem  Kalksilikat- 
fels  umgebildet  ist,  wahrend  die  untere  sich  durch  einen  merk- 
wiirdigen  grau  und  weiB  gebanderten  Marmor  auszeichnet.  Be- 
achtenswert  ist,  daB  diese  beiden  Linsen  (besonders  fur  die 
obere  ist  dies  deutlich)  fast  genau  senkrecht  zur  Hauptlinse 
streichen. 

Nach  allem  Erwahnten  laBt  sich  keinBeweis  gegen  die 
Scho  llennatur  der  beiden  Marmorlinsen  Yorbringen.  Die 
Grofle   und   das  lagerformige  Auftreten  ist  kein  Gegengrimd. 

Zeitschr.  d.  "D.  Geol.  Ges.  1914.  18 


274 


Man  kennt  z.  B.  aus  dem  Odenwald  linsenformige  Einlagerungen 
von  Marmor  in  Granit,  die  ausgezeichnet  schone  Kontakt- 
mineralien  fiihren,  und  deren  Schollennatur  sicher  festgestellt 
ist.  Bei  Auerbach  ist  ein  ganzer  Zug  soldier  Marmorlinsen 
auf  3,5  km  Entfernung  zu  verfolgen;  die  grofite  ist  600  m  lang 
und  45  m  machtig.  Diese  MaBe  gehen  also  weit  uber  die 
Dimensionen  der  Marmorlinsen  von  der  GrimselstraBe  hinaus! 
Interessant  ist,  daB  auch  der  Marmor  von  Auerback  von  einem 
anderen  sedimentaren  Gestein  begleitet  ist,  mit  dem  er  ge- 
meinsam  vom  Granit  umschlossen  wurde  (vgl.  Lit.  12). 

Auch  aus  der  deutlicben  mechanischen  Beeinflussung  der 
Marmorlinsen  laBt  sich  kein  Beweis  dafiir  fiihren,  daB  in  dem 


tBenifaiiuitocfi 


M  Marmorlinsen  der  AuBeren  Urweid. 


Fig.  7. 
MaBstab  1:  100000. 

Marmor  abgequetschte  Teile  des  Pfaffenkopfkeils  vorliegen. 
Der  intensive  Druck,  der  bei  der  Alpenfaltung  auf  die  ganze 
Masse  des  I.  Gr.  einwirkte,  hat  natiirlich  auch  eingeschlossene 
Schollen  nicht  verschont.  Yielleicht  loste  er  sich  in  dem  sonst 
so  einheitlichen  I.  Gr.  gerade  an  derartigen  Stellen  der  In- 
homogenitat  besonders  leicht  und  intensiv  aus,  so  daB  dadurch 
so  merkwiirdige  Yerbiegungen,  wie  sie  neben  der  Marmorlinse  II 
auftreten,  zu  erklaren  waren.  Dagegen  zeigt  die  mikroskopische 
Untersuchung  von  Graniten  aus  nachster  Nahe  der  Marmorlinse, 
daB  dieselben  nur  maBige  mechanische  Deformationen  erlitten 
haben,  keinesfalls  derartige,  wie  sie  bei  einer  so  tiefgreifenden 
Einfaltung   des  Marmors   zu   finden   sein  miiBten. 

Scnon  die  Lage  der  beiden  „Marmorlager"  schlieBt  iibrigens 
eine  solche  Annahme  aus  (vgl. Fig. 7).  Wenn  man  annehmen  wollte, 
daB  das  Ende  des  Pfaffenkopfkeils  abgequetscht  und  durch  Be- 
wegungen  des  Granits  auf  den  Schieferimgsflachen  bis  in  die 
Hohe  der  StraBe  verschleppt  worden  ware  (langs  der  Linie  AB), 
dann  muBte  dieser  abgequetschte  Kalk  etwa  bei  Punkt  B,  also 
1 — 2  km  oberhalb  des  tatsachlichen  Yorkommens  anstehen. 
Betrachten  wir,  wie  spater  genauer  auszufiihren  sein  wird ,  die 


275 


Flache  D — C — A  als  die  primare  Auflagerungsflache  der  Sedi- 
mente  auf  dem  G-ranit,  so  ist  nicht  zu  verstehen,  durch  welche 
tektonischen  Bewegungen  ein  Stuck  des  Sedimentmantels  unter 
diese  Flache  hatte  heruntergezerrt  werden  konnen.  Ein  Grund 
gegen  mechanische  Einfaltung  ist  m.  E.  auch  das  abweichende 
(urn  90°  verschiedene)  Streichen  der  beiden  kleineren  Marmor- 
linsen  II  sowie  das  flache  Einfallen  der  Marmorlinse  I. 

Es  lassen  sich  also  gegen  die  Schollennatur  der  Marmor- 
linsen  keine  sti  chhaltigen  Griinde  yorbringen,  dagegen 
konnen  positive  Beweise  fiir  dieselbe  angefiihrt  werden. 

Wie  schon  erwahnt  stimmt  das  Gestein  rechts  und  links 
der  Marmorlinse  II  vollstandig  mit  einigen  Schollen  yod  der 
Straflenwand  iiberein.  Gibt  man  dort  die  Schollennatur  zu,  so 
wird  man  sie  auch  hier  annehmen  miissen.  Die  Marmorlinse 
vvurde  also  nicht  isoliert  vom  Magma  des  I.  Gr.  eingeschlossen, 
sondern  noch  mit  Stucken  ihres  Nebengesteins,  so  daB  wir  jetzt 
eine  zusammengesetzte  Scholle  yor  uns  haben.  (Dasselbe 
ist,  wie  schon  erwahnt,  fiir  den  Marmor  von  Auerbach  fest- 
gestellt  worden.) 

An  der  Straflenwand  ist  leicht  die  pegmatitische  Randfacies 
zu  beobachten,  die  der  Granit  gegen  die  Schollen  hin  ausbildet; 
dieselbe  Randfacies  konnte  an  der  Marmorlinse  II  aufgefunden 
werden. 

SchlieBlich  liegt  der  starkste  und  ausschlaggebende  Beweis 
fiir  eruptive  Einschliefmng  der  Marmorlinsen  in  dem  Auftreten 
zahlreicher  und  typischer  K  ontaktmin  e  rali  en  sowie  der 
charakteristischen  Kontaktstrukturen.  Eine  Mineralkombination 
von  Granat,  Augit,  Yesuvian,  Forsterit  (bzw.  Serpentin)  wird 
sich  nie  durch  Regional-  oder  Dynamometamorphose  erklaren 
lassen. 

Nach  alledem  kann  es  kaum  mehr  einem  Zweifel  unter- 
liegen,  daB  in  den  Marmorlinsen  der  Aufleren  Urweid 
echte  kontaktmetam orphe  Schollengesteine  vorliegem 

Dasselbe  ist  mit  grofier  Wahrscheinlichkeit  bei  den  iibrigen 
MarmorYOrkommen  der  Fall.  Merkwurdige  Yerhaltnisse  herrschen 
am  Lauteren  See  (oberbalb  Speicherbergalp).  Hier  ist  mitten 
in  einem  ziemlich  reinen  Marmor  unvermittelt  eine  Lage  von 
Silikaten  eingeschaltet,  die  typische  Kontaktmineralien  aufweist. 
Es  muQ  daraus  auf  kontaktmetamorphe  Entstehung  dieses 
Marmors  und  damit  auch  auf  Schollennatur  geschlossen  werden. 
Mechanische  Einfaltung  im  Sinne  Baltzers  ist  demnach  aus- 
geschlossen.    Ob  dies  vielleicht  sogar  fiir  den  ganzen  „oberen 

18* 


276 


KalkkeiP'  des  Pfaffenkopfs  zutrifft,  fur  dessen  Yerlangerung  der 
Marmor  vom  Lauteren  See  von  Baltzer  gehalten  wurde,  wage 
ich  aus  Mangel  an  Beobachtungen  nicht  zu  entscheiden. 

Scbwierig  liegen  die  Yerhaltnisse  beim  Marmor  von 
Schaftelen.  Baltzer  halt  ihn  fur  die  Eortsetzung  des  Haupt- 
keils  vom  Pfaffenkopf,  also  fur  mechanich  eingefaltet  und  mar- 
morisiert.  Dafiir  wiirde  die  Tatsacbe  sprechen,  da!3  die  groftte 
Marmorlinse  yon  Schaftelen  in  stark  geschiefertem  I.  Gr.  liegt. 
Jedocb  sollte  aucb  bier  das  abgequetscbte  und  verschleppte 
Ende  des  Keils  eigentlicb  weiter  siidlicb,  gegen  das  Trifttal  bin, 
gesucbt  werden.  Nur  die  petrograpbiscbe  Untersucbung  kann 
entscbeiden.  Diese  zeigt,  daB  aucb  die  Marmorlinsen  von 
Schaftelen  Kontaktmineralien  fiibren,  allerdings  nicbt  so  zahl- 
reicb  wie  die  Kalkschollen  der  GrimselstraBe.  Der  Marrnor  der 
zweiten  Linse  (an  der  scbarfen  StraBenwendung  oberbalb  der 
Hauptlinse),  der  mecbaniscb  kaum  verandert  wurde,  zeigt  u.  d.  M. 
kleine  Korner  Yon  Granat  und  zwillingsgestreiftem  Augit,  meist 
in  Kalkspatkr)^stalle  vollstandig  eingescblossen.  Hugi  erwahnt 
nocb  mehr  Kontaktmineralien  von  dieser  Lokalitat,  darunter 
aucb  solcbe,  die  fiir  eine  pneumatolytische  Einwirkung  von 
seiten  des  Granits  sprecben  (Lit.  20).  Demnacbl  ware 
aucb  der  Marmor  von  Scbaftelen  kontaktmetamorpber 
Entstebung;  aucb  er  wiirde  eine  riesige  im  I.  Gr.  scbwimmende 
Scbolle  darstellen.  Besonders  die  Hauptlinse  unterlag  dann  bei 
der  tertiaren  Gebirgsbewegung  gewaltigen  Druckkraften ;  sie 
liegt  in  einer  Quetschzone  des  I.  Gr.  Dies  bewirkte  eine 
stark  ausgepragte  Scbieferung  des  Marmors,  dann  aber  aucb 
lebbaften  sekundaren  Umsatz  des  Kalkes  durcb  Losungen.  Die 
Spalten,  die  im  benacbbarten  Granit  aufrissen,  wurden  von 
Kalk  wieder  ausgefiillt,  und  so  seben  wir  den  Granit  der 
naberen  Umgebung  des  Marmors  durcbzogen  von  zablreichen 
Kalkspatadern.  U.  d.  M.  zeigt  sicb  das  granitiscbe  Gestein  oft 
durcb  und  durcb  impragniert  von  sekundaren  Kalkspatkrystallchen. 

Sucben  wir  die  allgemeine  Bedeutung  der  Scbollen 
zu  prazisieren,  so  konnen  wir  uns  folgende  Anscbauung  von 
ibnen  bilden:  In  diesen  Scbollen  liegen  uns  die  Reste  eines 
unbekannten  Sedimentkomplexes  vor,  in  den  der  I.  Gr. 
eruptiv  eindrang.  Dieses  Gestein  erscheint  infolgedessen 
intensiv  durcbdrungen  von  sedimentarem  Material,  das  von  ibm 
mebr  oder  weniger  vollstandig  assimiliert  wurde.  Der  Tonerde- 
iiberschuB  und  die  Pinitfiibrung  des  I.  Gr.  sind  die  ersten  An- 
zeicben  fiir  sedimentare  Beimiscbungen.  Yon  bier  bis  zu  der 
groJBen,  mebrere  hundert  Meter  messenden  Scbolle  besteben  alle 


277 


moglicfren  tibergange.  Der  I.  Gr.  ist  also  em  Batholith  im 
Sinn  von  E.  Suess,  d.  h.  ein  Intrusivkorper,  der  sich  durch 
Aufschmelzen  der  Sedimente  Platz  geschaffen  hat.  Yielleicht 
ist  am  Kanderfirn  noch  der  urspriingliche  Verband  des  nord- 
lichen  Granits  mit  dem  zertriimmerten  Sedimentdach  erhalten, 
obgleich  moglicherweise  eine  Yerwechslung  mit  dem  untersten 
Glied  des  autochthonen  Sedimentmantels,  der  Arkose,  in  der 
Beschreibung  Truningers  (Lit.  49)  stattfand.  Auch  Staub  wies 
bereits  darauf  hin  (Lit.  44,  S.  16). 

Die  Aufstellung  verschiedener  Zonen  („ Assimilations-  und 
Injektionszone"  Truningers)  lafit  sicli  fur  den  I.  Gr.  nicht  recht- 
fertigen.  Die  Schollen  sind  unregelmaBig  liber  das  ganze  Gebiet 
yerteilt.  Wenn  es  bei  Staub  (Lit.  44,  S.  19)  heiflt:  „Gute  Auf- 
schliisse  von  Injektionszonen  treffen  wir  bei  der  AuBeren  Urweid 
im  Aaretal",  so  inuB  dagegea  Widerspruch  erhoben  werden. 
Es  handelt  sich  nur  um  eine  Wand  mit  durchaderten  Schollen- 
einschliissen,  nicht  um  Injektion  im  engeren  Sinne.  Hieraus 
eine  „Zone"  abzuleiten,  ist  unzulassig. 

Aus  diesen  Ausfuhrungen  geht  nun  schlieBlich  auch  hervor, 
daB  die  Scholle  vom  SustenpaB  nicht  in  diesem  Zu- 
sammenhang  genannt  werden  darf,  wie  das  yon  Sauer 
geschehen  ist,  der  nach  seiner  ersten  kurzen  Mitteilung  (Lit.  38) 
iiber  das  Yorkommen  yon  Wollastonitfels  am  SustenpaB  geneigt 
war,  diesen  als  Einschlufi  des  I.Gr.  anzusehen.  In  dieser 
Scholle  wechsellagern  yielmehr  Erstfelder  Sedimentgneise  mit 
Kalksilikatfelsen;  das  Ganze  schwimmt  im  Erstfelder  Eruptiv- 
gneis,  einem  yon  I.Gr.  scharf  zu  unterscheidenden  Magma.  Sie 
bildet  also  wohl  ein  Analogon  zu  den  Schollen  im  I.Gr.,  besitzt 
aber  anderes  Alter.  Auch  liegt  sie  nicht  in  der  Yerlangerung 
der  Linie  Urweid — Schaftelen — Feldmoos,  sondern  mindestens 
2 — 3  km  siidlich  dayon. 

V.  Mechauische  Deformation  des  Ianertkircliener  Granits. 

Folgt  man  der  neuen  Grim s els traB e  mit  ihren  schonen 
Aufschlussen  yon  der  AuBeren  Urweid  bis  gegen  Boden,  so 
erhalt  man  zunachst  den  Eindruck,  durch  recht  yerschiedenartige 
Gesteiue  zu  kommen  (vgl.  Lit.  4,  S.  342).  Zuerst  befindet  man 
sich  noch  im  typischen  I.Gr.;  dann  folgen  stark  geschieferte 
Gesteine,  die  sich  aber  noch  recht  gut  als  Granit  erkennen 
lassen;  schliefilich  kommen  bei  dem  kleinen  StraBentunnel,  iiber 
den  ein  Bach  herabstiirzt,  griine,  fettig  anzufiihlende  Schiefer. 
Nach  einer  kurzen  Unterbrechung  der  Aufschliisse  steht  bei 
der  Wirtschaft  zur  Inneren  Urweid  wieder  ein  ziemlich  un- 
yerandertes   Gestein  mit  groBen  Feldspaten    an,    das  kleine 


278 


Schollen  von  Kalksilikatfels  fiihrt.  Sie  gleichen  den  Einschliissen 
von  der  AuBeren  Urweid;  das  einschlietfende  Gestein  ist  sicher 
I.Gr.  Weiter  aufwarts  finden  sich  wieder  griinliche,  schiefrigc 
Gesteine  in  ziemlich  wechselnder  Ausbildung  bis  ca.  200  in 
unterhalb  der  Bodenbriicke.  Sie  sind  den  weiter  unten  an- 
stehenden  Schiefern  durchaus  ahnlich. 

Schlagt  man  nun  aus  dieser  Reihe  scheinbar  verschiedener 
Gesteine  eine  Serie  von  Handstiicken  und  unterwirft  diese  einer 
eingehenden  Vergleichung,  so  findet  man  bald  alle  nur  ge- 
wiinschten  Ubergange  vom  Granit  bis  zum  griinen 
Schiefer.  Besonders  schon  und  auf  geringe  Entfernung  zu- 
sammengedrangt  sind  diese  Ubergange  von  km  3  bis  zum 
StrafSentunnel  (ungef.  bei  km  3,3)  zu  studieren.  —  Es  wiirde 
sich.  also  auf  der  ganzen  Strecke  nur  um  ein  Gestein,  den 
I-Gr.  handeln,  der  aber  zum  groBen  Teil  in  stark  umgewandeltem 
Zu  stand  vorliegen  wiirde.  Fragen  wir  nach  der  Art  der  Meta- 
morphose, so  konnen  wir  nach  den  Beobachtungen  am  Anstehenden 
und  am  Handstiick  keinen  Augenblick  im  Zweifel  sein,  dafi  es 
in  erster  Linie  eine  Umwandlung  durch  Druck  ist.  Uber- 
all  zeigt  sich  das  Gestein  von  Flachen  durchzogen,  die  durch 
vorziigliche  Rutschstreifung  ihre  Entstehung  durch  Druck  zu 
erkennen  geben.  Die  Rutschstreifen  beweisen  zugleich,  dafi 
scherende  und  gleitende  Bewegungen  auf  diesen  Flachen  statt- 
gefunden  haben.  Die  S  chief  erungsflachen  sind  alle  gleich 
orientiert;  sie  treten  zuerst  in  mafligem  Abstand  voneinander 
auf  und  scharen  sich  schliei31ich  immer  dichter:  aus  dem 
Granit  wird  ein  geschieferter  Granit  („  Gneis"),  schliefilich 
ein  Schiefer.  Nicht  selten  kann  man  bei  diesem  Vorgang 
beobachten,  wie  einzelne  Bestandteile  des  Granits  (z.  B.  Feld- 
spate)  in  Schuppen  zerpreBt  und  diese  dachziegelartig  iiber- 
einandergeschoben  werden. 

Mit  dieser  mechanischen  Schieferung  gehen  gewisse  chemisch- 
mineralogische  Yeranderungen  des  Gesteins  Hand  in  Hand. 
Die  S  chief  erungsflachen  werden  nach  und  nach  immer  dichter 
uberzogen  von  griinlichen  Seri  cithauten,  die  schlieBlich  dem 
Endprodukt  seinen  charakteristischen  Habitus  verleihea. 

Die  Ebene,  nach  der  die  Schieferung  erfolgt,  liegt  im 
alpinen  Streichen  und  fallt  nach  S  0  uuter  einem  Winkel  von 
65 — 70°  ein.  Naturlich  ist  diese  Schieferung  auch  fur  die 
Yerwitterung  und  Ablbsung  des  Gesteins  von  Bedeutung,  und 
so  kommt  es,  daB  sie  an  den  Gebirgsgraten  schon  heraustritt 
und  schon  von  weitem  gut  zu  erkennen  ist. 

AuJ3er  dieser  Hauptschieferungsebene  macht  sich  besonders 
an  der  GrimselstraBe  noch  eine  zweite  geltend,  die  unter  ca. 


279 


20—25°  nach  SO  einfallt.  Abbildung  1  auf  Taf.  XXI  zeigt  diese 
doppelte  Scbieferung  des  Granits  im  Einscbnitt  bei  km  3. 
Auch  weiter  aufwarts  gegen  die  Tonende  Fluh  hin  ist  diese 
zweite,  flacher  liegende  Druckflacbe  sebr  deutlich  zu  erkennen 
und  oft  mit  wunderscbonen  Rutschstreifen  verseben.  Sie  scbeint 
jiinger  zu  sein  als  die  steilstehende  Hauptscbieferungsflacbe. 
Die  doppelte  Scbieferung  verursacht  die  Erscbeinung,  daB  Hand- 
stiicke  nacb  beiden  Flacben  spalten  und  ganz  bestimmte,  scbief 
prismatiscbe  Formen  annehmen. 

Abulicbes,  vor  allem  aucb  prachtvolle  Rutschflacben,  zeigt 
der'neuere  Anscbnitt  des  GadmentalstraBcbens  bei  Hopflauenen. 
(Ganz  dieselben  Gesteine,  die  wir  an  der  GrimselstraBe  als 
Druckprodukte  aus  I.Gr.  erkennen,  finden  sicb  am  Gstelliborn, 
im  Urbacbtal,  bei  Scbaftelen,  im  Trifttal  unterbalb  Triftalp, 
bei  Feldmoos.  Aucb  auf  Typen  von  diesen  Lokalitaten  soil 
im  folgenden  Bezug  genommen  werden.) 

Bringt  uns  so  scbon  die  Beobachtung  im  Freien  und  am 
Handstiick  zu  der  Anscbauung,  dafi  die  Gesteine  der  Grimsel- 
straBe durcb  Druck  aus  I.Gr.  entstanden  seien,  so  erbebt  die 
Untersucbung  der  mikroskopiscben  Strukturen  diese 
Annabme  zur  GewiBbeit.  U.  d.  M.  laBt  sicb  die  Umbildung  des 
I.Gr.  bis  zum  griinlichen  Sericitscbiefer  in  alien  ibren  Stadien 
verfolgen.  Gesteine,  die  auf  einer  mittleren  Stufe  der  Um- 
bildung steben  blieben,  zeigen  uns  den  Weg,  den  die  starkst- 
metamorpbosierten  durcblaufen  muBteu.  —  Dann  laBt  uns  die 
mikroskopiscbe  Untersucbung  aber  aucb  die  Faktoren  erkennen, 
die  durcb  ibr  Zusammenwirken  die  Umwandlung  des  Gesteins 
hervorgerufen  baben. 

Yersucben  wir,  aus  der  kontinuierlicben  Reibe  der  Um- 
wandlungsprodukte  Typen  berauszubeben,  so  konnen  wir  sie 
mit  den  Namen  gepreBter  Granit,  gescbief erter  Granit, 
(=„Gneis")  und  S ericitschiefer  bezeicbnen.  Aucb  bei  der 
mikroskopiscben  Bescbreibung  sollen  im  folgenden  diese  drei 
wicbtigsten  Stadien  der  mecbaniscben  Verarbeitung  des 
Granits  auseinandergebalten  werden. 

Alle  untersucbten  Diinnscbliffe  des  I.Gr.  wiesen 
schon  deutlicbe  Spuren  einer  Pressung  des  Gesteins  auf, 
und  es  scbeint,  daB  ein  vollig  intaktes  Gestein  im  Innert- 
kircbener  Gebiet  uberbaupt  nicht  ansteht.  (Es  wurde  darauf 
zum  Teil  scbon  fruber  bingewiesen;  Ygl.  S.  262.)  Die  beiden 
Gemengteile,  die  die  Einwirkung  von  Druck  zuerst  erkennen 
lassen,  sind  Quarz  und  Biotit.  Bei  Quarz  auBert  sie  sich 
zunacbst  in   der  bekannten  undulosen  Ausloscbuug.  Jedoch 


280 


scbon  dieses  erste  Stadium  ist  relativ  selten  zu  beobachten; 
meist  zeigt  sich  der  Quarz  bereits  in  optisch  verschieden 
orientierte  Felder  zerfallen,  die  mit  einfachen  Begrenzimgslinien 
aneinanderstoBen;  Spriinge  lassen  sich  dabei  nicht  beobachten. 
Damit  scheint  sich  die  Spannung  zunachst  ausgelost  zu  haben: 
die  einzelnen  durch  Zerfall  entstandenen  Felder  zeigen  keine  Un- 
dulation mehr.  In  spateren  Stadien  der  Pressung  setzt  sich 
dieser  Zerfall  fort.  Dabei  tritt  nun  hie  und  da  ein  intensiv 
zackiges  Ineinandergreifen  der  entstandenen  Felder  auf,  das 
recht  bizarre  Formen  entstehen  laBt.  Dazu  kann  sich  noch 
eine  lebhafte  Undulation  gesellen,  die  haufig  in  parallelen 
Wellen  uber  den  Krystall  weglauft  und  dadurch  eine  bestimrate 
Richtung  des  Drucks  zu  erkennen  gibt.  (Es  ist  diese  Er- 
scheinung  nicht  zu  Yerwechseln  mit  der  Parallelstreifigkeit  des 
Quarzes,  die  erst  spater  auftritt.) 

Bio  tit  zeigt  zu  Anfang  leichte  Biegungen  und  Stauchungen. 
Dabei  lockert  sich  der  Verband  der  einzelnen  Lamellen,  die 
aneinander  verschoben  oder  aufgeblattert  werden.  Die  Steigerung 
dieser  Erscheinungen  laflt  sich  deutlich  yerfolgen;  es  entstehen 
immer  starkere  Biegungen  und  Zerknauelungen. 

F  elds  pat  erleidet  erst  lange  nach  Quarz  Druckdeforma- 
tionen;  auch  er  zeigt  zuerst  Undulation,  dann  Zerbrechung. 
Plagioklas  scheint  dabei  erheblich  sproder  zu  sein  als  Orthoklas. 

Interessant  ist  es,  wie  der  Pinit  auf  Druck  reagiert.  Da 
er  ja  eigentlich  nur  ein  Aggregat  feinster  Muscovitschiippchen 
darstellt,  so  ist  es  sehr  wohl  verstandlich,  daB  es  recht  leicht 
geschieht,  und  daJ3  sich  der  Pinit  dabei  annahernd  plastisch 
verhalt.  Es  hat  oft  den  Anschein,  als  ob  er  in  Spalten,  die 
in  seiner  Nahe  aufbrechen,  plastisch  hineingepreBt  wiirde. 
Meist  erzeugt  der  Druck  im  Pinit  Flasern  und  Strahnen,  die 
aus  gleich  ausloschenden  Muscovitkrystallchen  bestehen  und 
senkrecht  zur  Druckrichtung  yerlaufen.  Auf  einer  ahnlichen 
Orientierung  dieser  Teilchen  beruhen  auch  merkwiirdige  Ma- 
anderbildungen  im  Pinit,  die  in  einem  Gestein  der  Urbachsteige 
gefunden  wurden. 

Schon  sehr  bald  lassen  sich  u.  d.  M.  Spriinge  und 
Spalten  im  Gestein  feststellen.  Sie  folgen  zuerst  noch  den 
Grenzen,  in  denen  die  einzelnen  Gemengteile  aneinanderstoBen, 
lassen  aber  oft  schon  deutlich  in  ihrer  Gesamtheit  eine  ein- 
heitliche  Pichtung  erkennen:  die  Richtung  normal  zum  wirken- 
den  StreB.  Wo  ein  solcher  Sprung  durch  einen  Feldspat  hin- 
durchsetzt,  zeigt  er  sich  oft  durch  eine  Spaltflache,  also  eine 
Fliiche  geringerer  Kohasion  des  Krvstalls,  abgelenkt.  Dadurch 
wurde  nun  natiirlich  eine  auBerordentliche  Lockerung  des  Ge- 


281 


steinsgefiiges  hervorgerufen  und  Yor  allem  dem  Wasser  der 
Zugang  eroffnet.  Dieses  konnte  nun  iiberall  leicht  eindringen 
und  im  Gestein  seine  Arbeit  yerrichten.  Im  Zusammenhang 
damit  stehen  die  ch emis chen  Yeran derun gen  der  Ge- 
stein sk omp on ent en.  Sie  sind  also  nicht  als  direkte  Wir- 
kungen  des  Druckes  zu  denken,  in  dem  Sinne,  daJ3  der  Druck 
die  chemische  Reaktion  yeranlasse.  Sie  sind  yielmehr  nur 
sekundare  Wirkungen  des  Druckes:  das  Gestein  wird  durch  ihn 
aufgelockert,  so  daB  die  chemisch  wirksamen  Agenzien  ein- 
dringen konnen.  Auch  an  den  einzelnen  Mineralien  ist  ihnen 
durch  Zerbrechungen  und  Aufblatterungen  der  Angriff  erleichtert. 

Dies  gilt  z.  B.  yon  der  Bildung  von  Chlorit  aus  Biotit. 
Sehr  haufig  ist  ein  Zusammenhang  zwischen  Chloritisierung 
des  Biotits  und  Starke  der  mechanischen  Beeinflussung  zu 
-erkennen.  Am  aufgeblatterten  und  yerbogenen  Biotit  fin  den  die 
umwandelnden  Agenzien  leichteren  Zugang;  die  Chloritisierung 
wird  also  rascher  und  griindlicher  yor  sich  gehen. 

Ahnlich  yerhalt  es  sich  mit  der  Sericitisierung  der 
Feldspate.  Oft  beginnt  sie  an  neu  entstandenen  Druckspalten, 
sie  kann  aber  auch  in  sehr  verschiedener  anderer  Weise 
sich  vollziehen.  In  manchen  Fallen  treten  einzelne  Sericit- 
blattchen  isoliert  im  Feldspat  auf;  es  kann  der  ganze  Krystall 
wie  yon  einem  diinnen  Netzwerk  iiberzogen  sein  oder  schlieB- 
lich  vollstandig  in  einen  dicken  Filz  yon  Glimmer  verwandelt 
■erscheinen. 

An  diese  chemischen  Yeranderungen  der  Mineralien  an 
Ort  und  Stelle  schlieBen  sich  nun  die  Erscheinungen  an,  die 
man  zusammenfassend  als  „Transport  durch  Losung"  be- 
zeichnen  kann.  Feldspate  (Orthoklas  und  Plagioklas)  zeigen 
sich  oft  yon  einer  klaren  Hiille  umgeben,  die  auch  aus  Feld- 
spatsubstanz  besteht,  aber  die  trubenden  Yerwitterungseinschliisse 
nicht  enthalt;  sie  ist  offenbar  schon  an  den  in  Yerwitterung 
begriffenen  Krystall  angewachsen.  Untersucht  man  derartige 
Anwachsrander  genauer,  so  lassen  sie  haufig  etwas  hohere 
Lichtbrechung  als  der  umwachsene  Feldspat  erkennen;  iiberall 
zeigen  sie  mit  ihm  die  gleiche  krystallographische  Orientierung. 
Derartige  Bildungen  im  fertigen  Gestein  sind  nur  durch  Zir- 
kulation  wasseriger  Losungen  auf  Spaltensystemen  zu  erklaren; 
was  an  einer  Stelle  gelost  wird,  kommt  an  der  andern  wieder 
zur  Ausscheidung. 

Diesen  „Losungstransport"  macht  nun  yor  alien  anderen 
Mineralien  der  Quarz  mit.  Hie  und  da  bemerkt  man  in 
einem  Feldspat  einen  Sprung,  eine  kleine  Reibungszone.  Das 
Ganze  ist  aber  yollstandig  wieder  yerkittet  durch  eingedrunge- 


282 


nen  Quarz.  Ebenso  findet  er  sich  zwischen  den  aufgeblatterten 
Lamellen  von  Biotit;  wo  uberhaupt  eine  Spalte  oder  ein 
Sprung  auftritt,  wird  sie  von  Quarzsubstanz  wieder  verheilt. 

Dabei  zeigt  sich  der  Quarz  meist  noch  begleitet  von 
anderen  Mineralien,  besonders  von  Chlorit.  Seine  Yer- 
breitung  bat  in  dem  sich  zersetzenden  Biotit  ihren  TTrsprung; 
in  seiner  Nahe  ist  der  sekundar  ausgeschiedene  Chlorit  am 
haufigsten.  Gern  setzt  er  sich  auch  mit  merkwiirdig  zackig- 
fransigem  Rand  an  unveranderten  Biotit  an.  Haufig  scheidet 
sich  der  Chlorit  gemeinsam  mit  Quarz  aus;  er  begibt  sich  aber 
auch  all  ein  auf  die  Wanderung.  Manche  Feldspatkrystalle  sind 
ganz  von  Chlorit  erfullt,  der  offenbar  auf  Spaltnachen  eindrang. 

In  geringerer  Menge  als  Chlorit  findet  man  kleine  Kry- 
stalle  von  Kalkspat.  Sie  sind  wohl  zumeist  aus  der  Zer- 
setzung  des  Kalknatronfeldspats  unter  Einwirkung  kohlensaure- 
haltigen  Wassers  entstanden.  In  anderen  Fallen,  so  z.  B.  in  der 
Nahe  von  Marmorlinsen,  muB  wegen  der  groBen  Menge  des  Kalk- 
spats  an  ein  Eindringen  kalkhaltiger  Losungen  gedacht  werden. 

Als  viertes  Spaltenmineral  muB  der  Muscovit  angefuhrt 
werden,  der  auch  besonders  mit  Quarz  zusammen  auftritt.  Er 
geht  haufig  aus  Biotit  hervor  und  findet  sich  als  Zersetzungs- 
produkt  dieses  Minerals  vergesellschaftet  mit  Chlorit.  Noch 
haufiger  entsteht  er  jedoch  aus  Feldspat  (Orthoklas  und  Pla- 
gioklas).  Da  bei  der  Yerwandlung  von  Feldspat  in  Muscovit 
Kieselsaure  frei  wird,  so  muB  wohl  ein  Teil  des  spaltenfiillen- 
den  sekunda.ren  Quarzes  auf  Rechnung  dieses  Yorganges  gesetzt 
werden.  Haufig  sind  Sprunge  im  Feldspat  von  einem  Gemenge  von 
Quarz  und  Muscovit  erfullt;  seltner  geschieht  die  Yerkittung  durch 
klare  Feldspatsubstanz,  die  Albitlamellierung  aufweisen  kann. 

Eine  derartige  Spaltenbildung,  wie  sie  im  vorstehenden 
beschrieben  wurde,  die  gefolgt  ist  von  einer  Zirkulation  wasse- 
riger  Losungen,  welche  geloste  Stoffe  transport! eren  und  wieder 
zur  Ausscheidung  bringen,  kann  naturlich  in  alien  Stadien  und 
Dimensionen  verfolgt  werden.  In  diesem  Zusammenhang  ware 
deshalb  auch  die  petrographische  Beschreibung  der  Aus- 
fiillungen  groBerer  ZerreiBungsspalten  einzufiigen,  ob- 
wohl  diese  Erscheinungen  mit  dem  Gang  der  Metamorphose 
nicht  notwendig  zusammenhangen  wiirden.  Solche  Spalten  von 
ca.  1  cm  Breite  sind  nicht  allzu  selten,  sie  enthalten  dieselben 
Mineralien  wie  die  mikroskopischen  Spaltensysteme.  —  Hie  und 
da,  so  z.  B.  an  einem  Gestein  von  der  GrimselstraBe,  liiBt  sich 
schou  makroskopisch  erkennen,  daB  sich  die  Substanz  der  Spalte 
senkrecht   zu   den  Wanden    orientiert.   U.  d.  M.  ist   dies  noch 


283 


deutlicher.  Die  Hauptmasse  der  Ausfiillung  besteht  aus  Quarz, 
der  sich  in  eigentiimlich  stengligen  Formen  senkrecht  zu  der 
Spaltenwand  einstellt;  in  derselben  Kichtimg  sind  prismatische 
Epidotkrystalle  eingewachsen. 

Sehr  interessant  sind  Bildungen  in  einer  Spaltenausfiillung 
eines  Gesteins  vom  SustenpaB  (Kehren  vonFeldruoos).  Eskommen 
hier  Einwachsungen  von  wurmformig  gebogenem  Chlorit  (Hel- 
minth) in  Quarz  vor.  Sie  beweisen  die  gleichzeitige  Aus- 
scheidung  beider  Mineralien  aus  wasseriger  Losung.  Daneben 
haben  sich  schone  groBe  Kalkspatkrystalle  gebildet.  Beachtens- 
wert  ist  schlieBlich  das  Auftreten  von  S chachbrettalbit.  Er 
kommt  nach  Becke  (Lit.  8)  in  Gesteinen  vor,  die  einen  „ur- 
sprunglichen  Gehalt  an  Kalifeldspat  aufweisen  und  starker 
Umwandlung  ausgesetzt  waren".  Hier  in  der  Spaltenausfiillung 
muB  er  einfach  auf  wasserigem  Wege  entstanden  sein. 

Damit  waren  die  im  ersten  Stadium  der  Metamorphose 
auftretenden  Erscheinungen  in  der  Hauptsache  geschildert.  Der 
Beginn  der  Gesteinsumbildung  ist  gekennzeichnet  durch 
maBige  Zerbrechungen  der  Komponenten  sowie  durch  die 
Bildung  mikroskopischer  Spalten.  Das  auf  diesen  eindringende 
Wasser  verursacht  chemische  Yeranderungen  der  Gemengteile 
und  verrichtet  einen  nicht  unbedeutenden  Stofftransport  durch 
Losung  und  Wiederausscheidung  des  GelOsten  an  anderer 
Stelle.  Dadurch  wird  das  Ganze  wieder  zusammengekittet,.  die 
Spalten  wieder  ausgefullt.  Natiirlich  findet  dieser  letztere 
Vorgang  erst  statt,  nachdem  die  pressenden  Krafte  wieder  zur 
Ruhe  gekommen  sind. 

Parallelstellung  des  Glimmers  wird  in  diesem  Stadium 
noch  nicht  erreicht;  dieser  Yorgang  ist  charakteristisch  fur 
das  folgende  zweite  Stadium. 

Die  Spaltenbildung  wird  lebhafter;  die  Kliifte  mehren  sich 
zusehends  und  scharen  sich  spitzwinklig.  Es  erfolgen  nun 
auf  diesen  Flachen  gleitende,  scherende  Bewegungen,  die  vor 
allem  den  Biotit  erfassen  und  in  ihre  Richtung  hineinzerren. 
Die  groBe  Gleitfahigkeit  des  Glimmers  auf  den  Spaltflachen  be- 
gunstigt  diesen  Yorgang.  Steht  ein  Biotit  mit  seiner  Spalt- 
richtung  senkrecht  zu  einer  neu  entstehenden  Druckkluft,  so  wird 
er  zunachst  zusammengeschoben  und  gefaltet;  dann  werden 
seitlich  Teile  von  ihm  abgeschert  und  durch  Bewegungen  langs 
der  Kluftflache  in  diese  Richtung  hineingezerrt.  Bei  manchen 
Biotiten  gelang  dieser  Yorgang  nur  zur  Halfte:  ein  Teil  ist 
mechanisch    in    die    Schieferungsrichtung    hineingezogen,  der 


284 


andere  laflt  noch  seine  urspriingliche  Lage  erkennen.  Andere 
Biotite  sind  dagegen  yollkomrnen  in  diese  sekundare  Parallel- 
textur  aufgenommen  worden.  Liegt  ein  Biotit  mit  seinen  Spalt- 
flachen  von  yornherein  in  der  Kluftrichtung,  so  werden  die 
einzelnen  Laniellen  auseinandergeschoben,  in  der  Kluft  yer- 
schleppt,  so  dafi  schlieBlich  aus  dem  dicken  Paket  eine  diinne 
Flaser  entsteht. 

Neben  dieser  Au s bil dung  einer  Paralleltextur  schrei- 
tet  sowohl  die  mechanische  Zertriimmerung  als  auch  die  Losungs- 
tatigkeit  fort.  Quarz  zeigt  immer  wildere  Undulation  und 
weist  nun,  also  in  einem  ziemlich  weit  yorgeschrittenen  Stadium 
der  Pressung,  auch  die  von  manchen  Autoren  schon  erwahnte 
Streifung  auf.  (Vgl.  Taf.  XX,  Abb.  4.)  Es  handelt  sich  hier- 
bei  nicht  um  eine  verfeinerte  „Parallelundulation" ;  die  feine,  in 
ihrer  Breite  sehr  konstant  bleibende  Streifung  zieht  vielmehr 
geradlinig  tiber  den  Quarz  bin w eg.  Bei  schiefer  Beleuchtung 
lassen  sich  deutlich  Differenzen  in  der  Lichtbrechung  erkennen; 
es  liegt  also  eine  gesetzmaBige  Verwachsung  yerschieden  orien- 
tierter  Krystallsubstanz,  d.  h.  eine  Zwillingsbildung  yor.  Uber 
die  Streifung  her  kann  sich  noch  die  gewohnliche  Undulation 
legen. 

An  anderen  Stellen  bilden  sich  aus  dem  Quarz  ganze 
Trummerfelder  mit  groBeren  und  kleineren  Bruchstiicken.  All- 
mahlich  nehmen  auch  Zerbrechungserscheinungen  im  Feldspat 
immer  mehr  zu;  die  einzelnen  Bruchstiicke  werden  dabei  mit 
ihrer  Langsausdehnung  in  die  Richtung  der  Gesteinsschieferung 
hineingeprefit.  Schone  Zerbrechungserscheinungen  im  Feldspat 
zeigt  Taf.  XX,  Fig.  5.  Interessant  ist,  daB  der  Krystall  oben 
rechts  bruchlose  plastische  Deformation  zeigt. 

An  den  Pandern  der  Feldspate  werden  oft  durch  gegen- 
seitige  Peibung  Stiicke  abgerissen  und  dadurch  eine  Art 
Triimmerzone  gebildet,  die  dann  meist  durch  Quarz  wieder 
yerkittet  wird.  Eine  tiberaus  feinkornige  Triimmermasse,  die  yiel- 
leicht  durch  Abreibung  der  Komponenten  aneinander  entstanden 
ist  und  deshalb  yielfach  als  „Gereibsel"  bezeichnet  wird, 
yerbreitet  sich  weithin  im  Gestein  und  sammelt  sich  besonders 
in  den  sogenannten  „toten  Raumen"  an,  die  nun  auch  auf- 
zutreten  beginnen.  Sie  entstehen  dadurch,  dafi  ein  Quarz- 
oder  Feldspatkrystall  in  die  Schieferungsrichtung  hereingedrebt 
wird.  Dabei  wird  an  den  Enden  cles  Krystalls  ein  leerer 
Paum  iibrigbleiben,  der  nun  yon  anderen  Substanzen  ausge- 
fiillt  wird.  Es  sammelt  sich  darin  klastisches  Material  der 
Umgebung  („Gereibsel") ;  daneben  werden  yon  zirkulierenden 
Losungen  Stoffe  ausgeschieden.    So  linden  sich  in  den  „toten 


285 


Raumen"  Quarz,  kleine  Feldspatfragmente,  Chlorit  und  Sericit 
zum  einem  Ganzen  yerkittet. 

Damit  wurde  die  Losungstatigkeit  berlihrt;  sie  ist  auch 
fur  dieses  Stadium  yon  groBter  Bedeutung.  Inmitten  eines 
stark  gestorten  Gesteins  sieht  man  oft  in  der  Richtung  der 
Schieferung  ganz  schwach  gestortc  langliche  Quarze  liegen;  sie 
weisen  z.  T.  kaum  undulose  Ausloschung  auf.  Ihre  Entstehung 
muB  man  sich  wohl  auf  dem  Wege  der  Ausscheidung  aus 
wasseriger  Losung  denken.  Haufig  sind  auch  linsenformige, 
sogenannte  „geschwanzte  Quarze."  Sie  sind  sicher  zum 
Teil  so  entstanden,  daB  ein  toter  Raum,  der  hinter  einem 
Quarzkrystall  freiblieb,  sich  mit  Quarzsubstanz  ausfullte,  die 
sich  in  gieicher  Orientierung  anfiigte. 

Nachst  diesen  Erscheinungen  beherrscht  der  immer 
reichlicher  auftretende  Sericit  das  Strukturbild  des  Gesteins. 
Das  Netz  yon  Sericit,  yon  dem  die  Feldspate  durchnochten 
werden,  wird  immer  dichter;  immer  mehr  tritt  der  Sericit 
dann  auch  aus  dem  Feldspat  heraus  und  sammelt  sich  auf 
den  Schieferungsflachen  in  glanzenden  Hauten  an ;  diese  er- 
scheinen  im  Diinnschliff  als  breite  Bahnen,  die  als  „Sericit- 
strahnen"  bezeichnet  werden. 

Die  Erscheinungen  im  zweiten  Stadium  der  Metamorphose 
yermogen  das  Bild  der  granitischen  Gesteinsstruktur  noch  nicht 
zu  verwischen.  Ch ar akteristisch  ist  die  Parallelsteilung 
der  Biotite,  die  fruher  den  Namen  „Gneis"  rechtfertigte. 
Jedoch  merkt  man  dieser  Paralleltextur  ohne  Schwierigkeit 
das  Gewaltsame  ihrer  Entstehung  an. 

Das  dritte  Stadium  in  der  mechanischen  Yerarbeitung 
des  I.  Gr.  stellen  die  Gesteine  dar,  die  Baltzer  als  „Sericit- 
s  chief  er"  ausschied.  Sie  weisen  gegeniiber  dem  „Gneis- 
stadium"  keine  neuen  Strukturmerkmale  auf.  Wir  sehen  je- 
doch sowohl  die  Zertrummerung  als  die  Umkrystallisation 
immer  groBeren  Umfang  annehmen,  so  daB  die  Granitstruktur 
immer  undeutlicher  und  endlich  fast  ganz  yerwischt  wird. 

Das  dritte  Stadium  kann  man  mit  einer  Flaserung  des 
„Gneises"  beginnen  lassen.  Es  bilden  sich  stark  ere  Kliifte  heraus, 
langs  deren  dieGemengteile  intensiy  zermalmt  werden.  Dazwischen 
yerbleiben  linsenformige  Partien  geringerer  Storung.  Der 
Biotit  zeigt  zeigt  dieselben  Deformationen,  wie  sie  bereits  be- 
schrieben  wurden;  nur  sind  die  einzelnen  Lamellen  noch  yiel 
weiter  ausgezogen  und  yerschleppt,  was  auf  starkere  Scher- 
bewegungen  schlieBen  laBt.  Oft  umschmiegt  er  groBere  Feld- 
spate oder  Quarze  und   hiillt  sie  yollstandig  ein.  Besonders 


286 


gilt  dies  aber  von  den  Sericitstrahnen,  die  immer  groBere  Be- 
deutung  erlangen.  Starkere  und  scbwacbere  Babnen  durcb- 
flechten  das  ganze  Gestein,  vor  alleni  aucb  die  Trtiinmerfelder 
mit  ibren  langlicben  Brucbstiicken  von  Quarz  und  Feldspat. 
Unverkennbar  ist  das  Bestreben,  die  einzelnen  Trummer  in 
die  Schieferungsricbtung  einzustellen.  Die  „toten  Raunie,"  die 
dabei  entstehen  niuBten,  sind  bereits  erwabnt.  Das  Yerbalten 
dcs  Quarzes  ist  uberaus  wecbselnd  und  unberecbenbar ;  zum 
Teil  zeigt  er  die  wildesten  optiscben  Storungen  und  mecbani- 
schen  Zerbrecbungen;  daneben  finden  sich  Krystalle,  die  fast 
nicbts  von  alledem  erkennen  lassen.  Man  konnte  geradezu 
sagen:  In  den  am  starksten  geprefiten  Gesteinen  ist  der  Quarz 
am  ungestortesten.  Diese  Erscbeinung  laBt  sieb  nur  durcb 
Umkrvstallisation  erklaren.  Der  Feldspat  wird  immer  mehr 
durcb  Sericit  ersetzt  und  Yerscbwindet  schlieBlicb  ganz,  so 
dafi  wir  als  Eiidprodukt  der  Umbildung  des  I.  Gr. 
Gesteine  erbalten,  die  nur  nocb  aus  Quarz,  Sericit 
und  Cblorit  zusammengesetzt  sind.  Ein  instruktives 
Strukturbild  aus  einem  derartigen  Gestein  zeigt  Taf.  XX,  Fig.  6. 

Yersucben  wir  das  zusammenzufassen,  was  uns  die  mikro- 
skopiscbe  Untersucbung  uber  die  Metamorpbose  des  I.  Gr.  lehrt, 
so  konnen  wir  ungefabr  folgendes  aussagen:  Die  Hauptrolle 
spielt  die  mecbaniscbe  Z  ert  riimmerung.  Die  Brucb- 
stiicke  werden  dabei  senkrecbt  zur  Druckricbtung  orientiert 
unter  der  Mitbilfe  scberender  Bewegungen.  Auf  diese 
Weise  entstebt  aus  dem  ricbtungslos  kornigen  Gestein  ein 
solcbes  mit  ausgepragter  Paralleltextur.  Hand  in  Hand  mit 
der  Zerbrecbung  geben  cbemiscbe  Yorgange,  vor  allem  die 
Sericitisierung  des  Feldspats.  Das  Wasser,  das  auf  den  zabl- 
losen  neugebildeten  Spalten  eindringen  konnte,  Yvirkt  durcb 
Losung  und  Wiederausscbeidung  des  Gelosten  in  bobem 
MaBe  umkrystallisierend.  Durcb  Zusammenwirken  all  dieser 
Yorgange  kann  aus  einem  Granit  ein  parallel  struiertes  Gestein 
(ein  sog.  „Gneisu),  scbliefilicb  ein  Sericitscbiefer  erzeugt  werden. 

Legen  wir  die  Auffassung  Yon  U.  Grubenmann  zugrunde,  so 
ware  die  Umwandlung  typisch  fiir  die  oberste  Zone,  in  der 
die  Kataklase  iiberwiegt  (Lit.  17).  Die  angefiibrten  Faktoren 
geniigen  zur  Erklarung  der  Metamorpbose  vollstandig,  es  ist 
nicbt  no  tig,  aucb  „postYulkaniscbe  Prozesse"  beizuzieben,  wie 
dies  yon  Hugi  gescbiebt  (Lit.  20). 

Der  ,,Gneisu  der  alteren  Autoren  ist  also  nur  ein  de- 
formierter  Granit.  Daraus  erklaren  sicb  einige  Tatsacben, 
die  friiber  ratselhaft  erscbeinen  muBten.  Baltzek  betont  mebrere 


287 


Male,  daB  sich  nie  der  Gneis  an  den  Kalk  anschmiege,  wohl 
aber  Kalk  an  den  Gneis.  Das  erste  erklart  sich  daraus,  daB 
die  Schieferung  des  Granits  senkrecht  zu  der  Flache  erfolgte, 
auf  welcher  der  Kalk  ihm  auflagerte.  Dagegen  ist  es  moglich, 
daB  eine  Partie  des  Kalks  (z.  B.  das  Ende  eines  Kalkkeils) 
ergriffen  und  durch  Translationsbewegungen  in  die  Schieferungs- 
richtung  des  Granits  hereingebogen,  vielleicht  gar  verschleppt 
wird. 

Die  Beobachtung  Baltzers,  daB  zur  Schichtung  des  Gneises 
oft  noch  eine  sekundare  Schieferung  trete,  erklart  sich  hochst- 
wahrscheinlich  aus  der  doppelten  Schieferung  des  Granits 
(vgl.  S.  279  und  Taf.  XXI,  Fig.  1). 

Das  Gstellihorn  mit  seinen  riesigen  Yerknetungen  von 
Granit  und  Kalk  liefert  ganz  dieselben  gepreBten  Gesteine, 
wie  sie  an  der  GrimselstraBe  anstehen,  nur  ist  womoglich  die 
Zerbrechung  und  Zerreibung  der  einzelnen  Gemengteile  noch 
intensiver  als  dort.  Die  Bernerkung  von  Weinschenk,  daB  ein 
eruptives  Eindringen  des  Granits  in  den  Kalk  vorliege,  muB 
entschieden  zuriickgewiesen  werden  (Lit.  52,  S.  321).  Dagegen 
spricht  neben  dem  Fehlen  einer  Kontaktmetamorphose  und  der 
regelmaBigen  Umsaumung  des  Jurakalks  mit  Rotidoloniit  yor 
allem  auch  die  petrographische  Beschaffenheit  des  Granits, 
der  kaum  irgendwo  so  starke  Pressung  erlitt  wie  eben  hier. 

Yon  Sauer  ist  die  Tatsache  der  mechanischen  Yerarbeitung 
des  I.  Gr.  zuerst  erkannt  worden  (Lit.  38).  Er  stellt  die  Er- 
scheinungen  im  I.  Gr.  in  Parallele  mit  denen  im  Lausitzer 
Granit  an  der  groBen  Uberschiebung  (vgl.  Lit.  26  u.  29)  und 
redet  von  einer  riesigen  Quetschzone  im  I.  Gr.  Er  meint 
damit  eine  Zone  im  Streichen  und  Fallen  des  Aarmassivs,  in 
der  sich  der  von  S  kommende  Druck  ausgelost  habe.  (Die 
MiBverstandnisse  von  Klemm  und  Konigsberger  wurden  schon 
auf  S.  109  erwahnt.)  Diese  Auffassung  hat  sich  vollstandig 
bestatigt;  nur  handelt  es  sich  jedenfalls  nicht  um  eine  ein- 
heitliche  Quetschzone.  Starker  und  schwacher  gepreBte  Partien 
wechseln  miteinander  ab  und  lassen  die  Existenz  einer  grofieren 
Anzahl  hintereinanderliegender  Quetschzonen  wahrscheinlicher 
erscheinen.  Auch  fiir  das  Lausitzer  Gebiet  wird  ja  die  un- 
gemein  wechselnde  Beschaffenheit  des  gepreBten  Granits  be- 
sonders  betont.  Im  Streichen  lassen  sich  die  Erscheinungen 
vom  Urbachtal  bis  gegen  den  SustenpaB  verfolgen,  wo  sie  auf 
die  E.  Gn.  libergehen. 


288 


C.  Das  Carbon  des  WendeDjochs. 

Die  sedimentaren  Schichten  des  Wendenjochs  werden  zuerst 
von  Baltzer  erwahnt  (1880,  Lit.  1,  S.  147).  Er  fand  hier  „verru- 
canoartige  Gesteine"  und  schwarze,  knotige  Anthrazitschiefer 
mit  Linsen  und  Nestern  von  Quarz;  er  bemerkte  auch  schon, 
daB  in  den  dunklen  Schiefern  Einschliisse  des  unterteufenden 
Glimmergneises  vorkommen.  Die  Lagerungsverhaltnisse  fafit  er 
jedoch  iiberaus  merkwiirdig  auf.  Er  gibt  ein  Profil  (Lit.  1,  Atlas, 
Taf.  IX,  Fig.  13),  in  dem  er  versucht,  trotz  der  beobachteten 
Diskordanz  zwischen  schwarzen  Schiefern  und  Arkose  den  ganzen 
Kpmplex  von  den  Erstfelder  Gneisen  bis  zum  Malm  als  eine 
konkordante  Schichtfolge  darzustellen.  Es  gelingt  dies  nur  mit 
Hilfe  von  eigentiimlichen  Schichten  abbiegungen,  die  sich  der  Be- 
obachtung  entziehen. 

Der  zweite  geologische  Besucher  der  Lokalitat  war  Hugi 
(1906,  Lit.  20.)  Er  schlieBt  aus  der  Diskordanz  von  schwarzen 
Schiefern  und  Trias  auf  ein  hoheres  Alter  der  ersteren,  die  er 
ihrer  petrographischen  Beschaffenheit  halber  als  Carbon  erklart. 
Er  untersucht  die  Konglomerate,  in  denen  er  nur  Glimmerschiefer 
und  Quarzite  konstatiert,  glaubt  dagegen  an  gewissen  Schiefern 
(„Knotenschiefern")  Erscheinungen  einer  Kontaktmetamorphose 
zu  erkennen.  Diese  wurde  nach  ihm  durch  den  „nordlichen 
Gneis"  hervorgebracht,  der  demnach  j linger  als  diese  Schichten 
ware. 

Dem  tritt  Konigsberger  entgegen  (Lit.  24).  Er  gibt  ein 
detailliertes  Profil  des  wichtigen  Punktes  und  weist  vor  allem 
darauf  hin,  daB  in  den  Konglomeraten  des  Wendenjochs  Ge- 
rolle  des  konkordant  unterteufenden  Erstfelder  Gneises  (Erup- 
tiYgneis)  zu  finden  seien,  daB  es  sich  also  keinesfalls  urn  Kon- 
taktmetamorphose durch  den  „nordlichen  Gneis"  handeln  konne. 
Die  Beobachtungen  Hugis  iiber  die  „Knotenschiefer"  mit  Kon- 
taktmineralien  erkennt  er  tiberhaupt  nicht  an. 

Dieser  "Widerspruch  der  Anschauungen  lost  sich  zum  Teil 
dadurch,  daB  beide  Autoren  unter  „nordlichem  Gneis"  Yer- 
schiedenes  verstehen.  Konigsberger  kommt  mit  seinen  Unter- 
suchungen  Yon  0  her  und  meint  den  Erstfelder  Eruptivgneis, 
der  allerdings  schon  in  den  Konglomeraten  zu  finden  ist  und 
auf  den  deshalb  seine  Ausfiihrungen  zutreffen.  Hugi  versteht 
dagegen  unter  „nordlichem  Gneis  den  Innertkirchener  Granit, 
der  in  den  betreffenden  Konglomeraten  nicht  vorkornnit  und  der 
nachvveisbar  junger  ist  als  der  E.  Gn.  Die  Moglichkeit  einer 
Kontaktmetamorphose  durch  dieses  Gestein  ist  deshalb  nicht  von 
der  Hand  zu  weisen. 


MesozoisdvR  Schiefer  Andg 

( schistes  lustres  J  Vale 


.ographisch.es  Institut.BerlmW.  35 


Taf.  VII 

(MO 

Cistella 


ZeitHclirif't  AerDmilwln-n  iVi-nl-.-jr-n  lien  OspHschaft  191'i 


i^j  Gneiss  'ikmZn'  (U  'dnrU-i 


■  ii-i  l.ttl  r.ijiL    I..-,  lustiti.il  Bei'lmWlj 


Zeitschr.  d.  Deutsch.  Geol.  Ges.  1914. 


Taf.  IX. 


Fig.  2.  Fig.  3.  Fig.  4. 

Phot.  Eck. 


Fig.  1.    Nautilus  Mermeti  Coq.    Verkleinert.    S.  183. 

Fig.  2  u.  3.    Nautilus  Mermeti  var.  Munieri  Choff.    S.  184. 

Fig.  4.    Desgl.  asymmetrische  Lage  des  Siphos.    S.  184. 


Orig.  im  Geol.  Pal.  Inst.  u.  Mus.  d.  Univ.  Berlin. 


Zeitschr.  d.  Deutsch.  Geol.  Ges.  1914. 


Tafel  X. 


Sphenodiscus  (Lybicoceras)  Ismaelis  ZITT. 

Overwegi-Sch. ;  Ammonitenberge,  Lib.  Wuste. 
Original  in  Munchen  (Coll.  Zittel). 


Lichtdruck  von  Albert  Frisch,  Berlin  W. 


Phot.  Eck. 


Zeitschr.  d.  Deutsch.  Geol.  Ges.  1914. 


Taf.  XI. 


Phot.  Eck.  Fig.  2.  Fig.  3. 


Fig.  1.    Neolobites  Sehweinfurthi  Eck.    Verkleinert.    S.  186. 

Fig.  2.    Neolobites  Peroni  Hy.  var.  Pervinquieri  v.  Staff  und  Eck. 

Verkleinert.   S.  191.   (Aus  Sitzber.  Ges.  Naturf.  Fr.,  Jahrg. 

1908,  S.  278,  Fig.  6.) 
Fig.  3.    Desgl.  Vorderansicht.  Verkleinert. 

Orig.  im  Geol.  Pal.  Inst.  u.  Mus.  d.  Univ.  Berlin. 


Zeitscnr.  d.  Deutsch.  Geol.  Ges.  1914. 


Taf.  XII. 


Phot.  Eck. 


Neolobites  Brancai  Eck.  ca.  2/z  naturlicher  Grofie.  S.  188. 
(Aus  Sitzber.  Ges.  Naturf.  Fr.,  Jalirg.  1908,  S.  277,  Fig.  5.) 

Orig.  im  Geol.  Pal.  Inst.  u.  Mus.  d.  Univ.  Berlin. 


Erklarung  zu  Tafel  XIII. 

1.  Hemitissotia  sp.  ind.   Riickenansicht.  Etwas  vergroflert.  Siehe 
auch  Taf.  IX,  Fig.  3  u.  4.    S.  216. 

2.  Hoplitoides  ingens  v.  Koen.    S.  194. 

3  bis  7.    Pseudotissotia  segnis  $olg.  (=  Schloenbachia  Quaasi  Fourt.). 
Jugendformen.    S.  212. 


Orig.  im  G-eol.  Pal.  Inst.  u.  Mus.  d.  Univ.  Berlin. 


Zeitschr.  d.  Deutsch.  Geol.  Ges.  1914. 


Tafel  XIII. 


Lichtdruck  von  Albei  t  Frisch,  Berlin  W. 


Phot.  Eck. 


Erklarung  zu  Tafel  XIT. 

Fig.  L   Vascoceras  Barcoicemis  Choff.    S.  203. 

Fig.  2  bis  5  u.  8.    Pseudotissotia  segnis  Solg.  (=  Schloenbachia  Quaasi 

Focrt.).    Jugendformen.    S.  212. 
Fig.  6.    Neolobites  Fourtaui  Fourt.    S.  189. 
Fig.  7.    Pseudotissotia  segnis  var.  diseoidalis  Pervinq.    S.  207. 


Orig.  im  Geol.  Pal.  Inst.  u.  Mus.  d.  Univ.  Berlin. 


Zeitschr.  d.  Deutsch.  Geol.  Ges.  1914. 


Tafel  XIV. 


Lichtdruek  von  Albert  Frisch,  Berlin  W. 


Phot.  Eck. 


Zeitschr.  d.  Deutsch.  Geol.  Ges.  1914. 


Taf.  XT. 


Fig.  1.    Pseudotissotia  segnis  Solg.  var.  discoidalis  Pervinq.    S.  207. 

Fig.  2.    Anfangskammer  unci  erste  Windungeu  von  Pseudotissotia  segnis  Sou;. 

VergroBert  1  :  80.    S.  210. 
Fig.  3.    Pseudotissotia  segnis  Solg.    Erwachsenes  Ex.  Verkleinert. 

Orig.  im  Geol.  Pal.  Inst.  u.  Mus.  d.  Univ.  Berlin. 


Zeitschr.  d.  Deutsch.  Geol.  Ges.  1914.  Taf.  XVI. 


Zeitschr.  d.  Deutsch.  Geol.  Ges.  1914. 


Taf.  XVII. 


Phot.  Eck.  Fig.  3.  Fig.  4. 

Fig.  1  u.  2.    Acant/ioceras  cf.  Footeanum  Stol.    S.  196. 

Fig.  3.    Hernitissotia  sp.  ind.    SeitenaDsicbt,  etwas  vergrofiert.    S.  216. 

Fig.  4.    Dasselbe  Ex.  von  der  anderen  Seite.    S.  216. 


Orig.  im  Geol.  Pal.  Inst.  u.  Mrs.  d.  Uoiv.  Berlin. 


Zeitschr.  d.  Deutsch.  Geol.  Ges.  1914. 


Taf.  XYIII. 


Erklarungen  zu  Tafel  XX. 


Fig.  1 :    Erstfelder  Eruptivgneis  vom  Arni  bei  Amsteg. 
Fig.  2:    Erstfelder  Sedimentgneis  vom  Riedbach  bei  Erstfeld. 
Fig.  3:    Innertkirchener  Granit  von  Innertkirchen. 
Fig.  4:    Gestreifter  Quarz  aus  gepreBtem  I.Gr.  von  der  GrimselstraBe. 
Fig.  5:    Deformierter  Plagioklas  aus  gepreBtem  I.Gr.  von  der  Grimsel- 
straBe. 

Fig.  6:    Sericitschiefer  von  der  GrimselstraBe,  aus  I.Gr.  durch  auBerst 
starke  Pressung  entstanden. 


Tafel  XX. 


rt  Frisch,  Berlin  W. 


Zeitnchr.d.  Deutsch.  Geol.  Ges.  19H. 


Tafcl  XX. 


Zeitsuhr.  d.  Deutsch.  Geol.  Ges.  1914.  Taf.  XXI. 


Fig.  1. 


Fig.  2. 


Fig.  1 :  Doppelte  Schieferung  im  Innertkirchener  Granit  bei  km  3  der 
GrimselstraBe. 

Fig.  2:  Aussicht  vom  Gipfel  des  Grassen  gegen  0  auf  SchloBberg  und 
Spannorter.  Auflagerung  der  Reste  des  autochthonen  Sediment- 
mantels  des  Aarmassivs  auf  den  steilgestellten  Erstfelder  Gneisen 
(vgl.  hiezu  das  Profil  Fig.  8,  S.  297). 


Zeitschrift 


der 


Deutschen  Geologischen  Gesellschaft. 

(Abhandlungen  und  Monatsberichte.) 


3.  Heft. 


A.  Abhandlungen. 
66.  Band. 

Juli  bis  September  1914. 
(Hierzu  Tafel  XXll-XXXVI). 

Berlin  1914. 

Verlag  von  Ferdinand  Enke, 
Stuttgart. 


1914, 


INHALT. 

Aufsatze: 

5.  LOTZE,  K.:  Beitrage  zur  Geologie  des  Aarmagsivs 
(Untersuchungen  iiber  Erstfelder  Gneise  und  Innert- 
kirchener  Granit).    (Schlufi)  289 

6  TILMANN,  NORBERT:  Zur  Tektonik  des  Monte 
Guglielmo  und  der  mittleren  Val  Trompia.  (Hierzu 
Tafel  XXII  und  6  Textfiguren)  302 

7.  SOMMERMEIER,  L.:  Neue  Ooidc.  (Hierzu  Tafel  XXIII 

bis  XXVI)    .    ,  318 

8.  CHARLESWORTH,  JOHN  K.:  Das  Devon  derOstalpen. 

V.  Die  Fauna  des  devonischen  Riffkalkes.  HI.  Cri- 
noiden.  IV.  Korallen  und  Stromatoporoiden.  (Hierzu 
Tafel  XXVIII  bis  XXXIV  und  5  Textfiguren)  ...  330 

9.  WALTHER,  K. :  UberVorkommen  und  Entstehung  eines 

Talkschiefers  in  Uruguay  und  iiber  seine  partielle 
Verkieselung.  (Hierzu  Taf.  XXXV  und  2  Textfiguren)  408 

10.  FRANKE,  A.:  Die  Foraminiferen  und  Ostrakoden  des 

Emschers,  besonders  von  Obereving  und  Derne  nord- 
lich  Dortmund.    (Hierzu  Tafel  XXVII)  428 

11.  WURM,  A.:  Uber  einige  neue  Funde  aus  dem  Muschel- 

kalk  der  Umgebung  von  Heidelberg  (Ptychites  dux 
Gieb.  und  Velopecten  Alberti  (Goldf.)  Philippi). 
(Hierzu  Tafel  XXXVI  und  4  Textfiguren)    .    .    .  .444 


Deutsche  Geologische  Gesellschaft. 


Vorstand  fur  das  Jahr  1914 

Vorsitzender:  Herr  Wahnschaffe  f  Schriftfuhrer:  Herr  Bartling 
Stellvertretende  Vor-  f     „    Bornhakdt  „  Hennig 

sitzende:  [     „    Krusch  „  Janensch 

Schatzmeister:  „    Michael  „  Weissermel 

Archivar:  „  Schneider 

Beirat  fiir  das  Jahr  1914 

Die  Herren:  FRECH-Breslau,  FRICKE-Bremen,  MADSEN-Kopenhagen, 
OEBBECKE-Munchen,  RoTHPLETZ-Munchen,  SALOMON-Heidelberg. 

—  <$>  

Mitteilungen  der  Redaktion. 

Im  Interesse  des  regelmafiigen  Erscheinens  der  Abhandlungen  und  Monats- 
beriehte  wird  um  nmgehende  Erledigung  aller  Korrekturen  gebeten. 

Die  Manuskripte  sind  drackfertig  einzuliefern.  Die  Kosten  fiir 
Korrekturen,  Zusatze  und  Anderungen  iD  der  1.  oder  2.  Korrektur  werden 
von  der  Gesellschaft  nur  iD  der  Hohe  von  6  Mark  pro  Druckbogen  getragen;  alle 
Mehrkosten  fallen  dem  Autor  zur  Last. 

Der  Autor  erhalt  in  alien  Fallen  eine  Fatmenkorrektur  und  uach.  UmbrecheD 
des  betreffenden  Bogens  eine  Revisionskorrektur.  Eine  dritte  Korrektur  kann 
nur  in  ganz  besonderen  Ausnahmefallen  geliefert  werden.  Fiir  eine  solche  hat 
der  Autor  die  Kosten  stets  ganz  zu  iibernehmen. 

Im  Manuskript  sind  zu  bezeichnen: 
Uberschrifteu  (halbfett)  doppelt  unterstrichen, 
Lateinische  Fossilnamen  (kursiv!)  durch  Schlangenlinie, 
Autornamen  (Majuskeln)  rot  unterstrichen, 
Wichtige  Dinge  (gesperrt)  schwarz  unterstricheu. 

 ®  

Bei  Zusendungen  an  die  Gesellschaft  wollen  die  Mitglieder 
folgende  Adressen  benutzen: 

1.  Manuskripte  zum  Abdruck  in  der  Zeitschrift,  Korrekturen  sowie  darauf 
beziiglichen  Schriftwechsel  Herrn  Konigl.  Geologen,  Privatdozenien 
Dr.  Bartling, 

2.  Einsendungen  an  die  Biicherei  sowie  Reklamationen  nicht  eingegangener 
Hefte,  Anmeldung  neuer  Mitglieder,  Anzeigen  von  Adressenanderungen 
Herrn  Sammlungskustos  Dr.  Schneider, 

beide  zu  Berlin  N  4,  Invalidenstr.  44. 

3.  Anmeldung  von  Yortragen  fiir  die  Sitzungeu  Herrn  Professor  Dr. 
Janensch,  Berlin  N.4,  Invalidenstr.  43. 

4.  Sonstige  Korrespondenzen  an  Herrn  Geh.  Oberbergrat  Bornhardt, 
Charlottenburg,  Dernburg-Str.  49  oder  Herrn  Professor  Dr.  Krusch, 
Berlin  N4,  Invalidenstr.  44. 

5.  Die  Beitrage  sind  an  Herrn  Professor  Dr.  Rich.  Michael,  Charlotten- 
burg, Kaiserdamm  74,  Postscheckkonto  Berlin  NW  7,  Konio  Nr.  16071 
oder  an  die  Deutsche  Bank,  Depositenkasse  Q,  fur  das  Konto  ^Deutsche 
Geologische  Gesellschaft  E.  V."  porto-  und  bestellgeldfrei  einzuzahlen. 


289 


Neuerdings  wurde  das  Carbon  des  Wendenjochs  noch  yon 
Escher  (Lit.  13,  1911)  in  seiner  zusammenfassenden  Arbeit  iiber 
pratriassische  Alpenfaltung  besprochen. 

Nach  Konigsbergers  Angaben  (Lit.  24)  und  eigenen  •  Beob- 
achtungen  liegen  die  Verhaltnisse  am  Wendenjoch  ungefahr 
folgendermassen : 

Die  schwarzen  Schiefer  und  Konglomerate,  die  auf  der  Hohe 
des  Wendengletschers  am  Tierberg  anstehen.  bilden  den  Teil 
eines  Gesteinszuges,  der  von  der  Urat  bis  gegen  Erst- 
feld  hin  zu  verfolgen  ist.  Ostlich  vom  Wendenjoch  erwahnt 
Tobler  (Lit.  47)  steilstehende  schwarze  Schiefer  zwischen 
Zwachten  und  Kleinem  Spannort;  weiterhin  miissen  diese  Ge- 
steine,  nach  dem  Funde  von  kohligen  Schiefern  und  Konglo- 
meraten  in  den  Schuttkegeln  beim  Oberen  See  und  im  Riedbach 
zu  schlieBen,  iiber  die  Gegend  des  Oberen  Sees  bis  zum 
Riedtal  hin  streichen,  ohne  jedoch  das  ReuBtal  noch  zu  er- 
reichen.  Den  einzigen  guten  AufschluB  bietet  das  Wenden- 
joch. Erstfelder  Gneis  und  schwarze  Schiefer  liegen  wahr- 
scheinlich  konkordant;  vielleicht  ist  jedoch  diese  Konkordanz 
keine  urspriingliche,  sondern  erst  durch  tektonische  Vorgange 
sekundar  erzeugt.  Auf  den  Gneis  folgen  (noch  auf  der  Grassen- 
seite)  Konglomerate  mit  Bruchstiicken  von  Erstfelder  Gneis; 
zwischen  ihnen  eingeschaltet  findet  sich  eine  Lage  glanzender 
schwarzer  Schiefer,  in  denen  bei  langerem  Suchen  wohl  Pnanzen- 
reste  gefunden  werden  konnten.  Am  Tierberg  setzt  sich  das 
Profil  mit  Konglomeraten  und  stark  kohlefuhrecden  Schiefern 
fort  (71 — 101)  nach  Kgsb.).  Dann  folgt  ein  ziemlich  machtiger 
Komplex,  der  die  „Knotenschiefer" Hugis darstellt  (ll1 — 131). 
Es  sind  keine  Konglomerate,  wie  Koxigsberger  angibt,  sondern 
dunkelgraue,  sehr  diinn  spalteude  Schiefer  mit  kleinen  Knot- 
chen  auf  den  Schichtnachen.  Es  halt  schwer,  ein  ordent- 
liches  Handstiick  aus  der  zerbrockelnden  Masse  zu  gewinnen. 
Es  handelt  sich  jedoch  urn  keinen  eigentlichen  „Kontakt- 
knotenschiefer",  in  dem  Knoten  Konkretionen  sind,  die  sich 
unter  dem  Einflufi  metamorphosierender  Agenzien  bilden.  Die 
Knoten  bestehen  vielmehr  aus  grofieren  Quarzkornern,  die  die 
feine  Schichtung  storen  und  kleine  Erhebungen  bilden.  Die 
mikroskopische  Untersuchung  ergab  eine  Bestatigung  der  An- 
gaben von  Hugi:  das  Gestein  fiihrt  einzelne  Krystalle  von 
Granat  und  Turmalin.  AuBerdem  lieB  sich  eine  groJ3e  Menge 
feinster  Rutilnadelchen  feststellen.  Als  sicheren  Beweis  einer 
kontaktmetamorphen  Beeinflussung  des  Gesteins  mochte  ich 
jedoch  das  Yorkommen  dieser  Mineralien  nicht  auffassen;  sie 

Zeitschr.  d.  D.  Geol.  Ges.  1914.  19 


290 


konnen  auch  klastische  Bestandteile  des  Gesteins  sein.  — 
Weiter  gegen  den  kiihn  aufragenden  Zahn  von  Rotidoloinit  tin 
treten  verschiedene  gneisartige  Gesteine  auf  (141 — 161  K). 

Wegen  der  reichlichen  Kohlefiihrung,  die  sich  in  einer  tief- 
schwarzen  Farbe  der  Gesteine  auBert,  schreibt  man  dein  ganzen  Kom- 
plex  von  Schiefern  und  Konglomeraten  carbonisches  Alter  zu. 

Uber  E.  Gn.  und  Carbon  liegt  diskordant  der  „autoch- 
thone  S edimentmantel"  des  Aarniassivs.  Mit  der  Annahme 
Konigsbergers  ,  daB  hier  am  "Wendenjoch  noch  der  primare 
Yerband  yon  pratriassischer  Unterlage  und  Sedimentdecke  vor- 
handen  sei,  daft  also  tertiar  keine  Verschiebungen  statt- 
gefunden  hatten,  mochte  ich  mich  vollkommen  einverstanden 
erklaren.  An  der  besonders  am  Grassen  sehr  schon  entbloBten 
Grenze  zwischen  der  Sedimentdecke  und  ibrer  Unterlage 
sind  nirgends  Anzeichen  eines  Schubvorganges ,  wie  Rutsch- 
streifung  oder  ahnliches,  zu  sehen. 

Die  Sedimente  beginnen  mit  einer  grobkornigen  Arkose, 
die  am  Abhang  des  Grasssen  schon  gerundete  und  eigentumlich. 
herauswitternde  Dolomitknollen  einschlieBt.  Sie  ist  wohl  im 
wesentlichen  ein  Aufbereitungsprodukt  des  darunterliegenden 
Gneises;  sie  besitzt  auBerordentliche  Widerstandsfahigkeit  gegen 
die  Einniisse  der  Verwitterung:  der  ganze  N- Abhang  des  Grassen 
ist  yon  ihr  eingedeckt.  Auf  die  Arkose  folgen  Rotidolomit, 
Dogger  und  Malm  (vgl  Lit.  13  und  47).  Durch  die  Gewalt 
der  tertiaren;  Gebirgsbewegung  wurde  das  Ganze,  Gneis  und 
Carbon  samt  der  diskordant  dariiberliegenden  Sedimentdecke, 
als  eine  Einheit  s chief  gehoben,  so  daB  jetzt  die  Auflage- 
rungsflache  der  Sedimente  unter  einem  Winkel  von  ca.  30° 
nach  NW  einfallt.  Dadurch  erhielten  die  ursprtinglich  fast 
saiger  stehenden  oder  schwach  N  fallenden  Gneise  und  Schiefer 
ein  schwaches  Einfallen  nach  S. 

Bei  der  Beschreibung  des  Wendenjochprofils  wurde  bis 
jetzt  der  allerdings  nicht  unmittelbar  anstehende  Innert- 
kirchener  Granit  auBer  Betracht  gelassen.  Dieses  Gestein  bildet 
langs  des  ganzen  N-Abhangs  des  Gadmentals  die  Unterlage 
der  Sedimente.  Der  Aufstieg  zum  Wendengletscher  zeigt  ihn  schon 
entbloBt,  mit  zahlreichen Scholleneinschliissen  (vgl.  S.  260 und 268). 
Auch  auf  dem  Wendengletscher  selbst  gelang  es  mir,  noch  I.  Gr. 
nachzuweisen.  Am  Joch  ist  er  nicht  mehr  zu  sehen,  dagegen 
muB  er  unter  der  Ostwand  des  Titlis  (also  auf  Engelberger 
Seite)  nochmals  heraustreten,  was  Funde  im  Firnalpelibach  be- 
weisen  (vgl.  S.  260). 


291 


Es  ist  damit  nachgewiesen,  daB  ein  gr anitis ches  G-estein 
in  nachster  Nahe  des  Wendenj  o ch c arb ons  yorhanden  sein 
muB,  dafi  es  yielleicht  unter  ihm  durchzieht.  Dementsprechend  muB 
das  Profil  Konigsbergers  erganzt  werden.  Leider  ist  die  Grenze 
beider  Gesteine  unter  dem  Gletscher  yerborgen,  so  daB  ihr  gegen- 
seitiges  Yerhaltnis  nicht  unmittelbar  beobachtet  werden  kann. 
Durch  das  Yorhandensein  des  I.Gr.  wird  natiirlich  die  Diskus- 
sion  des  Wendenj ochprofils  gegenuber  Konigsberger  bedeutend 
komplizierter. 

Sicher  ist,  daB  der  Koniplex  Erstf.  Gn.  +  Carbon  schon 
pratriassisch  aufgerichtet  worden  sein  muB.  Auch  der  Granit 
muB  yortriassisches  Alter  besitzen.  Das  Carbon  ist  jiinger  als 
der  Gneis;  der  I.Gr.  ist  ebenfalls  jiinger  als  die  E.  Gn.,  wie 
schon  friiher  ausgefiihrt  wurde  (vgl.  S.  254).  Es  bleibt  also  nur 
die  Frage  nach  dem  Altersverhaltnis  yon  Granit  und  Carbon 
zu  beantworten  ubrig. 

Konigsberger  erklart  die  Aufrichtung  der  Schiefer  des 
Wendenj ochs  dureh  eine  hebende  Kraft,  die  der  Zentralgranit 
bei  seiner  Intrusion  ausgeiibt  habe.  Natiirlicb  waren  dann  die 
dem  Wendenj ochcarbon  konkordanten,  gleichfalls  steilstehenden 
E.  Gn.  auch  durch  den  Granit  gehoben  worden.  Nun  ist  aber 
der  Zentralgranit  recht  weit  entfernt  und  durch  die  ganze  Se- 
ricitschieferzone  mit  ihren  tiefgreifenden  tertiaren  Einfaltungen 
(Kalkkeil  Yon  Farnigen)  Yom  Wendenj och  getrennt.  so  daB 
die  Annahme  Konigbergers  unwahrscheinlich  genannt  werden 
muB.  Yiel  eher  lieBe  sieh  noch  an  eine  Hebung  durch  den  I.G. 
denken,  der  ja  unter  dem  Wendenj  och  durchzieht;  doch  wissen 
wir  iiber  derartige  Wirkungen  yon  Intrusiymassen  yiel  zu 
zu  wenig,  um  hier  etwas  Sicheres  sagen  zu  konnen.  Das  ein- 
fachste  und  nachstliegende  ist  ohne  Zweifel,  die  Aufrichtung 
einer  hercyn is chen1)  Gebirgsbewegung  zuzuschreiben.  Die 
Frage  ist  nun:  Geschah  die  Eruption  des  I.Gr.  nach  oder  yor 
dieser  Gebirgsbewegung?  Drang  der  I.Gr.  in  schon  aufgerichtete 
Schichten  ein  oder  machte  er  nach  der  Intrusion  gemeinsam 
mit  E.  Gn.  und  Carbon  die  „Faltung"  durch?  Das  erstere  er- 
scheint  yiel  wahrscheinlicher.  Gegen  die  zweite  Annahme 
spricht  die  ungestorte,  fast  intakte  Beschaffenheit  des  I.Gr. 
in  der  Umgebung  des  Wendenjochs.  Hatte  er  yereint  mit  E. 
Gn.  und  Carbon  die  hercynische  Gebirgsbewegung  mitmachen 
mussen,  so  hiitten  sich  ihm  gewiB  in  der  Nahe  einer  so  stark 
dislozierten  Stelle  Spuren  davon  aufgepragt.    Yielmehr  spricht 


l)  Unter  „hercynischer"  Gebirgsbewegung  soli  mit  Escher  (Lit,  13) 
ein  Vorgang  der  carbonisch-permischen  Faltungsperiode  verstanden  sein. 

19* 


292 


auch  die  iiberaus  starke  Zunahme  yon  Schollen  ini  I.Gr.  gegen 
das  Wendenjoch  hin  sehr  stark  dafur,  daB  hier  noch  ein  primarer, 
durch  keine  spatere  Gebirgsbewegung  mehr  gestorter  Yerband 
des  iutrusiven  Magmas  mit  dem  Schichtkoinplex,  in  den  es  ein- 
drang,  yorliegt.  DaB  einige  Schollen  aus  Erstfelder  Sediment- 
gneis  bestehen,  wurde  erwahnt;  andere  scbeinen  den  Carbon- 
schichten  zu  entstammen.  D  er  ein dringende  I.  Gr.  traf  also 
die  E.  Gn.  mitsamt  den  Carbonschichten  bereits  steil- 
gestellt  an.  —  Dies  wurde  im  Einklang  stehen  mit  der  sonst 
gemachten  Beobachtung,  daB  das  Eindringen  von  Intrusivge- 
steinen  dem  FaltungsprozeB  nachfolgt,  daB  es  jedenfalls  auf 
Spalten  gescbieht,'  die  erst  durch  die  Gebirgsbewegung  auf- 
gelockert  wurden.  Der  I.Gr.  ware  also  jiinger  als  die  Carbon- 
schichten des  Wendenjochs. 

Damit  ist  das  relative  Alter  der  geologischen  Geschehnisse 
bestimmt;  es  bleibt  noch  die  Aufgabe  iibrig,  sie  in  die  geo- 
logische  Chronologie  einzureihen.  Dies  ist  insofern 
schwierig,  als  eine  genaue  Alter sbestimmung  der  Schichteu  des 
Wendenjochs  aus  Mangel  an  Fossilfunden  nicht  stattfinden  kann. 
Nach  ihrem  petrographischen  Habitus,  yor  allem  ihrem  reich- 
lichen  Kohlengehalt,  miissen  sie  als  Carbon  aufgefa.fi t  werden. 

Das  einzige  Carbonyorkommnis  im  Aarmassiy,  dessen  Alter 
genau  bekannt  ist,  ist  das  am  Bifertengratli  (Todi);  die  Schichten 
sind  nach  den  neuesten  Bestimmungen  der  Pflanzenfunde  durch 
Zeillek  (Lit.  13)  als  Oberes  "Westphalien  aufzufassen.  Nach 
Schmidt  (Lit.  40)  und  Konigsberger  (Lit.  24)  sind  die  Carbon- 
schichten an  der  Windgalle  und  am  Bristenstock  nach  ihrer 
petrographischen  Ahnlichkeit  denen  des  Bifertengratli  gleichzu- 
stellen.  Das  Wendenjoch  carbon  ist  aber  hochstwahrscheinlich 
alter  als  diese  Schichten,  die  konkordant  zum  dariiberliegenden 
Sedinientmantel  liegen-!  Sie  sind  also  yon  der  hercynischen 
Gebirgsbewegung  nicht  ergriflen  worden,  die  die  Schichten  des 
Wendenjochs  noch  aufrichtete.  Demnach  muB  das  Carbon  des 
Wendenjochs  alter  sein  als  Ob.  Westfalien,  also  jedenfalls  das 
Enter  carbon  reprasentieren  (vgl.  auch  Konigsberger,  Lit.  24). 

Zu  demselben  Resultat  gelangt  man,  wenn  wir  den  I.Gr. 
zeitlich  dem  Schwarzwaldgranit  gleichsetzen1).  Der  Granit  des 
Schwarzwalds  metamorphosiert  namlich  das  Kulm,  kommt  aber 
in  den  Ablagerurjgen  des  Obercarbons  (Saarbriicker  und  Ott- 
weiler  Stufe,  vgl.  Lit.  26)  samt  seinen  Nachschiiben  bereits  als 
Bestandteil  der  Kongiomerate  vor.  Sein  Alter  ist  demnach 
wahrscheinlich  oberstes  Untercarbon.    Nach  den  obigen  Aus- 


])  Uber  die  Berechtigung  dieser  ParallelisieruDg  siehe  S.  266. 


293 


fiihrungen  ist  das  Carbon  des  Wendenjochs  alter  als  der  I.Gr. 
(oberstes  Untercarbon) ;  daraus  resultiert  also  fur  diese  Schichten 
wieder  Untercarbon. 

Damit  befinde  ich  mich  auch  in  Ubereinstimmung  mit 
Konigsbergek,  ohne  mich  im  einzelnen  seiner  Beweisfiihrung 
anschlieBen  zu  miissen.  Er  unterscheidet  im  Aarmassiv 
zwei  Carbonzonen:  eine  altere,  der  die  Schichten  des 
Wendenjochs  zugehoren,  und  eine  jiingere,  zu  der  die  Vorkommen 
yom  Bristenstock,  der  Windgalle  und  vom  Bifertengratli  zu 
rechnen  sind.  Erstere  ist  Untercarbon,  die  zweite  Obercarbon; 
zeitlich  dazwischen  liegt  nach  ihm  die  Intrusion  des  Zentral- 
granits. 

Escher  (Lit.  13)  unterscheidet  im  Aarmassiv  zwei  hercy- 
nische  Faltungen:  die  erste  ware  alter  als  obere  Saarbriicker 
Stufe  (eine  starke  Erosionsdiskordanz  beweist  betrachlich  hoheres 
Alter,  jedenfalls  Untercarbon);  die  zweite  hercynische  Faltung, 
die  die  Schichten  des  Bifertengratli  (ob.  Saarbr.  St.)  ergriff, 
ist  jiinger  als  diese.  Nach  diesem  Schema  ware  das  Carbon 
des  Wendenjochs  yon  der  ersten  hercynischen  Faltung  disloziert 
worden.  Yon  alien  ubrigen  Carbonvorkommen  des  Aarmassivs 
(Bristenstock,  Windgalle,  Stock  Pintga,  Glienislucke,  Biferten- 
gratli) ist  nur  fur  das  Bifertengratli  Diskordanz  zur  Trias 
nachgewiesen;  die  zweite  hercynische  Faltung  besitzt  demnach 
anscheinend  nur  lokalen  Charakter. 

Mit  Hilfe  dieser  Parallelisierungen,  die  dadurch  einen  er- 
heblichen  Grad  yon  Sicherheit  gewahrleisten,  daJ3  verschiedene 
Wege  zum  gleichen  Resultat  gefiihrt  haben,  laBt  sich  die 
Reihenfolge  der  geologischen  Vorgange  genauer  pra- 
zisieren. 

Bildung  des  Gneises  —   Pracambrisch  bzw.  alt- 

palaozoisch 

Bildung    der  Sedimentschichten 

des  Wendenjochs  —  Untercarbon 

Aufrichtung     yon     Gneis  und 

Schiefern  —    1.  hercynische  Faltung  — 

Ob.  Untercarbon 
Intrusion  cles  I.Gr.  —    Grenze  yon  Untercarbon 

und  Obercarbon. 

Ausbildung  einer  Abrasionsflache. 

Diskordante  Uberlagerung  yon  Gneis  und  Untercarbon  clurch 
Arkose,  Rotidolomit  (=  Muschelkalk  ?),  Jura  usw. 

Hebung  des  Ganzen  (Gneis  +  Untercarbon  +  Granit  +  Sediment- 
decke)   durch  die  tertiare  Gebirgsbewegung  yon  SO  her. 


294 


Damit  erhalten  wir  nun  aber  eine  frappierende  Analog ie 
mit  den  Verhaltnis s en  im  S chwarz wald.  Bei  den  Erst- 
felder  Gneisen  wurde  bereits  darauf  hingewiesen,  daB  sie  hochst- 
wahrscheinlich  mit  den  Gneisen  des  Scbwarzwalds  identisch 
sind  (ygl.  S.  77);  beim  I.Gr.  wurde  seine  Ahnlichkeit  mit  den 
Graniten  des  Schwarzwalds  betont  (ygl.  S.  132).  Die  Schichten 
des  Wendenj  o  cbcarbons  beweisen  nun  die  Gleichz eitig- 
keit  der  geologischen  Vorgange  in  beiden  Gebieten. 
Quer  durch  den  siidlichen  Schwarzwald  ziebt  eine  Zone  von 
sedimentaren  Gesteinen  (Konglonieraten  usw.)  kulmischen  Alters 
yon  Badenweiler  bis  Lenzkirch.  In  diese  bereits  aufgerichtete 
Gesteinszone  (erste  hercynische  Faltung!)  drang  der  Granit  ein 
und  metamorphosierte  sie  zum  Teil.  Die  Obercarbonschichten, 
die  sich  spater  ablagerten,  sind  nicht  mehr  disloziert,  lokale 
Storungen  abgerechnet  (Carbon  von  Gengenbach-Berghaupten  — 
zweite  hercynische  Faltung?).  Die  Analogie  der  geologischen 
Vorgange  und  der  in  Betracht  kommenden  Gesteine  ware  dem- 
nach  eine  vollkommene.  Sie  mag  in  folgender  Ubersicht  zum 
Ausdruck  gelangen: 

Bildung  der 

Schwarzwaldgneise  Erstfelder  Gneise 

Bildung  der 

Kulmzone  Badenweiler -Lenzkirch  Schichten  des  Wendenj  ochs 

Untercarbon  Untercarbon 
Aufrichtung  der 
Kulmzone  Untercarbonschichten  des  Wenden- 

Badenweiler- Lenzkirch  jochs 
Erste  hercynische  Faltung. 

Eindringen  des 
Schwarzwaldgranits  Innertkirchener  Granits 

Zwischen  Unter-  und  Obercarbon 

Bildung  der 

Obercarbonschichten  des  nordl.  Obercarbonschichten  des 

Schwarzwalds  (Berghaupten,  Bifertengratli,  Windgalle, 

Diersberg,  Ohlsbach  usw.)    Saar-  Bristenstock 
briicker  und  Ottweiler  Ob.  Saarbriicker 

Stufe  Stufe 

Zweite  hercynische  Faltung. 
Lokal  Lokal  (Bifertengratli) 

Bildung  einer  Abrasionsflache. 

Bei  der  groBen  Ahnlichkeit  der  Gesteine  der  „nordlichen 
Gneiszone"  mit  denen  des  Schwarzwalds,  sowie  bei  der  bis  ins 
einzelne  gehenden  Analogie  der  geologischen  Vorgange  in  beiden 
Gebieten  miu3  der  SchluJ3  gezogen  werden,  daB  in  der  „nord- 
lichen  Gneiszone"  ein  Stiick  echten  yaristischen  Grund- 
gebirges  yom  Typus  des  Schwarzwalds  yorliegt. 


295 


D.  Die  Tektonik  des  Aarmassivs. 

Im  Yerlauf  der  vorliegenden  Untersuchungen  gelangten  wir 
zu  dem  Ergebnis,  daB  die  Gesteine  der  sogenannten  „nordlichen 
Gneiszone"  in  alien  wesentlichen  Punkten  den  Gesteinen  des 
Schwarzwalds  entsprechen,  sowie  dafi  sich  fur  beide  Gebiete  die- 
selbe  geologische  Geschichte  nachweisen  laflt;  es  muBte  daraus 
der  SchluB  gezogen  werden,  daB  uns  hier  noch  ein  Rest  echten 
varistischen  Grundgebirges  entgegentritt.  Es  soli  im  folgenden 
ausgefiihrt  werden,  was  fur  Konsequenzen  dies  fur  die  An- 
schauungen  vom  Bau  des  Aarmassivs  bat. 

Den  tektonischen  Aufbau  yon  Aare-,  Gotthard-  und  Mont- 
blancmassiv  kennzeicbnetmanmitdem  Worte „Facherstruktur". 
Die  Scbicbtung  stebt  im  allgemeinen  recbt  steil,  in  der  Mitte 
saiger.  Je  weiter  man  von  der  Mitte  zu  nach  aufien  gebt,  desto 
flacber  wird  die  Lagerung  der  Schicbten,  die  alle  der  Mitte  zu 
einfallen.  Speziell  beim  Aarmassiv  spricbt  man  von  asym- 
metriscber  F  acherstr  uktur:  der  S-Fliigel  besitzt  nur  un- 
gefabr  den  acbten  Teil  der  Breite  des  N-Fliigels.  Nacb  den 
Untersucbungen  Heims  (Lit.  18)  und  Baltzers  (Lit.  1  und  2) 
ware  ein  solcber  Facher  ein  eng  zus  ammengescbobenes 
Biiscbel  steilstehender  Falten,  deren  Sattel  der  Erosion 
zum  Opfer  gefallen  sind.  Die  Bildung  der  Facberfalten  erfolgte 
nacb  diesen  Forschern  im  Tertiar,  was  durcb  die  Einfaltung 
sedimentarer  „Mulden",  die  nocb  Jura  fiihren,  bewiesen  wurde. 

Konigsberger  (Lit.  24  und  25)  widerspricbt  dieser  weit- 
yerbreiteten  Auffassung  und  yersucbt  nachzuweisen,  daB  die 
Hauptel emente  der  Tektonik  schon  auf  eine  bercy- 
niscbe  Faltung  zuruckzufiihren  seien.  Fur  den  Zeit- 
punkt  der  Auffaltung  nimmt  er  die  Zeit  zwiscben  Mittel-1)  und 
Obercarbon  an  (Lit.  24,  S.  884),  d.h.  die  Zeit  zwiscben  Wendenjocb- 
Carbon  und  Carbon  vom  Bristenstock  (=  Carbon  vom  Biferten- 
gratli  =  Ob.  Westphalien  nacb  Escher-Zeiller).  In  welcher 
Weise  er  die  Aufricbtung  der  Scbicbten  mit  der  Intrusion  des 
Zentralgranits  in  Zusammenhang  bringt,  wurde  bereits  erwabnt 
(S.  291).  Im  Tertiar  babe  dann  nur  nocb  scbrage  Hebung  des 
Ganzen  und  starkerer  Zusammenscbub  stattgefunden. 

Nocb  weiter  geht  Escher  (Lit.  13).  Er  bespricbt  alle 
Carbonyorkommnisse  der  Westalpen  und  weist  an  Hand  davon 
zwei  bercyniscbe  Faltungen  nach:  die  erste  vor  Ablagerung  des 
Obercarbon,  die  zweite  vor  Ablagerung  der  Trias.   Von  diesen 


J)  Es  sollte  nach  den  ubrigen  Ausfiihrungen  K.'s  besser  Unter- 
carbon  heifien! 


296 


Resultaten  ausgehend,  verallgemeinert  er,  iibersieht  die  Wir- 
kungen  einer  tertiaren  Gebirgsbewegung  an  den  Zentralmassiven 
vollstandig  und  erklart  den  ganzen  Bau  der  autochthonen 
Massive  fiir  hercynisch.  „Ich  glaube  aber  bestimmt,  daB  es 
Reste  eines  hercynischen  Gebirges  sind  und  nicht  ,heraufge- 
tragene  Teile  des  mitgefalteten  Untergrundes'  "  (Lit.  13,  S.  94). 

Die  Wahrheit  wird  wohl  in  der  Mitte  liegen  zwischen  den 
alteren  Anschauungen  Heims   und  Baltzers  und  den  neueren 

VOn  KONIGSBERGER  und  ESCHER. 

"Wohl  allgemein  ist  jetzt  die  Ansicht  als  richtig  angenommen, 
daB  am  Nordrand  des  Aarmassivs  die  Sedimente  auf  einer 
Abrasions-  (Denudations-)  flache  des  krystallinen  Gebirges  auf- 
liegen,  und  da8  sie  sich,  kleine  Rutschungen  abgerechnet,  nock 
im  primaren  Yerband  mit  ihrer  Unterlage  befinden.  Man  be- 
zeichnet  sie  demnacli  als  den  „autochthonen  Sediment- 
mantel  des  Aarmassivs",  im  Gegensatz  zu  den  hoher  Kegen- 
den,  von  S  her  iibergeschobenen  Decken  (vgl.  Taf.  XXI,  Fig.  2). 
Steben  nun  unter  einer  Sedimentdecke  steilgestellte  Gneise  und 
Scbiefer  an,  so  ist  es  klar,  daB  ihre  Aufrichtung  vor  der  TJber- 
lagerung  durch  die  Sedimente  erfolgt  sein  muB.  Bei  den  steilge- 
stellten  Gneisen  und  carboniscben  Schiefern  (Wendenjoch !)  unter 
dem  autocbtbonen  Sedimentmantel  handelt  es  sich  also  zweifellos 
um  ein  pratriassisches,  hochstwahrscheinlich  hercyni- 
sches  Rumpfgebirge.  Seine Faltung  erfolgte  in  der  varistischen 
Richtung  (SW — NO),  d.  h.  in  derselben,  wie  die  spatere  tertiiire 
Alpenfaltung. 

Nun  darf  aber  aus  dieser  Diskordanz  zwischen  krystallinen 
Gesteinen  und  autochthonem  Sedimentmantel  am  Nordrand  des 
Aarmassivs  durchaus  nicht  auf  die  Tektonik  des  ganzen 
Massivs  geschlossen  werden,  wie  dies  von  Koxigsbergek 
und  Escher  geschieht.  Der  Beweis  fiir  tertiare  Elemente  der 
Tektonik  liegt  in  der  grofiartigen  Einfaltung  j  lingerer  (triassi- 
scher  und  jurassischer)  Sedimente  in  das  Zentralmassiv. 

Hier  ist  zunachst  die  Zone  des  Kalkkeils  von  Farnigen 
zu  nennen.  Bei  diesem  Ort  liegt  ein  Komplex  von  Porphyren, 
Rotidolomit  (nur  in  einzelnen  Fetzen;  vgl.  Mosch,  Lit.  27,  S.  286), 
Dogger  und  Malm  konkordant  im  Sericitgneis.  DaB  dem  Kalk- 
keil  von  Farnigen  eine  viel  groBere  Bedeutung  zukommt,  als 
bisher  angenommen  wurde,  beweisen  die  Untersuchungen 
Konigsbergers  (Lit.  25).  Er  wies  nach,  daB  die  Einklemmung 
des  Jura  mit  einem  Porphyrzug  verbunden  sei,  der  vom  Tscharren 
(am  Oberalpstock)  an  zu  verfolgen  ist.  Am  Bristenstock  liegen 
auf  diesem  Porphyrzug  die  Anthrazite  des  Bristenstafeli.  Bei 
Inschi  tritt  zuin  erstenmal  Dogger  auf;  schlieBlich  kommt  noch 


297 


Malm  hinzu,  der  am  Kalkkeil  des  Kalcbtals  zum  letztenmal 
auftritt.  Zweifellos  bilden  die  Porpbyre  und  die  carboniscben 
(?)  Scbiefer  der  Triftbiitte  am  Tbaltistock  eine  Fortsetzung 
dieses  Zuges,  was  schon  auf  der  BALTZERscben  Karte  (Bl.  13) 
klar  beraustritt. 

Die  Bedeutung  dieses  merkwiirdigen,  fur  die  Tektonik  des 
Aarmassivs  uberaus  wicbtigen  Zuges  moge  an  Hand  eines  Profils 
vom  oberen  Engelberger  Tal  iiber  das  Kleine  Spannort  bis  Maien- 
Dorfli  besprocben  werden  (Fig.  8).  Steigt  man  von  Staffeli  iiber 
die  Spannortbiitte  zum  Kleinen  Spannort  auf,  so  kommt  man 


EG-n  Erstfelder  Gneise,  R  Rotidolomit, 

Scgn  Sericitgneise,  D  Dogger,' 

Po      Porphyr,  M  Malm. 

Fig.  8. 

Profil  Engelberger  Tal  —  Kl.  Spannort  —  Maiental  (Versenkung  des  Kalk- 
keils  von  Farnigen).   Mafistab  1  :  100000. 

iiber  steilgestellte  E.  Gn.,  auf  denen  diskordant  die  Sediment- 
decke  liegt.  Beim  Abstieg  iiber  den  BoJBfirn  ins  Maiental 
bleibt  die  Gneisscbicbtung  immer  dieselbe;  auf  Seewenalp  trifft 
man  nun  aber  plotzlicb  auf  Jurakalk,  der  konkordant 
im  Gneis  liegt.  Bei  Farnigen  stebt  der  Kalk  nocb  in  der 
Talsoble  an.  Denkt  man  sicb  siidlicb  iiber  das  Kleine  Spann- 
ort binaus,  yvie  dies  im  Profil  angedeutet  ist,  die  Auflagerungs- 
flacbe  fortgesetzt,  so  kommt  fur  die  Yersenkung  des  Kalkes 
unter  diese  Flacbe  ca.  3000  m  heraus.  Wenn  diese  Zabl  aucb 
zu  bocb  gegriffen  ware,  so  kann  dock  gesagt  werden,  dafi  es 
sicb  bier  um  eine  zweifellos  tertiare  Gebirgsbewegung  grofiten 
Stils  handelt,  yollends  wenn  wir  bedenken,  dafi  sicb  diese  Zone 
(allerdings  in  sebr  wecbselnder  Gestalt)  vom  Oberalpstock  bis 
zum  Triftgletscber  verfolgen  laflt.  Der  Kalkkeil  von  Farnigen 
lebrt,  dafi  die  Konkordanz  der  Gneise  vom  Engelbefger  Tal 
bis  ins  Maiental  nur  eine  scbeinbare  ist:  zum  Teil  ist  die  so 
einfacb  erscbeinende  Tektonik  carbonischen,  zum  Teil  tertiaren 
Alters.    Als  „Mulde"  kann  der  Zug  des  Kalkkeils  nicbt  be- 


298 


zeichnet  werden;  dazu  fehlt  ihm  der  synimetrische  Bau.  Es 
ist  eine  Einfaltung  in  weiterem  Sinn,  entstanden  durch  riesige 
Versenkung,  verbunden  mit  konkordanter  Anpressung  an 
alteres,  schon  gefaltetes  Gebirge.  Dadurch  setzt  sich  diese 
Erscheinung  in  einen  gewissen  Gegensatz  zu  den  Vorgangen 
an  der  nordlichen  Kontaktflache  von  „Gneis"  und  Kalk,  wo 
iiberall  die  gebirgsbildenden  Krafte  nach  oben  wirken,  den 
Kalk  festklemmen  und  den  Granit  daruber  wegschieben  (z.  B. 
Pfaffenkopf). 

Die  zweite  Erscheinung,  die  fiir  tertiare  Tektonik  der  Zen- 
tralmassive  spricht,  ist  die  sog.  „Urserenmulde",  die  sich 
zwischen  Aare-  und  Gotthardmassiv  einschiebt  und  sich  langs 
des  ganzen  Sudrands  des  Aarmassivs  verfolgen  lafit  (auf  iiber 
100  km  Entfernung).  Auch  sie  mu£  tertiar  eingefaltet  sein, 
denn  es  kornmen  in  ihr  noch  jurassische  Gesteine  vor.  Ihr 
tiefes  Eindringen  zwischen  den  krystallinen  Gesteinen  beweist 
die  Tatsache,  da!3  der  Marmor  von  Andermatt  beim  Bau  des 
Gotthardtunnels  durchfahren  wurde. 

Angesichts  dieser  beiden  groJ3artigen  „  Einfaltung  en",  die 
sich  auf  Dutzende  von  Kilometern  verfolgen  lassen  und  in  re- 
lativ  geringer  Entfernung  (ca  12  km)  voneinander  dahinziehen, 
kann  man  unmoglich  die  Zentralmassive  einfach  als  „hercynische 
Gebirge"  bezeichnen.  Meines  Erachtens  geniigen  sie  vollstandig, 
um  die  tertiare  Tektonik  des  dazwischenliegenden  Zentralmassiv- 
teils  zu  beweisen.  Derart  gewaltige  tektonische  Erscheinungen 
lassen  sich  auch  nicht  aliein  durch  „starkeren  seitlichen  Zu- 
sammenschub  im  Tertiar"  erklaren,  wie  Koxigsberger  will. 
Aus  seinem  „schematischen  Rekonstruktionsversuch  eines  Profils 
im  Mesozoikum  durch  das  Aaremassiv"  (Lit.  25,  S.  39)  geht 
diese  Moglichke.it  in  keiner  Weise  hervor;  es  muflte  noch  so- 
gut  wie  alles  geschehen,  um  aus  diesem  Querschnitt  die  Facher- 
struktur  entstehen  zu  lassen. 

Nach  diesen  Ausfiihrungen  ist  also  die  Tektonik  des 
Aarmassivs  zum  Teil  carbonischen,  zum  T eil  tertiaren 
Alters.  Nordlich  vom  Kalkkeil  von  Farnigen  befindet  sich 
varistisches  Gnmdgebirge,  hercynisch  gefaltet;  mit  der  Zone  von 
Farnigen  beginnt  die  tertiare  Tektonik,  die  das  ganze  iibrige 
Massiv  beherscht.  Durch  die  Kraft  der  Alpenfaltung  wurden  Ge- 
steinsserien  an  das  davorliegende  altere  Gebirge  angepreJ3t. 
Das  Aarmassiv  ist  demnach  aus  zwei  Teilen  zusammen- 
geschweiBt,  und  so  gut  man  durch  die  Urserenmulde  Aar- 
massiv und  Gotthardmassiv  trennt,  mit  ebensoviel  und  noch 
mehr  Recht  konnte  man  durch  die  Zone  yon  Farnigen  das 
Aarmassiv  in  zwei  Teile  scheiden.    Datf  das  Ganze  trotzdem 


299 


scbeinbar  einbeitlicbe  Struktur  aufweist,  erklart  sicb  aus  der 
Tatsacbe,  daB  bercyrriscbe  und  tertiare  Faltung  in  genau  der- 
s  el  ben  Ricbtuug  gewirkt  baben. 

Damit  findet  auch  eine  Frage  ibre  Beantwortung,  die  bei 
der  Behauptimg  aufsteigen  niuB,  die  „nordlicbe  Gneiszone"  des 
Aarmassivs  sei,  kurz  gesagt,  Scbwarzwalder  Grundgebirge. 
Wie  kommt  es,  daB  dieses  Grundgebirge  nach  einem  Yer- 
scbwinden  unter  Sedimenten  auf  einer  Breite  von  ca  100  km 
(von  Laufenburg  bis  Erstfeld)  gerade  nocb  in  einem  Streifen 
von  wenigen  Kilometern  Breite  bier  berausseben  soli,  urn  dann 
endgiiltig  von  andern  Gesteinen  abgelost  zu  werden?  Das 
scbeint  aufierst  zufallig  und  desbalb  durcbaus  unwabrscbeinlicb 
zu  sein.  Die  Antwort  auf  diese  berecbtigte  Frage  diirfte  nacb 
dem  bis  jetzt  Ausgefiibrten  nicbt  allzu  scbwierig  zu  geben  sein: 
Gerade  bier  setzen  gewaltige  tertiare  Dislokationen  ein,  die 
andere  Gesteine  an  das  ungestorte  varistiscbe  Grundgebirge 
anpressen.  Uber  die  Natur  derartiger  gebirgsbildender  Yor- 
gange  in  krystallinen  Gesteinen  besitzt  die  Wissenscbaft  zur- 
zeit  allerdings  nur  wenige  klare  Yorstellungen.  Yielleicbt  sind 
aber  aucb  die  Gesteine,  die  das  varistiscbe  Grundgebirge  ab- 
losen,  jiingeren,  erst  tertiaren  Alters  (Zentralgranit) ;  dies  ware 
eine  nocb  einfacbere  Erklarung  fur  sein  Yerschwinden. 

Nacb  alledem  erbalt  nun  aber  die  „nordlicbe  Gneiszone" 
den  Cbarakter  als  Widerlager  bei  der  A lp enf altung. 
Selbstverstandlicb  kann  der  Scbwarzwald  nicbt  als  Widerlager 
gelten  (Escher,  Lit.  13),  aber  aucb  nicbt  die  Zentralmassive 
als  Ganzes,  wie  Escher  dann  annebmen  mocbte.  Als  Wider- 
lager miissen  wir  diejenige  Masse  auffassen,  an  der  die  von  SO 
kommende  Bewegung  sicb  staute,  die  diesen  gewaltigen  Kraften 
gegentiber  sicb  in  ibrer  Lage  behaupten  konnte.  Wir  miissen  es 
naturlicb  von  voruberein  im  krystallinen  Untergrund  suchen. 
Alles  dies  trifft  fiir  die  „nordliche  Gneiszone"  zu.  Siidlicb 
von  ibr  findet  nocb  ein  Zusammenschub  statt;  das  beweisen  die 
Zone  von  Farnigen  und  die  Urserenmulde.  An  dem  Sock  el 
varistiscben  Gr undgebirges  von  E.  Gn.  und  I.Gr.  kam 
jedocb  die  Gebirgsbewegung  zum  Stillstand;  der  ganze 
Komplex  wurde  zwar  samt  der  dariiber  lastenden  Sediment- 
decke  scbief  aus  dem  Untergrund  berausgeboben,  sonst  aber 
nicht  weiter  disloziert;  er  konnte  standbalten.  Dariiber  binweg 
schoben  sicb  die  weiter  im  S  abgescberten  Decken.  DaB  die 
nordKcbe    Gneiszone   bei   der   Alpenfaltung  gewaltige  Drucke 


300 


auf  sich  genomnien  hat,  das  beweisen  die  Quetschzonen  des 
I.Gr.  und  der  E.  Gn.  sowie  die  Verknetungen  mit  dem  autoch- 
thonen  Sedimentmantel. 

Zusammenfassung  der  Resultate. 

In  der  sogenannten  „nordlichen  Gneiszone"  des  Aarmassiys 
sind  zwei  yerschiedene,  scharf  begrenzte  Gesteinsgruppen  zu  unter- 
scheiden:  die  Erstfelder  Gneise  und  der  Innertkir chener 
Granit. 

Der  Komplex  der  E.  Gn.  ist  in  erster  Linie  zusammen- 
gesetzt  aus  kornig-schuppigen  Biotitgneisen  mit  gut  ausgebil- 
deter  Lagentextur.  Schon  Heim  bezeichnet  diesen  Typus  als 
auBerordentlich  konstant.  Die  Struktur  dieser  Gesteine  schlieflt 
eine  Entstehung  durch  blofle  Druckinetamorphose  oder  durch 
Krystallisationsschieferung  aus;  die  regelmaflige  Zusaromen- 
setzung  spricht  gegen  die  Deutung  dieser  Gesteine  als  injizierte 
Schiefer.  Vielmehr  finden  sich  deutliche  Anklange  an  Eruptiv- 
struktur;  das  Gestein  ist  als  reiner  Eruptiygneis  (Orthogneis) 
anzusprechen. 

Von  ihm  unterscheidet  sich  scharf  ein  feirikorniger  Gneis 
mit  kleinen  Biotitblattchen,  der  schon  in  seinem  Auftreten  an 
ein  sedimentares  Gestein  erinnert.  Die  krystalloblastische 
Struktur  und  die  wechselnde  chemische  Zusammensetzung  des 
Gesteins  stimmen  zu  der  Ansicht,  daB  es  sich  um  einen  Sedi- 
mentgneis  handelt.  An  yerschiedenen  Stellen  finden  sich 
Einlagerungen  yon  Kalk  und  Kalksilikatfels.  Besonders  in- 
teressant  sind  Wollastonitgesteine  yom  SustenpaB. 

Meist  tritt  der  Sedimentgneis  nicht  in  yollstandiger  Reinheit 
auf;  es  finden  sich  in  ihm  ap-litische  oder  pegmatitische  Gauge, 
die  sich  zuletzt  in  feine  Adern  auflosen.  Diese  Gneise  sind 
demnach  als  Mischgneise  zu  bezeichnen. 

Die  einzelnen  Gesteinstypen  weisen  nun  enge  Yerwandt- 
schaft  mit  den  Gneisen  des  S  chwarz walds  auf:  die  Erup- 
tivgneise  entsprechen  strukturell  und  chemisch  den  Schapbach- 
gneisen,  die  Sedimeutgneise  den  Renchgneisen.  Besonders 
uberraschend  ist  die  Ubereinstimmung  der  Einlagerungen  yon 
Kalksilikatgesteinen  im  Erstfelder  Sedimentgneis  mit  entspre- 
chenden  Yorkommen  yom  Schwarzwald. 

Im  Siiden  schliefien  sich  an  die  E.  Gn.  sehr  stark  gepreflte 
Gesteine  an  („Zone  der  S ericitgneis e ") ,  die  zum  groBen 
Teil  aus  umgewandelten  E.  Gn.  bestehen. 

Der  Innertkirchener  Granit,  der  westlich  yom  Wen- 
denjoch  die  E.  Gn.  ablost,  ist  ein  typischer  Granitit  mit  nor- 


301 


nialer  Ausscheidungsfolge,  der  weder  zum  Erstfelder  Eruptiy- 
gneis  noch  zum  Zentralgranit  BeziehuDgen  aufweist,  yielmehr 
dem  Gasterengranit  und  jedenfalls  auch  den  Graniten  des 
Schwarzwalds  gleichzustellen  ist.  Sehr  weit  verbreitet  in  ihm 
sind  Scholleneinschliisse;  die  Marmorlinsen  der  Aufleren 
Urweid  sind  nicht  abgequetschte  Teile  des  Pfaffenkopfkeils, 
sondern  grofie  yom  Granit  umflossene  Schollen. 

Der  I.Gr.  zeigt  an  der  GrimselstraBe  sehr  schon  entwickelte 
Quetschzonen,  in  denen  die  Umwandlung  des  Granits  zu 
gneisahnlichen  Gesteinen,  schlieBlich  zu  feinplattigem  Sericit- 
schiefer  in  alien  Stadien  zu  verfolgen  ist. 

Das  Carbon  des  "Wendenjochs  ist  jiinger  als  die  E.  Gn. 
und  jedenfalls  alter  als  der  I.Gr.;  wahrscheinlich  ist  es  dem 
Untercarbon  des  sudlichen  Schwarzwalds  gleichzustellen. 

Die  ganze  „nordliche  Gneiszone"  entspricht  petrographisch 
und  tektonisch  dem  krystallinen  Schwarzwald;  sie  stellt  ein 
Stuck  echten  yaristischen  Grundgebirges  mit  carbo- 
nischer  Tektonik  dar.  Die  sedimentaren  Zonen  yon  Far- 
nigen  und  Andermatt  beweisen  jedoch  fur  den  siidlicher  lie- 
genden  Teil  des  Aarmassiys  sowie  fiir  das  Gotthardmassiy  das 
tertiare  Alter  der  Tektonik.  Damit  erscheint  das  (bis  jetzt 
als  einheitlich  angesehene)  Aarmassiy  aus  zwei  yerschie- 
denen  Teilen  zusammengeschweiBt:  die  Zone  yon  Farnigen 
scheidet  die  carbonisch  aufgerichtete  „nordliche  Gneiszone" 
yon  den  tertiar  dislozierten  eigentlichen  Zentralmassiyen.  Die 
„nordliche  Gneiszone"  bildete  das  Widerlager  bei  der  Alpen- 
faltung,  was  durch  das  Auftreten  der  sich  siidlich  anschliei^enden 
riesigen  Quetschzonen  bestatigt  wird. 


Manuskript  eingegangen  am  20.  Marz  1913.] 


302 


6.  Zur  Tektonik  des  Monte  Gruglielmo 
und  der  mittleren  Yal  Trompia1). 

Von  Herrn  Norbert  Tilmann  in  Bonn. 

(Hierzu  Taf.  XXI[  und  6  Textfiguren.) 

Seit  dem  Erscheinen  meines  Aufsatzes  in  diesen  Monats- 
berichten2)  ist  iiber  die  Triasberge  ostlich  des  Iseosees  eine 
Reihe  geologischer  Mitteilungen  veroffentlicht  worden,  die 
geeignet  sind,  das  von  mir  entworfene  Bild  von  dem  Aufbau 
des  Massives  des  Monte  Guglielmo  bis  zur  mittleren  Yal 
Trompia  hin  erheblich  umzugestalteu.  In  erster  Linie  sind 
hier  die  Arbeiten  von  G.  B.  CaCCIamali  zu  nennen,  der  nach 
Aufnahme  der  siidlicli  vorliegenden  Bergziige  auch  das  ganze 
Gebiet  des  Monte  Guglielmo  und  der  mittleren  Val  Trompia 
in  den  Bereich  seiner  Untersuchungen  gezogen  hat3).  Ich 
wiirde  mit  der  Besprechung  und  Kritik  dieser  Arbeiten  bis 
zum  Erscheinen  der  meine  Studien  endgiiltig  darlegenden  aus- 
fiihrlichen  Beschreibung  des  ganzen  Triasgebirges  ostlich  des 
Iseosees  gewartet  haben,  wenn  nicht  die  Resultate,  die  sich 
Herrn  CaCCIAMALI  besonders  in  tektonischer,  aber  auch  in 
einigen  Punkten  in  stratigraphischer  Hinsicht  ergeben,  so  voll- 
standig  von  den  von  mir  vertretenen  Anschauungen  abweichen 
wiirden.  So  sehe  ich  mich  genotigt,  wenigstens  kurz  auf  die 
Darlegungen  CaCCIAMALIs  naher  einzugehen,  schon  weil  man 
sonst  mit  Recht  vermuten  konnte,  ich  hatte  ebenso  wie  CaO 
CEAMALI  meine  Ansichten  iiber  die  Tektonik  des  Monte  Gu- 
glielmo und  seiner  Umgebung  geandert  und  stimme  seinen 
Deutungen  voni  Bau  dieser  Berge  bei. 

1)  Die  Jateinischen  Zahlen  im  Text  beziehen  sich  auf  die  mit  ent- 
sprechender  Nummer  yersehenen  Arbeiten,  die  in  den  FuBnoten  an- 
gefiihrt  sind. 

2)  Tilim ann,  N. :  Beitrag  zur  Stratigraphie  und  Tektonik  der  Trias 
des  Monte  Guglielmo.  Zeitschr.  Deutsch.  Geol.  Gesellsch.  1909,  Monatsber. 
Nr.  4.  (I). 

3)  CacCiamatj,  G.  B.:  Una  falda  di  ricoprimento  tra  il  lago  d'Iseo 
e  la  Val  Trompia,  Boll.  soc.  geol.  Ltal.  29,  1910.  —  La  Geologia  Bresciana 
alia  luce  dei  nuovi  concetti  orogenici.  Coram.  Aten.  Brescia  1911.  — 
La  falda  di  licoprimento  del  Monte  Guglielmo  con-  premesso  schizzo 
tectonico  della  Lombardio  orientate.  Boll.  soc.  geol.  ltal.  30,  1911.  — 
Struttura  geologica  del  gruppo  del  Monte  Guglielmo.  Comm.  Aten. 
Brescia  1912.  (II). 


303 


P1^ AnisischeStufe  WHIHH  Esinokalk        ^Z<\  Hauptdolomit  Lias 


^j^LadinisdieStufe  \////\  Raibler  w:S^  Rh3ei  k  1 Bruch/inien 

Fig.  1.   Geologische  Skizze  des  Monte  Guglielmo  nach  der  Karte  1  :  25000 
von  G.  B.  Caccivmali     1  :  100000. 


■  ^ystallin  llfil  Esinokalk  Rhaet 


i— I  Perm  u  UntereTnos                          Raibler                        f77.V]  Porphyria 
^^^Anis/sche  u.LadinischeStufe    \~-~-\  Hauptdolomll  |  |  Bruchlinien.  L'3S 

Fig.  2.    Karte  des  Monte  Guglielmo  (nacli  Tilmann). 


304 


Es  ist  eine  kurze  Klarstellung  auch  deshalb  erforderlich, 
weil  der  Auffassung  CaCCIAMALIs  von  anderer  Seite  beigepnichtet 
worden  ist.  BONOMINl1)  hat  sich  in  einer  kurzen  Arbeit  iiber 
den  M.  Gardio  zu  dieser  neuen  Deutung  bekannt,  und  auch 
H.  BaSSMUSS2)  hat  sie  sich  —  freilich  ohne  weitere  Kritik  — 
zu  eigen  gemacht,  da  sie  sich  so  gut  der  von  ihm  aufgestellten 
Hypothese  iiber  den  Bau  der  lombardischen  Alpen  einfugt. 
Dadurch  erhalten  die  Differenzen,  die  zwischen  Herrn  Cac- 
CIAMaLI  und  mir  hinsichtlich  der  Tektonik  des  Monte  Guglielmo 
bestehen,  auch  prinzipielle  Bedeutung  fur  die  Auffassung  des 
Baues  dieses  Teiles  der  Siidalpen;  sie  spiegeln  den  Gegensatzr 
der  sich  in  der  Ausdeutung  des  tektonischen  Charakters  der 
ganzen  Sudalpenzone  neuerdings  wieder  scharfer  bemerkbar 
macht;  es  handelt  sich  um  die  Entscheidung  der  Erage,  ob- 
Faltenbau  und  Falteniiberschiebungen,  also  vorwiegend  tan- 
gentialer  Schub,  oder  Senkungserscheinungen,  begleitet  von 
tangential  em  Druck,  den  Charakter  der  Tektonik  bedingen. 

Die  Ausfiihrungen  CaCCIAMALIs  sind  von  einer  geologi- 
schen  Karte  des  Monte  Guglielmo  im  Mafistab  1:25  000 
(Fig.  l)  und  einer  Profilserie  begleitet  (II).  Es  handelt  sich 
im  wesentlichen  um  die  gleiche  Gegend,  die  ich  in  meiner 
fniheren  Arbeit  durch  eine  Karte  in  kleinerem  Mafistab  und 
eine  Folge  von  Profilen  erlautert  habe  (I)3)  (Fig.  2).  Aus 
dem  Vergleich  beider  Karten  wird  man  entnehmen,  dafi,  ab- 
gesehen  von  dem  siidostlichen  Teil  des  Gebirgsmassives  des 
Monte  Guglielmo,  unsere  Aufnahmen  in  der  Verteilung  der  ver- 
schiedenen  Schichtkomplexe  und  auch  im  Yerlauf  der  Storungs- 
linien  in  den  wesentlichsten  Punkten .  iibereinstimmen.  Um 
so  erstaunter  wird  man  danach  den  fundamentalen  Unterschied 
in  der  Auffassung  der  Tektonik  bemerken,  der  sich  in  den 
Profilen  (Fig.  3  u.  4)  scharf  auspragt. 

Das  Endergebnis  meiner  Untersuchungen  lief  darauf  hin- 
aus,  dafi  das  tektonische  Bild,  das  die  Storungen  diesem  Ge- 
biete  aufpragen,  im  wesentlichen  auf  Senkungsprozesse  und 
durch  diese  hervorgerufene  Stauungen  zuriickgefiihrt  werden 
konne  und  mit  dem  .Nachweis  des  Fehlens  einer  grofieren 
Faltung  die  Annahme  ausgeschlossen  erscheine,    dafi  die  Dis- 


J)  Bonomini,  C:  IL  Monte  Gardio.  Boll.  soc.  geol.  Ital.  31,  1912. 

2)  Rassmuss,  H.:  Der  Gebirgsbau  der  lombardischen  Alpen.  Zeit- 
schrift  Deutsch.  Geol.  Gesellsch.,  Monatsber.  65,  Nr.  2,  1913. 

3)  Da  die  Arbeit  von  Cacciamali  der  Mehrzahl  der  Leser  zum 
Vergleich  kaura  zugariglich  sein  diirfte,  habe  ich  in  Fig.  1  eine  ver- 
kleinerte  Kopie  seiner  Aufnahme  gegeoen  und  fiige  in  Fig.  2  meine 
triihere  Skizze  etwas  erweitert  und  verbessert  bei. 


305 


lokationen  aus  iiberschobenen  unci  zerquetschten  Falten  hervor- 
gegangen  und  als  Faltenbriiche  anzusprechen  seien  (I). 

Dagegen  findet  CaCCEAMALE  in  dem  gleichen  Gebiet  be- 
trachtliche   Uberschiebungen,    die    aus    gegen   S  iibergelegten 
Falten   entstanden  sein  sollen.     Die  Storungslinien,   die  auf 
meiner  Karte  und  meinen  Profilen  als  Langsbriiche  erscheinen, 
N.  S. 


fyyi]     pwi     mm  ^ 

tmsischeStufe       WengenerSchicMen      Esinokalk  RaiblerTuffe  Haiptdolomit 

Reitrikatk  . 

Fig.  3. 

Profil  durch  den  Siidabfall  des  Monte  Guglielmo  1 :  50000 
(nach  G.  B.  Cacciamali). 


CornoJiragna  c 


—  10  Om. 

TTZZ^  ZulZZ:  tyi-l^t'l         |:z.:::.|  „EZ±3 

AnisischeSfufe    WengenerSchirht     Esinokalk        RdiblerSchirbkr)       Haupf  -  .Porphynte 
neitzikaUi  dohmit 

Fig.  4. 

Profil  durch  den  Siidabfall  des  Monte  Guglielmo  1  :  50000 
(nach  N.  Tilmann). 


an  denen  die  einzelnen  Schollen  gegen  S  treppenformig  absinken, 
begrenzen  uach  ihm  Uberschiebungsmassen,  die  aus  scharf  nach  S 
iiberschobenen  Falten,  z.  T.  mit  vollig  ausgequetschtem  Mittel- 
schenkel,  abzuleiten  sind  (II). 

Es  zeigt  sich  hier  der  gleiche  Gegensatz  in  der  Deutung 
der  Tektonik,  der,  wenn  auch  nicht  so  scharf,  zvvischen  der 
Auffassung   yon   A.  BETTNEli   und   meiner  Ansicht  besteht1). 

l)  Bittner,  A.:  Uber  die  geologischen  Anfnahmen  in  Judikarien 

und  Val  Sabbia.  Jahrb.  k.  k.  geol.  Reichsanst.  31,  1881,  S.  362  (144). 

—  Tilmann,  N.:  Tektonische  Studien  im  Triasgebirge  des  Val  Trompia. 

Diss.  Bonn  1907.  Taf.  II.  (III.) 

Zeitschr.  d,  D.  Geol.  Ges.  1914.  20 


306 


Em  Yergleich  unserer  Profile  von  Collio  nach  Yestone  —  von 
der  oberen  Yal  Trompia  zum  Chiesetal  —  veranschaulicht 
das  ganz  klar.  Wahrend  Bitt.ner  die  verschiedenen  Langs- 
storungen  als  Uberschiebungslinien  nach  S  ubergelegter  Falten 
mit  ausgequetschtem  Mittelschenkel  anspricht,  sind  es  fiir  mich 
einfache,  nach  N  einfallende  Langsbruche,  die  die  Schollen 
Yoneinander  trennen.  Allerdings  macht  sich  doch  ein  von 
N  wirkender  Druck  bemerkbar,  der  die  jeweils  nordliche 
Scholle  auf  die  gesenkte  siidliche  Scholle  uberschiebt. 

Wie  schon  hervorgehoben  wurde,  stimme  ich  mit  CaccIAMALI 
in  den  tatsachlichen  Punkten,  insbesondere  in  der  Dreiteilung  des 
Siidabfalls  des  Monte  Guglielmo,  durchaus  iiberein.  Das  Gipfel- 
massiv  des  Monte  Guglielmo  und  die  oberen  Abstiirze  des 
Berges  nebst  der  weiten  Plateauflache,  die  sich  bis  zum  Monte 
Stalletti  hinzieht,  bestehen  aus  einer  nach  gegen  S  fallenden 
Schichtserie,  die  die  mittlere  Trias  bis  zum  Esinokalk  herauf 
umfafit.  An  dem  FuBe  der  steilen  Siidabstiirze  treten,  an- 
stoBend  an  Graciliskalk,  die  roten  Raibler  Tuffe  auf,  die  sich 
in  einem  fortlaufenden  Bande  als  deutliche  Terrasse  durch  die 
oberen  Yerzweigungen  der  Yal  d'Inzino  verfolgen  lassen  und 
das  oberste  Schichtglied  der  zweiten  Scholle  bilden,  die  eben- 
falls  wieder  bis  zum  Graciliskalk '  herunterreicht.  Diese  zweite 
Scholle  stoBt  im  S  an  die  machtige  Masse  yon  Hauptdolomit, 
die  im  Monte  Nistola  und  Monte  Lividino  iiber  1000  m  Machtig- 
keit  erreicht,  und  unter  der  die  ganze  Serie  der  mittleren 
Trias  in  der  Antiklinale  yon  Marchenb  zutage  tritt.  Auch 
CaCCIAMALE  halt  an  dieser  urspriinglich  schon  yon  COZZAGLIO1) 
gegebenen  Dreiteilung  fest. 

Ich  hatte  fruitier  ausgefiihrt,  daB  sich  diesen  drei  Staffeln 
die  einfache  Schichtfolge  am  WestfuB  des  Monte  Guglielmo, 
das  sog.  Normalprofil  CuRlONls,  dadurch  angliedert,  daB  der 
SenkungsprozeB  auf  der  Westseite  in  einem  einheitlichen  Ab- 
sinken  der  ganzen  Schichtfolge  nach  W  besteht,  wahrend  der 
analoge  SenkungsprozeB  auf  der  Siidseite  verschiirft  erscheint 
und  deshalb  hier  kein  einheitliches  Absinken,  sondern  ein 
Abbrechen  in  mehreren  Schollen  erfolgt.  Das  besagt,  daB  die 
die  Schollen  trennenden  Langsbriiche  gegen  W  allmahlich 
verschwinden  miissen.  In  der  Tat  konnte  gezeigt  werden,  daB 
aus  den  Briichen  an  der  Siidseite  des  Bergmassivs  auf  der 
Siidwestseite  steile  Plexuren  (Valle  di  Gasso,  Dozzo  Fontanazzi) 
werden,  die  nach  W  gegen  den  Iseosee  in  der  steil  gestellten 
Schichtfolge  verschwinden  (I). 

J)  Cozzaglio:  Note  esplicative  sopra  «alc.  relievi  geol.  in  Val 
Camonica.    Giorn.  Mineralo^.,  Bd.  V,  Pavia  1894. 


307 


Die  Ostseite  des  Monte  Guglielmo  konnte  ich  damals 
nicht  so  eingehend  untersuchen;  es  gelang  mir  jedoch,  fest- 
zustellen,  daB  die  ganze  Schichtfolge  gegen  die  Val  Trompia 
hin  nach  0  absinkt,  dafi  die  zwei  Langsbriiche  auf  der 
Siidseite  gegen  0  unterhalb  des  Monte  Stalletti  sich  ver- 
einigen  uud  allmahlich  in  einen  slide  ordlich  verlaufenden  Bruch 
iibergehen,  an  dem  die  ostliche  Scholle  gegen  das  Gipfel- 
massiv  des  Monte  Guglielmo  abgesenkt  erscheint.  Dieser 
Querbruch  stoBt  westlich  von  Pezzoro  in  der  oberen  Yalle 
delle  Selle  gegen  die  Val  Trompia-Linie  und  bildet  die  ost- 
liche Grenze  der  groBen,  flach  geneigten  Tafe],  die  das  Gipfel- 
plateau  des  M.  Guglielmo  umgreift.  Ostlich  von  ihm  haben 
wir  bei  Pezzoro  sehr  komplizierte  und  z.  T.  wegen  der  starken 
Schuttbedeckung  nur  schwer  zu  deutende,  mir  damals  noch 
nicht  yollstandig  klare  Verhaltnisse.  Es  folgt  zunachst  siid- 
lich  der  Yal  Trompia-Linie  eine  aus  Raulrwacke  und  Gracilis- 
kalk  bestehende  iiberkippte,  steil  nordlich  fallende  Scholle. 
Diese  stofit  an  einer  Langsstorung,  die  oberhalb  Pezzoro  ver- 
lauft,  an  eine  Antiklinale,  die  besonders  deutlich  in  der 
obersten  Yal  di  Pezzoro  aufgeschlossen  ist  und  hauptsachlich 
aus  "Wengener  Schichten,  Esinokalk  und  Raibler  Tuffen  und 
Porphyriten  besteht. 

Ich  vermied  es  damals  festzulegen,  ob  die  nordlich  Yon 
Pezzoro  yerlaufende  Langsstorung  durch  die  Yal  Morina  gegen 
Osten  fortsetzt  und  ihreh  AnschluB  findet  an  die  vom  Monte 
Ario  im  Osten  bis  in  die  Yal  Trompia  verfolgte  Uber- 
schiebung.  Infolge  maDgelhafter  Aufschliisse  und  weiter  Uber- 
deckung  mit  jungen  Schuttmassen  ist  der  Talkessel  yon 
Pezzazze  einer  klaren  Ubersicht  wenig  giinstig.  Doch  nahm 
ich  kein  Bedenken,  das  ganze  Gipfelmassiy  des  Monte  Pergua, 
das  die  Yalle  di  Pezzoro  yon  der  Yal  Trompia  trennt,  als 
Hauptdolomit  anzusprechen  und  in  ihm  die  nordliche  Fort- 
setzung  der  vom  Monte  Nistola  iiber  den  Dosso  Zumio  heran- 
ziehenden  Dolomitmasse  zu  erblicken,  die  jenseits  der  Yal 
Trompia  im  Hauptdolomit  des  Castel  dell'  Asino  ihr  Spiegel- 
bild  findet. 

CaCCIAMALI  vertritt  nuD,  wie  oben  ausgefiihrt,  fiir  den 
Siidteil  des  Monte  Guglielmo  die  Ansicht  groflerer  Falten- 
uberschiebungen  (Fig.  3)  (II),  Da  bei  Entscheiduog  dieser 
Frage  von  Wichtigkeit  ist,  ob  die  Langsstorungen  ein  flaches 
oder  steiles  Einfallen  nach  N  aufweisen  —  denn  dies 
ist,  wie  man  leicht  aus  Fig.  3  u.  4  entnehmen  kann,  der 
einzige  in  Betracht  kommende  Unterschied  beider  Profile,  ab- 
gesehen  von  einem  untergeordneten  Bruch  an  der  Corna  Tiragna 

20* 


308 


— ,  so  wird  es  zweckmaGig  sein,  den  Yerlauf  beider  Linien 
auf  der  Siidseite  des  M.  Guglielmo  einmal  genauer  zu  ver- 
folgen.  Betrachten  "wir  zunachst  den  Verlauf  der  Uber- 
schiebungslinie  der  obersten  Scholle,  so  finden  wir,  daB  er 
auf  den  Siidhangen  nicht  wesentlich  von  der  von  mir  an- 
gegebenen  Richtung  abweicht.  Die  Storung  durchschneidet  die 
oberen  Verzweigungen  der  Valle  d'Inzino  und  steigt  iiber 
die  trennenden  Riicken  hinweg  ziemlich  tief  in  die  einzelnen 
Taler  herab.  Ware  diese  Storungsflache  tatsachlich  eine  flache 
Uberschiebung,  so  miiBte  man  erwarten,  daB  sie  ungefahr  den 
Isohypsen  parallel  laufen  wiirde,  wahrend  sie  in  Wirklichkeit 
diese  scharf  schneidet1). 

Den  klarsten  Beweis  fiir  den  Bruchcharakter  dieser  Linie 
liefert  ein  AufschluB  im  Bachbett  der  Valle  di  Colonno  in  der 
Nahe  der  C.  Colonno.  Der  Weg,  der  von  dieser  Hiitte  nach 
der  C.  Sella  fiihrt,  trifft  gerade  an  der  Stelle,  wo  er  den 
Bach  iiberschreitet,  auf  die  Storungslinie.  Hier  sieht  man 
deutlich,  wie  der  Raibler  Porphyrit  mit  seinen  Tuffen  an  den 
schwarzen  Kalken  des  Gracilishorizontes  scharf  absetzt,  die 
hier  schwach  gegen  N  fallen.  Man  kann  die  Grenzflache 
gegen  die  C.  Zocchi  herauf  ein  Stuck  weit  in  einem  kleinen 
SeitenriB  verfolgen.  Es  kann  sich  hier  nicht  um  eine  flach 
nach  N  fallende  Uberschiebung  handeln,  da  die  Flache  steil 
gegen  N  einschieJBt. 

Der  wahre  Grund  fiir  die  Annahme  einer  Falteniiber- 
schiebung  dieser  oberen  Scholle  durch  CaCCIAJIALI  ist  aber 
darin  zu  suchen,  daB  er  auf  der  Ostseite  des  M.  Stalletti  die 
Storungslinie  direkt  mit  dem  auch  von  mir  angegebenen  Quer- 
bruche  verbindet,  der  ostlich  der  C.  Pontogna  vorbeifiihrt. 
Dadurch  erhalt  die  Scholle  der  Gipfelregion  des  M.  Guglielmo 
auf  den  ersten  Blick  tatsachlich  die  Gestalt  einer  Uber- 
schiebungsmasse,  die  in  der  oberen  Val  di  Pezzoro  stark  von 
der   Erosion    angegriffen    ist    und.    die    Unterlage,  Wengener 

2)  Auf  meiner  kleinen  Skizze  (I)  hatte  ich  dieser  Storungslinie 
einen  etwas  gekrummten  Verlauf  gegeben,  entsprechend  der  Tatsache, 
daB  die  Bruchflache  weder  ganz  steil  noch  horizontal  einschieBt, 
sondern  in  Wirklichkoit  unter  ziemlich  steilem  Winkel  nach  N  ge- 
neigt  ist.  Es  bedarf  diese  Linie  einer  kleinen  Korrektur.  Auf  den 
einzelnen  Bergriicken,  die  die  oberen  Verzweigungen  der  Val  d'Inzino 
trennen,  sieht  man  besonders  oberhalb  der  C.  Ortighera  GraciJiskalk 
ziemlich  weit  auf  Raibler  Schichten  aufliegen.  Untersucht  man  diese 
anscheinend  auf  die  Raibler  Schichten  flach  aufgeschobenen  Scholle 
naher,  so  findet  man,  daB  es  sich  hier  um  abgerutschte  Massen  der 
dahinter  sich  erhebenden  Absturze  des  Graciliskalks  handelt,  und  daB  in 
Wirklichkeit  die  Storungsflache  mit  steil  nordlich  fallendem  EinschieBen 
die  beiden  Schollen  voneinander  trennt. 


309 


Schichten,  Esinokalk  und  Raibler,  in  der  Tiefe  des  Tales  er- 
scheinen  laSt,  zumal  ein  aus  der  Gegend  der  Casa  Campedei 
siidlich  der  Forcella  di  Pezzoro  gegen  Tavernole  in  der  Val 
Trompia  hinziehender  O-W-Bruch  die  Querbruchlinie  im  nord- 
lichen  Teil  entsprechend  dem  Talrelief  gegen  den  Berghang  ver- 
schiebt.  (Fig.  2.)  Aber  es  ist  bier  das  gleicbe  Bild  wie  an  der 
Stelle,  wo  die  Val  Trompia- Linie  auf  dem  ostlichen  Talbang  der 
Yal  Camonica  aus  der  O-W-Richtung  nach  N  abschwenkt  und  der 
Langsbruch  in  den  Querbruch  ubergeht,  indem  der  Senkungs- 
prozeB,  der  die  Sedimente  gegen  die  kristallinen  Scbiefer  ver- 
senkt,  auf  der  Westseite  durch  ein  Absinken  nacb  W  ersetzt 
wird  und  dementsprecbend  bier  die  Abbruchslinie  einen  N — S 
gericbteten  Yerlauf  erbalt.  Gegen  0  wiirde  die  obere  Scbolle 
fortsetzen  in  der  iiberkippten  Zone  nordlich  von  Pezzoro,  die 
direkt  an  die  Yal  Trompia- Linie  anstoflt. 

Nun  sind  die  Verhaltnisse  besonders  in  der  Yal  Yerda 
durchaus  nicbt  so  klar,  wie  man  es  nach  der  Karte  von 
CaCCIAMALI  vermuten  sollte;  weitbin  sind  die  Hange  iiber- 
scbiittet  mit  dem  Geroll  des  Graciliskalkes ;  aufierdem  ist  schwer 
zu  entscheiden,  welcbe  Teile  der  bier  auftretenden  Porphyrit- 
massen  dem  im  Graciliskalk  steckenden  Teil  des  Eruptivs  zu- 
zurecbnen  sind  und  wieweit  sie  mit  Sicherbeit  zu  den  Raibler 
Tuffen  zu  stellen  sind,  die  den  Esinokalk  des  Dosso  Sapel 
iiberdecken.  Klare  Aufscbliisse  der  Grenzlinie  selbst  mangeln 
bier  so  gut  wie  ganz.  Aber  trotzdem  lafit  sich  an  mebreren 
Punkten  feststellen,  dafi  die  Storungslinie  den  Cbarakter 
eines  Bruches  baben  mul  Schon  der  Weg  von  der  Forcella 
di  Pezzoro  zum  Pafliibergang  in  die  Yalle  di  Colonno  zeigt 
deutlich,  wie  steil  die  Storung,  die  bier  noch  einen  NO  ge- 
ricbteten Yerlauf  besitzt,  in  die  Tiefe  setz.t.  Besonders  klar 
laJ3t  sich  dieser  Charakter  erkennen  an  der  Stelle,  wo  bei 
C.  Pontogna  und  C.  Dossi  der  vermeintlicbe  Uberschiebungsrand 
aus  der  S — N-Richtung  anscheinend  wieder  in  dea  W  —  0 -Yerlauf 
einlenkt.  Man  sieht  hier  namlich  sehr  deutlicb,  wie  der 
Graciliskalk,  der  in  den  Corni  iiberkippt  ist  und  steil  nach 
N  einfallt,  scbarf  nach  W  abbiegt  und  hier  an  die  auBer- 
ordentlich  machtigen,  wahrscheinlich  vielfach  gestauchten 
Servinomassen  der  obersten  Yalle  delle  Selle  anstoUt  (Taf.  XXII, 
Fig.  3).  Der  Brucbcharakter  der  Storungslinie,  die  hier  senk- 
recht  gegen  die  Yal  Trompia- Linie  anstofit,  ist  evident;  auf 
andere  Weise  sebe  ich  -keine  Moglichkeit,  die  Lagerungs- 
verhaltnisse  hier  zu  deuten. 

Auch  schwenkt  der  Querbruch  nicbt  in  die  Langsstorung 
ein,  die  oberhalb  Pezzoro  iiber  die  Hugel  J  Dossi  fortzieht, 


310 


sondern  schneidet  sie  in  W  ab  und  stofit  wenig  weiter  nord- 
lich.  scharf  gegen  die  Yal  Trompia-Linie.  Dazu  fragt  man  sich 
vergebens,  wober  iiberbaupt  die  Uberscbiebungsmasse,  die  das 
Guglielmomassiv  bildet,  gekommen  sein  sollte,  wenn  man  sie 
nicbt  unter  das  Kristallin,  das  nordlicb  der  Yal  Trompia- 
Linie  berrscbt,  untertaucben  lassen  will.  Aber  der  Brucb- 
cbarakter  dieser  groBen  Storungslinie  ist  ja  neuerdings  fast 
allseitig  zugegeben  worden  und  wird  aucb  durcb  die  soeben 
abgescblossenen  Untersucbungen  des  Herrn  stud.  geol.  y.  BuLOW 
durcbaus  bestatigt. 

Ein  weiterer  scbwerwiegender  Beweis  fur  den  Cbarakter 
der  von  C.  Campedei  berbeiziebenden  Storungslinie  als  Quer- 
brucb  ist  aber  deutlicb  darin  gegeben,  daB  die  beiden 
durcb  ibn  getrennten  Scbollen  siidlicb  der  Yal  Trompia- 
Linie  so  durcbaus  verscbieden  gebaut  sind.  Wabrend  sicb 
im  Westen  siidlicb  dieser  Hauptlangsbrucblinie  das  Gipfel- 
massiv  des  Monte  Guglielmo  aus  einer  nur  scbwacb  gegen 
SW  geneigten  Serie  von  unter-  und  mitteltriadiscben  SedimeDten 
aufbaut,  ist  ostlicb  des  Querbrucbes  die  Scbicbtserie  steil 
iiberkippt.  Icb  nenne  sie  nacb  der  Yalle  delle  Selle  die 
Sellescbolle.  Diese  wird,  wie  scbon  oben  erwabnt,  in  nicbt 
allzuweiter  Entfernung  von  der  Yal  Trompia-Linie  im  Siiden 
durcb  eine  Storung  begrenzt,  die  sicb  iiber  den  Bergkamm 
J  Dossi  oberbalb  des  Ortes  Pezzoro  binziebt  und  sicb  bis  an 
den  Ostabfall  dieses  Bergzuges  gegen  den  Kessel  von  Pezzazze 
verfolgen  laJ3t.  Daran  scbliefit  sicb  im  Siiden  ein  scblecbt 
aufgescblossenes,  aber  ziemlicb  kompliziert  gebautes  Gebiet, 
das  ebenfalls  nocb  durcb  Storungen  zerfetzt  wird,  das  aber 
in  der  oberen  Yal  Pezzoro  gegen  die  Casa  Pontogna  zu  aus 
einer  steil  aufgewolbten  Antiklinale  bestebt.  In  der  iiber 
J  Dossi  binstreicbenden  Storung  erblicke  icb  im  Einvernebmen 
mit  CaCCIAMALI  die  Fortsetzung  der  oberen  Storung  an  der 
Siidseite  des  Monte  Guglielmo,  die  aber  nacb  meiner  Auf- 
fassung  durcb  den  grofien  Querbrucb  Campedei — Pontogna 
weit  gegen  N  zuriickgescboben  erscbeint  und  aucb  nur  eine 
sehr  scbmale  und  vollig  anders  gebaute  Scbolle  begrenzt. 
Trotzdem  sie  im  Kessel  von  Pezzazze  nur  undeutlicb  auf- 
gescblossen  ist,  verbinde  icb  sie  unbedenklicb,  soweit  meine 
Untersucbungen  reicben,  mit  der  Storungslinie,  die  die  steil- 
gestellte  Scbicbtfolge  siidlicb  der  Yal  Trompia-Linie  in  der 
Yal  Roccomassimo  im  Siiden  abscbneidet  und  an  der  der  Por- 
pbyrit  von  Predondo  abgesunken  ist.  Allerdings  ist  dabei  zu 
beriicksicbtigen,  daB  mebrere  aus  der  Ricbtung  von  Lavone 
zu  beiden  Seiten    des    unteren  Morinatals  gegen  N  ziebende 


311 


Querstorungen  den  Yerlauf  der  Langsstorung  stark  komplizieren 
werden. 

In  der  Yal  Trompia  unterhalb  Bovegno  verbindet  sich 
diese  Langsstorung  mit  der  groBen  Bruchlinie,  an  der  am 
Monte  Ario  die  Nordscholle  auf  ihre  siidliche  Vorlage  iiber- 
schoben  ist,  die  in  die  Yal  Sorda  fortsetzt  und  den  Gracilis- 
kalk  des  Monte  Zovato  auf  die  Raibler  Porphyrite  von  Irma 
bis  Z'igole  uberschiej)t.  Schon  friiher  habe  ich  ausgefiihrt, 
daB  es  sich  auch  bei  der  Ariostorung  nicht  um  eine  Falten- 
iiberschiebung  handelt,  sondern  um  einen  Bruch  mit  Uber- 
schiebungserscheinungen,  welch  letztere  lokal  groBeres  Aus- 
maB  z.  B.  am  M.  Ario  selbst  erhalten  (III).  Unterhalb  der 
Einmiindung  der  Yal  Meola  beobachtet  man  auf  der  Grenze 
zwischen  Porphyrit  und  Muschelkalk  eine  innige  Yerknetung 
beider  Gesteine,  ganz  ahnlich,  wie  ich  eine  solche  Breccie 
schon  friiher  in  kleinem  MaBstabe  bei  Zigole  nachweisen 
konnte. 

Es  ergibt  sich  also,  daB  vom  Gipfelmassiv  des  Guglielmo 
bis  in  den  Meridian  von  Collio  siidlich  der  Yal  Trompia- Linie 
eine  erste  einheitliche  Scholle  besteht,  die  allerdings  durch 
Querstorungen  erheblich  in  Ausdehnung  und  Tektonik  ver- 
andert  ist. 

Wir  wenden  uns  der  zweiten  groBen  Storungslinie  zu, 
die  am  Guglielmo  zu  verfolgen  ist.  Nach  CaCCIAMALI  (II) 
ist  sie  der  Ausstrich  einer  groBen  Uberschiebung,  die  durch 
die  Talbildung  der  Yal  Trompia  und  ihrer  Nebentaler  stark 
beeinfluBt  wird;  infolge  der  tiefgreifenden  Erosion  springt  die 
Schubmasse,  auf  der  Westseite  der  Yal  Trompia  iiber  die 
Hohen  hinwegziehend,  etwa  12  km  gegen  N  ein;  dieser  Betrag 
gibt  also  einen  MaBstab  dafiir,  welches  AusmaB  die  Yerfrachtung 
der  Scholle  zum  mindesten  gehabt  hat.  CaCCIAMALI  sieht 
ein  einheitliches  Phanomen  in  der  iibergelegten  Falte  an  der 
Punta  del  Oro,  am  Siidostende  des  Iseosees,  in  der  Uber- 
schiebung  des  Hauptdolomits  der  Punta  d'Armala  auf  Lias 
und  in  der  Storungslinie,  die  die  von  mir  als  Zwischenscholle 
bezeichnete  Masse  gegen  ihre  siidliche  Vorlage,  die  aus  Haupt- 
dolomit  bestehenden  Berge  der  Yalle  d'Inzino,  abgrenzt. 
Was  den  siidlichsten  Teil  anlangt,  so  bemerkt  man  deutlich, 
daB  tatsachlich  der  Hauptdolomit  aus  NW-B-ichtung  auf  einer 
etwa  40°  nach  NW  geneigten  Elache  auf  den  Lias  aufgeschoben 
erscheint.  Man  konnte  annehmen,  es  sei  der  ostliche  Fliigel 
des  groBen  Gebirgsbogens,  der  sich  nach  RASSMUSS1)  um  den 

l)  Rassmuss,  H.:  Zur  Geologie  der  Valle  d'Adrara.  Zeitschr.  d. 
Deutsch.  Geol.  Ges.  1912,  Mon.-Ber.  6. 


312 


Siidteil  des  Iseosees  schlingt.  Auf  der  ostlichen  Seite  wiirde 
natiirlich  die  Uberschiebung  dem  Verlauf  des  Bogens  ent- 
sprechend  gegen  SO  gehen.  Es  ist  aber  andrerseits  nicht 
zu  Yerkennen,  dafi  hier  anscheinend  die  ersten  Anzeichen  der 
gegen  0  herrschenden  Storungsrichtungen  sich  bemerkbar  machen, 
die  ihren  Prototyp  in  der  Judikarienlinie  finden.  Darauf  weist 
auch  das  Streichen  der  Antiklinale  Marcheno-Lodrino. 

Verfolgen  wir  die  Linie  weiter  gegen  den  Monte  Guglielmo 
zu,  so  finden  wir,  daB  CaCCIAMALI  sie  am  Dosso  Fontanazzo 
mit  einem  Querbruch  zusammenfallen  laBt,  der  nach  meinen 
Angaben  am  Ostabfall  des  genannten  Berges  entlang  zieht  und 
eine  erhebliche  Verbreiterung  der  Mittelscholle  bewirkt.  Diese 
besteht  ostlich  dieser  Querstorung  aus  einer  einfachen,  schwach 
nordlich  geneigten  Gesteinsserie;  westlich  bildet  sie  eine  steile 
Flexur  auf  der  S-Seite  des  Dosso  Fontanazzo,  und  hier  erscheint 
die  scharfe  Grenze  gegen  die  siidliche  Yorlage  nicht  vorhanden, 
sondern  durch  die  Flexur  ausgelost.  Nach  CaCCIAMALI  aber 
soil  gerade  hier  am  Dosso  Fontanazzo  mit  voller  Deutlichkeit 
die  Uberschiebung  der  oberen  Scholle,  die  eine  liegende  Falte 
darstellt,  iiber  die  aus  Hauptdolomit,  Rhat  und  Lias  bestehende 
siidliche  Scholle  zu  sehen  sein  (Fig.  5).  Genaue  Untersuchungen 
aber  zeigen,  daB  CaCCIAMALI  an  dieser  Stelle  zwei  nebenein- 
ander  liegende  Profile,  die  zu  beiden  Seiten  der  genannten 
Querstorung  verlaufen,  in  eine  Ebene  projiziert  hat  (Fig.  6). 
Dadurch  erhalt  er  ein  Uberschiebungsbild  in  der  gleichen 
Weise  wie  bei  der  oberen  Storungslinie  in  der  Gegend  der 
Casa  Pontogna.  Es  liegt  also  hier  ein  ganz  ahnlicher  Fall  vor 
wie  in  dem  Streit,  der  sich  iiber  die  Deutung  der  Tektonik 
des  Klusengebietes  des  Schweizer  Jura  erhoben  hat.  Die 
hier  von  MuHLBERG  gezeichneten  Uberschiebungen  kommen, 
wie  W.  DttLHAKS  und  H.  Gerth1)  gezeigt  haben,  ebenfalls 
nur  dadurch  zustande,  daJ3  unzulassigerweise  zwei  durch  eine 
Bruchlinie  getrennte  Profile  in  eine  Ebene  zusammengelegt  sind. 

Am  Dosso  Fontanazzo  ist  vielmehr,  wie  das  an  den  grofieren 
Querstorungen  die  Regel  ist,  zu  beobachten,  daB  die  durch 
sie  getrennten  Schollen  ganz  verschiedenen  Bau  aufweisen, 
im  Osten  den  flach  siidostlich  fallenden  einformigen  Haupt- 
dolomit, im  Westen  die  in  der  Yal  Casere  steil  herabgebogene 
Flexur  der  Mittelscholle  (Fig.  6). 

Nach  CaCCIAMALI  biegt  die  Storungslinie  an  der  NO-Ecke 
des  Dosso  Fontanazzo  gegen  Osten  um,  und  sie  fallt  hier  mit 

x)  Deuiaks  W.,  und  Gekth,  H.:  Geologische  Beschreibung  des 
Kettenjura  zwischen  Reigoldswil  (Baselland)  und  OensiDgen  (Solothurn). 
Geol.  Pal.  Abh.  N.  F.  XI,  1,  1912. 


313 


der  zweiten  Langsstorung  zusammen,  die  die  Mittelscholle 
des  Guglielmo  von  der  sud'lichen  Hauptdolomitmasse  trennt. 
Wir  zeichnen  beide  den  Verlauf  bis  zur  Yal  di  Colonno  ganz 
gleich  auf  der  Karte  ein ;  schon  daraus  ergibt  sich,  daB  diese 


AniMiheStufr  Wengener  Schkht.  Lsinokalk     RsiblerTuffe       Haupt-  '        Rhat  Lias 
Reiiiikalk  tPorphyrite  dolomif 

Fig.  5. 

Profil  durch  den  Siidabfall  des  Monte  Guglielmo  und  den  Dosso 
Fontanazzo  1  :  50000  (nach  G.  B.  Cacciamali). 


Casteli 


Fig.  6. 

Profile  durch  don  Siidabfall  des  Monte  Guglielmo  und  den  Dosso 
Fontanazzo  1  :  50000  (nach  Tilmann). 


Linie  nicht,  wie  CACCIAMALI  es  im  Profil  zeichnet,  flach 
gegen  N  fallen  kann,  sondern  steil,  fast  senkrecht  in  die  Tiefe 
setzt,  da  sie  Taler  und  die  sie  trennenden  Riicken  geradlinig 
durchschneidet  (vgl.  Taf.  XXII,  Fig.  1  und  2). 

Sehr  scharf  differieren  wir  dagegen  an  der  SO-Ecke  des 
Guglielmo  in  den  Bergen  oberhalb  Cimmo.    Nach  meiner  Auf- 


314 


fassung  vereinigt  sich  die  hier  in  Frage  kommende  Langs- 
storung  etwa  in  der  Umgebung  der  Forcella  di  Cimmo  mit 
der  oberen  Guglielmo- Storung;  beide  schwenken  vereint  in 
den  Querbruch  ein,  der  gegen  die  Casa  Pontogna  hinzieht. 
Nach  CACCIAMALI  aber  ist  der  Verlauf  der  Storungslinie  ein 
ganz  anderer.  Das  hat  seinen  Grund  vornehmlich  darin,  dafl 
er  einen  Teil  der  Dolomite  des  Monte  Zumio  und  des  Monte 
Pergua  fur  alter  als  Hauptdolomit  erklart  und  diese  Berge  fiir 
gleichalterig  mit  Esinokalk  halt.  Ist  diese  Auffassung  richtig, 
so  besteht  allerdings  eine  bedeutende  Uberschiebung  am  Monte 
Pergua.  Aber  ich  habe  mich  trotz  wiederholter  Begehung  nicht 
davon  uberzeugen  konnen,  dafi  der  Dolomit  des  Monte  Pergua 
und  des  Monte  Zumio  etwas  anderes  ist  als  Hauptdolomit. 
Allerdings  kann  ich  ebensowenig  einen  exakten  palaontologi- 
schen  Beweis  fiihren  wie  CACCIAMALr;  denn  Fossilien  fand  ich 
in  dieser  Gegend  nicht,  auch  keine  Korallen,  die  doch  eigent- 
lich  wenigstens  hier  und  da  vorhanden  sein  miiflten,  wenn  man 
die  Dolomitmasse  des  Pergua  als  ein  Korallenriff  anzusprechen 
versucht.  So  ist  man  also  darauf  angewiesen,  aus  petrographi- 
schen  Ahnlichkeiten  heraus  das  Alter  dieser  Gesteinsmassen 
zu  deuten. 

CACCIAMALI  unterscheidet  im  Esinokalk  mehrere  Facies. 
In  der  normalen  Ausbildung  ist  der  Esinokalk  ein  weiBer 
Riffkalk,  wie  er  am  Monte  Guglielmo,  am  Dosso  Fontanazzo 
und  anderen  Punkten  erscheint.  In  der  hier  in  Frage 
kommenden  Gegend  aber  soil  er  in  der  unteren  Abteilung  ein 
Dolomit  sein,  der  nach  oben  von  blaulichem  Plattenkalk  iiber- 
lagert  wird.  In  der  Dolomitfacies  unterscheidet  er  noch 
zwischen  dem  normalen  Dolomit,  der  am  Monte  Pergua  auftritt, 
und  einer  leicht  zerreiblichen  Abart  „Dolomia  stritolata"  am 
Monte  Nistola  (II). 

Nach  meinen  Untersuchungen  ist  der  Hauptdolomit  im 
ganzen  Gebiete  immer  ein  Niveau,  das  sich  ganz  ausgezeichnet 
durch  Einheitlichkeit  und  Konstanz  seiner  Facies  und  petro- 
graphischer  Ausbildung  kenntlich  macht.  Stets  ein  grauer, 
bisweilen  bituminoser,  dann  etwas  dunkler  gefarbter,  haufig 
zuckerkorniger  reiner  primarer  Dolomit,  der  sich  in  der 
Landschaft  sehr  deutlich  dadurch  kenntlich  macht,  dafl  er 
entweder  machtige  Steilabstiirze  bildet,  die  dann  durch  die 
gute  Bankung  des  Hauptdolomits  wie  terrassiert  erscheinen, 
oder  in  der  Form  von  sehr  scharfen  griinen  Graten  sich 
heraushebt,  deren  Abfalle  nach  beiden  Seiten  hin  aufierordent- 
lich  gleichmaBig  in  die  Tiefe  zu  setzen  pflegen.  Wer  daraufhin 
sich  die  fraglichen  Dolomite  ansieht,  wird  nicht  einen  Moment 


315 


im  Zweifel  bleiben,  daB  es  sicli  um  Hauptdolomit  handelt  (vgl. 
Taf.  XXII,  Fig.  1  u.  2);  ich  kann  von  der  AltersbestimmuDg 
nicht  abgehen,  solange  nicht  durch  Fossilien  sein  Alter  als 
Esinodolomit  gekennzeichnet  wird.  1st  aber  der  dickbankige 
Dolomit  des  Monte  Pergua  wirklich  in  das  Niveau  des  Esino- 
kalkes  zu  stellen,  so  ist  nicht  einzusehen,  weshalb  das  nicht 
auch  mit  dem  ganz  gleichen  Dolomit  des  Castel  dell'  Asino 
auf  der  linken  Talseite  der  Mella  der  Fall  sein  soil. 

Demgegenuber  stellt  der  Esinokalk  in  seiner  normalen 
Entwicklung  immer  eine  ungeschichtete  Masse  dar,  die  nur 
in  ihren  obersten  Teilen  in  die  plattigen  Kalke  an  der 
Basis  der  Raibler  Schichten  iibergeht.  Nur  dort,  wo  der 
Esinokalk  gering  machtig  wird,  nimmt  er  eine  dunklere 
Farbung  an  und  wird  durch  den  ganzen  Komplex  bankig, 
so  dafi  es  manchmal  schwer  wird,  ihn  vom  Raibler  Platten- 
kalk  oder  gar  von  den  Kalken  der  tieferen  Trias  zu  trennen. 
Allerdings  kenne  ich  auch  erhebliche  EsinokalkmasseD,  die 
heute  dolomitisch  sind;  aber  es  handelt  sich  hier  um  sekun- 
dare  Dolomitisierung,  schon  erkennbar  daran,  dafi  dieses 
Gestein  auBerordentlich  briichig,  leicht  zerfallend  ist  und  die 
Fossilien,  ihrer  Kalkschale  beraubt,  nur  als  Steinkerne  erhalten 
sind.  Ich  will  dabei  jedoch  nicht  abstreiten,  daB  gelegent- 
lich,  wie  SALOMON  schon  hervorhebt,  im  Esinokalk  auch 
primare  dolomitische  Massen  vorkommen  konnen1).  Aber  aus 
der  ganzen  Gegend  der  Val  Trompia  kenne  ich  eine  derartige 
Ausbildung  nicht.  Und  so  ist  es  mir  durchaus  unwahrschein- 
lich,  daB  gerade  an  dieser  strittigen  Stelle  der  Esinokalk  ein 
Dolomit  sein  soil  und  vollstandig  wie  Hauptdolomit  aussieht. 

Dazu  kommt,  daB  an  der  Forcella  di  Pezzoro  diese  Dolo- 
mite von  Raibler  Rauhwacken  unterlagert  werden.  Es  handelt 
sich  hier  nicht,  wie  CaCCIAMALI  meint,  um  reine  Gehange- 
breccien,  die  allerdings  hier  eine  weite  Verbreitung  haben, 
sondern  etwas  unterhalb,  siidlich  der  Forcella,  kann  man  sich 
ganz  deutlich  von  dem  Vorhandensein  der  Raibler  Rauhwacken 
iiberzeugen.  Diese  Raibler  Schichten  setzen  gegen  Siiden  in 
die  Prati  di  Caregno  fort,  uberlagern  hier  den  Esinokalk  und 
werden  von  Hauptdolomit  uberlagert. 

Die  Verhaltnisse  an  der  Siid-  und  Ostseite  des  Monte 
Pergua  sind  iiberaus  unklar,  da  machtige  Gehangebreccien- 
bildung  das  anstehende  Gestein  iiberschuttet2).     Ich  fand  bei 

:)  Vgl.  Salomon,  W.:  Die  Adamellogruppe  I,  Abh.  d.  k.  k.  Geol. 
Reichsanstalt  1908. 

3)  In  Fig.  2  habe  ich  daher  die  Begrenzung  von  Hauptdolomit 
und  Graciliskalk  nicht  mit  Konturen  eingezeichnet. 


316 


meinen  Begehungen  an  einzelnen  Stellen  zwischen  dem  Haupt- 
dolomit  und  dem  in  der  Tiefe  der  Val  Trompia  anstehenden 
Graciliskalk  eiaige  Felsen  ungeschichteten  Kalkes,  die  ich 
unbedenklich  fur  Esinokalk  anspreche.  Es  ist  auch  nicht 
weiter  verwunderlich,  wenn  ich  bisher  nicht  auch  die  iibrigen 
Schichtglieder  zwischen  Graciliskalk  und  Hauptdolomit  nach- 
weisen  konnte;  ich  mochte  nur  daran  erinnern,  dafi  diese 
ganze  Schichtfolge  zwischen  den  gleichen  Schichten  des  Castel 
dell'  Asino  ebenfalls  auBerst  reduziert  ist;  nur  durch  die 
giinstigen  Aufschliisse  am  Eingaug  der  Valle  di  Marmentino 
ist  es  moglich  geweseD,  hier  samtliche  Zwischeriglieder  nach- 
zuweisen1).  Auf  der  Westseite  der  Val  Morina  allerdiugs 
verlauft  ein  Querbmch,  durch  den  der  Hauptdolomit  des  Monte 
Pergua  direkt  an  den  Graciliskalk  im  Osten  anstoBt,  und 
auch  in  der  Valle  die  Tavernole  trennt  ein  Langsbruch,  der 
iiber  die  Forcella  di  Pezzoro  zieht,  die  weitausgedehnten 
Schichten  der  mittleren  Trias  von  dem  Dolomit  des  Berges 
selbst. 

Auch  aus  anderen  Griinden  ist  die  Annahme  einer  Uber- 
schiebung  des  Dolomites  des  Monte  Pergua  auBerordentlich 
unwahrscheinlich.  Man  sieht  eigentlich  nicht  den  Grund  ein, 
weshalb  diese  Uberschiebung  nicht  auch  auf  der  ostlichen  Talseite 
der  Val  Trompia  aufgeschlossen  ist.  Der  Dolomit  des  Castel 
dell'  Asino  bildet  die  direkte  Fortsetzung  des  Dolomites  des 
Monte  Pergua,  nur  daB  er  infolge  einer  Senkung  der  ganzen 
Schichtserie  nach  Osten  erheblich  viel  tiefer  liegt.  Aber 
diesen  Dolomit  als  Esinodolomit  anzusprecheu,  wagt  auch 
CACCIAMALI  nicht.  So  sieht  er  sich  denn  genotigt,  seine 
Uberschiebung  mit  dem  Monte  Pergua  aufhoren  zu  lassen  und 
ihn  als  grofie  Klippe  von  Esinokalk,  als  ein  Korallenriff, 
wurzellos  auf  seiner  Unterlage  schwimmen  zu  lassen  (II).  Nun 
ist  nicht  einzusehen,  weshalb  diese  bedeutende  Uberschiebung 
gerade  auf  der  Westseite  des  engen  Mellatales  aufhoren  sollte; 
man  miiBte  sie  unbedingt  auch  auf  der  ostlichen  Talseite 
wiederfinden,  zumal  dieser  Teil  tektonisch  tiefer  liegt  als  die 
Schichtfolge  des  M.  Pergua.  Aber  hier  ist  am  Castel  dell' 
Asino  nichts  von  einer  Uberschiebung  zu  sehen;  das  scheint 
mir  einer  der  gewichtigsten  Griinde  zu  sein,  die  dem  Vor- 
handensein  einer  Uberschiebung  auf  dem  analog  gebauten  West- 
hang  (M.  Pergua)  widersprechen.   Denkt  man  sich  aber  die  Uber- 

*)  Vgl.  Bittner,  A.:  Nachtrage  zum  Berichte  iiber  die  geologischen 
Aufnahmen  in  Judikarien  und  Val  Sebbia.  Jahrb.k.k.Geol.Reichsanst.  33, 
1883.  —  Ttlmann,  N.:  Tekton.  Studien  im  Triasgebirge  des  Val  Trompia. 
1907,  Taf.  II,  Prof.  3. 


317 


schiebung  urspriinglich  auch  ostlich  der  Val  Trompia  Yor- 
handen  und  die  Uberschiebungsmasse  nur  durch  die  Erosion 
weggefiihrt,  so  miiBte  man  annehmen,  daB  der  westliche  Teil, 
in  dem  heute  die  Uberschiebungsmasse  noch  erhalten  ist,  an 
einer  auBerst  scharfen  Flexur  gegen  den  Ostteil  abgesunken 
ist;  von  dieser  aber  sieht  man  nichts,  sondern  im  Gegenteil, 
man  beobachtet  ein  Senken  des  ostlichen  Teils1). 

Unter  diesen  Umstanden  kann  ich  mich  den  tektonischen 
Anschauungen  CACClAMALls  in  keiner  Weise  anschlieBen ;  in  Wirk- 
lichkeit  ist  weder  die  obere  noch  die  untere  UberschiebuDg  am 
Moute  Guglielmo  Yorhanden ;  zur  Annahme  solcher  aus  Uber- 
faltungen  gegen  Siid  hervorgehenden  Storungen  gelangt  man  nur, 
wenn  man  zwei  Profile,  die  in  Wirklichkeit  nichts  miteiDander 
gemein  haben,  ineinander  projiziert.  Ich  halte  daran  fest,  daB 
das  tektonische  Phanomen  am  M.  Guglielmo  ein  Ab- 
senkun gsproz eB  ist,  der  sich  nacb  Westen,  Siiden  und 
Osten  um  den  Berg  gleichzeitig  Yollzieht  und  in  seinen 
Endw irkungen  nur  dadurch  Yariiert,  daB  einerseits 
deutliche  Flexuren  erhalten  blieben,  wahrend  diese 
an  Stellen  scharferer  Absenkung  in  Senkungsbriiche 
iib  ergehen. 

')  Es  erscheint  hier  angebracbt,  auf  die  irrtiimliche  Auslegung 
einer  kurzen  Bemerkung  hinzuweiseu,  die  ich  in  den  „Tektonischen  Studien 
im  Triasgebirge  der  Val  Trompia"  (S.  47)  gemacht  babe.  In  der  oberen 
Valle  d'  Irma  fand  ich  auf  der  Nordseite  des  Castel  dell'  Asino,  an- 
scheinend  mitten  in  Raibler  Tuffen,  eine  kleine  Kalkmasse,  die  ich  ihrem 
Habitus  nach  fur  Recoarokalk(?)  ansprach.  Aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
bildet  sie,  soweit  bich  das  bei  den  auBerst  uniibersichtlichen,  schlecht 
aufgeschlossenen  Verhaltnissen  iibersehen  lafit,  die  Unterlage  der  Scholle, 
die  vom  SantellonepaB  bis  zum  Dorfe  Marmentino  reicht.  Aus  diesem 
Vorkommen  macht  nun  Cacciamah  eine  Klippe,  die  auf  den  Raibler- 
Schichten  aufliegt,  und  deutet  sie  als  den  letzten  Rest  der  Uber- 
schiebungsmasse  des  Monte  Ario;  dieser  Ansicht  schlieBt  sich  auch 
Rassmuss  und  Boxomim  an.  Ich  glaube,  daB  keiner  dieser  Autoren 
die  im  dichten  Busch  versteckte  Kalkrippe  iiberbaupt  gesehen  hat. 
Diesen  Fetzen  mit  dem  Graciliskalk  des  Monte  Ario  zu  verbinden,  ist 
vollig  ausg<  schlossen  bei  dem  Verlauf  und  dem  Charakter  der  Storungs- 
linien  westlich  des  M.  Ario  in  der  Val  Sorda;  ich  wiirde  davon  ab- 
geselien  habeo,  auf  diesen  Irrtum  naher  einzugehen,  wenn  er  nicht 
geeignet  ware,  Verwirrung  anzurichten  bei  denen,  die  nicht  mit  den 
Einzelheiten  der  Tektonik  und  der  Oberflachengestaltung  dieser  Tiller 
genau  vertraut  sind. 


Manuskript  eingegangen  am  23.  Miirz  1914.] 


318 


7.  Neue  Ooide. 

Von  Herrn  L.  Sommermeier  in  Bonn. 

Hierzu  Taf.  XXIII  bis  XXVI. 

Zu  der  Fiille  von  bereits  vorhandenem  Beobachtungs- 
material  uber  Yorkommen,  Struktur  und  Entstehung  von 
Oolithen  und  Ooiden  (im  Sinne  KALKOWSRls1)),  das  in  ab- 
sehbarer  Zeit  wohl  auch  gestatten  wird,  eine  zusammenfassende 
Betrachtung  des  Phanomens,  oder  vielmehr  eine  strenge  Sich- 
tung  der  zahlreichen  Einzelerscheinungen  vorzunehmen,  seien 
durch  Mitteilung  noch  nicbt  oder  wenig  bekannter  Vor- 
kommen  von  Ooiden  weitere  Beitrage  geliefert. 

I.  Ooide  iin  Kalktuff. 

Ihr  Auftreten  ist  um  so  bemerkenswerter,  weil  es  sich 
urn  ein  so  weit  verbreitetes  und  fur  die  Geologie  des  Quarters 
wichtiges  Gestein  handelt,  in  dem  dagegen  oolithiscbe  Aus- 
bildungsweise  verhaltnismaflig  selten  ist  und  Ooide  von  der 
hier  zu  beschreibenden  Art  anscheinend  noch  gar  nicbt  beob- 
achtet  oder  nicbt  weiter  bekannt  geworden  sind. 

Von  den  wenigen  kalkigen  Quellabsatzen  mit  oolitbischer 
Struktur  ist  in  erster  Linie  der  Karlsbader  Erbsenstein  als 
der  friihest  beschriebene  und  wohl  meist  bekannte  Oolitb  zu 
nennen,  der  von  den  nicbtmarinen  Oolithen  auch  die  voll- 
kommenste  Ausbildung  zeigt.  Dazu  gehoren  ferner  die  Piso- 
lithe  von  Yichy2)  (Dep.  de  PAllier)  und  Vogelsberg  in  Ober- 
krain2),  Hammam  Meskutin3)  bei  Constantine  (Algier)  und  die 
in    den   pleistocanen    Thermalkalken   Ungarns4)   (Varhegi  im 

J)  E.  Kalkowski:  Oolith  und  Stromatolith  im  norddeutschen  Bunt- 
sandstein.    Diese  Zeitschr  60,  1908. 

3)  Zitiert  nach  Zirkel:  Lehrbuch  der  Petrographie,  3,  1894, 
S.  471,  und  Roth:  Allgemeine  und  chemische  Geologie,  1,  1879,  S.  581. 

J)  L.  DupauC:  Pisolith  de  Constantine.  Arch.  sc.  phys.  nat. 
Geneve  20,  1888,  S.  537. 

4)  J.  Krbnner:  Uber  die  pisolithische  Struktur  der  diluvialen 
Kalktuffe  von  Ofen.  Jahrb.  K.  K.  Geol.  R.-A.  13,  1883,  ferner  auch 
Z.  Schroter:  Die  Spuren  der  Tatigkeit  tertiiirer  und  pleistocilner 
Thermalquellen  im  Budaer  Gebiro-e.  Jahrb.  K.  Ung.  Geol.  R.-A.  19, 
1912,  S.  230  u.  f. 


319 


Budaer  Gebirge).  Alle  diese  sind  Absatze  heifier  Quellen  und 
bestehen  aus  Aragonit1).  Ooide,  schon  von  LEOPOLD  VON  Bucil 
beschrieben,  finden  sich  auch  in  den  ausgedehnten  Travertinen 
Mittel-Italiens,  doch  auch  diese  groBartigen  Kalktuff  bildungen 
sind  auf  besondere  EntstehuEgsursachen  zuruckzufiihren,  da 
sie  zum  Teil  wenigstens  von  Quellen  hoherer  Temperatur  ab- 
gesetzt  sind  und  zu  den  Begleiterscheinungen  des  quartaren 
Yulkanismus  zu  rechnen  sind2). 

So  gut  wie  gar  nicht  sind  dagegen  entsprechende  Gebilde 
aus  den  gewohnlichen  Bach-  und  Quellkalken  bekannt.  Uber 
das  Yorkommen  „einer  Art  von  Pisolithen"  berichtet 
0.  BuilGER3).  Im  Schwemmtuff,  dem  sekundaren  Umlagerungs- 
produkt  des  prirnaren,  gewachsenen  Kalktuffes,  kommen  zu- 
sammengeschweinmte  Nester  von  runden,  taubeneigrofSen  Tuff- 
kugeln  und  relativ  haufige  und  machtige  Packungen  von 
erbsengroflen  Individuen  („Erbstu£f")  vor.  Beide  zeigen  kon- 
zentrischen  Schalenauf  bau,  was  die  primare  Gestaltgebung 
beweist. 

Die  von  mir  beobachteten  Ooide  finden  sich  im  Kalktuff 
des  „Kartsteins",  einem  diluvialen  Gehangetuff  auf  mittel- 
devonischer  Unterlage  in  der  Gegend  von  Eiserfey  i.  d.  Eifel, 
dessen  ausfiihrliche  geologische  Beschreibung  ich  an  anderer 
Stelle  gegeben  habe4).  Der  Kalktuff  ist  vorwiegend  als  ein 
wenig  poroser  Travertin  von  gelblich-weifier  Farbe  ausgebildet. 
Die  Ooide  treten  vorzuglich  auf  in  einer  nestartigen  Ansamm- 
lung,  von  normalem  Travertin  eingeschlossen,  in  einer  an- 
scheinend  von  dem  Anstehenden  losgelosten  machtigen  Block- 
masse,  so  daJ3  die  urspriingliche  Lagerung  dieser  Partie  nicht 
mehr  einwandfrei  festzustellen  ist.  Die  Stelle  ist  durch  den 
hier  stattgehabten  Abbau  des  ausgezeichneten  Bausteines  jetzt 
leider  stark  beeintrachtigt  und  das  Material  zum  grofiten  Teil 
verschwunden.  Die  Ausdehnung,  in  der  es  anfanglich  zu  be- 
obachten  war,  mochte  ich  schatzungsweise  auf  1  bis  2  m  im 
Geviert  angeben. 


J)  Durch  die  erneuten  Untersuchungen,  besonders  von  H.  Vatkr: 
Uber  Klypcit  und  Conchit.  Zeitschr.  f.  Kryst.  35,  1901,  S.  150-178 
und  anderen  diirfte  die  Klypcit-Frage  als  erledigt  gelten,  siehe  audi 
G.  Lrxciv  in  DoeJtors  Handbuch  der  Mineralchcmie,  1,  1912,  S.  113.  . 

3)  Ygl.  PAKONA:.Trattato  di  Geologia.  1903. 

3)  0.  BlJRfEU:  Uber  scliwiibische  Kalktuffe,  insbesondere  des 
Echaztales.    Dissertation.   Tubingen  1911,  S.  27. 

4)  L.  Sommermeibr:  Der  Kaitstein  und  der  Kalktuff  von  Drei- 
miihlen  bei  Eiserfey  in  der  Eifel.  Verb.  Naturhist.  Vereios  PreuB. 
Rheinlando  Westf.  70,  1913,  S.  303-333.  (Die  Ooide  sind  hierin  nur 
kurz  behandelt.) 


320 


Die  Gestalt  der  einzelnen  Ooide  ist  wechselnd  und  ihre 
GroBe  sehr  verschieden.  Nur  die  kleinsten,  etwa  von  Pfeffer- 
korn-  bis  ErbsengroBe,  haben  regelmaBigere  Kugelform,  die 
groBeren  sind  mehr  knollig  bis  eiformig,  sie  lassen  sich  am 
besten  mit  rundlichen  Gerollen  vergleichen.  Haufig  sind  sie 
in  der  GroBe  Yon  1,  2,  3  und  auch  einigen  cm  mehr  Durch- 
messer,  doch  konnte  ich  auch  Exemplare  von  10  cm  groBtem 
Durcbmesser  und  nahezu  1  kg  schwer  sammeln.  An  der 
Stelle  des  Hauptvorkommens  liegen  die  Ooide  in  ziemlich 
groBer  Menge  dicbt  gedrangt  im  Kalktuft  (Taf.  XXIII,  Fig.  1),  in 
dcm  die  kleineren  und  kleinsten  die  Zwischenraume  zwischen 
den  Yereinzelten  groBeren  einnebmen,  so  daB,  was  die  GroBe 
anbelangt,  ein  volliges  Durcheinander  berrscbt.  Vereinzelte 
Ooide  der  kleineren  Formen  finden  sicb  aucb  sonst  nocb,  aber 
nur  sebr  sparlich  im  Kalktuff. 

Die  Struktur  ist  alien  Ooiden  gemeinsam,  sie  baben 
einen  ausgesprocben  konzentriscben  Scbalenaufbau.  Durcb 
wechselnd  hellere  und  dunklere  Gelbfarbung  infolge  des  Ge- 
baltes  an  toniger  Substanz  und  Eisenoxydhydrat  beben  sicb 
zumal  an  angeschliffenen  Schnittflachen  die  einzelnen  Lagen 
deutlicb  voneinander  ab  (Taf.  XXIII,  Fig.  2).  Wesentlich  ist,  daB 
die  dunkleren,  braunlicb-gelben  Scbalen  immer  sebr  diinn  sind 
und  auf  den  Scbnittflacben  vielfacb  nur  baarfeine  Range  bilden, 
wahrend  die  belleren  Lagen  meist  breiteren  Raum  einnebmen. 
Es  bangt  das  mit  der  Struktur  und  der  Bildung  der  ver- 
scbiedenen  Lagen  zusammen.  Ihr  Zusammenbang  ist  nicbt 
sebr  fest,  sie  springen  und  brockeln  scbon  bei  scbwacbem 
Scblag  voneinander  ab,  wie  aucb  die  ganzen  Ooide  sich  leicbt 
aus  dem  Gestein  losen  lassen.  Die  Grenzflacben  der  einzelnen 
Kugelscbalen,  also  aucb  die  auBersten  Oberflachen  der  Ooide, 
sind  meist  vollig  glatt  und  teilweise  ahnlich  emailliert  er- 
scbeinend,  wie  es  bei  den  Aragonitpisolitben  fast  immer  die 
Regel  ist.  (Bei  den  scbwabiscben  Kalktuffooiden  ist  es  auf- 
fallend,  daB  die  weiBen  Tuffkugeln  raubflacbig  sind  und  mehlig 
abstauben,  wabrend  der  braurie,  eisenbaltige  Erbstuff  ebenfalls 
die  Emaillierung  zeigt,  so  daB  man  geneigt  sein  konnte, 
letztere  bier  auf  Recbnung  des  Gebaltes  an  Eisenoxydbydrat 
zu  setzen.  Dem  widerspricbt  aber  die  Beobacbtung  an  anderen 
Pisolitben.  Durcb  gegenseitige  Scbeuerung  und  Glattung 
—  nacb  der  Ansicht  von  BURGER1)  —  ist  es  aber  keineswegs 
zu  erkliiren.) 

Die   Scbalen  der  Ooide    bilden   nicht   kugelig  gewolbte 


!)  a.  a.  0. 


321 


Kalotten,  sondern  sie  sind  unregelmafiig  gewellt  mit  flachen 
Buckeln  und  Dellen,  wodurch  auch  das  knollige  Aussehen 
der  Ooide  hervorgerufen  wird.  So  beobachtet  man  auch  an 
den  Querschnitten  nicbt  einfacb  ringformige  Lagen,  sondern 
ibr  Verlaaf  ist  geschlangelt  mit  Ausbucbtungen  und  Abscbnii- 
rungen.  Die  Erklarung  hierfur  ergibt  sicb  aus  der  Betrach- 
tung  der  feineren  Schalenstruktur  (Taf.  XXIY — XXYI).  Die 
breiteren,  bellen  Lagen  baben  in  verscbiedenem  Grade  der  Deut- 
licbkeit  eine  Radialstruktur  durch  die  radiare  Anordnung  der  sie 
auf bauenden  feinfaserigen  Kalkspatkrystalle,  in  der  von  marinen 
Oolitben1)  und  kiinstlichen  Spbarolitben2)  bekannten  Struktur. 
Stellenweise  sind  dieFasern  aucb  grober  ausgebildet  als  langliche, 
unregelmafiig  begrenzte  Krystalle  und  zeigen  biischelweise  nach 
auBen  divergierende  Gruppierung.  Das  ungleicbmafiige  Langea- 
wachstum  der  Kalkspatfasern ,  das  Yorragen  der  einzelnen 
gegeneinander  abgegrenzten  Biischel  wird  in  den  Wellungen 
und  Ausbucbtungen  der  Scbalenringe  wiedergegeben.  Diese 
radiar  struierten  starkeren  Lagen  fiibren  daber  im  wesent- 
licben  die  eudliche  Gestalt  der  Ooide  berbei,  wahrend  die 
diinnen,  dunkleren  sicb  jenen  yorwiegend  anpassen  und  sie  als 
feine  Scbicbten  begrenzen.  Aus  diesem  Yerbaltnis  der  ver- 
scbiedenen  Lagen  gebt  als  cbarakteristiscb  fur  den  "Werdegang 
unserer  Ooide  bervor,  dafi  das  vorwiegend  radiar  gericbtete 
Anwacbsen  von  Kalkspat  durcb  die  standig  wiederkebrende 
Anlagerung  von  ton-  und  eisenbaltigem  Material  unterbrocben 
wird.  Da  aber  jede  GesetzmaBigkeit  in  der  Aufeinanderfolge, 
der  Miicbtigkeit  und  dem  ganzen  Auftreten  der  Lagen  feblt, 
driickt  sicb  darin  natiirlicb  aucb  keine  Periodizitat  aus.  Aucb 
die  Grenzen  sind  nicbt  vollig  scbarf,  nur  vereinzelt  wird  bei 
kleinen  Ooiden  der  konzentriscbe  Aufbau  durcb  die  scbarf 
abgesetzten  Ringe  so  stark  betont  wie  z.  B.  bei  den  Karlsbader 
Erbsensteinen.  (Ygl.  Taf.  XXV,  Fig.  1.)  Die  dunklen  Lagen 
werden  biiufig  von  den  Kalkspatfasern  durcbbrocben,  so  dafi 
sie  nicbt  durcbgehend  zu  verfolgen  sind.  Es  finden  sicb 
einzelne  kiirzere  Abscbnitte,  die"  in  derselben  Zone  keine 
weitere  Fortsetzung  baben  und  von  der  hellen  Masse  ganz 
eingescblossen  sind;  stellenweise  sind  sie  auch  breiter  ent- 
wickelt  und  verdrangen  jene,  so  dafi  an  einzelnen  Stellen  die 
dunkle  Farbung  uberwiegt.  Scbliefilicb  ist  aucb  die  dunkle 
Substanz    nicbt    nur    auf    das    konzentrische  Struktursystem 


')  VgL  Kalkowski  a.  a.  0. 

2)  G.  Linck:  „tjber  clie  Biklung  der  Oolithe  und  Rogensteine. 
Zeitschr.  f.  Naturw.  45,  1909,  S.  271. 

Zeitschr.  d.  D.  Geol.  Ges.  1914.        •  21 


322 


beschrankt.  Unabhiingig  davon  wirken  vielmehr  diese  Bei- 
mengungen  auch  an  den  Stellen  eines  besonders  stark  in 
radiarem  Sinne  entwickelten  Wachstums  mit  (Taf.  XXIV,  Fig.  2, 
Taf.  XXY,  Fig.  2).  Die  bister  beschriebene  Struktur  wird  in 
einzelnen  Ooiden  nicht  selten  stellenweise  dadurch  unter- 
broclien,  daB  eine  Lage  durch  Ansatz  eines  lockeren  Gefuges 
sich  ganz  bedeutend  verbreitert  und  AnlaB  zu  besonders 
weiten  Ausbuchtungen  gibt.  Statt  der  dichten,  feinfaserigen 
Schicht  ist  bier  ein  reich  verasteltes,  stengeliges  Geflecht  ent- 
standen,  das  dendritenahnlich  an  pflanzliche  Gebilde,  etwa  an 
ein  feines  Moos-  oder  Algenpolster  erinnert.  Es  sind  aber 
zweifellos  anorganische  Bildungen,  wie  alle  die  zierlichen 
pflanzenahnlichen  Kalkabscheidungen,  die  man  haufig  bei 
Sinterbildungen  beobachten  kann.  Auffallend  ist  ihr  reicblicher 
Gehalt  an  tonigen  Beimengungen,  durcb  den  die  Stengel  im 
Diinnschliff  dunkel  hervortreten.  Ich  werde  sie  auch  weiter 
unten  noch  zu  erwahnen  haben. 

Bei  dieser  ganzen  Ausbildungsweise  ist  es  natiirlicb 
gegeben,  daB  die  einzelnen  Ooide  ini  feineren  Aufbau  groJ3e 
Mannigfaltigkeit  zeigen.  Das  gleicbe  gilt  auch  beziiglich  des 
Kernes,  der  sich  in  den  meisten  Fallen  im  Innern  Ton  der 
lagenformig  aufgebauten  UmhiiHung  unterscheiden  lai3t  (Taf. 
XXIII,  Fig.  2).  ImVerhaltnis  zum  ganzen Ooid  hat  er  meist  schon 
betrachtliche  GroBe  und  nimmt  ein  Yiertel,  ein  Drittel  oder 
auch  mehr  des  ganzen  Durchmessers  ein.  Die  Form  des 
Kerns  gibt  natiirlich  die  Anlage  fur  die  Gestalt  des  fertigen 
Ooids.  Wo  er  deutlich  zu  erkennen  ist,  besteht  er  aus  einem 
Stuck  gewohnlichen  Kalktuffes,  haufig  von  sehr  lockerem, 
schwammartigen  Gefiige,  und  auch  in  der  eben  erwahnten 
stengeligen  Ausbildung  (Taf.  XXV,  Fig.  2  und  Taf.  XXIII, 
Fig.  2  die  beiden  auBeren  Ooide).  Ferner  sind  es  eckige 
Bruchstiicke  von  Ooidschalen  (Taf.  XXVI,  Fig.  l),  oder  von 
neuem  umkleidete  halbe  Ooide,  deren  Streifen  gegen  die 
umfassenden  konzentrischen  Lagen  stark  absetzen,  und  eben- 
so  Anhaufungen  kleiner  Ooide,  die  dann  von  einem  groBen 
Ooid  umfaBt  werden  („Ooidbeutelu).  Endlich  sind  auch 
mitten  zwischen  den  Ooiden  eingeschwemmte  fremde  Gerolle 
(z.  B.  von  Roteisenstein ,  Quarz,  Dolomit)  zu  finden,  die 
auch  ihrerseits  durch  Umhiillung  mit  Kalkschalen  zur  Ooid- 
bildung  fiihren.  Bei  angeschlagenen  Hohlkugeln  ist  immer 
deutlich  zu  erkennen,  daB  der  zentrale  Teil  herausge- 
brochen  ist.  Jedenfalls  ist  es  immer  ein  primarer  Kern, 
der  als  Fremdkorper  AnlaB  zur  Bildung  der  Ooide  ge- 
geben hat,  so  daB  deren  Natur  dadurch    erwiesen   und  ihre 


323 


Entstehung  als  Konkretionen  oder  infolge  nachtraglicher  Um- 
krystallisation  im  festen  Gestein  aufgeschlossen  ist. 

Einen  wesentlichen  Beweis  dafiir  bietet  auch  der  Fund 
von  Ooiden  in  einem  alluvialen  Kalktuff  desselben  Gebietes1), 
bei  denen  eine  andere  als  primare  Entstehung  ausgeschlossen 
ist,  und  fur  welche  die  Ooide  des  Kartsteins  nur  die  fossilen 
Analoga  sind.  Die  betreffende,  wahrscheinlich  verschwemmte 
Kalktuffablagerung  besteht  an  einer  Stelle  aus  einer  An- 
haufung  von  losen,  im  weitesten  Sinne  „kugelig-knolligen" 
Einzelgebilden,  die  durch  einen  schmierigen  Kalkgrus  zusammen- 
gebalten  werden.  Der  innere  Aufbau  ist  der  gleiche  wie  bei 
den  diluvialen  Ooiden,  und  sie  erreichen  deren  mittlere 
GroBe,  gestaltlich  zeigen  sie  noch  weniger  RegelmaBigkeit. 
Eine  annahernde  Kugel-  oder  Eiform  ist,  wenn  auch  selten, 
vertreten.  Haufiger  sind  sie  abgeflacht,  walzenformig  oder 
ganz  unregelmaBig  astig  und  knollig  mit  warzen-  und  krusten- 
artiger  Oberflache.  Auch  ein  Kern  (u.  a.  auch  Pflanzenreste 
oder  Schneckengehause)  ist  oder  war  wenigstens  immer  vor- 
handen.  Yon  den  bei  BURGER2)  beschriebenen  Tuffkugeln 
unterscheiden  sie  sich  nur  durch  die*  vollkommenere  Kugel- 
form  der  letzteren.  Der  wesentliche  Unterschied  gegen  die 
Ooide  des  Kartsteins  liegt  nur  in  ihrem  Auftreten  in  lockeren 
Anhaufungen,  was  durch  das  jugendliche  Alter  und  die  Art 
der  Ablagerung  als  yerschwemmter  Bachkalk  gegeniiber  dem 
altdiluyialen  Gehangetuff  bedingt  wird.  Da  das  Bildungs- 
prinzip  das  gleiche  ist,  fallen  auch  sie  unter  den  Begriff  der 
Ooide  trotz  der  zum  Teil  nicht  unbetrachtlichen  Abweichungen 
in  der  Gestalt,  die  ja  in  erster  Linie  durch  die  Form  des 
Kernes  bedingt  wird.  Auch  die  besonderen  Entstehungs- 
bedingungen  mogen  bei  der  Weitergestaltung  yon  EinfluB 
gewesen  sein,  z.  B.  ungleichmaBige  Bewegung  und  Ver- 
schwemmung  noch  wahrend  der  Bildung  im  kalkhaltigen 
Bachwasser. 

Denen  des  Kartsteins  ahnliche,  verfestigte  Ooide  konnte 
ich  auch  in  einem  Handstiick  Travertin  von  Ascoli  Piceno 
feststellen,  und  fand  auch  hier  die  lockere,  stengelige  Ausbil- 
dung  innerhalb  des  konzentrischen  Aufbaues  sehr  hiibsch 
entwickelt.  Von  den  iibrigen  angefiihrten  pisolithischen  Quell- 
absatzen  kommt  zum  Yergleich  keiner  in  Betracht.  Die 
bekannten  Aragonitooide  haben  in  der  auBeren  Gestalt  und  in 
der  Struktur  nur  wenig  mit  den  unserigen  gemeinsam,  wie  aus 


J)  s.  die  geologische  Beschreibung  „Der  Kartstein  usw."  a.  a.  0. 
a)  a.  a.  0. 

21* 


324 


deren  Beschreibung  hervorgegangen  ist;  auch  ist  hier  an  einen 
thermalen  Absatz  nicht  zu  denken. 

Bei  der  Frage  nach  der  Entstehung  dieser  Ooide  ist  ein- 
mal  die  Seltenheit  des  York omm ens  iiberhaupt  in  einem  so 
weitverbreiteten  Gestein  zu  beriicksichtigen,  sowie,  daB  auch 
im  vorliegenden  Falle  ihr  Hauptauftreten  ein  ganz  lokal 
beschranktes  zu  sein  scheint.  Danach  miissen  wohl  besondere 
ortliche  Entstehungsbedingungen  zu  ihrer  Bildung  gefiihrt 
haben.  Diese  haben  aber  auch  nur  vorubergehend  bestanden, 
denn  die  Ooide  fuhrende  Gesteinspartie  wird  yon  normalem 
Kalktuff  eingeschlossen.  Wie  bei  jeder  Ooidbildung  war  fur 
sie  wahrend  des  Wachstums  freie  Beweglichkeit  im  Wasser 
erforderlich,  die  Yielleicht  Yoriibergehend  gehernmt  war,  worauf 
die  UnregelmaBigkeiten  in  der  Struktur  zu  deuten  scheinec 
Wegen  ihrer  Grofie  und  Schwere  ist  bei  der  Mehrzahl  der 
Ooide  ein  dauerndes  Schweben  auch  in  struclelndem  Wasser 
nicht  anzunehmen,  bei  den  einzelnen  Riesenexemplaren  ganz 
ausgeschlossen.  Ahnlich  grofie  und  gewichtige  Kugeln  kommen 
auch  unter  den  ungarischen  Pisolithen1)  vor,  wo  sie  auf  die 
Gewalt  schlieBen  lassen,  mit  welcher  die  einstige  Therme 
hervorbrach. 

In  unserem  Falle  ist  es  am  wahrscheinlichsten,  daB  hier 
zeitweilig  ein  Wasserfall  iiber  den  Rand  des  anwachsenden 
Gehangetuffes  stiirzte  und  an  der  Stelle  des  Aufprallens  ein 
kleines  Becken  mit  lebhaft  strudelndem  Wasser  bildete. 
Kalktuffbrockchen  wurden  dann  durch  den  Wirbel  eine  Zeit- 
lang  in  Bewegung  gehalten  und  in  dem  kalkreichen  Wasser 
zu  Ooidbildnern.  So  konnen  sie  auch  bis  zu  betrachtlicher 
GroBe  noch  in  rotierender  Bewegung  gehalten  worden  sein. 
Durch  das  uberrinnende  Wasser  wurde  zugleich  an  einzelnen 
Stellen  der  Kalktuff  mit  einer  Sinterkruste  iiberschalt,  und 
dasselbe  Yollzog  sich  wahrscheinlich  auch  an  losgebrochenen 
grofieren  Stuck  en  sowie  an  Anhaufungen  Yon  fertig  abgelager- 
ten  und  verwachsenen  Ooiden.  Durch  die  StoBkraft  des 
Wassers  mogen  derartige  Teile  dann  auch  wieder  zeitweilig 
in  Bewegung  gesetzt  und  umgewalzt  sein,  so  daB  eine  all- 
seitige  Umschalung  erfolgen  konnte. 

DaB  sich  durch  Uberrieseln  Yon  kalkreichem  Wasser  der- 
artige Sinterverschalungen  an  Felswanden  und  freiliegenden 
FJiichen  aller  Art  bilden,  ist  nichts  Seltenes.  Ganze  Quell- 
absatze  bestehen  nur  aus  solchen  iibereinandergeschichteten 
Sinterdecken,  und  auch  an  Kalktuffhiingen  und  -terrassen  kann 


')  s.  Kkenner,  Sciiroter  a.  a.  0. 


325 


man  sie  finden.  Ich  erwahne  sie  hier  wegen  ihrer  Verknupfung 
mit  den  Ooiden  und  weil  sie  ebenso  wie  diese  hier  eine 
besondere  —  schalige  oder  lagenformige  —  Struktur  mitten 
im  normalen  Tuffgestein  hervorrufen.  Die  wellig-parallelen 
mm-feinen  Lagen  gleichen  in  der  Farbenstreifung  und  im  Auf- 
bau  vollig  den  Schalen  der  Ooide,  besonders  die  lockere 
stengelige  Struktur,  wie  die  Faserbuschel  sind  sehr  gut  aus- 
gebildet.  Sie  legen  sich  dem  Ooidtuff  an ,  dringen  auch 
zwischen  die  Ooide  ein  und  umschlieflen  einzelne  derselben, 
so  dafl  ein  inniger  Zusammenhang  beider  Strukturen  entsteht. 
Es  liefien  sich  auch  Stellen  beobachten,  wo  durch  die  Urn- 
hiillung  von  Ooidtuff  oder  mehreren  Einzelooiden  durch  den 
Schalensinter  der  Eindruck  riesiger  Ooidbeutel  hervorgerufen 
wurde  und  beide  Strukturformen  ineinander  iiberzugehen 
schienen,  was  auch  nach  der  oben  versuchten  Darstellung  des 
Vorganges  erklarlich  ist. 

Ich  kann  die  Betrachtung  dieser  Ooide  nicht  schlieflen, 
ohne  die  bei  Studien  iiber  Oolithe  vielfach  diskutierte  Frage 
zu  beriihren,  inwiefern  an  eine  organische  Entstehung  zu 
denken  sei.  Um  so  mehr,  da  ich  selbst  anfanglich  eine  Er- 
klaruDg  in  dieser  Richtung  suchte  und  dem  auch  in  einer 
kurzen  Notiz  Ausdruck  gegeben  habe1).  Bei  Gelegenheit  der 
geologischen  Beschreibung  des  Kartsteins2)  habe  ich  auch  die 
ins  Auge  fallende  Ahnlichkeit  der  Ooide  mit  knolligen  Kalk- 
algen  aus  der  Cyanophyceen-Familie  der  Rivulariaceen  erwahnt, 
besonders  mit  den  von  BORNEMANN3)  beschriebenen  und  ab- 
gebildeten  Zonotrichites  lissavienses  Born,  aus  dem  Rhat 
Oberschlesiens  (Lissauer  Breccie)  und  rezenten  Arten  der 
Gattung  Z onotrichia .  Da  aber  hier  zweifellos  anorganische 
Bilduogen,  echte  Ooide  vorliegen,  eriibrigt  es  sich,  weiter 
darauf  einzugehen ;  auch  wiirde  das  zwecklos  sein  ohne  griind- 
liche  Vergleichsstudien  an  unter  den  gleichen  Lebensbedingungen 
heute  lebenden  Formen,  wofiir  mir  Material  und  Erfahrung 
fehlt.  Dasselbe  gilt  auch  beziiglich  der  gleichfalls  a.  a.  0.  schon 
erwahnten  Strukturen,  die  ich  glaube  Kalkalgen4)  zuschreiben 

!)  L.  So.mmermeier:  ZurGeologie  des  Kartsteins.  Diese  Zeitsclir.  65, 
1913,  Monatsber.  6. 
a)  a.  a.  0. 

3)  J.  G.  Bo  UN  km  ann:  Geologische  Algenstudien.  Jahrb.  der  Konigl. 
PreuB.  Geol.  Landesanst.  fur  188G,  S.  126  ff.,  Taf.  VI  u.  VII. 

4)  Die  Auflosung  von  Kalktuff  und  Ooidstiickchen  in  verdiinnter 
HC1  ergab  neben  dem  mineralischen  Riickstand  auch  eiuen  feinen 
Detritus  von  kleinen  Fetzen  und  Hautchen  ansche'nend  organischer 
Substanz.  Irgendwelche  Strukturen  konnte  ich  an  ihnen  nicht  erkennen, 
auch  der  Nachweis  der  pflanzlichen  Natur  durch  Blaufarbung  mit  Chlor- 


326 


zu  diirfen,  und  die  ich  im  Travertin  des  Kartsteins  selbst  wie 
auch  vereinzelt  an  den  Ooiden  beobachtet  habe.  Es  sind 
einfach-stengelige  oder  reich  verastelte  Rohrenzellen,  die  meist 
deutlich  die  verkalkten  Zellwande  erkennen  lassen.  Teils  sind 
die  Rohren  auch  im  Innern  verkalkt,  teils  mit  Tonsubstanz 
dicht  und  auch  in  kornig  verteilter  Masse  erfiillt,  je  nachdem 
erscheinen  sie  im  Diinnschliff  licht  oder  dunkel.  Mit  den 
vorher  bei  der  Struktur  der  Ooidschalen  beschriebenen  stenge- 
ligen  Geflechten  sind  sie  nicht  zu  verwechseln.  Formen- 
verschiedenheiten  lassen  sich  auch  schon  bei  der  Betrachtung 
weniger  Schliffe  erkennen;  im  einzelnen  durchsetzen  sie  den 
Kalktuff  ziemlich  dicht  gedrangt  in  Form  kleiner  Biischel, 
Polster  oder  flacher  und  kugeliger  Zasammenballung.  Als  ein 
Beispiel  gebe  ich  in  Taf.  XXVI,  Fig.  2  die  Mikrophotographie  von 
Kalktuff  mit  Algenstrukturen.  Ebenfalls  zeigt  sie  Taf.  XXVI,  Fig.  1 
in  der  rechten  Ecke  des  Kernes.  Besonders  fand  ich  diese 
Strukturen  auch  in  Gemeinschaft  mit  kleinen  Ooiden  auftretend, 
sah  sie  in  deren  Kernstiicken  und,  wenn  auch  nur  vereinzelt, 
im  Gefiige  der  Ooidschalen  selbst.  Ihre  Bedeutung  fur  diese 
ist  aber  dann  nur  eine  ganz  untergeordnete,  so  daU  ich  es  fur 
zweckmaBiger  hielt,  sie  bei  der  eigentlichen  Beschreibung  der 
Ooide  nicht  zu  erwahnen,  zumal  bei  der  Schwierigkeit,  iiber 
diese  Strukturen  vollige  Klarheit  zu  gewinnen.  Mit  der  Bildung 
der  Ooide  haben  sie  nichts  zu  tun,  es  kame  ihnen  hochstens 
eine  rein  passive  Mitwirkung  zu  durch  Anhaften  solcher  Algen 
an  Kalkstiickchen  oder  Ooidschalen  von  im  Werden  begriffenen 
Ooiden.  Eine  weitere  Bestimmung  diirfte  nur  durch  Vergleich 
mit  auch  heute  noch  im  kalkhaltigen  Wasser  desselben  Gebietes 
lebenden  Formen  sich  ermoglichen  lassen,  speziell  auch  mit 
solchen,  deren  Lebensweise  (Aufenthalt  in  sprudelndem  Wasser, 
an  Wasserfallen,  Anhaftung  an  im  Wasser  bewegten  Steinen  usw.) 
diesem  Vorkommen  entspricht. 

II.  Rezente  Ooide  von  Neu-Seeland. 

Gegeniiber  den  zahlreichen  Spezialstudien  und  kleineren 
Notizen  iiber  fossile  Oolithe  aller  Art  und  Zeitalter  sind  Mit- 
teilungen  iiber  rezente  Bildungen  nur  sparlicher  vorhanden. 
Auch  die  im  vorangehenden  Aufsatz  zitierten  Pisolithe  und  die 
alluvialen  Kalktuffooide  gehoren  dazu,  deren  Beobachtung  in 

zinkjodlosiiDg  gelang  nicht.  Diese  ptlanzliche  (?)  Substanz,  deren  Vor- 
handensein  ich  daher  nur  mit  allem  Vorbehalt  annehme,  kann  aber 
ebensowohl  allochthon  zugleich  mit  der  Tontriibe  und  dem  Sand  zu- 
gefiihrt  sein. 


327 


statu  nascendi  sich  ermoglichen  laJ3t.  Uber  die  Bildung  kleiner 
Ooide  auf  organischem  und  anorganischem  Wege,  die  durcli 
ihr  massenhaftes  Auftreten  nach  Yerfestigung  zu  typischen 
Oolithen  fiihren  wiirden,  sind  am  Meeresstrande,  in  Seeen  und 
kiinstlichen  Becken  noch  YerhaltnismaBig  die  meisten  Beob- 
achtungen  gemacht1). 

Rezente  Ooide  anderer  Art  sind  die  pisolithischen  Sinter- 
bildungen  aus  abtropfenden  und  am  Boden  sich  sammelnden 
MinerallosungeD,  die  sich  in  Hohlen,  Kliiften,  alten  Berg- 
werksstollen  usw.  fmden.  Ein  Beispiel  davon  zeigte  letzthin 
W.  STAHL2)  an,  wahrend  sie  friiher  schon  yon  F.  Senft3) 
wahrend  der  Bildung  beobachtet  und  ausfuhrlich  beschrieben 
sind.  Dazu  gehoren  auch  die  yon  E.  GEIKITZ4)  beschriebenen 
„Salzoolithe".  Schliefilich  geben  uns  nicht  am  wenigsten  die 
kunstlich5)  erzeugten  Ooide  Gelegenheit,  ihre  Bildungsweise 
zu  studieren. 

Im  folgenden  sei  ein  neues  Vorkommen  mitgeteilt,  welches 
mit  keinem  der  genannten  gleiche  Ursache  hat.  Zu  den 
Ooiden  des  Kartsteins  zeigen  sich  bei  der  Ahnlichkeit  des  Auf- 
baues  und  der  Entstehungsbedingungen  vielfache  BeziehungeE, 
so  dafl  auch  diese  Ooide  ein  rezentes  Beispiel  fur  jene  ab- 
geben  konnen.  Ich  verdanke  das  Material  Herrn  Professor 
Wanner,  der  die  yon  ihm  gesammelten  Ooide  mir  freundlichst 
zur  Beschreibung  uberlieB. 

J)  Ich  verweise  auf  die  Zusammenstellnng  in  der  Einleitang  bei 
F.  Gaub:  Die  jurassischen  Oolithe  der  Schwabischen  Alb.  Geol.- 
Palaont.  Abhandl.  1910. 

2)  W.  SrAiiL:  Pisolithe.  Centralbl.  f.  Min.  usw.  1913,  S.  337 
m.  Textfigur. 

3)  F.  Senft:  Die  Wanderungen  und  Wandelungen  des  kohlen- 
sauren  Kalkes.    Diese  Zeitschr.  13,  1861,  S.  302  ff. 

Der  Einwurf  von  A.  Wichmann  (Uber  sogenannte  Pi^-olithe  aus 
dem  Mansfelder  Flozgebirge,  Centralbl.  f.  Min.  usw.  1913,  S.  457),  daB 
deren  (2)  Deutung  als  Erbsensteine  nicht  beizustimmen  sei,  ist  m.  E. 
gegenstandslos.  Ob  das  Medium,  in  dem  sich  die  Ooide  bilden,  einer 
aufsteigenden  oder  abtropfenden  Losung  entstammt,  hat  keine  Bedeutung 
fiir  deren  Bildung,  die  im  Prinzip  immer  die  gleiche  ist.  Die  Bezeich- 
nung  „Pisolith"  dementsprechend  zu  beschranken,  hat  keine  innere 
Berechtigung,  sie  konnte  traditionell  den  Thermalabsatzen  vorbehalten 
bleiben  (was  aber  nicht  immer  durchgefiihrt  ist)  oder  in  erweiterter 
Anwenduog  zweckmaBig  zur  Unterscheidung  konzentrisch  ohne  radiare 
Anordnung  aufgebauter  Ooidbilduugen  dienen. 

4)  E.  Geinitz:  Rezente  Salzoolithe  von  Jessenitz.  Arch.  Ver.  Fr. 
Naturg.  i.  Mecklenburg  65,  1911,  S.  69,  70. 

5)  Vgl.  besonders  G.  Linck:  Die  Bildung  der  Oolithe  und  Rogen- 
steine.  N.  Jahrb.  Min.  usw.,  Beil.-Bd.  16,  1903,  S.  495—513,  und 
Zeitschr.  f.  Naturw.  45,  1909,  S.  267—278. 


328 


Im  Brunner  Survey -Distrikt,  Siidinsel  von  Neu-Seeland, 
stand  (November  1910)  auf  dem  Olfeld  von  Kotuku  eine 
Bohrung  400  engl.  FuB  tief  in  jungtertiarem  Kalkstein.  Aus 
dieser  spritzte  bestandig  Salzwasser  von  hohem  Kalkgehalt 
heraus,  welches  sich  an  der  Bohrstelle  ausbreitete  und  in 
kleinen  Rinnsalen  abfloB.  In  der  Umgebung  des  Bohrlochs 
bildeten  sich  starke  Sinterabsatze  und  in  dem  abflieBenden 
Wasser  die  merkwiirdigen  Ooide.  An  geschiitzteren  Stellen, 
wo  sie  von  dem  Wasser  nicht  so  leicht  fortgespiilt  werden 
konnten,  lagen  sie  in  groBerer  Menge.  Die  Kugelform 
ist  vielfach  recht  vollkommen  ausgebildet,  besonders  bei 
denen  mittlerer  GroBe,  wahrend  die  groBeren  meist  etwas 
abgenacht  sind.  Das  hangt  aber  nicht  mit  der  GroBe 
oder  Schwere  zusammen,  sondern  diese  zeigen  auch  schon 
in  jiingeren  Wachstumsstadien  flache  Form.  Die  Ooide 
bestehen  aus  Kalkspat,  ebenfalls  mit  Beimengungen  toniger 
Substanz.  Durch  den  Eisengehalt  sind  sie  gelblich  bis  rot- 
braun  gefarbt.  Bemerkenswert  ist  die  Beschaffenheit  der  Ober- 
nache,  die  auch  auf  der  Abbildung  hervortritt.  (Die  glatten 
Stellen  an  den  groBeren  sind  abgescheuert,  so  daB  diese  auch 
nachtraglich  deformiert  sind.)  Sie  ist  mit  unregelmaBig  ver- 
teilten,  aber  meist  gleichgroBen  starken,  hockerigen  Warzen 
bestanden  und  zwischen  diesen  fein  gekornelt.  Nur  in  einem  Falle 
erscheinen  die  Warzen  z.  T.  in  Reihen  angeordnet,  das  ist  aber 
mehr  zufallig  als  gesetzmaBig.  In  gleicher  Weise  wie  die 
flachen  Buckel  der  Kartsteinooide  sind  hier  die  Warzen  durch 
die  innere  Struktur  bedingt,  die,  wie  bei  jenen,  in  der  Kom- 
bination  heller  und  dunklerer  konzentrischer  Lagen  und  radiar 
gerichteter  Strukturelemente  besteht. 

Ihr  gemeinsames  Auftreten  ist  verschieden.  Auf  Taf.  XXIII, 
Fig.  3  zeigt  das  erste  Ooid  von  link  seinen  scharfen  Gegensatz 
in  der  Ausbildung  des  zentralen  Teiles  und  der  auBeren 
Halfte.  Bis  zu  einer  gewissen  GroBe  ist  der  Aufbau  des 
Ooides  aus  konzentrischen  Lagen  sehr  markant  mit  den  scharf 
voneinander  absetzenden  Streifen1).  Wahrend  des  weiteren 
Wachstums  kommt  dagegen  die  Radialstruktur  sehr  stark  zum 
Ausdruck,  wie  iiberhaupt  bei  der  Mehrzahl  der  durchschnittenen 
Exemplare.  Die  radiiiren  Elemente  sind  hier  nicht  feinfaserig, 
sondern  bilden  sehr  kraftige  Faserziige  in  Form  hoch- 
stammiger  Biischel  mit  starken  Seitenasten  und  fiederformiger 
Yerzweigung.     Sie  lassen  sich  bei  einigen  durch  den  ganzen 

')  Im  Diinnschliff  erkennt  man  die  feinfaserige  Radialstruktur  in 
den  hellen  Lagem  Das  leicht  zerreiblicbe  Material  lieB  keine  guten, 
reproduktionsfahigen  Schliffe  herstellen. 


329 


Radius  verfolgen,  bis  sie  in  den  Warzen  der  Oberflache 
endigen.  Die  konzentrischen  dunklen  Lagen  legen  sich  wohl 
den  jeweiligen  Endigimgen  der  Biischel  an,  aber  meist  ohne 
sie  im  Weiterwachsen  zu  unterbrechen,  so  daB  sie  nur  als 
Farbstreifen  hindurchziehen,  was  an  das  Bild  des  Karlsbader 
Sprudelsteins  erinnert.  Scharfere  Unterbrechungen  des  radiaren 
Wachstums  kommen  nur  seltener  vor.  Die  Struktur  ist  also 
im  ganzen  derjenigen  der  Kartstein- Ooide  recht  ahnlich,  mit 
der  Besonderheit,  daB  die  dort  nur  vereinzelt  auftretende 
locker- stengelige  Ausbildungsweise  in  den  Zonen  des  radiaren 
Wachstums  hier  die  herrschende  ist.  DaB  die  feinen  „Dendriten"- 
Geflechte  sinterartige  Ansatze  sind,  ist  ersichtlich.  Die  Ab- 
bildung  der  aDgeschliffenen  Querschnitte  (Taf.  XXIII,  Fig.  3)  zeigt 
sie  allseitig  bei  den  Ooiden,  die  wahrend  ihrer  Bildung  an- 
scheinend  dauernd  in  gleichmaBiger  Bewegung  gehalten  wurden. 
Eine  Ausnahme  macht  das  zweite  Ooid  von  rechts  (s.  Abb.) 
Auch  auBerlich  laBt  dieses  an  einer  Abflachung  der  Unterseite 
erkennen,  daB  es  in  der  zweiten  Halfte  seines  Wachstums 
zeitweilig  festgelegen  hat  und  dadurch  an  der  symmetrischen 
Ausbildung  gehindert  wurde.  Erst  in  den  AuBenzonen  tritt 
wieder  mit  der  konzentrischen  Umschalung  eine  rcgelmafiigere 
Ausbildung  ein. 

Der  durch  die  unterschiedlichen  Lagen  sich  ausdriickende 
Strukturwechsel  kommt  also  zustande  durch  die  auBeren 
Umstande,  welche  das  Ooid  wahrend  seiner  Bildungszeit 
betrafen,  wie  durch  den  Wechsel  in  der  von  auBen  heran- 
tretenden  Stoffzufuhr  zum  Auf  bau  '  des  Ooids.  Das  gilt  fur 
alle  Ooide  von  derartiger  Strukturverschiedenheit. 

Bezuglich  des  Kernes  der  neuseelandischen  Ooide  sei 
noch  gesagt,  daB  dieser  immer  auBerordentlich  klein  ist.  Die 
konzentrische  Lagenstruktur  laBt  sich  auch  bei  den  groBeren 
Ooiden  bis  in  die  Mitte  verfolgen.  Die  eigentlichen  Kerne 
sind  kleine  Kalkpartikel  oder  Sandkorner,  die  bei  der  Auf- 
losung  in  Salzsaure  sich  aus  den  innersten  Umhullungen 
herausschalen.  Uber  die  Zeit,  welche  die  Bildung  der  Ooide 
in  Anspruch  nahm,  ist  nichts  beobachtet.  Als  sie  gesaminelt 
wurdeu,  stand  die  Bohrung  zwei  Jahre. 

Bonner  Geologisch-palaontologisches  Institut.  August  1913. 


Manuskript  eingegangen  im  Oktober  1913.] 


380 


8.  Das  Devon  der  Ostalpen. 

Y. 

Begonnen  von  F.  Frech: 

Die  Fauna  des  devonischen  Riffkalkes. 

III.  Crinoiden. 

Von  Herrn  John  K.  Chaelesworth. 
Hierzu  Tafel  XXVIII  und  XXIX  und  5  Textfiguren. 

Einleitung. 

Nachdem  Frech  im  Jahre  1894  in  dieser  Zeitschrift1)  mit 
der  Beschreibung  der  organischen  Reste  des  unterdevonischen 
Riffkalkes  der  Karnischen  Alpen  und  zwar  zunachst  der  Crusta- 
ceen,  Cephalopoden,  Gastropoden  und  Wurmer  begonnen  hatte, 
wurde  die  Schilderung  der  Fauna,  und  zwar  der  Lanielli- 
branchiaten  und  Brachiopoden  von  Scupin  in  dieser  Zeitschrift2) 
fortgesetzt.  Herr  Frech  hat  mir  sein  gesamtes  Crinoiden-  und 
Korallen-Material  in  freundlichster  Weise  zur  Yerfiigung  gestellt; 
ich  fiilire  deshalb  die  Beschreibung  der  interessanten  Fauna 
im  nachfolgenden  mit  den  Crinoiden  fort,  uni  sie  mit  den 
Korallen,  die  demnachst  erscheinen  sollen,  zum  AbschluB  zu 
bringen.  Auch  an  dieser  Stelle  spreche  ich  hierfiir  Herrn  Frech 
meinen  aufrichtigen  Dank  aus. 

Die  durchgangig  aus  der  FRECHschen  Sammlung  stammenden 
Crinoidenkelche  wurden  nur  z.  T.  *in  der  Hauptkette  der  Kar- 
nischen Alpen  aufgesammelt.  Der  grofiere  Teil  der  Exemplare 
wurde  in  dem  Riffkalk  der  Karawanken  gefunden,  die  ebenfalls 
dem  UnterdeTon  und  zwar  einer  etwas  hoheren  Zone  als  die 
grauen  Kalke  des  Wolayer  Sees  angehoren.    Das  Interesse,  das 


J)  Uber  das  Devon  der  Ostalpen  111.  Die  Fauna  des  unterde- 
vonischen  Riffkalkes  I.  46,  1894,  S.  446,  Taf.  30-37. 

2)  Das  Devon  der  Ostalpen  IV.  Die  Fauna  des  unterdevonischen 
Riffkalkes  II.  57,  1905,  S.  91,  Taf.  5,  6;  58,  1906,  S.  213,  Taf.  11—17. 


331 


die  vorliegenden  Arten  erregeD,  beruht  vor  allem  darauf,  daB 
es  sich  vorwiegend  um  Yorlaufer  der  wohlbekannten  Eifler 
Crinoiden  handelt.  Hierzu  gehoren  die  im  folgendenbeschriebenen 
Arten  der  Gattungen  Bhipidocrinus,  Hexacrinus,  Eucalyptocrinus 
und  Melocrinus.  Nur  der  in  einem  Exemplar  vorliegende 
Megistocrinus  ist  im  deutschen  Mitteldevon  unbekannt.  Sein 
nachster  Yerwandter  ist  aus  Westeuropa  (dem  Unterdevon  von 
Asturien)  von  Oehlert  beschrieben  worden.  Im  Gegensatz  zu 
diesen  Typen  ist  der  einzige  Cyathocrinus  ein  Rest  der  ober- 
silurischen  Fauna.  Die  in  groBer  Menge  in  den  Karnischen  Alpen 
auftretenden  Stielglieder,  die  vermutlich  zu  den  beschriebenen 
Arten  gehoren,  konnten  in  den  meisten  Fallen  nicht  naher  be- 
stimmt  werden. 

BeschreibuDg  der  Arten. 
Fistulata. 
Cyatliocrinidae    F.  Roemer  (emend.  Wachsm.  Spr.). 
Cyathocrinus  Miller 
Syn.  Sphaerocrinus  F.  Roemer 

Palaeocrinus  Billings 
Cyathocrinus  carnicus  n.  sp. 
1894  Cyathocrinus  n.  sp.  Frech,  Karnische  Alpen  S.  255. 

Der  Kelch  ist  schiisselformig  und  bat  eine  ganz  glatte 
Oberflache.  Leider  ist  es  wegen  des  ungiinstigen  Erhaltungs- 
zustandes  der  Basis  unmoglich,  die  Zahl  der  Infrabasalia  (Crypto- 
basalia  von  Schulze)  und  ihre  Abgrenzung  naber  zu  unter- 
scheiden. 

Die  fiinf  groBen  Basalia  umschlieflen  ein  gerundetes  Fiinf- 
eck,  dessen  Durchmesser  ca.  13  mm  betragt. 

Unter  diesen  fiinf  Basalia  sind  vier  von  gleicher  GroBe  und 
fiinfseitig.  "Wahrend  diese  aber  oben  zugespitzt  sind,  ist  das 
fiinfte  und  hintere  oben  horizontal  abgestumpft  und  durch  diese 
Abstumpfung  zur  Aufnahme  der  Analplatte  bestimmt.  Es  ist 
groBer  als  die  iibrigen,  secbsseitig,  mit  den  drei  oberen  Riindern 
von  ungefahr  gleicher  Lange. 

Dariiber  folgen  und  mit  diesen  alternierend,  die  fiinf  gleich 
groBen  Radialia.  Sie  sind  ebenfalls  fiinfseitig,  subquadratisch 
und  sind  mit  einem  breiten,  den  ganzen  Oberrand  einnehmenden 
Gelenkausschnitt  versehen. 

In  der  Mitte  dieser  Gelenkflache  steht  eine  kleinere  keil- 
formige,  zugescharfte  Medianleiste,  die  eine  Divergenz  der  Arme 


332 


bewirkt  hat,  und  die  andeutet,  dafl  jedes  Racliale  articular  fiir 
zwei  Armstarnme  war. 

Die  Entfernung  zwischen  dem  halbmondforniigen  Ausschnitt 
und  der  Leiste,  welche  die  beiden  kiirzeren  Gelenkflachen  trennt, 
betragt  ca.  3  mm. 

Das  Radianale,  das  auf  dem  schrnalen  abgestumpften  Ober- 
rande  des  hinteren  Basale  ruht,  ist  sechsseitig  und  liegt  zwischen 
den  zwei  hinteren  Radialia. 

Die  Kelchdecke  ist  nicht  erhalten.  Nur  die  Articulations- 
flache  der  Basis  der  fiinf  Arme  ist  vorhanden. 

In  einem  kleinen  Stuck  liegt  erne  Saule,  die  sehr  wahr- 
scheinlich  zu  Cyathocrinus  carnicus  gehort.  Sie  ist  aus  sehr 
niedrigen  gleichhohen  Gliedern  zusarnmengesetzt  und  von  einem 
ziemlich  groBen  fiinfseitigen  zentralen  Nahrungskanal  durchbohrt. 
Ihr  Durchmesser  betragt  etwa  8 — 9  mm,  der  des  Kanals  ca.  4,5mm. 

Die  Unterscheidung  zwischen  Taxocrinus  und  Cyathocrinus 
hangt  von  der  Zahl  der  Infrabasalia  ab  und  betragt  drei  bei 
der  ersten  Gattung  und  fiinf  bei  der  letzten. 

Leider  gestattet  der  Erhaltungszustand  der  Basis,  worauf 
schon  oben  hinge wiesen  wurde,  nicht,  eine  Entscheidung  iiber 
die  Zugehorigkeit  der  Art  zu  treffen.  Den  kleinen  erhaltenen 
Nahten  nach  zu  schlieflen,  diirften  wahrscheinlich  fiinf  vorhanden 
gewesen  sein.  Genaueres  lafit  sich  iiber  die  Basis  nicht  auBern. 
Dieser  Umstand  machte  es  notig,  das  Vergleichsmaterial  der 
Breslauer  Sammlungen  zu  Rate  zu  ziehen.  Danach  ist  dieses 
Stiick  zweifellos  ein  Cyathocrinus;  denn  es  zeigt  die  iibrigen 
Merkmale  von  Cyathocrinus  so  deutlich,  dafl  mau,  die  drei  Basalia 
voraussetzend,  die  Art  unbedenklich  zu  dieser  Gattung  stellen 
kann. 

Taxocrinus  affinis  Muller1)  der  Eifel  und  Tax.  multibran- 
chiatus  Lyon  und  Cass2)  des  Kalkes  von  Indiana  zeigen  ganz 
andere  Merkmale,  besonders  in  der  wellenformigen  Ausbilclung 
der  Arme  und  des  Kelches. 

So  steht  die  scheinbare  Ahnlichkeit  der  Zahl  der  Infraba- 
salia in  Ubereinstimmung  mit  den  anderen  Merkmalen  des 
ganzen  Tieres. 

Yon  Cyathocrinus  ramosus3),  Cyath.  longimanus*)  und  Cyath. 
acinotubus  Angelin5)  aus  dem  Obersilur  unterscheidet  sich  die 


•)  Muller:  Neue  Echinodermen  der  Eifel.  S.  244,  Taf.  I,  Fig.  1,  2. 

2)  Araer.  Journ.  Science,  23. 

3)  Angelin  :  Iconographia  Crinoideorum  in  Stratis  Sueciae  siluricis. 
1878,  S.  22,  Tab.  20,  Fig.  1—3. 

*)  EbendaS.22,  Tab.  20,  Fig. 4,  6,  7  ;  Tab.  26,  Fig. 4,  4a- c,  5,  5a  -  b. 
5)  Ebenda  S.  22,  Tab.  20,  Fig.  5. 


333 


beschriebene  Art  durch  die  articulare  Natur  des  Radiale  erster 
Ordimng,  wahrend  bei  den  drei  genannten  Arten  erst  das  Radiale 
dritter  Ordnung  als  Articulare  funktioniert. 

Vorkommen:  Aus  dem  Riffkalk  im  mittleren  Unterdevon, 
Wolayer  Thorl. 

Camerata. 
Hexacrinidae  Wachsm.  Spr. 
Hexacrinus  Austin. 
Hexacrinus  Rostliorni  Frech  mscr. 
1894  Hexacrinus  Rosthorni  Frech,  Karnische  Alpen,  S.  255,  257,  259. 

GroBter        Klein  ster 
Durchmesser  Durchmesser  Hohe 

ca  28  mm      ca  23  mm      ca  18  mm 

„  27   „        „  21  „        „  21  „ 

„  28  „        „  20  „        „  26  „ 

v  36  „        „  26  ,,        „  32  „ 

»   15  „        „  13  „        „  13  „ 

,  IT  ,  „  14  „  ,.  18  „ 
Als  Hohe  des  Kelches  gilt  in  der  vorstehenden  Tabelle 
die  Entfernung  des  Stielansatzes  yon  dem  hochsten  Punkte 
der  Decke.  AuBer  clen  Kelchen,  deren  MaBe  oben  angegeben 
sind,  liegen  nocb  einzelne  Bruchstiicke  vor.  Durch  Konibina- 
tion  der  an  diesen  zahlreichen  yerhaltnisniaBig  giinstig  erhal- 
tenen  Exeniplaren  geroachten  Beobachtungen  ergibt  sich  das 
folgende: 

Der  schusselformige  Kelch  besitzt  eine  ausgesprochen 
zweiseitige  Symmetric ;  die  Langs-Achse  lauft  in  samtlichen 
Fallen  derart,  da8  die  Analplatte  zwischen  ibr  und  der  ktirzeren 
zu  liegen  kommt. 


Fig.  1. 

Kelchdecke  von  Hexacrinus  Rostliorni  Frech. 
In   dem   grauen   und   dem   roten  Kalke  der  Karawanken  bei  Vellach 
und  zwischen  Wolayer  Thorl  und  Wolayer  See  (1 :1).  Vergl.  Taf.l,  Fig. 5c. 

Die  monocyklische'  Basis  besteht  aus  drei  gleichgroBen, 
secbsseitigen  Basalia,  die  ein  kleines,  niedriges,  fast  flach  ge- 
wolbtes  Sechseck  bilden.    Bei  dem  dritten  Exemplar,  dessen 


334 


Dimensionen  oben  angegeben  wurden,  ist  die  Basis,  wie  schon 
aus  deu  Ziffern  zu  entnehmen  ist,  ziemlicli  scharf  zugespitzt; 
denn  wahrend  die  Zahlen  des  langsten  und  kiirzesten  Durch- 
rnessers  bei  den  ersten  drei  Stiicken  zieinlicb  konstant  bleiben, 
tibertrifft  die  Hohenziffer  des  dritten  bedeutend  die  der  zwei 
anderen.  Die  extremen  Formen  aber  sind  durcb  alle  moglichen 
Ijbergange  miteinander  verbunden.  Wenn  aucb  die  GroBe  der 
Kelche  und  das  Yerbaltnis  zwiscben  ibrer  Hobe  und  Breite  in 
gewissen  Grenzen  scbwanken,  so  wird  dadurch  der  aufiere  Ha- 
bitus nur  unwesentlicb  beeinfluBt.  Unmittelbar  am  Anbeftungs- 
punkte  der  Saule  ist  die  Basis  ringforrnig  eingescbnurtodergedriickt. 

Dariiber  folgt  ein  Kranz  von  sechs  Tafelcben,  die  alter- 
nierend  dem  borizontal  abgestunipften  Rande  oder  dem  ein- 
springenden  Winkel  der  Basalia  aufliegen.  Fiinf  yon  diesen  sind 
Radialia,  diefiinfseitig  sind,  aber  einquadratiscbes  Aussehenhaben, 
da  die  kleinen  Oberrander  fast  in  einer  geradenLinie  verlaufen. 

Das  Verhaltnis  zwiscben  ibrer  Hobe  und  Breite  scbwankt 
bedeutend,  bald  ist  die  Hobe  doppelt  so  groB  als  die  Breite, 
bald  sind  beide  einander  fast  gleicb.  Jedenfalls  erweitern  sicb 
die  Radialia  etwas  nacb  oben  und  sind  mit  einem  breiten, 
liber  die  Halfte  des  ganzen  Oberrandes  einnebmenden  Gelenk- 
ausscbnitt  verseben. 

Das  Interradiale  anale,  das  auf  dem  eicspringenden  Winkel 
zweier  Basalia  rubt,  ist  in  der  Mitte  am  breitesten  und  yer- 
scbmalert  sicb  allmablicb  nacb  oben,  obne  iiber  den  Oberrand 
der  angrenzenden  Radialia  binauszutreten.  Die  beiden  das 
Interradiale  begrenzenden  Radialia  sind  etwas  scbmaler  als 
die  drei  iibrigen. 

Die  nacb  gewolbte  Kelcbdecke  ist  mit  18  oder  19  ziemlicb 
grofien  Tafelcben  gepflastert.  Das  secbs-  oder  siebenseitige 
Mitteltafelcben  ist  yon  17  oder  18  anderen  Tafelcben  umgeben, 
die  in  zwei  Kreisen  gruppiert»sind.  In  der  inneren,  kreisfor- 
migen  Tafelcbenreibe  befindet  sicb  der  excentriscbe  After 
und  zwar  zwiscben  dem  Mitteltafelcben  und  dem  Interradiale. 
Bei  den  zwei  Exemplaren ,  deren  Kelcbdecke  gut  erbalten  ist, 
stimmt  die  Anordnung  und  Zabl  der  Plattcben  im  After  nicbt 
liberein.  In  dem  einen  Exemplar  besteht  diese  aus  fiinf  Fimf- 
ecken,  die  ein  secbstes  umscblieBen,  in  dem  anderen  sind  etwa 
ein  Dutzend  kleine  Plattcben  obne  bestimmte  Anordnung  vor- 
banden.  Ob  bierauf  weitere  Spezies  oder  Yarietaten  zu  be- 
griinden  sind,  kann  erst  nacb  Auftindung  eines  vollstandigeren 
Materiales  entscbieden  werden. 

Die  Afteroffnung  ist  nicbt  zu  einer  Proboscis  ausgezogen, 
sondern  bestebt  lediglicb  in  einer  Offnung  der  Kelchdecke. 


335 


Die  ganze  Kelchoberflache  ist  iiuBerst  fein  granuliert,  ihr 
Erhaltungszustand  aber  ist  so  ungiinstig,  daB  man  urspriinglich 
bedeutend  starkere  Granulationen  annehmen  muB. 

Die  cylindrische  Saule  bestebt  aus  iiberall  gleicbhohen, 
auf  den  Gelenknacben  radiar  gekerbten  Gliedern,  die  an  der 
auBeren  Peripherie  mit  einem  kraftigen,  scbarfen  Ringwulst  ver- 
sehen  sind.  Die  Glieder  alternieren  miteinander,  das  eine  ganz 
glatt,  das  andere  mit  Hockercben  bekleidet.  Sie  sind  in  der 
Mitte  yon  einem  verhaltnismaBig  feinen,  runden  Nabrungskanal 
durcbbobrt.    Die  Arme  sind  nicbt  erbalten. 

Die  auBere  Gestalt  der  bescbriebenen  Art  gestattet  keine 
Yerwechslung  mit  den  anderen  Crinoiden  aus  gleicbaltrigen 
Scbicbten  nocb  denen  des  Eifler  Kalkes.  Sie  zeigt  aber  eine 
auffallende  Abnlicbkeit  mit  Hex.  interscapularis  Phill.')  (Platy- 
crinus  granulifer  F.  Romer3),  von  dem  ein  sebr  scbon  erhaltenes 
Exemplar  zum  Yergleich  vorliegt.  Die  westfalische  Art  ist 
bedeutend  groBer,  aber  in  bezug  auf  die  Tafelchenanordnung 
sowie  in  der  auBeren  Gestalt  ist  sie  der  unsrigen  sebr  nabe 
verwandt,  da  in  beiden  Fallen  die  Breite  die  Hohe  um  ein 
Drittel  iibersteigt.  Yon  Hex.  inter  scapular  is  unterscheidet  sie 
sich  durcb  die  kleinere  Gestalt,  die  schmaleren,  das  Interradiale 
begrenzenden  Radialia  und  die  bedeutend  flachere  Xelcbdecke. 

Die  Art  wurde  nach  dem  Kartner  Geologen  genannt,  der 
die  Yerbaltnisse  des  Palaozoicums  von  Karnten  und  Bobmen 
zuerst  ricbtig  beurteilt  hat,  dessen  Beobachtungen  aber  in  un- 
yerdiente  Yergessenheit  geraten  sind. 

Yorkommen:  Ziemlich  haufig  im  grauen  Crinoidenkalk 
und  dem  roten  Kalke  des  oberen  Unterdeyon  yon  Pasterkfelsen 
(Pistotta)  bei  Yellach.  Ferner  in  mittelunterdevonischen 
Scbicbten  (F  2)   zwischen   Wolayer   Thorl   und  Wolayer  See. 

Untersucht  wurden  19  Stiicke. 

Hexacrinus  Frechi  n.  sp. 
1894  Hexacrinus  n.  sp.  Frech,  Karnische  Alpen.    S.  257. 

Kelchdurchmesser  15  mm 
Hohe    ....    19  mm 
Die  Form  des  Kelches  ist  der  eines  umgekehrten,  abge- 
stumpften  Kegels  ahnlich.    Der  untere  Teil  der  Basis  ist  an 

')  Paleozoic  Fossils,  S.  28,  Tab.  14.,  Fig.  39.  Ygl.  Schulze:  Mo- 
nographie  der  Echinodermen  des  Eifler  Kalkes.  Denkschr.  d.  k.  k.  Akad. 
d.  Wiss.,  Math.-Naturwiss.  Kl.  26,  1867,  S.  191,  Taf.  VIII,  Fig.  5. 

2)  Verb.  Naturh.  V.  Rheinland  u.  Westf.  Jahrgang  9  S.  281,  Taf.  2, 
Fig.  1  a— e. 


336 


dem  einzigen  vorliegenden  Exemplar  merit  erhalten.  Gleichfalls 
macht  der  ungiinstige  Erhaltungszustand  des  oberen  Teiles  die 
Abgrenzung  der  Basalia  unmoglich.  Jedenfalls  aber  zeigt  das 
Stiiek,  daB  die  Basalia  verhaltnismaBig  hoch  gewesen  sein 
miissen. 

Die  fiinf  gleichgroBen  Radialia,  fast  so  breit  wie  hoch, 
erweitern  sich  nach  oben. 

Das  Interradiale  anale  ist  bedeutend  schmaler  als  die  Ra- 
dialia, wie  diese  etwas  nach  oben  erweitert.  Die  Radialia  nrid 
das  Interradiale  erscheinen  nndeutlicli  subquadratisch  oder 
trapezformig,  wahrend  sie  eigentlich  fiinfseitig  sind.  Die  Ra- 
dialia zeigen  an  ihrem  oberen  Rand  einen  zieinlich  tiefen  Ge- 
lenkausschnitt,  der  ungefahr  die  eine  Halfte  des  gesamten 
Randes  einnimmt,  so  daB  die  oberen  Ecken  zweier  aneinander- 
grenzender  Radialia  scbarf  zackenartig  hervorragen. 

In  einem  Einschnitt,  der  durch  die  Divergenz  der  schragen 
Oberrander  der  Radialia  zustande  gekomnien  ist,  befindet  sich 
ein  kleines  fiinf-  oder  sechsseitiges  Tafelclien. 

Die  Kelchdecke  ist  ziemlicli  rund  und  stark  gewulbt,  rnit 
sebr  unregelmaBigen,  hockerigen,  blasig  aufgetriebenen  Tafelchen 
bedeckt.  Die  Kelchdecke  ist  so  koch  gewolbt,  da6  sie  die 
obere  Halfte  der  gesamten  Kelchkngel  bildet. 

Die  Analplatte  befindet  sich  in  dem  aufieren  Kreis  der 
Tafelchen. 

Arme  und  Siiule  sind  nicht  erhalten. 

In  iluBerer  Gestalt  zeigt  die  karntner  Art  groBere  Ahnlich- 
keit  mit  Hexacrlnus  e.rcidptus  Goldfuss1)  als  mit  irgendeiner 
anderen  Art. 

Yon  ihr  aber  unterscheidet  sie  sich  durch  das  Yerhalten 
des  Interradiale  anale.  Wie  schon  erwahnt  wurde,  erweitert 
sich  das  letztere  bei  der  beschriebenen  Art  nach  oben;  bei 
der  Eifeler  Art  aber  wird  das  Interradiale  anale  nach  oben 
schmaler. 

Ferner  unterscheidet  sie  sich  durch  die  Ausbildung  der 
Oberflache,  die  bei  Hezacrinus  exculptus  mit  Randleisten  oder 
gerundeten  Randwiilsten  versehen  und  bei  Hex.  FrecJ/i  ganz 
glatt  ist. 

Vorkommen:  In  dem  fleischroten  Kalk  des  unteren  Unter- 
devon  des  Pasterkriffes  bei  Vellach. 


])   Beitriige  zur  Petrefaktenkunde,  S.  347,  Taf.  32  Fig.  3,  a,  b,  c. 


337 


Actinocrinidae  Wachsm.  and  Spr. 
Megistocrinus  Owen  and  Shumard. 
Syn.  Actinocrinus  Hall. 
Megistocrinus  devonicus  n.  sp. 
1894  Megistocrinus  sp.  Frech,  Karnische  Alpen. 

Kleinste  Breite  des  Kelches  36  mm 
Gronte  Breite  des  Kelches  48  mm 
Hohe  des  Kelches  30  mm 

Die  angegebene  groflte  Breite  wurde  in  der,  die  Interradia- 
lia  schneidenden  Ebene,  die  kleinste  Breite  yon  dem 
dorsalen  Interradius  bis  zum  Ventralradius  imd  die  Hohe  yon 
den  Basalia  hinauf  bis  zu  den  Distichalia  zweiter  Ordnung 
gemessen. 

Der  Kelch  ist  breit  und  schlisselformig  mit  ausgepragter, 
zweiseitiger  Symmetrie. 


Fig.  2. 

Projektion  des  Kelches  von  Megistocrinus  devonicus  n.  sp. 
In  dem  Unterdevon  des  Wolayer  Thorls  (1  :  1). 


Die  nur  sehr  wenig  eingesenkte,  monocyklische  Basis  ist 
ein  Sechseck,  das  yon  den  drei  fiinfseitigen,  gleichgroBen  Ba- 
salia gebildet  wird.  Sie  ist  von  den  fiinf  gvoflen  Radialia 
erster  Ordnung  und  dem  Analinterradiale  umschlossen.  Auf 
die   Radialia    erster    Ordnung   folgen   jene   der   zweiten  und 

Zeitschr.  d.  D.  Geol.  Ges.  1914.  22 


338 


dritten  Ordnung.  Die  Radialia  erster  und  zweiter  Ordnung 
sind  sechsseitig,  das  Radiale  axillare  aber  fiinfseitig.  Samtliche 
Radialia  nehmen  nach  oben  an  GroBe  unbedeutend  ab. 

Auf  das  Radiale  axillare  folgen  die  zwei  Distichalia.  Jeder 
Distichalradius,  mit  Ausnahme  des  ventralen,  besteht  aus  zwei 
Distichalia,  yon  denen  das  untere  sechsseitig ,  das  obere  fiinf- 
seitig und  axillar  ist.  Auf  diese  folgen  noch  unregelmaBige 
Palmarien.  In  dem  yentralen  Radius  ist  das  Distichale  axillare 
sechsseitig. 

Auf  den  oberen  Seitenrandern  der  Distichalia  erster  Ordnung 
und  zwischen  den  Distichalia  axillaria  ruht  das  sechs-  oder 
siebenseitige  Interdistichale.  IJber  die  'Form  und  Anordnung 
der  iiber  diesem  Interdistichale  friiher  yorhanden  gewesenen 
Tafelchen  laBt  sich  des  ungunstigen  Erhaltungszustandes  wegen 
kein  AufschluB  geben.  Samtliche  Distichalia  axillaria  sind 
kleiner  als  die  Distichalia  erster  Ordnung  und,  ebenso  wie  die 
Radialia,  breiter  als  hoch.  Das  sechsseitige  Interradiale  erster 
Ordnung  ruht  auf  den  oberen  Seitenrandern  der  Radialia  erster 
Ordnung  und  zwischen  den  Radialia  zweiter  Ordnung.  Darauf 
folgen  zwei  Reihen,  deren  sechs-  oder  siebenseitige  Tafelchen 
nach  oben  an  GroBe  abnehmen  und  miteinander  alternieren. 
Der  Interradius  ist  von  ungefahr  gleicher  Breite  wie  der  Radius. 

Der  Analinterradius  ist  jedoch  breiter  als  die  iibrigen 
Interradien  und  besteht  aus  ziemlich  groBen  Tafelchen.  Das 
erste  ist  groB  und  sechsseitig.  Es  befindet  sich  in  dem  Kranz 
der  Radialia  erster  Ordnung.  Dariiber  folgen  in  drei  Reihen 
die  anderen  Tafelchen  des  Interradius.  Sie  sind  unregelmaBig 
fiinf-,  sechs-  oder  siebenseitig  und  werden  nach  oben  kleiner. 
Die  mittlere  Tafelreihe  zeichnet  sich  von  den  zwei  auBeren 
durch  die  bedeutende  GroUe  der  Tafelchen  sehr  deutlich  aus. 

Nur  der  innere  Abdruck  des  Kelches  ist  erhalten,  so  daB 
es  unmoglich  wurde,  die  urspriingliche  Kelchoberflache  und 
ihre  Ornamentierung  zu  beobachten. 

Kelchdecke,  Arme  und  Saule  sind  ebenfalls  nicht  erhalten. 

Infolge  des  Gebirgsdruckes,  welchem  dieses  Stuck  unter- 
worfen  wurde,  ist  das  Ganze  etwas  zerquetscht,  und  an  einigen 
Stellen  sind  die  Tafelchen  auseinandergerissen.  Doch^der  Erhal- 
tungszustand  ist  geniigend  giinstig,  um  die  yollstandige  Tafel- 
chenanordnung  klarzulegen.  Megistocrinus  ist  vornehmlich  im 
Carbon  entwickelt.  AuBerdem  hat  Oehlekt1)  vor  Jahren  aus 
dem  hoheren  Unterdevon  Asturiens  Meg.  Walisz&wskii  beschrieben. 


l)  Bull.  Soc.  Geol.  de  France.  Ser.  3,  Tome  24,  1896,  S.  818,  Taf. 
26,  Fig.  1-4. 


339 


Mit  ihm  ist  unsere  Art  sehr  nahe  verwandt,  mit  der  sie  sowohl 
in  bezug  auf  ihre  GroBe  als  auch  die  Tafelanordnung  eine 
groBe  Ahnlichkeit  zeigt.  Doch  ist  Meg.  Waleszewskii ,  wie 
Oehlert  selbst  hinwies,  kein  echter  Megistocrinus ,  da  die  Ent- 
wicklung  des  Analinterradius  ganz  abnorm  ist,  der  aus  fiinf 
Tafelreihen  besteht,  wahrend  er  bei  der  karnischen  Art  deren 
drei  zeigt.  Aus  diesem  Grunde  ist  unsere  Art  mit  der  spa- 
nischen  gar  nicht  zu  verwechseln. 

Yon  dem  Typus  Meg.  Evansii  Owen  and  Shum.1)  und  you 
den  anderen  Arten  der  Gattung  unterscheidet  sie  sich  durch 
das  ganze  Aussehen  des  Kelches  und  die  Form  und  Anordnung 
der  Tafelchen. 

Megistocrinus  ist  fast  ausschlieBlich  auf  das  Devon 
und  Carbon  yon  Amerika  beschrankt.  Die  Gattung  wurde 
auBerdem  aus  dem  Carbon  von  Irland  —  Meg.  globosus  (==  Ac- 
tinocrinus  globosus  Phill.)  —  beschrieben. 

Meg.  Waliszewskii  stammt  aus  dem  Unter-  oder  Mitteldevon 
von  Santa  Lucia.  AuBer  den  zwei  Vorkommnissen  von  Spanien 
und  den  Karnischen  Alpen  kommt  die  Gattung  nur  in  hoheren 
Stufen  bis  zum  Carbon  hinauf  vor. 

Yorkommen:   Unterdevon,  Wolayer  Thorl. 

Melocrinidae  F.  Roemer  (emend.  Wachsm.  Spr.). 

Melocrinus  Goldfuss. 

Melocrinus  prostellaris  Frech  mscr. 
1894  Melocrinus  prostellaris  Frech,  Karnische  Alpen  mscr. 

Der  Kelch  ist  birnenformig.  Seine  groBte  Breite  entspricbt 
der  durch  die  Radialia  distichalia  zweiter  Ordnung  gelegten 
Ebene. 

Die  monocyklische  Basis  besteht  aus  vier  ein  Funfeck 
bildenden  Basalia,  von  denen  drei  gleich  und  fiinfseitig  sind, 
das  vierte  etwas  groBer  und  sechsseitig  ist. 

Die  Radialia  erster  Ordnung  stoBen  in  einem  geschlossenen 
Kranz  um  das  Funfeck  zusammen.  Dariiber  folgen  die  Radia- 
lia zweiter  und  dritter  Ordnung.  Samtliche  Radialia  sind 
sechsseitig.  Auch  das  Radiale  axillare  ist,  abweichend  von  der 
bei  den  iibrigen  Arten  der  Gattung  herrschenden  Regel,  sechs- 
seitig. 

Die  Distichalia,  von  denen  einige  gut  erhalten  sind,  sind 
sowohl  in  bezug  auf  ihre  Anordnung  und  GroBe  als  auch  die 


2)  U.  S.  Geol.  Rep.  Iowa,  Wise,  and  Minn.  1852  S.  594,  Taf.  5,  Fig. 
3a,  b. 

22* 


340 


Zahl  ihrer  Seiten  auBerst  unregelmaBig.  In  samtlichen  Fallen 
aber  ist  ein  fiinf-  oder  sechsseitiges  Interradiale  vorhanden, 
das  im  allgemeinen  kleiner  ist  als  die  umgebenden  Distichalia. 
Stets  ist  es  kleiner  als  die  Radialia. 

Was  nun  die  Interradialia  betrifft,  so  bestehen  dieselben 
zunachst  aus  einem  Kranz  yon  fiinf  groBen,  sechsseitigen  Inter- 
radialia erster  Ordnung,  die  sich  auf  die  oberen,  scbragen 
Riinder  der  Radialia  erster  Ordnung  stiitzen  und  zwischen 
den  unteren  Seitenrandern  der  Radialia  zweiter  Ordnung  liegen. 
liber  den  Interradialia  erster  Ordnung  folgen  die  zahlreichen 
anderen,  unregelniaBigen  fiinf-,  seeks-  oder  siebenseitigen  Inter- 
radialia in  zwei  Reiken,  die  fast  unmerklick  nack  oben  an 
GroBe  abnekmen. 


Fig.  3. 

Projection  des  Kelches  von  Melocrinus  prostellaris  Frech. 
In  dem  Unterdevon  des  Wolayer  Thorls  (1 : 1). 

Das  Interradiale  erster  Ordnung  in  dem  Analinterradius 
ist  bedeutend  groBer  als  die  iibrigen  und  acktseitig.  Darauf 
folgen  die  anderen  Interradialia  in  drei  Reiken,  deren  mittelste 
aus  secksseitigen  Tafelcken  bestekt,  wahrend  die  beiden  iiuBe- 
ren  aus  kleineren,  meistens  secksseitigen  Tafelcken  zusammen- 
gesetzt  sind,  die  nack  oben  an  GroBe  abnekmen.  Die  Hoke 
der  Tafelcken  des  Kelches  ist  durchweg  grofier  als  die  Breite. 
Demnach  besitzt  die  alpine  Art  bedeutend  grofiere  Dimensionen 
als  ihre  Nachkommen  im  Eifler  Kalke. 


341 


Kelchdecke,  Saule   und  Arme  wurden  nicht  beobachtet. 

Da  das  Stuck  nur  den  Abdruck  des  Kelches  darstellt,  ist 
es  unmoglich  zu  erkennen,  ob  das  Exemplar  ursprunglich  glatt 
oder  mit  Skulptur  versehen  war. 

In  der  auBeren  Gestalt  zeigt  die  beschriebene  Art  einige 
Ahnlichkeit  mit Melocrinus  stellaris  F.Roemer1),  obwohl  die  letztere 
bedeutend  geringere  Dimensionen  erreicht.  Melocrinus  pro  stellaris 
zeigt  ferner  nicht  die  eigentiimliche  sternartige  Skulptur,  die 
Mel.  stellaris  besonders  cbarakterisiert. 

Vorkommen:   Das  Unterdevon,  Wolayer-Thorl. 

Rhodocrinidae  F.  Roemer. 

Rhipidocrinus  Beyrich. 
Syn.  Rltodocrinus  Goldfuss. 
Bhipidocrinus  praecursor  Frech  mscr. 
1894  Rhipidocrin us  praecursor  Frech,  Karnische  Alpen  S.  255. 

Breite  des  Kelches    .    .    27  mm       33  mm 
Hohe2)  des  Kelches   .    .      9  mm       11  mm 
Saule-Durchmesser     .    .      7  mm       11  mm. 
Der  schusselformige  Kelch  ist  breit  und  hat  eine  glatte  Ober- 
flache.    Die  dicyclische  Basis  ist  etwas  eingesenkt  und  zehn- 


Projektion  des  Kelches  von  Rhipidocri/ws  praecursor  Frech. 
In  dem  Unterdevon  des  Wolayer  Thorls  (1:1). 

seitig,  da  sie  von  den  fiinf  Radialia  und  den  fiinf  Parabasalia 
umgeben  ist.    Der  Erhaltungszustand,  der  iibrigens  nicht  un- 

l)  Verhdl.  d.  naturhist.  Vereins  f.  Rheinland  8,  S.  362,  Taf.  VII, 
Fig.  2a- c. 

3)  Bis  auf  den  Oberrand  des  ersten  Palmare. 


342 


giinstig  ist,  macht  die  Abgrenzung  und  ITnterscheidung  der  In- 
frabasalia  unmoglich.  Die  Basis  ist  von  einem  kleinen,  fiinf- 
lappigen  Nahrungskanal  durchbohrt.  Die  zehnseitige  Basis 
zeigt  funf  langere  Seiten,  die  von  ebenso  vielen  kleinen  unter- 
brochen  sind;  die  ersteren  entsprechen  den  unteren  Randern  der 
Radialia,  die  letzteren  den  kleinen  Parabasalia,  die  sich  zwischen 
die  groBeren  Radialia  einschieben. 

Samtliche  Radialia  erster  Ordnung  sind  sechsseitig  und 
ruhen  auf  den  langen  Seiten  des  Zehnecks,  wahrend  sich  den 
kleinen  Seitenrandern  die  Parabasalia  anfiigen.  Die  anderen 
Seitenrander  sind  bedeutend  langer.  Den  breiten  horizontalen 
Randern  der  Radialia  erster  Ordnung  liegen  die  funf  sechsseitigen 
Radialia  zweiter  Ordnung  auf.  Ihre  unteren  Seitenrander  sind 
langer  als  die  oberen  mit  Ausnahme  der  zwei  den  Analinteradius 
begrenzenden  Radialreihen,  deren  Anordnung  umgekehrt  ist. 
Dem  oberen  Rande  der  Radialia  zweiter  Ordnung  liegt  ein 
Kranz  yon  funf  funfseitigen  Radialia  auf,  die  keilforniig  und 
zugesoharft  sind,  da  sie  axillar  fur  zwei  Distichalreihen  dienen. 

Jeder  Distichalradius  besteht  aus  zwei  Distichalia,  von  denen 
das  untere  sechsseitig,  das  obere  fiinfseitig  und  axillar  ist. 

Auf  diese  Distichalia  axillaria  folgen  kleinere,  sechsseitige 
Palmaria.  Zwischen  den  unteren  Seiten  der  Distichalia  zweiter 
Ordnung  und  auf  den  oberen  Seitenrandern  der  Distichalia 
erster  Ordnung  ruhend  befindet  sich  das  kleine,  siebenseitige, 
symmetrische  Interdistichale.  Samtliche  Distichalia  werden  nach 
oben  zu  kleiner  und  sind  wie  die  Radialia  breiter  als  hoch. 

Die  Interradialia  bestehen  zunachst  aus  einem  Kranz  von 
funf  ziemlich  groBen  Interradialia  erster  Ordnung,  die  auf  den 
kleinen,  horizontalen,  oberen  Randern  der  viereckigen  Parabasalia 
aufliegen  und  von  je  zwei  Radialia  erster  und  zweiter  Ordnung 
begrenzt  sind.  Yier  davon  sind  siebenseitig  und  tragen  liber 
sich  zwei  etwas  kleinere,  sechs-  oder  siebenseitige  Interradialia 
zweiter  Ordnung.  Auf  diese  folgen  noch  andere  unregelmaBig 
sechs-  oder  siebenseitige  Tafelchen,  die  nach  oben  zu  an  GroBe 
abnehmen.  Die  unteren  Interradialia  folgen  zu  Paaren,  ohne  aber 
eine  bestimmte  Anordnung  erkennen  zu  lassen. 

Das  fiinfte  Interradiale  erster  Ordnung  ist  achtseitig.  Auf 
seinen  drei  oberen  Randern  liegen  drei  Interradialia  zweiter 
Ordnung,  von  denen  das  mittelste,  das  Interradiale  anale,  be- 
deutend grbBer  ist  als  die  zwei  anderen. 

IJber  diesen  folgen  drei  kleinere  Interradialia  dritter  Ordnung, 
denen  wiederum  drei  andere  Tafelchen  folgen.  Dariiber  sind 
noch  kleine  Tafelchen  ohne  bestimmte  Gruppierung  vorhanden. 
Samtliche  Tafelchen   des  Analinterradius,   mit  Ausnahme  des 


343 


ersten,  sind  sechsseitig  und  werden  nach  oben  zu  kleiner.  Die 
mittlere  Tafelreihe  ist  bedeutend  grofler  als  die  zwei  aufieren. 

Kelchdecke  und  Arme  sind  unbekannt. 

Die  runde  Saule  ist  ziemlich  dick  und  von  einem  verhaltnis- 
maBig  sehr  kleinen,  fiinfseitigen  Kanal  durchbohrt.  Ihre  ziem- 
lich niedrigen  Glieder  sind  mit  einer  scharfen  Ringwulst  ver- 
sehen. 

JRhipidocrinus  praecursor  ist  in  auBerer  Gestalt  dem  Rhipi- 
docrinus  crenatus  Goldfuss1)  ziemlich  ahnlich,  unterscheidet  sich 
aber,  abgesehen  von  der  netzartigen  Skulptur  und  den  Runzeln, 
die  die  Kelchoberflache  bei  der  Eifler  Art  bedecken,  durch  die 
Kleinheit  der  vierseitigen  Parabasalia.  AuBerdem  beruhren  sich 
die  letzteren  nicht  wie  bei  der  rheinischen  Art,  sondern  sind 
durch  die  Radialia  erster  Ordnung  voneinander  getrennt. 

Yorkommen:   Das  Unterdevon,  Wolayer  Thorl. 

Rhipidocrinus  alpinus  n.  sp. 
1894  Rhipidocrinus  n.  sp.  Frech,  Karnische  Alpen,  S.  257. 

Breite  des.  Kelches  ....  52  mm 
Hohe  des  Kelches  .  .  .  .  17  mm 
Die  dicyklische  Basis  ist  etwas  eingesenkt.  Die  Infrabasalia, 
funf  an  der  Zahl,  bilden  fiber  dem  Stiel  ein  Fiinfeck.  Urn  dieses 
ordnen  sich  die  funf  sechsseitigen  Basalia  an,  deren  Breite 
groBer  als  die  Hohe  ist.  Die  unteren  Seitenrander,  durch 
welche  sich  die  Basalia  vereinigen,  sind  auBerst  kurz,  wahrend 
die  oberen,  die  die  Radialia  erster  Ordnung  umgrenzen,  lang 
sind.  Der  obere  Rand  ist  dem  unteren  parallel  und  stiitzt  das 
Interradiale  erster  Ordnung.  Somit  ist  der  UmriB  der  Basalia 
trapezformig. 

Dariiber  folgen,  auf  den  oberen  Seitenrandern  der  Bas'alia 
ruhend  und  regelmaBig  mit  ihnen  alternierend,  die  funf  fiinf- 
seitigen Radialia  erster  Ordnung.  Ihnen  folgen  die  funf  sechs- 
seitigen Radialia  zweiter  Ordnung. 

Uber  diesen  endlich  folgt  wiederum,  dem  unteren  RaDde 
der  Radialia  zweiter  Ordnung  aufliegend,  ein  Kranz  von  funf 
fiinfseitigen  Radialia,  die  keilformig  sind  und  axillar  fur  zwei 
Distichalradien  als  Stutzpunkte  dienen.  Dort  an  der  Stelle, 
wo  die  Interradialia  distichalia  liegen  sollen,  ist  die  Erhaltung 
des  Kelches  sehr  mangelhaft,  doch  diirften  zwei  Reihen  von 
Interradialia  vorhanden  gewesen  sein. 

Jeder  Distichalradius  besteht  aus  zwei  Radialia  distichalia, 
die   durchgangig  sechsseitig  sind   und   von  denen  das  untere 


J)  Petref.  Germ.    Bd.  I,  S.  211,  Taf.  64,  Fig.  3, 


344 


groBer  als  das  obere  ist.  Ein  Interdistichale,  das  zwischen  den 
Distichalia  liegen  miiBte,  ist  des  schlechten  Erhaltungszustandes 
wegen  nicht  zu  beobachten.  J)och  ist  nacb  der  Form  und  An- 
ordnung  der  Distichalia  die  Yermutung  erlaubt,.  daB  sie  durch 
ein  secbs-  oder  siebenseitiges  Interdisticbale  voneinander  ge- 
trennt  waren. 

Die  drei  Radialia  nebst  den  zwei  Distichalia  schlieBen  sich 
mit  den  benachbarten  zu  einer  unregelmaBigen  Ellipse  zusammen, 
welche  die  sechs  Interradialia  umgrenzt. 

Das  Interradiale  erster  Ordnung,  das  sich  auf  den  ab- 
gestumpften  Oberrand  der  Basalia  stiitzt,  ist  groB  und  sieben- 
seitig.  Die  Radialia  werden  durch  dieses  getrennt,  das  sich 
zwischen  den  Radialia  erster  Ordnung  und  den  unteren,  schragen 
Seiten  der  Radialia  zweiter  Ordnuug  befindet.  Die  Interradialia 
zweiter  Ordnung  bestehen  aus  zwei  kleinen  Tafelchen.  Dar- 
iiber  folgen  noch  zwei  dritter  Ordnung  nebst  einem  oder  zwei 
Tafelchen. 


Projektion  des  Kelches  von  Rhipidocrinus  alpinus  n.  sp. 
Id  dem  roten  Krinoidenkalke  des  unteren  Unterdevon  des  Pasterkfelsens 
bei  Vellach  (1:1). 

Die  Interradialia  sind  mit  Ausnahme  des  ersten  gewohulich 
sechsseitig  und  nehmen  nach  oben  an  Grofle  ab. 


345 


Ira  Kranz  der  Radialia  und  Interradialia  erster  Ordnung 
befindet  sich  das  groBe,  siebenseitige  Tafelchen  des  Analinter- 
radius.  Dariiber  folgen  die  zwei  untersten  Glieder  der  zwei 
auBeren  Tafelreihen;  die  ganze  mittlere  Tafelreihe  einschlieBlich 
der  Analplatte  sowie  die  Tafelchen  der  zwei  anderen  Reihen 
sind  leider  nicht  erhalten.  Doch  diirften  sie  wahrscheinlich  eine 
ahnlicheAnordnurjgbesessenhabenwiebeii?/?ipic/ocr/7?MS2?raecwrsor. 
Samtliche  Tafelchen  sind  breiter  als  hoch. 

Die  Nahte  sind  yertieft,  wie  sich  trotz  der  schlechten  Er- 
haltung  beobachtenlaBt.  TJrspriinglich  wardieOberflachevielleicht 
granuliert. 

Kelchdecke,  Arme  und  Saule  sind  nicht  erhalten. 

In  der  Tafelanordnung  zeigt  die  beschriebene  Art  eine  ge- 
wisse  Ahnlichkeit  mit  Bhvpidocrwus  crenatus  Goldfuss,  weicht 
aber  von  dieser  Art  ab,  eimnal  durch  das  Fehlen  der  eigen- 
tiimlichen,  feinen  Runzeln  und  der  eigenartigen  Skulptur,  die 
die  Eifler  Art  charakterisieren,  dann  auch  durch  die  Lage  der 
groBten  Breite  des  Kelches.  Einerseits  erweitert  sich  der  Kelch 
bei  Rhipidocrinus  crenatus  unrnittelbar  iiber  der  Basis  sackartig, 
so  dafl  haufig  noch  Parabasalia  und  Radialia  erster  Ordnung  in 
der  auf  der  Saule  senkrecht  stehenden  Flache  liegen.  Folglich 
ist  hier  die  groBte  Breite  des  Kelches  zu  bezeichnen.  Anderer- 
seits  liegt  bei  Bhijndocrinus  alpinus  die  grofite  Breite  weit  hoher 
und  zwar  in  der  durch  die  Distichalia  zweiter  Ordnung 
schneidenden  Ebene. 

Ferner  sind  die  vorliegenden  Exemplare  bedeutend  groBer 
als  die  entsprechenden  Crinoiden  des  Eifler  Kalkes,  d.  h.  geradezu 
doppelt  so  groB. 

Die  Hauptmerkmale  der  neuen  Art  bestehen  daher  in  der 
eigentumlichen,  hohen  Lage  der  groBten  Breite  des  Kelches  und 
seiner  bedeuteuden  GroBe. 

Yorkommen:  Ini  roten  Kalk  des  Unterdevon  des  Pasterk- 
felsens  bei  Yellach. 

Calyptocrinidae  Angblin. 
Eucahjpto  cr  inus  Goldfuss. 

Eucahjptocrinus  ex  aff.  rosaceo1)  Goldfuss. 
1894  Eucahjptocrinus  cf.  rosaceo  Frech,  Karnische  Alpen  p.  259. 

Es  liegen  ein  Kelch  und  zwei  isolierte  Basalpyramiden 
vor.     Die  Basis   des  Kelches  zeigt  eine   tiefe,  trichterforrnige 

')  Eucahjptocrinus  aff.  rosaceo  Goi/df. 
1838  Ettcah/ptocrim/s  rosaceusGromv..  Petref.  Geim.S.  335, Tab.  30,  Fig.  6. 


346 


Einsenkung  wie  der  Boden  einer  Weinflasche.  Sie  besteht  aus 
vier  Basalia,  von  denen  das  eine  grower  ist  als  die  drei  iibrigen. 
Der  untere  Teil  des  Kelches  wird  durch  die  fiinf  gleichen,  tra- 
pezformigen  Radialia  erster  Ordnung  gebildet.  Die  anderen 
Tafelchen  der  Radien  sind  nicht  vorhanden.  Die  ganze  Ober- 
flache  ist  rait  auflerst  feinen  Runzeln  und  Granulationen  verziert, 
die  eine  Unterscheidung  der  einzelnen  Tafelchen  schwierig 
machen. 

Die  Saule  ist  nicht  erhalten,  doch  ist  sie,  der  Haftstelle 
nach  zu  urteilen,  ungefahr  rund  gewesen,  hat  aber  die  ganze 
Hohlung  der  Basis  nicht  ausgefiillt. 

Kelche,  Decke   und  Arme   sind  ebenfalls  nicht  erhalten. 

Der  Kelch,  von  dem  nur  der  unterste  Teil  erhalten  vorliegt, 
ist  bedeutend  kleiner  als  die  meisten  dieser  Art.  Wahrend  bei 
dem  beschriebenen  Stuck  der  Kelchdurchmesser  etwa  20  mm 
betragt,  ist  derselbe  bei  den  Exemplaren,  wie  sie  z.  B.  Schulze 
abbildet,  um  das  Zweifache  oder  Dreifache  groBer.  Jedoch 
stimmt  die  Form  des  Kelches  und  die  Anordnung  der  Tafelchen 
mit  der  genannten  Art  gut  iiberein,  so  daB  die  Zugehorigkeit 
zu  einer  vermutlich  neuen  Art  aus  der  Yerwandtschaft  von 
Eucalyptocrinus  rosaceus  sehr  wahrscheinlich  ist.  Richtig  ist 
jedenfalls  der  Nachweis  des  Yorkommens  dieser  Gattung  im 
Unterdevon  der  Alpen,  da  die  Gattung  mit  Bhipidocrinus  cre- 
nalus  zu  den  haufigsten  und  charakteristischsten  Crinoiden  des 
Mitteldevon  gehort. 

Yorkommen:  Im  unterdevonischen,  grauen  Crinoidenkalk 
des  Pasterkfelsen  bei  Yellach. 

Zusammenfassung. 

Unter  den  acht  beschriebenen  Crinoidenarten  stammen 
Ctjathocrinus  carnicus,  Megistocrinus  devonicus,  Melocrinus  prostel- 
laris  und  Rhipidocrinus  praecursor  aus  dem  Unterdevon  des  Wo- 
layer  Thorl.  Die  anderen  Arten  kommen  in  den  Karawanken 
bei  Yellach  in  dem  oberen  Unterdevon  vor  und  zwar  Euca- 


1853  Eucalyptocrinus  rosaceus  De  Koninck  et  Lehon,  Recherches  sur  des 
Crinoids  du  Terrain  Carbonifiere  de  la  Belgique  S.  73. 

1855  Eucalyptocrinus  rosaceus  F.  Romer,  Lethaea  Geognostica  S.  259,  Tab. 
4  Fig.  20  a-c. 

1866  Eucalyptocrinus  rosaceus  Schulze,  Monographie  der  Echinodermen 
des  Eifler  Kalkes.  Denkschr.  d.  k.  k.  Akad.  d.  Wiss.  S.  90,  Tab. 
11,  Fig.  1-14. 

1885  Eucalyptocrinus  rosaceus  Wachsmuth  and  Springer.    Revision  of 

the  Palaeocrinoidea,  Part  III,  S.  134. 
1895  Eucalyptocrinus  rosaceus  Holzapfel,  Oberes  Mitteldevon  im  Rhei- 

nischen  Gebirge.   Abh.  d.  Kgl.  Geol.  Landesanst.  N.  F.  16,  S.  303. 


347 


lyptocrinus  ex  aff.  rosaceus  in  dem  grauen  Crinoidenkalk,  Rhipi- 
docrinus  alpinus  und  Hexacrinus  Freeh i  in  dem  roten  Crinoiden- 
kalk, wahrend  Hexacrinus  Rosthorni  an  alien  drei  Fundorten 
gesanimelt  wurde. 

Da  Frech  aus  anderen  Griinden  das  Alter  des  Riffvor- 
kommens  bei  Vellach  als  jiingeres  Unterdevon  gleich  Gl  von 
Bohmen  gedeutet  hat,  bildet  die  Bestimmung  der  Crinoiden- 
kelche  eine  weitere  Stiitze  fur  diese  Anschauung. 

Bemerkenswert  sind  die  bedeutenden  Dimensionen,  die  die 
Kelche  des  grofleren  Teiles  der  beschriebenen  Art  erreichen. 
Sie  iibertreffen  bei  weitem  die  entsprechenden  mitteldevonischen 
meistens  in  der  Eifel  vorkommenden  Nachfolger  derselben  Gat- 
tungen.  Nur  Eucalyptocrinus  ex  aff.  rosaceo  und  Hexacrinus 
Rosthorni  bilden  in  dieser  Hinsicht  eine  Ausnahme.  Dieser 
Groflenunterschied  ist  wohl  darauf  zuruckzufuhren,  daJ3  die  Eifler 
Arten  in  dem  schlammigen  Wasser  der  Crinoidenschicht  lebten, 
wahrend  die  karnischen  bzw.  Karntner  Formen  in  einem  fast 
chemisch  reinen  Kalk  vorkommen.  Dafl  fur  festgewachsene 
Meerestiere  wie  Korallen  und  Crinoiden  die  Lebensbedingungen 
im  reinen  Wasser  im  allgemeinen  giinstiger  sind  als  in  schlamm- 
getriibten  Meeresteilen,  ist  eine  aus  der  Gegenwart  bekannte 
Tatsache. 

Manuskript  eingegangen  am  24.  November  1913.] 


IV.  Korallen  und  Stromatoporoiden. 

Von  Herrn  John  K.  Charlesworth. 

(Hierza  Tafel  XXX-XXXIV.) 
Einleitung. 

Die  folgende  Arbeit  iiber  die  Korallen  bildet  den  SchluB 
der  Beschreibung  der  unterdevonischen  Fauna  der  Ostalpen, 
die  yon  Frech1)  mit  der  Beschreibung  der  Crustaceen,  Cepha- 
lopoden,  Gastropoden  und  Wurmer  im  Jahre  1894  begonnen 
wurde  und  von  Scupin2)  mit  der  Beschreibung  der  Lamelli- 
branchiaten  und  Brachiopoden,  vom  Verfasser  mit  der  der  Cri- 


')  Die  Fauna  des  unterdevonischen  Riffkalkes  I.  Diese  Zeitschr. 
46,  1894,  S.  446,  Taf.  30-37. 

3)  Das  Devon  der  Ostalpen  IV.  Die  Fauna  des  unterdevonischen 
Riffkalkes  [I,  57,  1905,  S.  91,  Taf.  5,  6;  58,  1906,  S.  213  Taf. 
11-17. 


348 


noiden  fortgesetzt  wurde.  Herr  Frech  hat  mir  die  Liebens- 
wiirdigkeit  erwiesen,  sein  gesamtes  Korallenmaterial  in  freund- 
lichster  Weise  zur  Verfiigung  zu  stellen,  um  die  Beschreibimg 
der  Fauna  zum  AbschluB  zu  bringen.  Ich  mochte  ihm  auch 
an  dieser  Stelle  dafiir  meinen  aufrichtigen  Dank  aussprechen. 

Nach  den  Brachiopoden  bilden  die  Korallen  die  zahlreichste 
und  wichtigste  Tierklasse  des  karnischen  Unterdevons.  Leider 
lieB  der  Erhaltungszustand  oft  viel  zu  wiinscben  iibrig,  so  daB 
Beobacbtungen  iiber  die  Innenstruktur  mittels  Langs-  und 
Querschliffen,  wo  es  angebracht  gewesen  ware,  nicht  immer  er- 
folgen  konnten.  Docb  gestattet  das  Material  in  den  meisten 
Fallen,  wenigstens  einen  SchlifT  anzufertigen. 

Samtliche  Stiicke  stammen  von  den  Fundorten  Wolayer 
Thorl,  Seekopf-Thorl,  oberes  Yalentin-Tal  und  Cellonkofel1). 

Von  den  vier  Fundorten  befindet  sich  der  PlockenpaB 
ostlich  des  Cellonkofels,  wahrend  die  Fundorte  Wolayer  Thorl, 
Seekopf-Thorl  und  oberes  Yalentin-Tal  unmittelbar  nebenein- 
ander  liegen.  Der  Cellonkofel  ist  dadurch  wichtig,  dafl  die 
vorliegenden  Korallen  die  einzigen  organischen  Reste  sind, 
die  hier  uberhaupt  gefunden  wurden.  Sie  zeichnen  sich  durch 
gute  Struktur  aus,  wodurch  die  geringe  Zahl  der  Exemplare 
gewissermafien  ausgeglichen  wird.  Die  Struktur  ist  bedeutend 
besser  als  bei  den  weiter  westlich  aufgesammelten  Stticken. 
Wesentliche  Unterschiede  wurden  nicht  beobachtet,  so  da£ 
der  Zusammenhang  mit  dem  westlichen  Teil  des  Hochgebirgs- 
kammes  sicher  steht.  Von  den  vier  genannten  Fundorten  hat 
sich  das  Wolayer  Thorl  bei  weitem  als  das  reichhaltigste, 
sowohl  in  bezug  auf  Artenreichtum  wie  Zahl  der  Exemplare, 
erwiesen. 

D